Zeckerin (dpa/bb) — Mehrere mutmaßlich rechte Jugendliche haben in einem Jugendclub in Zeckerin (Elbe-Elster) randaliert sowie unter anderem «Sieg Heil» gerufen. Es seien sechs Verdächtige im Alter von 15 bis 17 Jahren festgestellt worden, teilte die Polizei am Sonntag mit. Sie sollen die Inneneinrichtung des Clubs erheblich beschädigigt und «Nazi-Symbolik» verwandt haben. Es wurden Verfahren wegen Sachbeschädigung und Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole eingeleitet. Der Vorfall ereignete sich bereits am Donnerstagabend.
Jugendliche Hausbesetzer
(MAZ-Polizeireport vom 21.04.2006) Geltow (Potsdam-Mittelmark) Am Donnerstagnachmittag bekamen die Beamten der Wache Werder die Information, dass sich mehrere Personen unberechtigt in einem leer stehenden Geltower Einfamilienhaus aufhalten sollen. Vor Ort stellten die Beamten fünf Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren fest. Auf Nachfrage gaben die Jugendlichen an, dass sie sich seit zirka zwei Wochen in dem Haus treffen. Im Obergeschoß hatten sie ein Zimmer mit Sitzgelegenheiten ausgestattet. Alle Jugendlichen wurden des Hauses verwiesen und aufgefordert ihre persönlichen Gegenstände zu entfernen. Die Kripo Werder ermittelt jetzt zum Verdacht des Hausfriedensbruches.
Die Radio-Enthusiasten und ihre SympathisantInnen des “Freien Radio Potsdam
— Verein zur Schaffung eines nicht-kommerziellen Radiosenders in Potsdam”
sind noch bis 12. Mai täglich “on Air”: als SendemacherInnen des
“dAzwischenFUNK” auf 95,2 Mhz täglich ab 20.00 Uhr im gesamten Potsdamer
Stadtraum.
Möglich ist dieser Veranstaltungsfunk durch das 4‑wöchige Radio “Himmlische
Vier”, der “dAzwischenfunk” ist als SENDUNG mit wechselndem Programm zu
verstehen.Von 20.00 Uhr bis in die frühen Morgenstunden steht die Sendung
als offene Plattform allen Interessierten zur Verfügung, die Radio machen
möchten. Es ist alles möglich: Die eigene Plattensammlung mal einem
geneigten Publikum vorzustellen, Hörspiele vorführen, Themen diskutieren,
die unter den Nägeln brennen,… Der vorläufige Sendeplan findet sich im
Anhang und täglich aktualisiert auf der Homepage www.freiesradiopotsdam.de !
Technik-Workshops für Radio-NeueinsteigerInnen finden statt am: 28. April,
03. Mai und 06. Mai, jeweils ab 18.00 Uhr (Via eMail anmelden und
Örtlichkeit erfragen! Spendenempfehlung Teilnahme: 3 — 7 Euro).
Wir wollen mit dem “dAzwischenFUNK” eine Sendung gestalten, die ein erster
Vorgeschmack darauf sein kann, wie sich ein Freies Radio in Potsdam anhören
könnte — wenn wir es schaffen, die Landesmediengesetzgebung dahingehend zu
verändern, dass nichtkomerzieller Lokalfunk auch in Berlin-Brandenburg
möglich wird! Wir schaffen Gegenöffentlichkeit, indem wir allen eine Stimme
geben, die in den staatlichen und komerziellen Medien keie Stimme haben!
Hier werden KonsumentInnen zu ProduzentInnen, wir sind zugangsoffen und
arbeiten möglichst interaktiv! (Anmeldungen für Sendeplätze via eMail an:
freiesradiopotsdam@gmx.de)
Nähere Infos:
Freies Radio Potsdam
Projekträume 12x30
Friedrich-Ebert-Str. 115
14467 Potsdam
freiesradiopotsdam@gmx.de
fon: 0331–7023227
Wegen einer Erkrankung kann Kurt Goldstein leider am Dienstag, dem 25.04. 19 Uhr
nicht zu unserem Gespräch ZUR PERSON in die Stadtteilkneipe Nowawes
(Babelsberg, Großbeerenstr.5) kommen. Wir hoffen, dass es ihm bald wieder so gut
geht, dass wir die Veranstaltung nachholen können.
