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Schon immer hart im Nehmen

(MAZ) Ameri­ka ist das Land der Frei­heit. Doch Frei­heit hat ihren Preis. Deswegen
ist Ameri­ka zugle­ich auch das Land der Todesstrafe. “Dieser Staat war schon
immer hart im Nehmen. Aber härter noch im Austeilen”, heißt es folgerichtig
auch im neuesten Stück der Comédie Soleil. “Death Row Val­ley oder Gilmores
let­zter Gang” passt insofern her­vor­ra­gend zur derzeit verbreiteten
Anti-Amerika-Stimmung. 

Auf der Bühne zwei große Käfige. Nicht für Tiere, für Men­schen. Guantanamo
lässt grüßen. Damit jed­er gle­ich weiß, in welchem Film er ist, hängt am
Git­ter die Fahne der Vere­inigten Staat­en. In der linken Zelle lässt sich ein
Häftling die Hosen runter und sitzt auf dem Klo. Die rechte Gefängniszelle
ist leer. Zwei Polizis­ten führen einen weit­eren Inhaftierten in seine Zelle
zurück. Wieder ein­mal ist die Hin­rich­tung des zweifachen Mörders Gilmore in
let­zter Sekunde abge­blasen worden. 

Wärter Jack find­et das nicht gut. Schüt­telt den Kopf. Nenad Zan­ic überzeugt
in der Rolle als Cop. Sieht mit Kotelet­ten und Kinnback­en­bart aus wie der
Polizist von den Vil­lage Peo­ple (YMCA) und ist streng, aber gerecht. Wärter
Bill wird von Gior­gio Vin­di­ni dage­gen als sarkastis­ch­er Nazi gespielt, der
die Gefan­genen am lieb­sten selb­st umle­gen würde: “Mörder sind Abschaum. Und
Abschaum spült man in den Gul­li”, grinst er. 

Zwei Men­schen hat Gilmore umge­bracht. Einen Tankwart und einen Motelmanager.
Warum, wird eigentlich den ganzen Abend nicht klar. Über­haupt nimmt man Marc
Marc­hand den bru­tal­en Schw­erver­brech­er nicht ab. Er ist wed­er kalt noch irr.
Will zwar endlich die Strafe, die er ver­di­ent. Ist aber nicht verzweifelt
oder lebens­müde, weil das Todesurteil ein ums andere mal aufgeschoben wird.
Ein paar mal wird er am Abend abge­führt und wieder zurück in die Zelle
gebracht. Licht aus, Licht an. Selb­st­mord­ver­such. Misslingt. Zweimal. 

Dazwis­chen träge Dialoge und Sätze wie: “Weißt du wie es ist, einen Menschen
zu töten? Es ist nicht schön. Es ist grauen­haft.” Draußen vor dem Todestrakt
demon­stri­eren Men­schen dage­gen, dass seit zehn Jahren in Utah erstmals
wieder ein Todesurteil voll­streckt wird, andere melden sich frei­willig, um
die Hin­rich­tung auszuführen. Drin­nen gibt der zweite Häftling (Sebas­t­ian
Wirnitzer) den debilen Affen. So sehen Verge­waltiger also aus! Am Ende wird
Gilmore dann doch noch umge­bracht und alles hört so auf, wie es begonnen
hat. Zäh. 

Die von Michael Klemm geschriebene Vor­lage wirkt über weite Pas­sagen ein
wenig unmo­tiviert, die behäbi­gen Schaus­piel­er ger­at­en ein­fach nicht ins
Spie­len. Mit einem Gefäng­nis-Stück hat sich das Hin­ter­hofthe­ater das Leben
allerd­ings auch selb­st schw­er gemacht. Dabei hät­ten sie doch alle
Frei­heit­en. Man ist hier ja nicht in den USA

Death Row Val­ley oder Gilmores let­zter Gang. Comédie Soleil, Feuerbachstr.
3, näch­ste Vorstel­lun­gen 10. bis 13. und 17. bis 20. März jew­eils 20 Uhr.

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Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

(MAZ) Mon­tag, kurz vor Mit­ter­nacht, fiel der Polizei bei ein­er Streife in der
Karl-Marx-Straße ein ihr bekan­nter 18-Jähriger auf, der zum einen eine Mütze
mit dem “Thor Steinar”-Symbol trug als auch einen Pullover mit dem Aufdruck
CONSDAPLE”, wobei nur die Buch­staben “NSDAP” durch die halb geöffnete Jacke
erkennbar waren. Nach dem Tatvor­wurf und der Bekan­nt­gabe der Beschlagnahme
der rel­e­van­ten Bek­lei­dung, belei­digte der alko­holisierte Jugendliche, ein
Atemalko­holtest ergab einen Wert von 1,31 Promille, die Polizis­ten mit 

unter­schiedlich­sten vul­gären Aus­drück­en. Bei der darauf angeordneten
Blu­tent­nahme schlug er wild um sich, kon­nte jedoch durch einfache
kör­per­liche Gewalt ruhig gestellt werden.

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Berufung im Polizistenprozess

(LR) Die Staat­san­waltschaft Cot­tbus wird Rechtsmit­tel gegen den vorige Woche vom
Amts­gericht Cot­tbus ergan­genen Freis­pruch für zwei Cot­tbuser Kriminalbeamte
ein­le­gen. Das kündigte Behör­den­sprecherin Heike Lün­ne­mann an. 

Den Beamten war in Zusam­men­hang mit dem Ein­satz eines
Spezialein­satzkom­man­dos (SEK) im Novem­ber 2002 an ein­er Tankstelle in
Sprem­berg Frei­heits­ber­aubung und Kör­per­ver­let­zung im Amt vorge­wor­fen worden
(die RUNDSCHAU berichtete). 

