(11.04.05)Eisenhüttenstadt (Oder-Spree)Sonntag gegen 00:05 Uhr informierte ein Anwohner der Eisenhüttenstädter
Bergstraße die Polizei über eine Gruppe Jugendlicher auf dem Fußballfeld
neben einer Kita, aus der der faschistische Gruß gerufen wurde. Vor Ort
wurden fünf zum Teil erheblich alkoholisierte junge Männer im Alter von 17
bis 23 Jahren aus Eisenhüttenstadt festgestellt. Bei einem 17-Jährigen
wurden sechs CD beschlagnahmt, weil der Verdacht besteht, dass ihr Inhalt
gegen das Gesetz verstößt. Es erfolgte die Verbringung zur Wache. Dort wurde
die Straftat eingeräumt. Zwei der 17-Jährigen wurden noch in der Nacht an
die Eltern übergeben , ein weiterer junger Mann (18) gegen 01:15 Uhr
entlassen. Die Beschuldigten (17 und 23) wurden nach Ausnüchterung und ihren
Beschuldigtenvernehmungen ebenfalls aus dem Gewahrsam entlassen. Gegen beide
laufen Ermittlungsverfahren.
„Sturm 27“-Schläger vor Gericht
Am Donnerstag, den 14. April 2005, findet um 13 Uhr vor dem Amtsgericht Rathenow, Raum 2.13, ein Prozess gegen Norman S. statt. Norman S., ein Mitglied der am Dienstag verbotenen neonazistischen Kameradschaft „Sturm 27“ in Rathenow, wird vorgeworfen, am 12.09.2004 einen linksorientierten Jugendlichen zusammengeschlagen zu haben.
Stadtfeste in Rathenow sind traditionell Orte, wo die rechtsextreme Kameradschaftsszene ihre Gruppenmacht demonstriert. Um dem nachzuhelfen, werden nebenbei unliebsame Gegner krankenhausreif geschlagen. So auch letztes Jahr im Oktober am Rande des Märkischen Platzes in Rathenow. Norman S., aktives Mitglied der neonazistischen und nunmehr verbotenen Kameradschaft „Sturm 27“, trug an jenem Abend das nicht zu übersehende Emblem „Good night – left side“ auf seiner Regenjacke. Abgesehen hatte er es auf den 23-jährigen Linken Björn B. Ohne Vorwarnung trat Norman S. an sein Opfer heran und versetzte ihm einen so heftigen Faustschlag – S. ist Kickboxer -, dass Björn ohnmächtig auf das Pflaster schlug. Dann trat er Björn mehrmals auf den Kopf. Björn musste mit einem Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sein Gesicht war völlig zugeschwollen.
Das Amtsgericht Rathenow hat am Donnerstag über diese Körperverletzung zu befinden. Kay Wendel vom Verein Opferperspektive merkt dazu an: „Ich befürchte, dass das Amtsgericht wie üblich den rechtsextremen Hintergrund der Tat ausblendet und die Tat in die Nähe einer unerfindlichen Schlägerei zwischen jungen Männern rückt. Aber vielleicht lässt sich das Gericht ja dieses Mal vom Verbot der Kameradschaft „Sturm 27“ anregen und nimmt sich vor, die neonazistische Motivation und Einbindung des Täters aufzuklären.“
Aufgrund eines Hinweises des Sicherheitsdienstes von Tropical Islands habe
die Polizei, wie sie informiert, am Sonnabend zwei junge Männer des
Tropenparadieses verwiesen und Anzeige gegen sie erstattet. Außerdem seien
ihre T‑Shirts eingezogen worden, denn diese seien mit Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen bedruckt gewesen.
“Nur verschieden interpretiert”
(MAZ)INNENSTADT Etwa 300 Menschen haben am Samstag friedlich gegen den geplanten
Wiederaufbau der Garnisonkirche demonstriert. Zu dem Zug durch die
Innenstadt hatte ein “Linkes Bündnis Potsdam” aufgerufen, zu dem unter
anderem die Stadtverordnetenfraktion Die Andere, die Kampagne gegen
Wehrpflicht und der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität Potsdam
zählen.