Stadtteilkneipe Nowawes statt:
Wir freuen uns, dass Ludwig Baumann seine Teilnahme sehr kurzfristig zugesagt hat:
Ludwig Baumann wurde am 13. Dezember 1921 in Hamburg als Sohn eines
Tabakgroßhändlers geboren. Er erlernte den Beruf des Maurers.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland trat er als junger
Mann weder der Hitler-Jugend noch der NSDAP bei. Als 19jähriger wurde Ludwig Baumann
in die Wehrmacht eingezogen. Am 03.06.1942 desertierte er gemeinsam mit seinem
Freund Kurt Oldenburg bei Bourdeaux/Frankreich aus Hitlers Armee. Zu seinen Motiven
erklärt Ludwig Baumann heute: “Ich hatte erkannt, daß es ein verbrecherischer,
völkermörderischer Krieg war.”
Bereits am folgenden Tage wurden die beiden Freunde von deutschen Grenzposten
gestellt. Obwohl Ludwig Baumann und Kurt Oldenburg bewaffnet waren, vermochten sie
es nicht, ihre Waffen gegen andere Menschen einzusetzen. Baumann: “Menschen töten,
das konnten wir nicht.” Ludwig Baumann wurde am 30.06.1942 wegen “Fahnenflucht im
Felde” zum Tode verurteilt. Von der Umwandlung der Todesstrafe in eine 12jährige
Zuchthausstrafe erfuhr er erst nach Monaten täglicher Todesangst. Jeden Morgen
rechnete er mit seiner Hinrichtung. Ludwig Baumann wurde in das KZ Esterwegen, eines
der berüchtigten Moorlager im Emsland, und später in das Wehrmachtsgefängnis Torgau
transportiert. In Torgau erlebte Ludwig Baumann, wie Tausende andere Deserteure
hingerichtet wurden. Seine Angst verließ ihn seitdem nicht mehr.
Wie viele andere Deserteure wurde Ludwig Baumann in das sogenannte
Bewährungsbataillon 500 an die Ostfront gezwungen. Dennoch überlebte Baumann den
Krieg. Nach Rückkehr aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft hatte er es schwer in
einer Gesellschaft, in der Deserteure noch immer als “Feiglinge” geächtet wurden. Er
vertrank sein Erbe in kurzer Zeit.
Erst als seine Frau bei der Geburt des sechsten Kindes starb, gelang es ihm, sich
vom Alkohol zu lösen. Er war von nun an für seine Kinder allein verantwortlich. In
dieser Zeit begann Ludwig Baumann, sich in der Friedens- und “3.Welt”-Bewegung zu
engagieren. 1989 gründete er mit etwa 40 noch lebenden Wehrmachts-Deserteuren die
“Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz”, um eine Aufhebung der
Unrechtsurteile gegen Deserteure, “Wehrkraftzersetzer und Selbstverstümmeler”
durchzusetzen und deren vollständige Rehabilitierung zu erreichen. Dieses Ziel ist
inzwischen weitgehend erreicht.
Ludwig Baumann engagiert sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und für
eine Gedenk- und Geschichtspolitik, die die Unterschiede zwischen Tätern und Opfern
nicht verwischt. Ob er mit der Wehrmachtsausstellung durch Europa tourt, auf dem
Bremer Bahnhof zu einberufenen Rekruten spricht oder gegen eine ahistorische
Gleichsetzung von DDR- und Naziunrecht in Torgau eintritt — es gibt vieles, was
Ludwig Baumann bewegt und worüber wir mit ihm sprechen möchten:
Im Jahre 1994 wurde Ludwig Baumann mit dem “Sievershäuser Friedenspreis” und 1995
mit dem “Aachener Friedenspreis” ausgezeichnet. Die eigens dafür gegründete
“Potsdamer Initiative” schlug ihn zur Nominierung für den Friedensnobelpreises im
Jahre 1996 vor.