Das Gericht sah jedoch die Anforderung des SEK als eben­so gerecht­fer­tigt an,
wie die anschließende vorüberge­hende Fes­t­nahme eines Verdächti­gen und lehnte
deshalb eine Verurteilung bei­der Polizis­ten ab.

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Neonazi-Bande als terroristische Vereinigung verurteilt

(Frank­furter Rund­schau) Pots­dam (dpa) — Elf junge Neon­azis sind am Mon­tag in Pots­dam wegen der Grün­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung verurteilt wor­den. Das Bran­den­bur­gis­che Ober­lan­des­gericht (OLG) verurteilte den Rädels­führer zu viere­in­halb Jahren Haft, die elf Mit­täter zu Bewährungsstrafen zwis­chen acht Monat­en und zwei Jahren. 

Der zwölfte Angeklagte war erst nach Grün­dung der Vere­ini­gung dazugestoßen. Einige hat­ten ges­tanden, Anschläge auf Geschäfte und Imbisse von Aus­län­dern verübt zu haben (Az 1–5600 OJs 1/04 (1/05)).

“Wenn sich elf junge Män­ner zu ein­er Vere­ini­gung zusam­men­schließen, um “das Havel­land von Aus­län­dern zu säu­bern”, ist das ter­ror­is­tisch”, betonte die Vor­sitzende Rich­terin des Staatss­chutzse­n­ats, Gisela Thaeren-Daig, in der Urteils­be­grün­dung. Wer auf diese Art das friedliche Zusam­men­leben störe, der stelle sich “auf eine Stufe mit ras­sis­tis­chen Ver­brech­ern”. Fast alle hät­ten eine aus­län­der­feindliche Ein­stel­lung gehabt. 

Es war die bun­desweit erste Verurteilung nach der Änderung des Para­graphen 129 a) — Bil­dung ter­ror­is­tis­ch­er Vere­ini­gun­gen — im Dezem­ber 2003. Ende der 70er und in den 80er Jahren gab es zulet­zt mehrere Verurteilun­gen in der recht­en Szene wegen Bil­dung ter­ror­is­tis­ch­er Vereinigungen. 

Mit den nach Jugen­drecht gefäll­ten Urteilen fol­gte das Gericht im Wesentlichen den Anträ­gen der Gen­er­al­staat­san­waltschaft. Die Vertei­di­gung hat­te für fünf der Angeklagten Bewährungsstrafen beantragt, für einen gemein­nützige Arbeit und für den Rest Freis­pruch. Für sie ist der Tatvor­wurf der Grün­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung nicht erfüllt. Der Vertei­di­ger des Haup­tangeklagten will Revi­sion beantragen. 

Zur Tatzeit waren die Verurteil­ten zwis­chen 14 und 18 Jahre alt. Nach Auf­fas­sung des Gerichts woll­ten sie mit den zwis­chen August 2003 und Mai 2004 verübten zehn Anschlä­gen Aus­län­der vertreiben. Es sollte “ein Fanal” geset­zt wer­den, um ein Kli­ma der Angst zu ver­bre­it­en. Dazu grün­de­ten sie die rechts­gerichtete Kam­er­ad­schaft “Freiko­rps”. Ver­let­zt wurde bei den Anschlä­gen nie­mand. Der Sach­schaden betrug rund 800 000 Euro. 

Nach Aus­sagen einiger Angeklagter wurde der heute 20-jährige Haup­tangeklagte — ein Abi­turi­ent — nach der “Freikorps”-Gründung zum Anführer, andere zum Schrift­führer oder Kassier­er ernan­nt. Die aus­län­der­feindlichen Ziele seien fest­gelegt wor­den. Das schriftliche Pro­tokoll, das von elf Angeklagten mit Ini­tialen unterze­ich­net wurde, sei später ver­nichtet wor­den. “Dieser Grup­pen­wille war ursäch­lich für die Anschläge”, sagte die Richterin. 

Gen­er­al­staat­san­walt Erar­do Raut­en­berg zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Es sei richtig, den Anfän­gen des Recht­sex­trem­is­mus kon­se­quent ent­ge­gen­zutreten. Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) sprach von einem deut­lichen Urteil mit Augen­maß. Die soziale Kon­trolle durch Eltern, Schule und Vere­ine habe hier ver­sagt. Er hoffe jet­zt auf eine bre­ite Diskus­sion über den Umgang mit dem Rechtsextremismus.

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Schüler auf jüdischen Spuren

BRANDENBURG Es war eine stolze Reak­tion auf ein ver­brecherisches Gesetz. Als
die Nation­al­sozial­is­ten in den Rassege­set­zen von 1935 Juden die Benutzung
öffentlich­er Badeanstal­ten ver­boten, ließ die jüdisch-brandenburgische
Hut­mach­er-Fam­i­lie Sil­ber­mann sich kurz­er­hand ein eigenes Schwimm­bad bauen,
in dem ihre Kinder ungestört — und legal — plan­schen kon­nten. Lokale
Begeben­heit­en wie diese haben fünf Schüler der Gesamtschule Gör­den zwei
Jahre lang gesam­melt und in einem far­bigen Band mit dem Arbeit­sti­tel “Juden
in Bran­den­burg” zusam­mengestellt. Das bis­lang lediglich in Probeexemplaren -
müh­sam auf Far­bkopier­ern — gedruck­te Werk ist in der Geschichtsschreibung
der Stadt ohne Beispiel. 

