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Anwerbeversuch in Potsdam

Am Son­ntag, 30.01.2005 um 14 Uhr klin­gelte an der Woh­nung zweier Pots­damer Antifaschist_innen ein Mann; schätzungsweise 25 — 30 Jahre alt, groß (ca. 1,85),
schlank, kurzes rötlich­braunes Haar, Dre­itage­bart mit schwarzem Basekap,
schwarz­er ger­ade geschnit­ten­er Hose und schwarzem Win­ter­par­ka. Er stellte sich als
Björn Klop­stock vom Bun­desin­nen­min­is­teri­um vor, der zu Recht­sex­trem­is­mus recher­chiert und “sich auch mal mit Leuten unter­hal­ten möchte, die was dage­gen machen. Und Sie sind mir emp­fohlen wor­den.” Bei dem Ver­such, ein Foto von ihm zu
machen, ran­nte er aus dem Haus und sprang in ein Auto, das auf ihn gewartet hat­te und in dem noch eine andere Per­son saß.Unter dem Namen Björn Klop­stock ist in Pots­dam auch schon ein ander­er Anwer­bev­er­such gelaufen. 

KEINE ZUSAMMENARBEIT MIT VS, BKA, BND, POLIZEI!

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Attacken “nicht überraschend”

FALKENSEE Nach den jüng­sten anti­semi­tis­chen Attack­en auf den Geschichtspark in
Falkensee hat sich jet­zt auch die Havel­land-Gruppe der Antifaschisten
(Antifa) zu Wort gemeldet. “Wir verurteilen diese erneuten neonazistischen
Angriffe, die nicht nur alle Opfer faschis­tis­ch­er Ver­brech­er ver­höh­nen und
deren Hin­terbliebene unsäglich kränken, son­dern auch als Angriff gegen alle
Men­schen ver­standen wer­den müssen, denen antifaschis­tis­ches Denken eine
Selb­stver­ständlichkeit ist”, heißt es in ein­er Presseerk­lärung. Nach Ansicht
der Antifa Havel­land kom­men die Tat­en allerd­ings nicht überraschend. 

Seit Monat­en sei auf den Straßen Bran­den­burgs und Berlins “das Erstarken der
recht­sex­trem­istis­chen Bewe­gung” zu erleben. Dies drücke sich nicht nur in
den Wahler­fol­gen, son­dern vor allem im Auftreten rechtsextremer
Kam­er­ad­schaften wie zum Beispiel “Märkisch­er Heimatschutz” und “Neue
Ord­nung”. In der Antifa-Pressemit­teilung heißt es: “Es ist doch nicht
ver­wun­der­lich, dass in einem Kli­ma, in dem sich Jugendliche und sog­ar Kinder
aus unser­er Nach­barschaft zu ein­er Bande zusam­men­schließen, um
Imbiss­bu­den­be­treiber aus Falkensee und dem Havel­land zu vertreiben und dies
sog­ar zehn Mal in die Tat umset­zen kön­nen, ohne dass ihnen jemand in den Arm
fällt, auch andere Rat­ten­fänger erfol­gre­ich aus der Mitte der Gesellschaft
Nach­wuchs rekru­tieren.” Diesem Umstand könne durch ver­stärk­te Aufk­lärung in
den Schulen ent­ge­gengewirkt wer­den. “Nur durch Wis­sen um die faschistischen
Ver­brechen kön­nen Kinder die Lügen der Auschwit­zleugn­er erken­nen und
ent­lar­ven”. Schule könne diese Auf­gabe aber nicht allein bewälti­gen. Die
Antifa Havel­land ruft alle Falkenseer auf, “sich den Neon­azis in den Weg zu
stellen und mit den zu erwartenden inter­na­tionalen Gästen im April
anlässlich des Gedenkens zum 60. Jahrestag der Befreiung des
Konzen­tra­tionslagers auch in Falkensee Zeichen zu setzen.”

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Schläge und Tritte gegen zwei Kameruner

Stu­den­ten der BTU aus Kamerun sind am Woch­enende wahrschein­lich mit
aus­län­der­feindlichem Hin­ter­grund in Cot­tbus ange­grif­f­en wor­den. Wie die
Press­es­telle des Polizeiprä­sid­i­ums in Frank­furt (Oder) mit­teilt, wur­den zwei
Kameruner im Alter von 23 und 25 Jahren am Son­ntag gegen 5.30 Uhr auf der
Stadt­prom­e­nade beschimpft und geschla­gen. Als die bei­den Män­ner aus der
Dis­co «Sound» her­aus trat­en, begeg­neten sie ein­er Gruppe von sechs
Jugendlichen. Vier davon schlu­gen und trat­en auf die Kameruner ein. Danach
flüchteten die Angreifer. 