Die Veranstaltung wird organisiert durch Freunde der Pasteurstr.33 e.V. und durch
die Landeszentrale für politische Bildung gefördert.
news update im vorfeld der antifa-demo in finsterwalde, 22.4. 14:00 Bhf.
die eigentliche seite ist seit 4 tagen nicht mehr updatebar (amt inna leitung?) deswegen hier. schikanöser auflagenbescheid weggeklagt; kundgebungen am ordnungsamt & sowjet. ehrenmal bewilligt; intervention der russ. botschaft; bullenbriefe an fiwa — aktivistInnen; and more…
news update:
die infoseite http://www.keineschweigendenprovinzen.de.vu ist seit vier tagen auch für die webmasterInnen nicht mehr zugänglich, daher haben wir indy/inforiot als updatebasis gewählt… wenn möglich, bitte trotzdem bei indy auf die startseite packen.
immerhin ists ja auch ein bericht, wie das schweigen der provinz gerade ein wenig durcheinander gerät…
13.4.
laut auflagenbescheid wird ein teil der route durch die innenstadt / bei der stadtverwaltung vorbei sowie die kranzniederlegung am sowjetischen ehrenmal — 61. jahrestag der befreiung finsterwaldes vom hitlerfaschismus — verboten.
18.4.
gegen den auflagenbescheid wird widerspruch vor dem vg cottbus eingelegt, welches das verfahren an das vg potsdam abgibt
19.4.
offener brief der veranstalterInnen an die botschaft der russischen föderation. (s.u.)
pressemitteilung (s.u.)
20.4.
cops aus finsterwalde sehen ein, dass der auflagenbescheid rechtlich unhaltbar ist und schlagen von sich aus kompromiss vor: kundgebung am ordnungsamt und kranzniederlegung am sowjet. ehrenmal werden jetzt doch bewilligt. die route durch die wallachei (außerhalb der innenstadt und der stadtverwaltung) ist vom tisch. sie befürchten, das verfahren vor dem verwaltungsgericht zu verlieren und knicken vorher ein. kosten trägt zu 100% das land brandenburg.
veranstalterInnen nehmen den vergleich an.
russische botschaft interveniert beim innenministerium in potsdam.
21.4.
russische botschaft benachrichtigt veranstalterInnen, signalisiert verhandlungsbereitschaft des innenministeriums und gibt veranstalterInnen die nötigen telefonnummern.
aktivistInnen aus finsterwalde bekommen “gefährderansprachen” von den cops: “du du du böseR sei bei der demo friedlich sonst fährst du ein…”
ordnungsamt elbe elster leitet bußgeldverfahren gegen anmelder ein, weil angeblich kein visdp auf dem plakat sei. androhung von 25.000 ? geldstrafe. kommentar des anwalts des anmelders: ” das können die total vergessen, die hören von mir…”
anruf der veranstalterInnen beim innenministerium. aufforderung an selbiges in diplomatischerer form, den cops in fiwa doch bitte klarzumachen (als vorgesetzte behörde) in zukunft von juristisch unhaltbaren auflagenbescheiden abzusehen. beschwerde über schikanen des ordnungsamtes (s.a. offener brief weiter unten). angebot des referenten, einen brief über schikanen des ordnungsamtes ans ministerium zu schicken, sie seien “infolge der ereignisse in potsdam sehr sensibilisiert für derartige vorgänge”…
pds kreisvorstand elbe elster unterstützt die demo nicht, sie halten gespräche mit nazis für sinnvoller… kommentar der veranstalterInnen “was will mensch von sozialdemokröten und altstalinos auch anderes erwarten… küsst die faschisten wo ihr sie trefft…”
22.4.
zugtreff berlin: 12:30 Uhr Ostbahnhof
kundgebungbeginn finsterwalde: 14:00 Bahnhof
demobeginn finsterwalde: 15:00 Bahnhof
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PRESSEMITTEILUNG
Veranstalter der Antifa ? Demonstration am 22.4. in Finsterwalde legen Rechtsmittel gegen Auflagen ein
Offener Brief an die Botschaft der russischen Föderation
Gegen die Auflagen für die Antifaschistische Demonstration in Finsterwalde am 22.4. 2006 14 Uhr am Bahnhof haben die Veranstalter Widerspruch eingelegt.