Die zweistündige Demonstration führte vom Garnisonkirchenglockenspiel auf
der Plantage durch die Breite Straße zum Luisenplatz, wo eine erste
Zwischenkundgebung stattfand, dann weiter durch Hegelallee,
Friedrich-Ebert-Straße und Breite Straße bis zur Abschlusskundgebung am
Ausgangspunkt. Die zumeist jugendlichen Demonstranten wurden von einem
großen Polizeiaufgebot begleitet, das bereits im Vorfeld Teilnehmer nach
Waffen und gefährlichen Gegenständen kontrolliert hatte. Provokationen
einzelner Teilnehmer, die aus dem Zug ausbrachen und hinter die
Polizeireihen gelangen wollten, führten zur Bekanntgabe der Polizei, dass
weitere Störer aus dem Demonstrationszug herausgegriffen würden. Dazu kam es
dann aber nicht. Für eine nachträgliche Einschätzung des ansonsten
friedlichen Demonstrationsverlaufs war die Polizei gestern nicht erreichbar.
Das jetzt beschlossene Konzept eines in den Wiederaufbau integrierten
Versöhnungszentrums kritisierte Lutz Boede (Kampagne gegen Wehrpflicht) vor
den Demonstranten: “Gegen ein Versöhnungszentrum auch am Standort der
Garnisonkirche haben wir nichts einzuwenden, aber dazu ist ein klarer Bruch
mit der Geschichte der Garnisonkirche notwendig, der sich insbesondere in
dessen Gestaltung und Architektur widerspiegeln muss”, sagte Boede. Die
Garnisonkirche sei “vom ersten Tag bis zu ihrer Sprengung ein reaktionäres
Symbol der Rechtsnationalen”, sowie nach dem “Tag von Potsdam” am 21. März
1933 auch der Faschisten gewesen und einzig in der Zeit nach Kriegsende bis
zur Sprengung 1968, als die Heilig-Kreuz-Gemeinde in der Ruine Gottesdienste
abhielt, “als normale Kirche” genutzt worden. Boede schloss mit der Adaption
eines Spruchs aus dem Kommunistischen Manifest: “Die bürgerliche Mitte und
die Nazis haben den Symbolgehalt der Kirche nur verschieden interpretiert,
es kommt aber darauf an, ihn zu verändern.”
Kreissynode billigt Konzept für neue Garnisonkirche
(MOZ)Potsdam (dpa) Die Vorbereitungen zum umstritten Wiederaufbau der Potsdamer
Garnisonkirche haben eine weitere Hürde genommen. Am Samstag billigte die
evangelische Kreissynode Potsdam mit großer Mehrheit das kirchliche
Nutzungskonzept. Es verbindet laut Stadtkirchpfarrer Markus Schütte
traditionelle und neue Elemente. Zugleich demonstrierten rund 500 Menschen
in Potsdam gegen den Wiederaufbau. Die Kirche könnte zu einem
Anziehungspunkt für Nazis werden, hieß es.
Zu dem Protest hatte ein Bündnis linker Gruppen aufgerufen. Sie sehen in der
Kirche ein Symbol für ein militaristisches Preußen. In der Garnisonkirche
hatte zudem Adolf Hitler am 21. März 1933, dem “Tag von Potsdam”, seine Rede
zur Eröffnung des Reichstages gehalten. Der Händedruck Hitlers und des
Reichspräsidenten Paul von Hindenburg wurde als Schulterschluss der
Nationalsozialisten mit den konservativen Kräften Deutschlands verstanden.
Genau 60 Jahre nach dem alliierten Luftangriff auf Potsdam, bei dem die
Kirche in Flammen aufging, soll am kommenden Donnerstag der Grundstein zum
Wiederaufbau gelegt werden. Dafür sind rund 65 Millionen Euro veranschlagt.
Bis zum 500. Jahrestag der Reformation am 31. Oktober 2017 sollen die
Arbeiten beendet sein. Der Bau soll dann als offene Stadtkirche,
Symbolkirche und internationales Versöhnungszentrum dienen. Die DDR-Führung
hatte den 88 Meter hohen Turm 1968 sprengen lassen.