Die Stu­den­ten entsch­ieden sich erst am Abend, den Vor­fall in der Cottbuser
Polizei­wache anzuzeigen. Nach Infor­ma­tion der Polizei klagten die beiden
Män­ner über Ver­let­zun­gen im Kopf­bere­ich und woll­ten zum Arzt gehen. 

Die Krim­i­nalpolizei des Polizeiprä­sid­i­ums, Außen­stelle Cot­tbus, ermit­telt zu
dieser Kör­per­ver­let­zung und prüft frem­den­feindliche Motivation. 

Beim Aus­län­der­beauf­tragten der Stadt Cot­tbus, Michael Wegen­er, löste die Tat
gestern tiefe Betrof­fen­heit aus. «Das schlimm­ste daran ist, dass die
aus­ländis­chen Stu­den­ten nach solch ein­er Tat immer mehr verun­sichert werden.
Dabei gibt es in Cot­tbus einen Kamerun-Vere­in, der sehr rege ist und viele
Ver­anstal­tun­gen in und für Cot­tbus auf die Beine stellt.» 

Als er gestern Nach­mit­tag bei dem Vere­ins-Vor­sitzen­den anrief, um mit ihm
über den Vor­fall zu reden, bekam Wegen­er den zweit­en Schreck: Der junge
Kameruner erzählte ihm, dass er sel­ber gemein­sam mit einem Begleit­er am
Sonnabend gegen 18 Uhr in einem Markt in der Schw­er­iner Straße von
Jugendlichen angepö­belt und bedro­ht wurde. Nur durch das energische
Ein­greifen ein­er Kassiererin hät­ten die Jugendlichen von den Studenten
abge­lassen. Die bei­den Stu­den­ten hät­ten den Vor­fall nicht bei der Polizei
angezeigt. 

«Ich bin erschüt­tert» , sagt Michael Wegen­er. «Trotz unser­er vielfältigen
Bemühun­gen zeigt die Sit­u­a­tion, dass wir keine Sicher­heit vor
aus­län­der­feindlichen Aktio­nen gewährleis­ten kön­nen. Das ist bedauerlich.» 

Betrof­fen zeigte sich gestern auch Rober­to Noth­nagel, Chef vom «Sound» . Die
Ein­lass­er seines Clubs grif­f­en bei dem Vor­fall ein, wodurch die Täter
flüchteten. Schon zuvor habe die Gruppe im Bere­ich der
Straßen­bahn-Hal­testelle Stadt­prom­e­nade Stre­it provoziert, berichtet
Noth­nagel. «Das macht mir schon Sor­gen, denn so etwas passiert ja ständig in
Cottbus.» 

Auch BTU-Präsi­dent Prof. Ernst Sig­mund und Kan­zler Wolf­gang Schröder
bedauern die Vorkomm­nisse und gehen davon aus, dass die strafrechtliche
Ver­fol­gung der Täter zügig und erfol­gre­ich abgeschlossen wird. Der Präsident
bedauert vor allem, dass die Stadt dadurch immer wieder in negative
Schlagzeilen gerate.

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Neonazi-Prozeß vor Abschluß

Pots­dam — Der Pots­damer Neon­azi-Prozeß kön­nte schneller zu Ende gehen als
geplant. Die Beweisauf­nahme kön­nte am kom­menden Mon­tag geschlossen werden,
sagte die Sprecherin des Ober­lan­des­gerichts, Ramona Pisal. Neue Anträge
lägen nicht vor, am 10. Feb­ru­ar wäre mit den Plä­doy­ers zu rech­nen. Der
Prozeß war gestern mit der Vernehmung junger Leute aus dem Umfeld der zwölf
Angeklagten fort­ge­set­zt worden.

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Die Russen sind da”

Kienitz — Ohne den Panz­er wäre Kienitz ein ganz gewöhn­lich­es Dorf im Oder­bruch. Eine Haupt­straße, auf­fal­l­end viele ver­fal­l­ene Gehöfte und längst aufgegebene Häuser, wenige her­aus­geputzte Eigen­heime, eine schlichte Kirche, Reste ein­er einst alles bes­tim­menden LPG und die oblig­a­torischen fün­fgeschos­si­gen Neubaut­en in der Dorfmitte. 