“Eine solche Doku­men­ta­tion ist ein Aushängeschild für die Stadt”, lobt
Gen­er­al­staat­san­walt Erar­do Raut­en­berg die Schüler. Zusam­men mit seinen
Fre­un­den vom Rotary-Club will Raut­en­berg das Werk zur Druck­reife bringen.
Die Auflage soll so hoch sein, dass nicht nur die Bran­den­burg­er Schulen mit
dem Mate­r­i­al arbeit­en, son­dern auch inter­essierte Bürg­er Exem­plare erwerben
kön­nen. Die Lan­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung hat schon För­der­mit­tel in
Aus­sicht gestellt. “Der Band wird wegge­hen wie warme Sem­meln”, prophezeit
Lan­deszen­tralen-Lei­t­erin Mar­ti­na Weyrauch. Wer das mit vie­len historischen
Ansicht­en und Porträts aufgemachte Buch auf­schlägt, legt es nicht mehr aus
der Hand. Die ganze ver­sunkene Welt des Bran­den­burg­er Juden­tums erste­ht auf
den Seit­en neu. Und es gibt ordentlich etwas zu sehen. So haben die Autoren
auf alten Ansicht­skarten jüdis­che Geschäfte markiert, Briefe und
Amtss­chreiben sind in Fak­sim­i­les abge­druckt. So belegt etwa eine Namensliste
des Von-Saldern-Gym­na­si­ums, dass 1890 rund 20 jüdis­che Schüler die Anstalt
besucht­en. 1938 war es ger­ade noch ein­er, 1939 war die Saldria “juden­frei”,
wie sich die Faschis­ten brüsteten. 

Zwei Nach­mit­tage in der Woche haben die Schüler ihrem Großpro­jekt geopfert -
rund 500 Stun­den im Ganzen, rech­net Lehrerin Renate Kühn vor. Bei ihren
Recherchen und Inter­views haben sich die Schüler großen Respekt bei der
jüdis­chen Gemeinde erwor­ben. “Vor zwei Jahren hat man uns zum Chanukka-Fest
ein­ge­laden — das war eine große Ehre”, sagt die 16-jährige Katha­ri­na Koppe.
Die Elftk­läss­lerin und ihr Mitschüler Christoph Windis­chmann, der die Seiten
zum jüdis­chen Fried­hof beis­teuerte, sind nun mit dem Pro­jekt allein — drei
andere Schüler sind bere­its ins Beruf­sleben ges­tartet. Inhaltlich beschränkt
sich die Arbeit keineswegs auf die Hitler-Jahre — einen moral­isieren­den Ton
ver­mei­den die jun­gen Autoren sehr zum Vorteil ihres Werks. Der Band beginnt
bei den Anfän­gen jüdis­chen Lebens im 14. Jahrhun­dert und endet in der
Gegen­wart. Die Schüler haben jüdis­che Aussiedler in Hohen­stück­en besucht und
deren Erleb­nisse in han­dliche Kurzbi­ografien gepackt. 

Zum 30. Jubiläum des Schul­stan­dorts auf dem Gör­den am 1. Sep­tem­ber sollen
die druck­reifen Bände vorliegen.

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Länder scheuen Vereinigung des Datenschutzes

Pots­dam (MOZ) Bran­den­burg und Berlin suchen jew­eils einen neuen
Daten­schutzbeauf­tragten. Die Berlin­er kön­nten Alexan­der Dix erhal­ten, dessen
Amt­szeit in Pots­dam nicht ver­längert wurde. Die Idee eines gemeinsamen
Beauf­tragten ist jet­zt wieder beerdigt worden. 

Die Zeit schien gün­stig zu sein. Bei­de Län­der benöti­gen einen neuen
Daten­schutzbeauf­tragten. Also, so fragte SPD-Chef Gün­ter Baaske, warum nicht
gle­ich einen für bei­de Län­der bestallen. Ende ver­gan­gener Woche beerdigte
der Sozialdemokrat seine Idee wieder. Die Hür­den sind derzeit ein­fach zu
hoch. 

Bran­den­burg sucht bere­its seit Mai 2004 einen ober­sten Daten­schützer. Zu
diesem Zeit­punkt lief die Amt­szeit von Alexan­der Dix ab. Es fand eine
Auss­chrei­bung statt. Noch vor der Som­mer­pause lief alles auf zwei Kandidaten
hin­aus. Eine Daten­schützerin aus Berlin und einen Beamten aus dem
Innen­min­is­teri­um. Die Koali­tion in Pots­dam kon­nte sich auf keinen einigen.
Also passierte vor der Land­tagswahl nichts. 

Zurzeit läuft die zweite Auss­chrei­bung des Postens. Weit mehr als ein
Dutzend Bewer­ber haben bere­its ihr Inter­esse bekun­det, so Landtagspräsident
Gunter Fritsch (SPD). Baaske platzte mit sein­er Idee — sich mit Berlin um
eine gemein­same Lösung zu bemühen — mit­ten in das Bewerbungsverfahren. 

Doch so ein­fach ist das nicht: Der Vor­sitzende des Innenausschusses,
Hans-Jür­gen Schar­fen­berg (PDS) machte darauf aufmerk­sam, dass der Berliner
Daten­schutz den Rang ein­er ober­sten Lan­des­be­hörde genießt — also auf
Augen­höhe mit den Sen­atsver­wal­tun­gen, die er zu prüfen hat. In Brandenburg
gibt es diesen Rang nicht. Außer­dem ist der Daten­schutzbeauf­tragte in Berlin
auch für die Pri­vatwirtschaft zuständig. In Bran­den­burg müssen
beispiel­sweise Beschw­er­den über den Umgang mit Dat­en bei Inter­netkäufen vom
Innen­min­is­teri­um geprüft werden. 

Die Abgle­ichung der Geset­ze wäre eine wichtige Voraus­set­zung für einen
gemein­samen Beauf­tragten. Auch wenn sich der Land­tagspräsi­dent einen
Beauf­tragten vorstellen kann, der in zwei Län­dern nach unterschiedlichen
Geset­zen vorgeht.