Nach den Plänen sollen Turm und Kirchenschiff weitgehend originalgetreu
wieder aufgebaut werden. Außerdem ist eine modern gestaltete Kapelle
geplant. Dort könnte ein so genanntes Nagelkreuz aus dem englischen Coventry
untergebracht werden. Dieses soll auch die Nutzung der Kirche für die
weltweite Friedens- und Versöhnungsarbeit der Internationalen
Nagelkreuz-Gemeinschaft von Coventry symbolisieren.
Am nächsten Freitag (15. April) stimmt die Leitung der Evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg über das Nutzungskonzept ab. Dann soll auch mit der
Spendensammlung begonnen werden.
Konzept gebilligt
Hürde für Garnisonkirche genommen
(MAZ)POTSDAM Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche hat eine weitere Hürde
genommen. Die Synode des evangelischen Kirchenkreises Potsdam hat am Samstag
der Nutzung des geplanten rund 65 Millionen Euro teuren Neubaus als
Stadtkirche und internationales Versöhnungszentrum mit großer Mehrheit
zugestimmt. Eine Spendenkampagne zur Finanzierung des Wiederaufbaus soll in
Kürze gestartet werden.
Im Beisein von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU) soll der
Grundstein für den Nachbau am 60. Jahrestag des alliierten Luftangriffs auf
Potsdam am kommenden Donnerstag gelegt werden. Die Kirche war bei einem
Luftangriff am 14. April 1945 ausgebrannt. 1968 ließ die DDR-Führung den 88
Meter hohen Turm sprengen.
Die Fertigstellung der 1730 bis 1735 errichteten Barockkirche ist einem
neuen Zeitplan zufolge bis zum 500. Jahrestag der Reformation am 31. Oktober
2017 geplant. Als erster Bauabschnitt soll bis zum Jahrestag der Sprengung
der Kirche am 23. Juni auf Teilen des historischen Fundaments ein Torbogen
errichtet werden.
An der Garnisonkirche scheiden sich die Geister. Auch am Samstag
demonstrierten Hunderte Menschen gegen die Baupläne. Die Kirche, in der
Hitler am 21. März 1933, dem “Tag von Potsdam”, seine Rede zur Eröffnung des
Reichtstags hielt, sei ein Symbol für ein militaristisches Preußen und könne
Anziehungspunkt für Nazis werden, hieß es.
CDU beharrt auf Grenzkontrollen
POTSDAM Führende CDU-Landespolitiker haben die Ankündigung von EU-Kommissar
Franco Frattini kritisiert, Grenzkontrollen nach Polen und Tschechien schon
2007 aufzugeben. “Die Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze
dürfen erst fallen, wenn Polen alle geforderten Sicherheitsstandards des
Schengen-Abkommens erfüllt und auch auf Dauer halten kann”, betonte
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gegenüber der MAZ. Definitive zeitliche
Festlegungen für den Wegfall der Kontrollen — wie von Frattini geäußert -
seien “voreilig”. Ein Hauptgrund für die Ablehnung findet sich in einer
Sicherheitsanalyse des Ministeriums. Die Kooperation von Interpol Warschau
bei der Aufklärung besonders von Bagatellstraftaten, heißt es, sei mit
Grundsätzen des Schengener Durchführungsübereinkommens teilweise
“unvereinbar”.
Mit dieser Kritik stellt sich Schönbohm hinter gleichlautende Forderungen
der Generalsekretäre der brandenburgischen sowie sächsischen
CDU-Landtagsfraktionen, Sven Petke und Michael Kretschmer. Die Grenzen zu
Polen und Tschechien seien “Haupteinfalltore für die grenzüberschreitende
Kriminalität nach Deutschland”, begründet Petke seine Bedenken. “Ohne die
Barriere der Grenzkontrolle besteht die Gefahr, dass sich die Kriminalität
bei uns vervielfacht.” Solange Polen nicht in der Lage sei, seine Ostgrenzen
effektiv zu sichern, könnten sich asiatische und ost€päische
Schleuserbanden, Drogen- und Zigarettenschmuggler weitgehend ungehindert in
fast ganz Europa bewegen. Eine “Kriminalitätsschwemme nach Deutschland”, so
Petke, “wäre kaum mehr aufzuhalten”. Dass Polen an seiner Ostgrenze die
strengen Schengen-Standards erfülle, sei vor 2011 “nicht zu erwarten”.