Die Mieter in den Blöck­en schauen genau auf den Panz­er. Der Koloss vom sow­jetis­chen Typ “T 34” erin­nert an ein entschei­den­des Ereig­nis, das sich heute, am 31. Jan­u­ar 2005, zum 60. Mal jährt: der erste Brück­enkopf der Roten Armee am west­lichen Oderufer und die Ein­nahme von Kienitz. 

Wie Ein­wohn­er später berichteten, kam der Vorstoß eines Vorauskom­man­dos der sow­jetis­chen Trup­pen völig über­raschend. Die eigentliche Front ver­lief damals noch einige Hun­dert Kilo­me­ter östlich der Oder. Deshalb trafen die Sol­dat­en bei der Über­querung des vereis­ten Flusses auch auf keinen Wider­stand. Erst die aus Kienitz im Laufe des Tages geflüchteten Ein­wohn­er bracht­en die Nachricht ins Oder­bruch: “Die Russen sind da.” 

Der Panz­er in der Straße der Befreiung weist kein­er­lei Kampf­spuren auf. “Der ist noch fahrbere­it”, ver­sichert ein Anwohn­er, der von seinem hin­ter dem “T‑34” liegen­den Haus die frem­den Besuch­er beobachtet. “Treib­stoff rein und ab geht“s vom Sock­el.” Vom Alter her kön­nte der Mann zu den Augen­zeu­gen der Schlacht­en gehören. Doch er teilte das Schick­sal viel­er Bewohn­er des Oder­bruchs. Seine Fam­i­lie wurde erst nach Kriegsende aus Pom­mern ver­trieben. Am Oderufer warteten sie auf eine Rück­kehr in ihre Heimat. Doch dazu kam es nicht. Er blieb in Kienitz. 

Der Sock­el des Panz­ers trägt eine Inschrift aus DDR-Zeit­en: “31. Jan­u­ar 1945 – KIENITZ. Erster vom Faschis­mus befre­it­er Ort auf unserem Staats­ge­bi­et. Ruhm und Ehre den Kämpfern der 5. Stoßarmee und der 2. Garde­panz­er­armee”. Hier find­et mor­gen eine Kranznieder­legung statt. 

Vor 60 Jahren herrscht­en bis zu 25 Grad minus. Der Schnee lag einen hal­ben Meter hoch. Doch es lag nicht am Wet­ter, dass die Rote Armee ihren entschei­den­den Vorstoß auf das 80 Kilo­me­ter ent­fer­nte Berlin erst Mitte April startete. Aufk­lärung erhält der Besuch­er des Muse­ums in der Gedenkstätte Seelow­er Höhen. Hier ist doku­men­tiert, wie dem Kien­itzer Brück­enkopf rasch weit­ere Übergänge über den heuti­gen Gren­zfluss folgten. 

Anfang März befand sich das Oder­vor­land bis auf einen schmalen Kor­ri­dor vor der Stadt Küstrin unter Kon­trolle der sow­jetis­chen und pol­nis­chen Ein­heit­en. Die Wehrma­cht ver­suchte zwar ver­bis­sen, die Oderde­iche zurück­zuer­obern, doch die meis­ten Ver­suche scheit­erten. Tausende deutsche Sol­dat­en ver­loren ihr Leben. Allein bei der Vertei­di­gung des zur Fes­tung erk­lärten Küstrin wur­den rund 2000 Vertei­di­ger getötet. Die Stadt fiel am 29. März an die Rote Armee. 

In den frühen Mor­gen­stun­den des 16. April begann die entschei­dende Schlacht um die Seelow­er Höhen. Dabei han­delt es sich um einen rund 40 Meter hohen Höhen­zug, von dem aus das ganze Oder­bruch überblickt wer­den kann. Hier hat­ten sich die deutschen Trup­pen strate­gisch gün­stig fest­ge­set­zt. Doch seit dem Kien­itzer Brück­enkopf hat­ten die sow­jetis­chen Ver­bände eine riesige Über­ma­cht vor den Seelow­er Höhen zusam­menge­zo­gen: 900 000 Sol­dat­en, 3000 Panz­er, 18 000 Geschütze und 4000 Flugzeuge. Die 9. Deutsche Armee bestand aus 130 000 Mann. Auf den Seelow­er Höhen star­ben 33 000 sow­jetis­che, 5000 pol­nis­che und 12 000 deutsche Sol­dat­en. Nach drei Tagen gewann der sow­jetis­che Marschall Shukow die Schlacht. Der Weg nach Berlin war frei.