Nach Vorstellungen der zuständigen Polizei soll die Route nicht durch die Innenstadt gehen. Dagegen wird vor dem Verwaltungsgericht Potsdam geklagt.
Verboten wurde wegen Baufälligkeit des Sowjetischen Ehrenfriedhofs auch eine Gedenkkundgebung für die Gefallenen der Roten Armee anlässlich des 61. Jahrestages der Befreiung Finsterwaldes vom Hitlerfaschismus. Auch dieses Verbot wird vor dem Gericht angefochten.
Die Veranstalter wenden sich in einem Offenen Brief an den Botschafter der Russischen Föderation, S.E. Herrn Vladimir V. Kotenev, er möge diplomatisch bei den zuständigen Behörden der Stadt Finsterwalde intervenieren, so dass Antifaschisten und Antifaschistinnen auch nachgeborener Generationen das Gedenken an die Befreier und Befreierinnen Finsterwaldes möglich ist. (siehe Folgeseite / Anhang).
Gegen die neonazistischen Verfasser des die Demonstration diskreditierenden Flugblattes (die Lausitzer Rundschau berichtete) haben die Veranstalter Strafanzeige gestellt.
Berlin, den 19.4. 2006
Für die OrganisatorInnen
— autonome antifa finsterwalde
— B.A.N.G. ? Berliner Anti-NATO-Gruppe
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Berlin / Finsterwalde, den 19.4. 2006
OFFENER BRIEF
An
Seine Exzellenz
Herrn Vladimir V. Kotenev
Botschafter der Russischen Föderation
Botschaft der Russischen Föderation
Sehr geehrter Herr Botschafter,
Anlässlich des 61. Jahrestages der Befreiung Finsterwaldes (Niederlausitz) vom Hitlerfaschismus führen wir ? Antifaschistinnen und Antifaschisten unterschiedlicher Generationen und Herkunftsländer ? am 22.4. dort eine antifaschistische Demonstration durch.
Neben dem immer noch aktuellen Thema Neofaschismus / Revanchismus beabsichtigen wir eine Gedenkkundgebung und Kranzniederlegung für die Gefallenen der Roten Armee am dortigen Sowjetischen Ehrenfriedhof. Dies wurde uns durch die zuständige Polizeibehörde in Absprache mit dem Ordnungsamt per Auflagenbescheid untersagt:
Die Kundgebung am Russischen Ehrenfriedhof kann auf Grund der starken Baufälligkeit des gesamten Geländes nicht durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich konkret um das Ehrenmal, die Grabsteine sowie die gesamte steinerne Umzäunung des Friedhofes. Nach Rücksprache mit der Stadtverwaltung ist das Betreten generell verboten, das heißt, das gesamte Gelände gesperrt. (aus dem Auflagenbescheid vom 13.4. d.J.).
Wir halten diesen Umstand für skandalös.
Wir appellieren an Sie, mit den Ihnen zur Verfügung stehenden diplomatischen Mitteln bei den zuständigen Behörden der Stadt Finsterwalde und des Landes Brandenburg zu intervenieren. Auch nachgeborenen Generationen soll das Gedenken an die Befreierinnen und Befreier Finsterwaldes vom Hitlerfaschismus am Ehrenmal für die Gefallenen der Roten Armee ermöglicht werden. Antifaschistische Jugendliche aus Finsterwalde ? die Autonome Antifa Finsterwalde ? haben sich mehrfach bereit erklärt, ehrenamtlich bei der Restaurierung der Gedenkstätte mitzuwirken. Dieses Ansinnen wurde ihnen vom zuständigen Ordnungsamt verwehrt.
Mit der Bitte um Unterstützung verbleiben wir
mit antifaschistischen Grüßen
Autonome Antifa Finsterwalde, Berliner Anti-NATO-Gruppe
v
Homepage:: http://www.keineschweigendenprovinzen.de.vu |
Am heutigen Samstag den 22.04.2006 fand eine Demonstration in Berlin und Potsdam für Bewegungsfreiheit, UNO-Kinderrechte und Bleiberecht statt.