Petke: “Eine vorzeitige Aufgabe der Grenzkontrollen kommt daher für uns
nicht in Frage.”
Eine Analyse des Potsdamer Innenministeriums verstärkt den Eindruck eines
von Ost€pa ausgehenden Sicherheitsproblems. Jede achte 2004 registrierte
Straftat wurde in den 25 märkischen Gemeinden an der Grenze zu Polen
begangen. Die Kriminalitätsbelastung liegt in dieser Region deutlich über
dem Landesdurchschnitt. Selbst wenn die Straftaten gegen die Ausländer- und
Asylverfahrensgesetze ausgeklammert werden — die sich in Grenznähe
selbstverständlich häufen -, entfielen auf die Grenzgemeinden fast 10 300
Straftaten auf jeweils 100 000 Einwohner. Das sind beinahe 1300 Straftaten
mehr als vergleichsweise im Landesdurchschnitt.
Auch die Herkunft der nichtdeutschen Tatverdächtigen hebt das Problemfeld
Ost€pa hervor. Während Tatverdächtige aus Schengen-Staaten — die ihre
Außengrenzen nach höheren Standards effektiver sichern — in Brandenburg nur
eine “unbedeutende Rolle” spielen, gilt für nichtdeutsche Tatverdächtige aus
Ost€pa das Gegenteil. Im vergangenen Jahren, so das Innenministerium,
kamen 62 Prozent der nichtdeutschen Tatverdächtigen aus Polen, der
Russischen Föderation und Vietnam.
Rheinsbergs brauner Sumpf
Was ist los mit einer Stadt, die sich weltoffen gibt, in der aber ein
Döner-Stand vier Mal angezündet wird?
Rheinsberg — Mit der linken Schuhspitze stochert Mehmet Cimendag in den
Trümmern seines abgefackelten Imbißwagens. Vor seinen Füßen liegt eine
halbverbrannte Bibel, die Seiten zerbröseln beim Anfassen. “Ich habe
niemanden wehgetan und ich habe niemandem die Arbeit weggenommen, oder?”,
fragt der junge Kurde. Dann nickt er ehemaligen Stammkunden zu, die
gegenüber in der Paulshorster Straße bei Spar und Aldi einkaufen. Er zuckt
mit den Schultern. “Wenn ich jetzt aufgebe, haben sie gewonnen”, sagt er
über die Täter. “Ich bin noch zu jung, um alles hinzuwerfen. Ich muß neu
anfangen. Ehrlich gesagt, ich habe gar keine Wahl.”
Von Cimendags Döner-Bude “MAC s Kebab” sind nur verkohlte Paletten und zu
Klumpen geschmolzener Kunststoff übrig — die traurigen Reste des vierten
Brandanschlags auf den Imbiß innerhalb von zwei Jahren. Die ersten drei
Brände hatten nur leichte Sachschäden angerichtet. Doch diesmal steht der
21jährige vor der Ruine seiner Existenz. Und hinter ihm stehen viele
Rheinsberger Bürger. Sie organisierten Demonstrationen, Mahnwachen und eine
“Trümmer-Wegräum-Aktion”. Sie informierten Medien, sammeln Spenden.
Die Staatsanwaltschaft in Neuruppin setzte 2000 Euro Prämie für Hinweise
aus, die zu den Brandstiftern führen, die sie im rechtsradikalen Milieu
ortet; denn es handle sich um “vorsätzliche Brandlegung mit
ausländerfeindlicher Motivation”. Es nützte nichts: Ein paar Nächte später
beschmierten Rechtsradikale die Jalousie eines Fahrradgeschäfts in der
Rheinsberger Schloßtrasse mit einem 1,20 Meter großen Hakenkreuz. Zehn
weitere Hakenkreuze prangten auf Hauswänden und Werbeschildern in
Seitenstraßen. Wie rechts ist Rheinsberg?