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Doch ein Anfang ist gemacht”

In Pots­dam leben mehr als 6500 Men­schen aus aller Welt: Sie sind Stu­den­ten, Ehep­art­ner, Kinder, Fir­men­grün­der und Flüchtlinge. Zum 1. Jan­u­ar 2005 trat das neue Zuwan­derungs­ge­setz in Kraft. Was sich für die Men­schen mit der neuen Geset­zge­bung verän­dert, dazu befragten die PNN Brigitte Löwn­ing, Lei­t­erin der Aus­län­der­be­hörde, und Mag­dol­na Gras­nick, Aus­län­der­beauf­tragte der Stadt. 


Das neue Gesetz bietet für einen Teil der aus­ländis­chen Mit­bürg­er bessere Chan­cen zur Integration.

Gras­nick: Viele haben erwartet, dass sich Deutsch­land mit der neuen Geset­zge­bung als Zuwan­derungs­land erk­lärt und ähn­lich wie andere Zuwan­derungslän­der Men­schen nach bes­timmten Kri­te­rien herein­lässt. So ist es zwar nicht gewor­den. Doch ein Anfang ist gemacht. 

Löwn­ing: Beispiel­sweise kön­nen sich nun aus­ländis­che Stu­den­ten direkt im Anschluss an ihre Aus­bil­dung eine Arbeit suchen. Früher mussten sie erst noch ein­mal in die Heimat zurück. Nun kann ein Aufen­thaltswech­sel ohne großen Aufwand durchge­führt wer­den. Auch für hoch qual­i­fizierte Men­schen und Selb­st­ständi­ge ist das neue Gesetz gut. Wenn alle Voraus­set­zun­gen erfüllt sind, erhal­ten sie sofort eine Niederlassungserlaubnis. 


Eine Voraus­set­zung für ein offizielles Leben in Deutsch­land, das neben den Stu­den­ten und Selb­st­ständi­gen auch Migranten oder Fam­i­lien von Spä­taussiedlern anstreben, sind gute Deutschken­nt­nisse. In der Ver­gan­gen­heit gab es entsprechende Ange­bote. Mit dem neuen Gesetz wur­den die Deutschkurs-Stun­den von 900 auf 600 gekürzt und jed­er Teil­nehmer muss jet­zt pro Stunde einen Euro selb­st bezahlen.

Gras­nick: Im Gesetz ist ver­ankert, dass der Aus­län­der einen gewis­sen Anfang zur Inte­gra­tion hat, das ist neu. 600 Stun­den Sprachkurs sind nicht viel. Allerd­ings dür­fen pro Woche nur 25 Stun­den gegeben wer­den. Vorher waren es 40 und das war oft uneffektiv. 

Die Behörde verpflichtet die aus­ländis­chen Men­schen zur Teil­nahme an diesen Kursen. 

Löwn­ing: Wer nach ein­er bes­timmten Anzahl von Jahren, die für die jew­eili­gen Per­so­n­enkreise unter­schiedlich ist, die Nieder­las­sung beantra­gen möchte, muss aus­re­ichende Sprachken­nt­nisse vor­weisen. Wenn jemand den Deutschkurs mit ‚Sehr Gut” beste­ht, kann er die Ein­bürgerung ein Jahr früher beantra­gen, beispiel­sweise bei den jüdis­chen Migranten würde sich die Zeit von acht auf sieben Jahre verkürzen. 


Die Kurse wer­den nicht nur neu ank­om­menden Men­schen gewährt. Kün­ftig kön­nen alle Aus­län­der sie besuchen.

Löwn­ing: Zumin­d­est, wenn es genü­gend Plätze gibt. Antrags­for­mu­la­re erhal­ten sie bei uns in der Aus­län­der­be­hörde oder bei Frau Gras­nick. Wer die finanziellen Mit­tel für die Eigen­beteili­gung nicht hat, kann Zuschüsse beantragen. 

Welche Per­spek­tiv­en bringt das neue Zuwan­derungs­ge­setz für die Flüchtlinge und Asyl­suchende, die teil­weise über sechs, gar zehn Jahre hier leben? 