Rund 400 Leute ließen sich vom regnerischen Aprilwetter nicht davon abhalten daran teilzunehmen.
Der Demonstrationszug aus Potsdam startete um 12:30 Uhr am Hauptbahnhof. Nach einer Kundgebung am Platz der Einheit ging es weiter zur Glienicker Brücke, wo die Berliner schon warteten.
Die Brücke war über Jahrzehnte Symbol der Teilung Deutschlands. Hier verlief die Grenze zwischen DDR und West-Berlin. Doch auch heute stellt die Brücke aufgrund der Residenzpflicht für Flüchtlinge weiterhin eine Grenze dar.
Eine vom Demonstrationszug symbolisch errichtete Mauer wurde unter lauten Rufen “Die Mauer muss weg” eingerissen.
In den Redebeiträgen wurden die Politiker und Politikerinnen u.a. dazu aufgerufen Kinder- und Menschenrechte umzusetzen und eine großzügige Bleiberechtsregelung für die in Deutschland lebenden Flüchtlinge zu verabschieden. Am 4./5. Mai tagt in Garmisch-Patenkirchen die Innenministerkonferenz (IMK), wo das Bleiberecht auf der Tagesordnung steht.
Die Demonstration war Teil eines bundesweiten Aktionstags. Sie wurde organisiert von der Brandenburger und Berliner Gruppe von J.O.G. (Jugendliche ohne Grenzen), eine bundesweite Initiative von Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien. Unterstützt haben weiterhin das Aktionsprogramm “Hier Geblieben!”, der Flüchtlingsrat Berlin, Flüchtlingsrat Brandenburg, Bleiberechtsgruppe BBZ Berlin sowie FIB Berlin/ Brandenburg.
Weitere Bilder und O‑töne gibt es hier.
Alibis gegen Spuren
KARLSRUHE/POTSDAM taz/afp/ap Die wegen des rassistischen Mordversuchs in Potsdam festgenommenen Männer bestreiten die Tat. Generalbundesanwalt Kay Nehm setzt auf Zeugenaussagen, Spuren am Tatort und die Stimmen auf der Mailbox der Frau des Opfers. Ein Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe wollte gestern über den Haftbefehl entscheiden. Das Opfer, ein 37 Jahre alter Deutschäthiopier, schwebt weiter in Lebensgefahr.
Am Donnerstag waren ein 29 und ein 30 Jahre alter Mann festgenommen und tags darauf nach Karlsruhe geflogen worden. Sie werden beschuldigt, den Mann am Ostersonntag in Potsdam so lange geschlagen zu haben, bis er stark blutete und reglos am Boden lag. Der Familienvater liegt im Koma.
“Beide Beschuldigten haben bestritten, mit der Tat überhaupt etwas zu tun zu haben, und haben auch ein Alibi vorgelegt”, sagte Generalbundesanwalt Nehm. Die Mutter eines Verdächtigen sagte, ihr Sohn habe mit hohem Fieber im Bett gelegen. Nehm stellte fest, das Bestreiten der Tat sei ein “alltäglicher Vorgang”. Am Tatort seien auf Flaschenscherben Blutspuren gefunden worden, die nicht vom Opfer stammten. Ein DNA-Test solle nun zeigen, ob das Blut von den Verdächtigen stammt. Zudem haben die Ermittler die Aufnahmen von der Handymailbox der Frau des Opfers, auf denen Stimmen “Nigger” und “Scheißnigger” rufen.
In Potsdam demonstrierten am Abend ca. 4.000 Menschen gegen Fremdenhass. Das Teilnehmerspektrum reichte von empörten Rentern bis zu Nachbarn des Opfers. Oberbürgermeister Jann Jakobs rief zu Wachsamkeit auf: “Ich bitte Sie, achten Sie auf den alltäglichen Rassismus. Seien Sie aufmerksam im Alltag.” Der Doktorvater des Opfers, Geyer, wies auf die große Bedeutung, die ausländische Wissenschaftler in der Region hätten. “Wir sind stolz auf ihre Arbeit. Aber wir sind als Arbeitgeber auch für sie verantwortlich. Wie sollen wir sie vor solchen Exzessen schützen?”