Wo früher der Imbißwagen stand, bilden sich diskutierende Grüppchen. “Das
hier ist nicht Rheinsberg”, meint der CDU-Stadtverordnete Erich Kuhn und
weist auf die Trümmer, “wir sind tolerant, offen und international. Aber
auch wir haben ein Potential an Aussichtslosigkeit bei einigen Leuten.” Die
stellvertretende Bürgermeisterin Marion Kraeft sagt: “Wer dahinter steckt,
wissen wir nicht. Aber das war nicht nur ein Anschlag auf Mehmet, sondern
auf die ganze Gemeinde.”
Cimendags ehemalige Stammkundin Regina Horst kommt gerade vom Aldi-Markt.
Sie schimpft: “Die das hier gemacht haben, wissen doch gar nicht, wie Hitler
geschrieben wird!” Dummköpfe waren am Werk, heißt es. Das waren verzweifelte
Arbeitslose, meinen Passanten. Sitzenbleiber, sagt ein Jugendlicher.
In Rheinsberg gibt es eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe. “Hier
herrscht eine aufgeklärte Atmosphäre, es gibt keine Aggressionen, keine
Gewalt”, berichtet Sozialarbeiterin Annett Bauer. Dennoch beobachte sie
einen “leisen Rechtsradikalismus” im Ort. Leute in Stiefeln und Bomberjacken
gebe es schon lange nicht mehr, statt dessen kleideten sich die Rechtsaußen
“normal” bis “unauffällig”. Sie kleben Parolen an Laternenmasten und machen
Fotos von Demonstranten, die sich mit Cimendag solidarisieren.
“Es ist unklar, ob es hier eine organisierte Szene gibt. Klar ist aber, daß
es zwischen Rechten aus Rheinsberg, Neuruppin und dem Raum Wittstock
Verbindungen gibt. In Wittstock agiert die völkische Bewegung Neue Ordnung
von Mario Schulz und Mathias Wirth, ehemalige NPD-Leute”, sagt Judith Porath
vom Verein Opferperspektive in Potsdam. Als Treffpunkte der Neonazis in
Rheinsberg gelten Triangelplatz, Bushaltestelle auf dem Markt und eine
Kneipe der Rhinpassage, in der es Pizza und Döner gibt. Ausgerechnet.
Wer gilt als Anführer der Rechten im Ort? Ron W., wird erzählt. Der
19jährige war nach dem zweiten Brandanschlag auf den Imbiß von Cimendag 2003
festgenommen und im Schnellverfahren zu vier Wochen Arrest verurteilt
worden. Als Tatmotiv hatte er damals angegeben: “Wir sind hier nicht in
Türkenland, die sollen das hier nicht verkaufen!” Heute wohnt er in
Neuruppin und macht dort eine Ausbildung zum Tischler. Ron W. hat in der
Fontane-Stadt Verbindungen zu Wilhelm L. (89), einem alten NPD-Kader, der
Anfang der 1990er Jahre aus Schwelm in Nordrhein-Westfalen nach Neuruppin
kam und “Jugendstunden” abhält. Bei den Ermittlungen zum jüngsten Anschlag
auf Cimendags Döner-Stand hat W. noch Zeugenstatus, sagt der leitende
Oberstaatsanwalt in Neuruppin, Gerhard Schnittcher.
Mehmet Cimendag steht in den Resten des Imbiß-Wagens, den er vor Jahren
seinem Onkel abkaufte. Er greift nach der verkohlten Bibel und wirft sie in
den Abfallcontainer. “Mit Döner aufhören? Niemals, ich will meine Hoffnung
auf ein gutes Leben nicht verlieren. Und ich will nicht alles so schlimm
sehen, sonst verliere ich den Mut zu kämpfen”, sagt er, grüßt die ehemaligen
Stammkunden, die gegenüber einkaufen, schaut ihnen nach, wie sie in den
Supermarkt verschwinden. Über dem Eingang hängt ein großes Schild: “Schön,
daß Sie da sind!”