Löwn­ing: Keine. Eigentlich ist es so, dass wenn das Asylver­fahren been­det ist, die Men­schen aus­reisepflichtig sind. Eine Dul­dung wird aus tat­säch­lichen Grün­den erteilt, wenn zum Beispiel kein Pass vorhan­den ist oder es ein Rück­über­nah­me­abkom­men wie mit Viet­nam gibt, wo das Ver­fahren manch­mal bis zu zwei Jahren dauert. 


Die Idee von Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tio­nen wie Pro Asyl ist es, lange in Deutsch­land leben­den Men­schen mit einem Bleiberecht eine Per­spek­tive zu geben. Doch das sieht das neue Zuwan­derungs­ge­setz offen­sichtlich nicht vor? 


Löwn­ing: Dass dieser Per­so­n­enkreis in einen anderen Titel here­in­rutscht und somit seinen Sta­tus fes­tigt, ist vom Geset­zge­ber nicht vorge­se­hen. Es gibt lediglich die Möglichkeit eine Aufen­thalt­ser­laub­nis zu erteilen, um die ständi­ge Ver­längerung von Dul­dun­gen auszuschließen. Dafür muss genau geprüft wer­den, ob der Aus­län­der selb­st­ständig in der Lage ist auszureisen oder woran liegt es, dass er das nicht kann. In der Regel kön­nte man bei dem Per­so­n­enkreis, der derzeit in Pots­dam lebt sagen, dass er aus­reisen kann, wenn er wollte. 


Welche Per­so­n­en­gruppe bet­rifft das?

Löwn­ing: Die Aus­rei­sev­erpflich­tung beste­ht grund­sät­zlich. Egal, ob die Men­schen aus einem afrikanis­chen Land, Viet­nam oder dem Koso­vo kommen. 


Gibt es derzeit in Pots­dam Men­schen, die von der akuten Abschiebung bedro­ht sind?

Löwn­ing: Nein. Es sind bei eini­gen Men­schen noch Ver­fahren anhängig. Doch wir ver­suchen so auf die Men­schen einzuwirken, dass sie frei­willig zurück­kehren. Mit ein­er Abschiebung ver­bauen sie sich außer­dem die Möglichkeit nach Deutsch­land zurück­zukehren, um ihre Fre­unde und Ver­wandte zu besuchen. 


Mit dem neuen Zuwan­derungs­ge­setz gibt es die Möglichkeit eine Härte­fal­lkom­mis­sion einzuset­zen, um über Einzelschick­sale noch ein­mal unab­hängig vom Geset­zge­ber und auf ein­er human­itären Ebene zu berat­en. Wer darf in Pots­dam Fälle empfehlen? 


Gras­nick: Kün­ftig wird es wohl so sein, dass die Betrof­fe­nen von den Flüchtlings­ber­atungsstellen an die Per­so­n­en, die im Gremi­um vertreten sind, weit­ergeleit­et wer­den. In Pots­dam wäre das die Aus­län­der­beauf­tragte des Lan­des, Almuth Berg­er – allerd­ings hat sie in der Kom­mis­sion keine Stimme – und ein Mit­glied des Flüchtlingsrates Brandenburg. 


In das Gesetz wur­den neue Kri­te­rien für die Anerken­nung als Flüchtling aufgenom­men. So kann die Bun­desre­pub­lik nun Men­schen Schutz gewähren, die ver­fol­gt wur­den, weil sie ein­er sozialen Gruppe ange­hören, beispiel­sweise den Roma, oder aus geschlechtsspez­i­fis­chen Grün­den wie der Beschnei­dung der Frau. Ist es für Schutz­suchende, deren Asy­lantrag abgelehnt wurde, auf Grund der neuen Geset­zge­bung möglich, die Anerken­nung als Flüchtling zu beantragen?

Löwn­ing: Jed­er hat das Recht einen neuen Antrag zu stellen. Let­z­tendlich entschei­det das Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge, ob Asyl gewährt wird oder nicht. 

Gras­nick: Allerd­ings ist auf die Frist zu acht­en. Drei Monate nach Inkraft­treten der neuen Geset­zge­bung ist eine Neubeantra­gung möglich. 


Derzeit gehen rund sechs Prozent der in Pots­dam leben­den Asyl­suchen­den und gedulde­ten Men­schen arbeiten. 