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Niemand stoppte die Brandstifter


Das Ober­lan­des­gericht Pots­dam verkün­det am heuti­gen Mon­tag die Urteile über
eine Gruppe von zwölf recht­sex­tremen Gewalttätern

(FR) Vor dem Ober­lan­des­gericht in Pots­dam wer­den am heuti­gen Mon­tag im ersten
Prozess um die Bil­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung rechtsextremer
Jugendlich­er in Bran­den­burg die Urteile verkündigt. 

Berlin · 6. März · Am Nauen­er Goethe-Gym­na­si­um schmück­te sich Christoph H.
gerne mit den Insignien der neon­azis­tis­chen Szene und wet­terte gegen
Aus­län­der. “Bombi” nan­nten ihn seine Fre­unde. Heute will das Brandenburger
Ober­lan­des­gericht verkün­den, ob Christoph H. der Rädels­führer einer
ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung war. Ob der mit­tler­weile 20-Jährige für
viere­in­halb Jahre ins Gefäng­nis muss, wie es Ober­staat­san­walt Eugen Larres
gefordert hat. 

Christoph H. soll der Anführer eine Gruppe von zwölf Jugendlichen im Alter
von 14 bis 18 Jahren gewe­sen sein. Die “Kam­er­ad­schaft Freiko­rps” hatte
zwis­chen August 2003 und Mai 2004 im Havel­land eine Serie von neun
Bran­dan­schlä­gen auf türkische und viet­name­sis­che Imbisse und Geschäfte
verübt. Der Sach­schaden betrug mehr als 800 000 Euro. Für die übrigen
Angeklagten forderte der Ober­staat­san­walt Bewährungsstrafen zwis­chen sechs
und 28 Monaten. 

Der Anklage zufolge ging Christoph H. äußerst ziel­stre­big vor. Er wählte die
Anschlagsziele aus, bastelte die Brand­sätze und fuhr seine Kam­er­aden zum
Tatort. Die Kam­er­ad­schaft traf sich auf dem elter­lichen Hof, hisste dort die
Reich­skriegs­flagge. Die Brand­sätze lagerten in der Sche­une. Noch vor dem
ersten Anschlag gab sich die Gruppe eine Satzung und wählte einen
Schrift­führer. Wer mitzün­deln wollte, musste monatlich fünf Euro geben.
Davon wurde das Ben­zin für die Brand­sätze bezahlt. 

Soweit ist die Sache weit­ge­hend unstrit­tig, auch wenn die Öffentlichkeit
wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten von der Beweisaufnahme
aus­geschlossen wurde. Die Angeklagten waren geständig. Doch waren die zwölf
auch eine ter­ror­is­tis­che Vere­ini­gung? Es habe eine gemein­same Zielsetzung
und eine dauer­hafte Organ­i­sa­tion­sstruk­tur gegeben, sagt die Anklage. Die
Vertei­di­gung wider­spricht dem Ter­ror­is­mus-Vor­wurf. Die Bevölkerung sei nicht
eingeschüchtert, der Staat nicht geschädigt wor­den, sagt Vertei­di­ger Michael
Tschirschke. Sein Kol­lege Michael Barth sah die Schüler gar als Opfer der
“total­itären Macht­phan­tasien eines fanatis­chen Anstifters”. 

Doch es gab nicht nur einen Anführer son­dern auch ein Umfeld, das
wegschaute. Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm sprach gar von einem
“voll­ständi­gen Ver­sagen der sozialen Leben­skon­trolle”. Er ermöglichte der
Öffentlichkeit kür­zlich einen kurzen Blick in die Vernehmung­spro­tokolle der
Polizei. Darin gaben Lehrer, Eltern, Mitschüler und ein örtliche
Revier­förster gle­ich rei­hen­weise zu Pro­tokoll, dass in der Schule über die
Täter “gemunkelt” wurde, dass man von “Schießübun­gen im Wald” gewusste habe.
Zu dem prahlte H. prahlte mit den Zeitungsar­tikeln über die Anschläge. Viele
ahn­ten was, manche wusste es, aber nie­mand stoppte die Brand­s­tifter. Im
Gegen­teil. Hs. Mut­ter gab ihrem Sohn den Rat: “Lasst euch nicht erwischen”. 

Urteile im Neon­azi-Prozess wer­den gesprochen

Viere­in­halb Jahre Haft für Haup­tangeklagten gefordert

(MAZ) Pots­dam — Im Pots­damer Neon­azi-Prozess wer­den heute voraus­sichtlich die
Urteile gesprochen. Erst­mals mussten sich vor dem brandenburgischen
Ober­lan­des­gericht zwölf junge Män­ner wegen der Grün­dung einer
ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung verantworten. 

Während sie in dem zweiein­halb Monate dauern­den Ver­fahren ihre Beteiligung
an Anschlä­gen auf Imbisse und Geschäfte von Aus­län­dern im Havelland
ein­räumten, wiesen die Beschuldigten den Ter­ror­is­mus-Vor­wurf zurück. Zur
Tatzeit waren die Angeklagten zwis­chen 14 und 18 Jahre alt. Sie sollen aus
Frem­den­hass zwis­chen August 2003 und Mai 2004 zehn Anschläge auf Imbisse und
Geschäfte von Aus­län­dern im Havel­land verübt haben um sie zu vertreiben.
Dazu grün­de­ten sie laut Anklage die rechts­gerichtete Kameradschaft
“Freiko­rps”. Ver­let­zt wurde bei den Anschlä­gen nie­mand. Der Sachschaden
betrug rund 800.000 Euro. 

Die Gen­er­al­staat­san­waltschaft hat für den 20-jähri­gen Hauptangeklagten
viere­in­halb Jahre Haft gefordert. Für weit­ere Angeklagte wur­den Jugendhaft
sowie Bewährungsstrafen beantragt. 