Potsdam — Zum 60. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager
Sachsenhausen und Ravensbrück werden zwischen 14. und 18. April in
Brandenburg mehr als 1000 Überlebende erwartet. Zentrale
Gedenkveranstaltungen finden am Sonntag, 17. April, von 10 Uhr an in der
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (Straße der Nationen, Fürstenberg/Havel,
Telefon 03 30 93/60 80) und von 14 Uhr an in der Gedenkstätte Sachsenhausen
(Straße der Nationen 22, Oranienburg, Telefon 033 01/20 00) statt.
In Ravensbrück wird am Vormittag das ehemalige SS-Wachhaus als “Ort der
Namen” eingeweiht, in dem ein Totenbuch 13 161 gestorbene Häftlinge
auflistet. Zur Eröffnung des neu gestalteten Gedenkortes in der
Hinrichtungsstätte “Station Z” in Sachsenhausen am Nachmittag wird auch
Außenminister Joschka Fischer (Grüne) erwartet. Im Anschluß sollen
symbolisch die letzten Urnen mit der Asche von mehreren zehntausend
ermordeten Häftlingen aus Sachsenhausen beigesetzt werden. Die Überreste
waren bei den Bauarbeiten zur Sanierung der “Station Z” gefunden worden.
Zudem wird die neue Dauerausstellung “Mord und Massenmord im KZ
Sachsenhausen 1936–1945” eröffnet.
Unter den Gästen sind nach Angaben der Stiftung Brandenburgische
Gedenkstätten auch mehr als 100 ehemalige Kinderhäftlinge aus Ravensbrück.
Die Teilnahme ehemaliger Häftlinge sei trotz der Gefahr einer
Retraumatisierung besonders wichtig, “damit wir noch einmal den Überlebenden
zuhören können”, so Stiftungs-Direktor Günter Morsch.
Die Gedenkveranstaltungen beginnen bereits am Donnerstag, 14. April, in
Sachsenhausen mit der Eröffnung einer Ausstellung mit Plakaten aus Israel.
Von Freitag, 15. April, an ist in Ravensbrück die Dokumentation “Züge nach
Ravensbrück” zu sehen.
Am Sonnabend, 16. April, dem “Tag der Begegnung”, treffen sich Überlebende
der Lager und junge Menschen aus €päischen Ländern. Am 18. April ist “Tag
der Außenlager” mit dezentralen Veranstaltungen unter anderem in
Berlin-Schöneweide und ‑Reinickendorf.
Jahreshauptversammlung beim Gebietsverband des Bundes der Vertriebenen:
Mitglieder des Vorstandes einstimmig wiedergewählt
RATHENOW Zur Jahreshauptversammlung, verbunden mit einem Frühlingsfest,
hatte der Bund der Vertriebenen e.V. (BdV), Gebietsverband Rathenow, am
Samstag ins Wohn- und Pflegezentrum Forststrasse geladen. Der Vorsitzende
Herbert Kapahnke begrüßte neben den Mitgliedern auch Bürgermeister Ronald
Seeger, Landtagsmitglied Dieter Dombrowski und den Kreistagsvorsitzenden
Holger Schiebold (alle CDU).
Als Versammlungsleiter wurde Reiner Nowak gewählt. Nachdem er die
Versammlung eröffnet hatte, stimmte eine Akkordeongruppe aus Milow mit
Frühlingsliedern und Rezitationen auf die Jahreszeit ein. Der Vorsitzende
Herbert Kapahnke übernahm es danach, den Jahresbericht des Gebietsvorstandes
zu verlesen. “Unser Verband konnte sich erst nach der politischen Wende
bilden”, eröffnete er seine Ausführungen, “und kann inzwischen auf eine
15-jährige erfolgreiche Verbandsarbeit zurückblicken.” Er dankte den
Verbandsmitgliedern für ihre aktive ehrenamtliche Mitarbeit.
Rückblickend auf das Jahr 2004 erinnerte er an die zentralen Veranstaltungen
des BdV. Der “Tag der Heimat”, die öffentliche Gedenkveranstaltung am
Volkstrauertag am Gedenkstein im Fontanepark oder die Teilnahme an
Veranstaltungen der Nachbarverbände waren einige Höhepunkte des
Verbandslebens.