Nehm und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) lieferten sich unterdessen einen verbalen Schlagabtausch. Nehm erklärte, es gebe bei der Tat erhebliche Verdachtsmomente für eine rechtsextremistischen Gesinnung. Schönbohm zweifelte einen fremdenfeindlichen Hintergrund hingegen an. Die beiden Verdächtigen seien in keiner der bekannten rechtsextremistischen Organisationen Brandenburgs aktiv gewesen. Laut Presseberichten soll einer der Täter der rechtsextremen Szene nahe stehen.
Nehm wiederum rügte, dass Schönbohm noch vor den Festnahmen eine heiße Spur vermeldet hatte. Die Äußerungen von Innenministern seien “nicht unbedingt hilfreich” für die Ermittlungen. Das Eingreifen des Generalbundesanwalts sei juristisch höchst fragwürdig, gab daraufhin der Brandenburger CDU-Generalsekretär zurück. Der Minister und der Chefermittler fetzten sich schon bei früheren Ermittlungen gegen Rechtsextremisten.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) löste mit der These, die Abschottung in der DDR sei für Ausländerfeindlichkeit in den neuen Ländern verantwortlich, Kritik auch im eigenen Lager aus. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die meist jugendlichen Täter seien vielfach in der wiedervereinigten Bundesrepublik groß geworden und hätten mit der DDR “nichts zu tun” gehabt.
Die Potsdamer Verdächtigen sind 29 und 30 Jahre alt. Das ist untypisch. Rechte Gewalttäter sind meist unter 25
BERLIN taz Die des Mordversuchs in Potsdam verdächtigen Männer sind ungewöhnlich alt. Der eine ist 29, der andere 30 Jahre. Das wäre untypisch. “Rechtsextreme Gewalttäter sind meist männlich und zwischen 15 und 24 Jahren alt”, sagt Klaus Wahl, Professor am Deutschen Jugendinstitut in München.
Wahl hat mehrere Studien zu rechtsextremen Täterprofilen geleitet. Demnach sieht die Altersstruktur rechtsextremer Straftäter — also nicht nur Gewaltverbrecher — so aus: Die größte Gruppe ist 18 bis 20, die nächstgrößere 15 bis 17 und die drittgrößte 21 bis 24 Jahre alt. Die Zahl der 25- bis 29-jährigen liegt unter 10 Prozent. “Die Gesinnung muss sich nicht ändern, aber die Neigung zur Gewalt nimmt mit dem Alter ab.”
“Die behalten die Fremdenfeindlichkeit bei, aber treten nicht mehr offensiv auf”, bestätigt Michael Kohlstruck, Rechtsextremismusforscher an der TU Berlin. Rechtsextreme über 30 seien meist nicht gewalttätig, dafür aber politisch aktiv. Dass ab Mitte zwanzig weniger häufig zugeschlagen wird, sieht Kohlstruck in einem Reifeprozess begründet. “Sie sind eher im gesellschaftlichen Leben drin, sie haben Familie und Beruf und damit auch mehr zu verlieren.” Dem Sozialwissenschaftler Wahl haben einige ehemalige rechtsextreme Gewalttäter berichtet, ihr Partnerinnen sähen sie lieber zu Hause als mit ihren Kumpels rumziehen und Leute verprügeln. Aber: “Meine leise Vermutung ist: Die Gewalt drückt sich anders aus. Dieselben Leute verprügeln später andere, zum Beispiel ihre Partnerin.”
Heike Kleffner von der Mobilen Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt in Sachsen-Anhalt kritisiert, es sei ein Mythos, dass Rechtsextremismus ein Jugendphänomen ist. Sie hat in letzter Zeit Fälle mit Tätern zwischen 15 Jahren und Anfang 30 erlebt.
Typisch für rechtsextreme Gewalttaten ist auch, dass die Täter selten einzeln auftreten: “Es sind meistens Gruppentaten”, sagt Wahl. Die Zahl der Täter variiere.
Michael Kohlstruck macht zwei häufige Tätergruppen aus: Bei dem einen Typ sind alle ungefähr gleich jung. Bei dem anderen sind es junge Erwachsene mit einer jüngeren “Gefolgschaft”. Sie sind die Leitfiguren der jüngeren.