Gras­nick: Die Arbeitssuche war für diesen Per­so­n­enkreis schw­er, da bei ein­er Bewer­bung auf einen Arbeit­splatz zunächst Deutsche und EU-Bürg­er das Vor­recht auf einen Arbeit­splatz hat­ten. Nun wird die Sit­u­a­tion noch schw­er­er, bed­ingt durch die Arbeits­mark­tre­form Hartz IV. Arbeit­nehmer wer­den kaum noch eine Tätigkeit ablehnen. 


Anders sieht es für die jüdis­chen Migranten aus. 


Gras­nick: Ich habe die Hoff­nung, dass sich durch Hartz IV die Sit­u­a­tion für diesen Per­so­n­enkreis verbessert. Men­schen, die hier noch kein Jahr gear­beit­et und keine Arbeit­slosen­ver­sicherung gehabt haben, hat­ten bish­er keine Möglichkeit, mit Hil­fe des Arbeit­samtes gefördert zu wer­den. Nun ist es so, dass diejeni­gen, die drei Stun­den am Tag arbeit­en kön­nen, als erwerb­s­fähig gel­ten und für sie die Pflicht beste­ht, in den Arbeit­sprozess zu kom­men. Hartz IV nimmt Aus­län­der rel­e­vante The­men auf, beispiel­sweise die Sprach­förderung. Ich hoffe, dass beispiel­sweise eine erfol­gre­iche Teil­nahme am Deutschkurs den Men­schen eine Arbeit­sauf­nahme erle­ichtert. Außer­dem wäre es wün­schenswert, dass sich im Bere­ich der mit­ge­bracht­en Beruf­sprax­is und deren Anerken­nung etwas tun. 

Das Gespräch führte Ulrike Strube.

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In Frankfurt beginnen drei spektakuläre Prozesse

(Katrin Bischoff) FRANKFURT (ODER). Was für Men­schen müssen das sein, die zwei wehrlose Män­ner bei lebendi­gem Leibe ver­bren­nen? Diese Frage soll an diesem Dien­stag ein psy­chi­a­trisch­er Gutachter vor dem Landgericht in Frank­furt (Oder) beant­worten. Dort müssen sich seit Dezem­ber zwei 30 und 40 Jahre alte mut­maßliche Mörder und ihre zwei 36 und 20 Jahre alte Helfer ver­ant­worten. Die Angeklagten sollen am 17. Mai 2004 in Buck­ow (Märkisch-Oder­land) nach einem Zechge­lage in die Woh­nung ihrer Opfer einge­drun­gen sein, einen der Män­ner bewusst­los gefoltert und ihn zusam­men mit seinem Fre­und, der mit der Polizei gedro­ht hat­te, in einem Wald angezün­det haben. Tat­mo­tiv: Die mut­maßlichen Mörder woll­ten das eine Opfer für eine ange­bliche Verge­wal­ti­gung bestrafen. Unklar ist, ob der Vor­sitzende Richter Andreas Dielitz schon am 9. Feb­ru­ar das Urteil verkün­den wird. 

Noch zwei weit­ere eben­so grausame Ver­brechen ste­hen in den näch­sten zwei Wochen in Frank­furt zur Ver­hand­lung an — auch dort führt Dielitz den Vor­sitz. So begin­nt am 10. Feb­ru­ar der Prozess gegen drei 21, 23 und 29 Jahre alte Män­ner und zwei 25 und 21 Jahre alte Frauen. Nach Angaben eines Gerichtssprech­ers vom Mon­tag sollen sie am 5. Juni 2004 einen 23-jähri­gen Mann verge­waltigt und in Todes­ge­fahr gebracht haben. Die Peiniger über­fie­len Gun­nar S. auf der Straße, ver­schleppten ihn in eine Woh­nung und folterten ihn. Laut Anklage zwan­gen sie ihn, Vogelkot zu essen und Spülmit­tel zu trinken. Sie trak­tierten ihn mit einem Bügeleisen, drück­ten glühende Zigaret­ten auf ihm aus und verge­waltigten ihn mit diversen Gegen­stän­den. “Die Tor­tur dauerte zweiein­halb Stun­den”, so der Gerichtssprecher. 