Heute Urteile im Pots­damer Neonazi-Prozess

Vor­wurf der Grün­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung / Anschläge auf
Imbisse und Läden

(LR) Im Pots­damer Neon­azi-Prozess wer­den heute die Urteile gesprochen. Erstmals
mussten sich vor dem bran­den­bur­gis­chen Ober­lan­des­gericht zwölf junge Männer
wegen der Grün­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung verantworten. 

Sehen so Ter­ror­is­ten aus« Zumin­d­est in diesem Punkt sind sich der
Ober­staat­san­walt und die Vertei­di­ger im Pots­damer Neon­azi-Prozess einig:
Nein, die zwölf jun­gen Män­ner zwis­chen 16 und 20 Jahren entsprechen so gar
nicht den Vorstel­lun­gen von gefährlichen Ter­ror­is­ten. Hier endet aber fast
die Einigkeit. Die Anklage hält den Tatvor­wurf für erfüllt, die Verteidigung
nicht. 

Zur Tatzeit waren die Angeklagten zwis­chen 14 und 18 Jahre alt. Sie sollen
aus Frem­den­hass zwis­chen August 2003 und Mai 2004 zehn Anschläge auf Imbisse
und Geschäfte verübt haben, um deren aus­ländis­che Besitzer und Betreiber aus
dem Havel­land zu vertreiben. Dazu grün­de­ten sie laut Anklage die
rechts­gerichtete Kam­er­ad­schaft “Freiko­rps”. Ver­let­zt wurde bei den
Anschlä­gen nie­mand; der Sach­schaden betrug rund 800 000 Euro. 

Bun­desweit kaum Erfahrung 

Die Tak­tik der Vertei­di­ger wurde im Prozess bald klar: Die Anschläge
weit­ge­hend ein­räu­men, den Vor­wurf der Grün­dung ein­er terroristischen
Vere­ini­gung strikt zurück­weisen. Erst­mals klagt die
Gen­er­al­staat­san­waltschaft des Lan­des eine Gruppe Neon­azis als terroristische
Vere­ini­gung an. Und auch bun­desweit gibt es kaum Erfahrun­gen im Umgang mit
dem Para­grafen 129 a, seit­dem er Ende 2003 unter dem Ein­druck der
Ter­ro­ran­schläge vom 11. Sep­tem­ber 2001 in den USA geän­dert wurde. 

Natür­lich seien die Angeklagten nicht mit inter­na­tionalen Ter­ror­is­ten zu
ver­gle­ichen, räumt Ober­staat­san­walt Eugen Lar­res ein. Den­noch sei der
Tatbe­stand erfüllt. Die Kam­er­ad­schaft sei keine Idee, “die aus dem Suff
her­aus” ent­stand. Ein Anführer wurde bes­timmt, ein Schrift­führer und ein
Kassier­er. Das später ver­nichtete Grün­dung­spro­tokoll sei mit Initialen
unterze­ich­net wor­den. Der Monats­beitrag betrug fünf Euro. 

So hat­ten zumin­d­est einige der Angeklagten die Szener­ie vom Som­mer 2003
geschildert. Mit diesem Pfund wuchert die Anklage. Die Anwälte halten
dage­gen. Ihre Plä­doy­ers geri­eten zur recht­sphilosophis­chen Vor­lesung. Was
ist Ter­ror» Wurde die Bevölkerung — wie im Gesetz beschrieben — tatsächlich
erhe­blich eingeschüchtert« Wurde ein Staat erhe­blich geschädigt» Nein,
meinen die Verteidiger. 

Fol­gt der Staatss­chutzse­n­at der Anklage, müssen drei Beschuldigte mit
Gefäng­nis­strafen zwis­chen 28 Monat­en und viere­in­halb Jahren, der Rest mit
Bewährungsstrafen rech­nen. Die Vertei­di­gung beantragte höchstens
Bewährungsstrafen. Greift der Ter­ror-Para­graf nicht, würde das für sechs der
Angeklagten wohl Freis­pruch bedeuten. 

Revi­sion beim BGH sicher 

Die Vertei­di­ger und der Ober­staat­san­walt sind sich allerd­ings auch noch in
einem anderen Punkt einig: Gle­ichgültig, wie das Urteil aus­fällt, eine Seite
wird Revi­sion beim Bun­des­gericht­shof beantragen.

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Elf und einer

Pick­el und Segelohren, Run­drück­en, Sweat­shirts und Turn­schuhe. Jungs eben. Elf Jugendliche, die in den Saal 215 im Pots­damer Landgericht schlen­zen. Ein­er ist schon vorher hereinge­führt wor­den, in Hand­schellen. Sie sind hier, weil sie eine ter­ror­is­tis­che Vere­ini­gung gebildet haben sollen. Und weil sieben der Jun­gen sich Stur­m­masken und Uni­for­m­jack­en überge­zo­gen haben und nachts über die Bran­den­burg­er Dör­fer gefahren sind, um Aus­län­der einzuschüchtern, Brand­sätze zu leg­en. Damals, als sie das Freiko­rps waren. 

Auf den Zuschauer­bänken sitzen ihre Eltern. Seit Novem­ber sehen sie sich hier in Pots­dam. An zehn nicht öffentlichen Ter­mi­nen wur­den 60 Zeu­gen und Sachver­ständi­ge gehört, sprachen davon, was ihre Söhne ungestört über zehn Monate angerichtet hat­ten. “Das ist unser zweites Zuhause”, scherzt ein Vater mit Gol­drand­brille und rosigem Gesicht. Es ist ein guter Tag für die Eltern, die Stunde der Vertei­di­gung, die Anwälte ihrer Söhne tun ihre Arbeit. Endlich ein­mal wird dem Ober­staat­san­walt widersprochen. 