Linksfraktion zu den Äußerungen von Bundesinnenminister Schäuble zum Neonaziüberfall in Potsdam
Zu den Äußerungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Zusammenhang mit dem Mordversuch an dem Deutsch-Äthiopier Ermyas M. erklärt der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke, Gregor Gysi:
Wenn die festgenommenen Verdächtigen die abscheuliche Tat gegen den Deutschen äthiopischer Herkunft begangen haben sollten, waren sie zum Ende der DDR 14 und 15 Jahre alt. Rechtsextremistische Einstellungen haben sie ergo erst in der Bundesrepublik angenommen. Eine deutlichere Widerlegung der beleidigenden These von Wolfgang Schäuble über den Osten ist kaum denkbar.
Im Übrigen sind die meisten Rechtsextremisten Jugendliche und junge Erwachsene und damit erst in der BRD geboren worden, zumindest aber hier zur Schule gegangen. Was Herr Schäuble aber ganz vergißt: Die Arbeitslosigkeit ist im Osten doppelt so hoch, die sozialen Probleme sind deutlich gravierender – und es ist leider so, daß unter solchen Bedingungen Rechtsextremismus leichter einen Nährboden vorfindet.
Es ist ein Versagen der gesamten Gesellschaft, wenn in ihr Rechtsextremismus um sich greift. Der Versuch aber, einem untergegangenen Staat die Schuld zuzuschieben, geht nicht nur fehl, sondern verhindert eigene notwendige Anstrengungen im Kampf gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit.
Keiner fordert Rücktritt Schönbohms
Einen Tag nach ihrer Festnahme sind am Freitag zwei Tatverdächtige des rassistischen Übergriffs von Potsdam dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt worden. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft bestritten sie in den Vernehmungen bislang allerdings jede Tatbeteiligung. Die 29 und 30 Jahre alten Männer, denen versuchter Mord vorgeworfen wird, waren am Donnerstag abend in Potsdam festgenommen worden. Sie sollen am Ostersonntag den aus Äthiopien stammenden Ermyas M. angegriffen und fast getötet haben.
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm kann sich unterdessen nicht damit abfinden, daß sich Generalbundesanwalt Kay Nehm überhaupt eingeschaltet hat. Schon die Äußerung der Bundesanwaltschaft, daß es »erhebliche Verdachtsmomente gibt, daß die Täter aus Ausländerhaß und auf Grundlage rechtsextremistischer Gesinnung handelten«, geht dem Minister zu weit. Es müsse sich erst noch herausstellen, ob es den Zusammenhang zwischen einer Gewaltstraftat und einer fremdenfeindlichen Straftat wirklich gebe, meinte Schönbohm am Freitag in Potsdam. Es sei erstaunlich, daß geurteilt werde, bevor der Sachverhalt aufgeklärt sei. Ähnliche Straftaten könnten schließlich in allen Städten der Welt passieren. Die beiden Festgenommenen seien keine Mitglieder bekannter Neonaziorganisationen, und in Potsdam gebe es auch »keine festgefügte rechtsextremistische Szene«, fuhr er fort. Bei soviel Schönfärberei wider besseren Wissens ist es erstaunlich, daß niemand den Rücktritt des Ministers fordert.
Doch der geht noch weiter. Es gebe keinen Grund, Ausländer vor bestimmten Regionen in Brandenburg zu warnen, so Schönbohm. Wie überall gebe es aber Bereiche, »wo man spät abends oder nachts besser nicht hingeht, weil man unabhängig von der Hautfarbe Opfer einer Straftat werden kann«, so der Minister. Demnach scheint Ermyas M., der noch immer im Koma liegt, selbst schuld zu sein, weil er nach Einbruch der Dunkelheit noch auf der Straße war. Zur falschen Zeit am falschen Ort waren dann wohl auch der 39jährige Sozialarbeiter aus Moçambique und sein 14jähriger Sohn. Sie wurden am Donnerstag abend in Magdeburg von einer Gruppe Jugendlicher mit ausländerfeindlichen Parolen beschimpft, dem Vater wurde mehrfach ins Gesicht geschlagen.