Der Vorsitzende dankte der Kreis- und der Stadtverwaltung für ihre
Unterstützung. Er bedauerte aber auch, dass es immer wieder zu
Missverständnissen kommt und der BdV mitunter als störend im €päischen
Zusammenleben dargestellt wird. “Ein vernünftiger Kompromiss zwischen allen
Beteiligten ist längst überfällig,” betonte er am Schluss seines Berichtes.
Der Bericht über die finanziellen Ergebnisse der Verbandsarbeit, verlesen
von Kassenwartin Inge Jerichow, und auch der Bericht der
Revisionskommission, vorgetragen von Renate Röhrich, wurden einstimmig
bestätigt.
Bürgermeister Ronald Seeger richtete als Erster der Gäste seine Grußworte an
den BdV. Großes Lob sprach er dem Bund der Vertriebenen für die geleistete
Arbeit aus. “Auf diese Arbeit”, so betonte er, “kann manch anderer Verein
neidisch sein”. Auch Holger Schiebold würdigte die Arbeit des BdV und
kritisierte jene Leute, die die Vertriebenen als “ewig Gestrige”
bezeichneten und die in keinster Weise das Leid der Heimatvertriebenen
nachvollziehen könnten. “Opfer müssen über ihr Leben sprechen dürfen”,
mahnte er, “und sie müssen Anteilnahme spüren.”
Ein Punkt der Tagesordnung waren die Wahlen des Vorstandes, der
Revisionskommission sowie die Wahl der Delegierten und Ersatzdelegierten.
Einstimmig wurde der alte als der neue Vorstand gewählt. Herbert Kapahnke
als Vorsitzender, als 1. Stellvertreter Reiner Nowak, als 2. Stellvertreter
Alfred Hinz, als Kassenwartin Inge Jerichow und als Schriftführer
Hans-Joachim König. Die Revisionskommission mit Renate Röhrich, Charlotte
Kriese, Ursula Giese und Linda Wiegand wurde ebenfalls wiedergewählt. Auch
bei den Delegierten und Ersatzdelegierten hat sich nichts verändert. In
dieser Funktion werden weiterhin Herbert Kapahnke, Reiner Nowak, Inge
Jerichow, Hans-Joachim König, Alfred Hinz und Ursula Wagenitz tätig sein.
Nach den Planvorschlägen für die Vorhaben 2005, dem Finanzhaushaltsplan für
das laufende Jahr und dem Schlusswort des Vorsitzenden war der offizielle
Teil beendet. Danach saß man noch munter plaudernd bei Kaffee und Kuchen mit
musikalischer Umrahmung zusammen.
Hakenkreuze im Siegelring
Schwedt. Geschenke sind teuer, “gefundene” Geschenke mitunter auch. Diese
Erfahrung musste der ursprünglich aus Kasachstan stammende 40-jährige
Alexander in der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter des Schwedter
Amtsgerichtes machen. Sein Vergehen: Er trug am 22. August in Rosow bei der
Einreise nach Deutschland einen silbernen Siegelring an seiner Hand. Die im
Ring eingravierten SS-Runen und Hakenkreuze entgingen dem Beamten des
Bundesgrenzschutzes nicht und brachten den Mann wegen Verwenden von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf die Anklagebank.
“Ich habe den Ring auf einem Kinderspielplatz in Schwedt gefunden”, gab der
Beschuldigte an. Er wollte ihn nicht wegwerfen, da er gestempelt und aus
Silber war. Ungefähr eine Woche hätte er den Ring am Finger getragen. “Er
sah gut aus”, bestätigte Alexander in der Verhandlung, “und auf die
eingravierten Symbole habe ich nicht weiter geachtet.” Er hätte sich nie mit
solchen Sachen der Geschichte groß beschäftigt.