In ein­er Juli­nacht 2003 hat­ten sich die Jungs auf einem Feld ver­sam­melt, mit Bierk­isten in der Hand und Wut im Bauch. Mut­ter H. hat­te sie vom Hof gewor­fen, sie könne den ewigen Lärm nicht mehr ertra­gen. Sie mussten raus aus der Sche­une, wo sie seit Monat­en ihre Freizeit ver­bracht­en, runter vom Hof, wo son­st beim Mope­d­schrauben über ihnen die Reich­skriegs­flagge flat­terte. Frau H.s Sohn, der damals 18-jährige Gym­nasi­ast Christo­pher, soll in jen­er Nacht laut Zeu­gen­bericht­en gesagt haben, jet­zt müssten den Worten mal Tat­en fol­gen, sie kön­nten einen Club grün­den, eine Brud­er­schaft, Zusam­men­halt, etwas in der Art. Ein­er hat­te noch seine Schul­sachen dabei. Der machte den Pro­tokol­lanten. Alle woll­ten dabei sein. Wenn schon mal was los war, hier in Pausin, dem bran­den­bur­gis­chen Straßen­dorf bei Nauen. 

Sie gaben sich den Namen Freiko­rps und for­mulierten ihr Ziel: Das Havel­land sollte frei wer­den von Aus­län­dern. Damit das geschieht, soll­ten die Dön­er bren­nen. Und die Asia-Imbisse. Eben alles, wo Fid­schis und Kanaken Geld ver­di­enen. Damit sie das auch bezahlen kön­nen, legten sie einen Monats­beitrag fest: fünf Euro pro Freiko­rps-Mit­glied. Für Ben­zin fürs Auto, Ben­zin für die Brand­sätze. Alle unter­schrieben die Satzung mit ihren Initialen. 

Es wurde ein heißer Som­mer, ein sehr heißer Win­ter, auch noch ein wilder Früh­ling. Im Juli 2004 war es aus: Alle zwölf wur­den ver­haftet. Sie hat­ten zwis­chen August 2003 und Mai 2004 zehn Anschläge verübt, im Schnitt einen pro Monat. Sie hat­ten 800.000 Euro Schaden angerichtet, Sach­schaden. Sie waren in dieser Zeit zur Schule gegan­gen, zur Aus­bil­dung, hat­ten Mäd­chen geküsst, Geburt­stage gefeiert, an Mope­ds geschraubt und Exis­ten­zen ver­nichtet. Ihre Müt­ter hat­ten ihre Bomber­jack­en gewaschen, ihre Lons­dale-Sweat­shirts. Und ihre Väter hat­ten vielle­icht mal über den Flur gerufen, sie mögen die Musik leis­er drehen, wenn die Rechtsmucke beim Fernse­hen störte. Kein­er hat gefragt, wo kommst du jet­zt her, was sind das für Aufnäher an dein­er Jacke, was treibt ihr da eigentlich bei den H.s auf dem Hof? Kein­er gesagt, jet­zt ist aber mal Schluss, du bleib­st heute Abend zu Hause. 

Nun sitzen ebendiese Väter und Müt­ter beieinan­der in den Zuschauer­bänken und schauen auf die Rück­en und Hin­terköpfe ihrer Kinder, die schwarzen Talare der Anwälte. Sehen rechts Ober­staat­san­walt Eugen Lar­res sitzen, vorn die Rich­terin. Sie kom­men zu jedem Prozesstag die 30 Kilo­me­ter aus dem Havel­land rübergerutscht, teilen sich — wie damals ihre Söhne — die Ben­zinkosten. Sie flüstern miteinan­der, wenn vorn ver­han­delt wird, geben sich gegen­seit­ig Feuer, wenn Pause ist. 

Nur ein Eltern­paar hat eine Bankrei­he ganz für sich. In den Pausen mei­den sie die anderen Müt­ter und Väter und umgekehrt. Es sind die Eltern H., Christo­phers Eltern, des Jun­gen mit den Hand­schellen. Er ist der Haup­tangeklagte, er gilt als Anführer des Freiko­rps, für ihn fordert Ober­staat­san­walt Lar­res viere­in­halb Jahre Haft. 

Frau H. soll gewusst haben, was ihr Sohn und dessen Fre­unde da trieben. Soll gesagt haben: “Lasst euch nicht erwis­chen!” Noch Mitte Jan­u­ar, kurz vor dem Plä­doy­er des Staat­san­walts, sagte Frau H. dem Rund­funk Berlin-Bran­den­burg: “Das ist alles so hochge­spielt.” Aus­län­der aus dem Havel­land zu vertreiben scheint für sie legit­im, ein­mal soll sie die Jugendlichen zu einem nächtlichen Anschläge gefahren haben. Dass es so war, kon­nte bis heute nicht bewiesen wer­den, es läuft ein Ermit­tlungsver­fahren gegen sie, sagt der Anwalt ihres Sohns, Michael Tschirschke. 

Die Frau sitzt neben ihrem Mann, einem stäm­mi­gen Bran­den­burg­er. Mit ihren rötlichen kurzen Haare und der Brille sieht sie aus wie eine nette Kindergärt­ner­in. Das ist ihr Beruf. Aber Herr und Frau H. sind arbeit­s­los. Den­noch sind sie nicht “sozial deklassiert”, wie es Recht­san­walt Michael Barth im Plä­doy­er für seinen Man­dan­ten Sebas­t­ian A. for­muliert. Die H.s sind alte Pausin­er, “die aus der Schat­ulle leben”. Sie haben Grundbe­sitz, den sie seit Jahren erschließen und anschließend als Bauland verkaufen. Aber, sagt Barth, “sie gefie­len sich als Arbeit­slose” und sucht­en nach “welchen, die unter ihnen sein müssen”. Was sie beim Bier in der Dor­fkneipe oder am häus­lichen Abend­brot­tisch predigten — Sozial­neid und Aus­län­der­hass — haben ihr Sohn und dessen Fre­unde in Tat­en umgesetzt. 