Das allerdings nahm ihm der Staatsanwalt nicht ab. “Sie leben seit vier
Jahren mit der Familie in Deutschland und müssen wissen, dass solche Symbole
hier verboten sind”, so der Anklagevertreter. Er habe von diesen Kennzeichen
keine Ahnung und sich nichts dabei gedacht, erwiderte Alexander. Noch nie
habe er Kontakt damit gehabt. “Ich sympathisiere nicht mit dem Faschismus
und bin politisch nicht engagiert”, gab der Angeklagte an.
“Das ist schlecht zu glauben”, stellte die Richterin fest. “Haben siedenn
keinen Kontakt zur Außenwelt oder in Kasachstan den Zweiten Weltkrieg nicht
in der Schule behandelt?” Der wollte vom Krieg nur in der Schule gehört
haben. Mit der Einziehung des Ringes sei er einverstanden. “Ich brauche den
nicht”, meinte Alexander einsichtig auf eine entsprechende Anfrage der
Richterin.
Dennoch plädierte der Staatsanwalt wegen öffentlichen Tragen des Ringes auf
eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je zehn Euro. “Wer seit vier Jahren in
Deutschland lebt und schulpflichtige Kinder hat, muss wissen, dass das
Tragen von nationalsozialistischen Symbolen verboten ist”, so der
Anklagevertreter. “Ich bin schuldig”, bestätigte Alexander in seinem
Schlusswort. “Aber es war ungewollt.”
450 Euro Geldstrafe lautete das Urteil. Ob gewollt oder ungewollt getragen
spielt dabei keine Rolle. “Sie haben den Ring genau betrachtet und ja auch
die Silberstempelung erkannt, da können sie die Symbole nicht übersehen
haben”, so die Richterin in der Urteilsbegründung. Der Angeklagte erkannte
das an und verzichtete auf Rechtsmittel.
Diskussion um Gedenkstätte
WOLTERSDORF Harald-Albert Swik ist der alte und seit Sonnabend auch der neue
Vorsitzende des Fördervereins für eine Internationale Begegnungsstätte
Hachschara Ahrensdorf e.V. Der Verein will daran erinnern, dass dort während
der Nazi-Zeit junge Juden auf die Übersiedlung in das damalige Palästina
vorbereitet wurden. Bei der fünften ordentlichen Mitgliederversammlung im
Haus der Generationen in Woltersdorf wurde Swik ebenso wie seine
Vorstandkollegen einstimmig im Amt bestätigt.
Zuvor hatte Swik Rechenschaft über die Tätigkeiten des Vereins in den
vergangenen beiden Jahren abgelegt. Dabei hatte er vor allem die Rolle von
Ruth und Herbert Fiedler gewürdigt. “Seien wir ganz ehrlich: Hätten wir die
beiden nicht, dann hätten wir auch nicht viel zu berichten.” Dies vor allem,
weil Schwerpunkt des Vereins mehr und mehr die Forschungsarbeit werde.
Zuletzt war im Dezember 2004 das Buch “Hachschara. Vorbereitung auf
Palästina. Schicksalswege” der Eheleute Fiedler erschienen.
Dagegen rückt der im Namen des Vereins verankerte Zweck des Vereins — ein
Internationales Begegnungszentrum zu schaffen — in den Hintergrund. “Wir
müssen uns der Tatsache stellen, dass aus dem Schlösschen als sichtbare
Gedenkstätte für die Nutzung zwischen 1936 und 1941 nichts wird — ich bin da
nicht optimistisch”, sagte Swik. Das Hauptgebäude auf dem Areal ist vom
Landkreis an einen Privatmann verkauft worden. Das ehemalige Jagdschloss
verfällt jedoch samt den Nebenbauten zusehends.
Der Rechtshistoriker Wolfgang Weißleder widersprach Swiks Einschätzung: “Ich
denke nicht, dass das Projekt in Ahrensdorf ganz und gar gestorben ist.” Mit
einem Rabbiner arbeite er an einem Nutzungskonzept für die “Rest-Immobilie”.
Herbert Fiedler wiederum betonte, was der Verein in den rund zehn Jahren
seines Bestehens alles geleistet habe — “ich könnte eine Riesenliste
aufzählen”. Er stellte fest: “Ahrensdorf ist keine ausgebaute Gedenkstätte,
aber als Erinnerungsstätte ist es da.”