Kein Wort fällt zwis­chen den H.s und den Eltern der anderen elf Angeklagten. Leicht zu erk­lären, fol­gt man der Argu­men­ta­tion der Anwälte sein­er Mitangeklagten. Von “elf und einem Angeklagten” spricht Anwalt Barth in seinem Plä­doy­er. Er vertei­digt das jüng­ste Freiko­rps-Mit­glied, “den Benjamin”. 

Sebas­t­ian A., damals 14 Jahre alt, hat in der Nacht auf dem Feld seine Ini­tiale unter den Wisch geset­zt. Er hat — anders als fünf sein­er Mitangeklagten — von Anfang an gesagt, Brände leg­en zu wollen. Und der heute 16-Jährige mit den rosi­gen weichen Gesicht­szü­gen hat sein Ver­sprechen gehal­ten. In den Wei­h­nachts­fe­rien 2003 hat er gemein­sam mit Stef­fen V. einen Döner­im­biss in Falkensee in Brand gesteckt. Eine Anwohner­in löschte das Feuer rechtzeit­ig. Drei Monate später war dann ein Grill in Schön­walde dran. Stef­fen V. und Sebas­t­ian A. brachen den Imbiss auf, set­zen ihn in Brand. Dies­mal klappte alles: Der Inhab­er war ruiniert. 

Hun­dert Meter ent­fer­nt, im Auto, wartete Christo­pher H. im Schutz der Dunkel­heit. Er hat ihnen den Kanis­ter mit dem Brandbeschle­u­niger gegeben, argu­men­tiert der Anwalt. Er war der Älteste, der Anführer. Der eine. 

Vier Monate nach diesem Anschlag — dem acht­en von zehn — wer­den elf und ein­er festgenom­men. Der eine — Christo­pher — bleibt in Unter­suchung­shaft. Bis jet­zt. Gegen alle gemein­sam wird wegen Bil­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung ermit­telt. Das heißt: bis zu zehn Jahren Haft. 

Möglicher­weise ist das ein struk­tureller Fehler in diesem Ver­fahren. Denn wohl waren alle, die hier in Saal 215 sitzen, in jen­er Juli­nacht auf dem Feld dabei. Gle­ich­wohl haben nur sieben von ihnen tat­säch­lich Bran­dan­schläge verübt. 

“Was heißt denn hier die Angeklagten?”, fragt pro­vokant der Anwalt von Michael B. in seinem Plä­doy­er. “Da muss doch mal eine Einord­nung stat­tfind­en.” Und Recht­san­walt Wolf­gang Kysel­ka ord­net ein. 

Er spricht von “Vorverurteilung” durch die Medi­en, bestre­it­et, dass die Anschläge auf die — in aller Regel nicht ver­sicherten — Imbiss­be­treiber “ver­heerend” gewe­sen seien, dies Adjek­tiv stünde wohl nur dem Tsuna­mi in Südostasien zu. Er fährt die Strate­gie aller Anwälte der elf Havel­län­der: den Ter­ror­vor­wurf vom Tisch wis­chen und anschließend den eige­nen Mandante
n zum Ver­führten stil­isieren. Die Eltern haben es im Laufe der Zeit verin­ner­licht, dass es beson­ders schlimm war, was H. getan hat. Und das, was ihre Söhne getan haben, wohl nicht so schlimm. Dazu passt, was der Anwalt sagt. Wolf­gang H. Kysel­ka zitiert ein Gutacht­en, das B. zur Tatzeit einen Blutalko­hol­spiegel von 2,62 Promille bescheinigt, und endet mit den Worten, im Fall G. “brauchen wir über Strafe nicht zu reden”. Freis­pruch lautet sein Antrag. 

Es ist das achte Plä­doy­er von zwölf. Das erste, in dem Freis­pruch gefordert wird. In die Zuschauer kommt Bewe­gung, ihre Mienen hellen sich auf. Die Eltern stoßen einan­der mit den Ellen­bo­gen an, in der Pause wird der Vater des Angeklagten Patrick W. mur­ren: “Unglaublich, was ein erwach­sen­er Mann sich hier leis­ten darf.” Er meint damit Ober­staat­san­walt Larres. 

In der let­zten Sitzungspause ist die Stim­mung lock­er. Die Angeklagten lär­men ein biss­chen im Gang vor dem Saal. Es hat etwas von Schul­hof, sie teilen sich Zigaret­ten, Man­dari­nen und Knop­pers. Ein Anwalt ist in der let­zten Woche Vater gewor­den — das wird lau­nig von den Kol­le­gen kom­men­tiert. Die Beamten am Ein­gang zum Gericht fan­gen an, die Sicher­heitss­chleuse abzubauen, es war ein langer Tag. Nur noch zwei Plä­doy­ers ste­hen aus. 

Als die Jus­ti­zangestellte wieder in den Saal ruft, ziehen manche Eltern ihre Jack­en gar nicht erst aus — es ist eh gle­ich vor­bei. Eine Mut­ter macht es sich in der zweit­en Rei­he bequem und legt ihre Füße auf den Vorder­sitz. Dieter Frit­zler, der Anwalt von Pas­cal B., spricht in seinem Plä­doy­er von einem “Fre­un­deskreis, Kindern kann man sagen”. Dass die dem “chemiein­ter­essierten Bomben­leger” Christo­pher H. aufge­sessen seien, mache aus der Gruppe doch keine ter­ror­is­tis­che Vere­ini­gung. Er schildert, wie in den Anfän­gen des Freiko­rps, im August 2003, der erste Anschlag scheit­erte. Der Asia-Imbiss in Nauen war — das hat­ten die drei Täter nicht bedacht — ver­git­tert, und mit dem mit­ge­bracht­en Schrauben­zieher beka­men sie das Schloss nicht auf. Eine Mut­ter kann ihr Lachen kaum unter­drück­en. Woll­ten sie wohl an die Vor­räte im Imbiss ran, die Jungs. Hat nicht geklappt. “Ist auch bess­er für die Fig­ur”, flüstert sie hör­bar ihre Sitz­nach­barin zu. Anwalt Frit­zler nen­nt den miss­glück­ten Anschlag eine “Besich­ti­gung” und fordert Freis­pruch für seinen Mandanten. 

Es ist alles gesagt an diesem Tag, die Rich­terin schließt die Ver­hand­lung. Die Anwälte, die Eltern und ihre Söhne ver­lassen Saal 215. Christo­pher H.s Hand­schellen klick­en, am Gang zum Zel­lenge­bäude warten seine Eltern auf ihn. Mut­ter H. will ihrem Sohn durchs Haar fahren. Er duckt sich weg.

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Folter-Opfer wollte sich das Leben nehmen

(Tagesspiegel, 5.3.) Frank­furt (Oder) — Im Folter-Prozess vor dem Landgericht Frank­furt hat am
Fre­itag das Opfer die bru­tal­en Mis­shand­lun­gen geschildert. Bei der Befragung
des 23-Jähri­gen musste die Öffentlichkeit den Saal ver­lassen, da persönliche
und intime Dinge zur Sprache kom­men wür­den. Der in einem Neben­raum sitzende
Mann wurde per Videoschal­tung ver­nom­men, um eine Kon­fronta­tion mit den
Angeklagten zu vermeiden. 

Nach Angaben sein­er Anwälte lei­de der 23-Jährige infolge der erlittenen
Folterorgie an ein­er post­trau­ma­tis­chen Belas­tungsstörung. Er habe extreme
Schlaf­störun­gen mit Alb­träu­men und tagsüber plöt­zlich auftretende
“Flash­backs”, in denen er das Trau­ma und die Schmerzen immer wieder
durch­lebe. Nach Angaben ein­er Klinik hat das Opfer im Sep­tem­ber versucht,
sich das Leben zu nehmen. 

In dem Ver­fahren sind drei Män­ner zwis­chen 21 und 29 Jahren angeklagt, das
Opfer am 5. Juni 2004 ent­führt, über Stun­den gefoltert und verge­waltigt und
in Todes­ge­fahr gebracht zu haben. Zwei Frauen ste­hen wegen Bei­hil­fe vor
Gericht. Als Motiv für die Tat führt die Anklage “auf tief­ster Stufe
ste­hende, men­schen­ver­ach­t­ende, dumpfe recht­sex­trem­istis­che Einstellungen”
an. 

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

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Absolute Ausnahme”

(MAZ, 5.3.) SCHULZENDORF “Gegen Ras­sis­mus bin ich auf jeden Fall. Aber ob ich stumpf
oder schlau bin, das müsst ihr schon raus­find­en”. Schnell kam Bela B
Felsen­heimer gestern mit rund 40 jun­gen Leuten im “Butze”-Klub ins Gespräch.
Anlass war die Ver­lei­hung des Titels “Schule ohne Ras­sis­mus — Schule mit
Courage” im Rah­men der namensgeben­den, bun­desweit­en Aktion an die
Gesamtschule Schulzen­dorf. Deren promi­nen­ter Pate ist der Schlagzeuger der
Band “Die Ärzte”. 

Eine “absolute Aus­nahme” nan­nte Man­ag­er Axel Schulz diese Paten­schaft. Aber
nach den jüng­sten, erschreck­enden Wahler­fol­gen rechter Parteien in
Ost­deutsch­land wolle sich Bela B sein­er Ver­ant­wor­tung nicht entziehen. Der
braune Boden­satz sterbe langsam ab, sagte der in Ham­burg lebende Künstler
(40) über die Alt­nazis, “aber DVU und NPD fan­gen an, bei der Jugend zu
grasen. Dage­gen möchte ich ein Zeichen setzen. ” 

Wie das mit den Recht­en gewe­sen sei, “als Du so 15, 17 Jahre alt warst?”
wollte Patrick Fröming wis­sen. Wenn einem fünf Bomber­jack­en ent­ge­gen kamen,
sei man auf die andere Straßen­seite gewechs elt. “Das”, sagte Bela B, “war
dama ls so wie heute”. 

Klar Posi­tion gegen Rechts beziehen die “Ärzte” seit ihrer Wiedervereinigung
(1993). “Musik ist sehr wichtig”, so Bela B: “Ab ein­er bestimmten
Wichtigkeit ist man schon gezwun­gen, sich zu äußern.” Am deut­lich­sten in dem
Lied “Schrei nach Liebe”, das sich gegen Neon­azis mit Springerstiefeln
richtet. “Auf euren Konz­ertkarten ste­ht immer, Nazis ver­boten. Lasst ihr
Glatzen draußen?” fragte Christin Müller. Es sei gefährlich, Leute nur auf
ihr Äußeres zu reduzieren, so Bela B. Sich­er seien auch Skin­heads im
Pub­likum. “Aber wir acht­en darauf, dass sie keine ein­deuti­gen Aufnäher
tra­gen.” Im Inter­net habe er die Diskus­sion über die mit­tler­weile verbotene
Marke “Thor Steinar” ver­fol­gt, erzählte Bela B. Für ihn der Ver­such, “über
hippe Klam­ot­ten Jugendliche für die rechte Szene zu rekrutieren.” 

Ob er glaube, meldete sich Christin Müller erneut zu Wort, dass die braune
Zeit wiederkomme? “Vor einem neuen Hitler müssen wir keine Angst haben”,
meinte Bela B — und mah­nte die in dem aktuellen “Ärzte”-Song “Deine Schuld”
beschworene Zivil­courage an. Beispiel­weise könne man schon mal den Mund
auf­machen, wenn man her­aus­finde, dass der Händler an der Ecke in seinem
“Kiosk die Nation­al-Zeitung verkauft”.

Inforiot