Ärzte stell­ten bei Gun­nar S. Rip­pen­brüche, Ver­bren­nun­gen und einen Dar­m­durch­bruch fest. Ein kün­stlich­er Dar­maus­gang musste gelegt wer­den. “Ohne Oper­a­tion wäre er mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahrschein­lichkeit verblutet”, sagte der Sprech­er. Rache nan­nten die Män­ner, die stadt­bekan­nte Neon­azis sein sollen, als Motiv. “Das Opfer soll sich ein­er Frau sex­uell genähert haben. Und das störte wohl den 29-jähri­gen Angeklagten”, so der Gerichtssprech­er. Das Urteil soll am 11. März gesprochen wer­den. Laut Opfer­per­spek­tive ist Gun­nar S. seit dem Über­fall psy­chisch am Ende. Er werde die Tat wohl niemals verkraften. 

Mann in Brand gesteckt 

Am 15. Feb­ru­ar begin­nt der Prozess gegen zwei 19 und 23 Jahre alte Män­ner aus Beeskow (Oder-Spree) wegen ver­sucht­en Mordes. Sie sollen laut Gericht am 16. Juni 2004 “heimtück­isch, grausam und aus niederen Beweg­grün­den” ver­sucht haben, einen Obdachlosen zu töten. Jür­gen W. lag auf ein­er Bank im Beeskow­er Stadt­park. Die Angeklagten sollen den schlafend­en Mann nach Geld durch­sucht haben. “Aus Verärgerung darüber, dass sie nichts fan­den, beschlossen sie, ihr Opfer zu töten”, so der Sprech­er. Zuerst hät­ten die Angeklagten vorge­habt, den 35-Jähri­gen mit einem Schrauben­zieher zu erstechen. Doch dann habe man sich geeinigt, das arglose Opfer in Brand zu steck­en. Die Män­ner sollen die Flam­men ihrer Feuerzeuge an den aus syn­thetis­chem Mate­r­i­al beste­hen­den und damit leicht ent­flamm­baren Anorak von Jür­gen W. gehal­ten haben. “Die Angeklagten sahen noch, wie das Feuer den gesamten Oberkör­p­er erfasste”, so der Gerichtssprech­er. Ein Zeuge hat­te die Flam­men mit ein­er Jacke erstickt. Jür­gen W. erlitt schwere Ver­bren­nun­gen. 35 Prozent der Haut seines Oberkör­pers ver­bran­nten. Das Urteil soll am 15. März fallen.

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Nie vergessen: Schuldig sind wir”

(Heike Mild­ner, MOZ) Letschin. Wie haben Sie das Ende des Krieges vor 60 Jahren in der Oder­re­gion erlebt? Was bewegt Sie heute, wenn Sie an das Jahr 1945 denken? — fra­gen wir in unser­er Serie “60 Jahre danach”. Heute sind wir im Gespräch mit Ursu­la Fis­ch­er aus Sydowswiese über diese schwere Zeit.

Am 31. Jan­u­ar 1945 hütet Ursu­la Fis­ch­er mit hohem Fieber zu Hause in Sydowswiese das Bett. Eigentlich sollte sie jet­zt, wie schon im ver­gan­genen Kriegs­jahr, in der Heeres­mu­ni­tion­sanstalt Son­nen­burg Flu­gab­wehrgranat­en für den Kampf um den End­sieg drehen. Doch die 19-Jährige hat­te Schar­lach bekom­men, war ins Küstriner Lazarett gebracht und von dort nach Hause geschickt wor­den. Bis Gol­zow hat­te sie ein Wehrma­chts-LKW mitgenom­men. Von Gol­zow bis Sydowswiese war sie zu Fuß über die Felder gegan­gen. Ihre Eltern fie­len aus allen Wolken, als ihre Tochter Mitte Jan­u­ar auf ein­mal fiebernd und entkräftet vor der Tür stand. 

In Son­nen­burg habe sie erlebt, wie Deutsche mit Men­schen umgin­gen, die nicht deutsch, nicht blond und nicht blauäugig waren. Vor ihren Augen hat­te damals ein Auf­se­her der Heeres­mu­ni­tion­sanstalt eine junge Zwangsar­bei­t­erin geschla­gen und zu Tode getreten. Weil ihr etwas vom Tisch gefall­en war. Die deutschen dien­stverpflichteten Frauen, die mit den Zwangsar­bei­t­erin­nen gemein­sam an dem Tisch arbeit­eten, wur­den angewiesen, kein Mitleid zu haben. Ursu­la Fis­ch­er kamen damals erste Zweifel an dem, was ihr beim Bund Deutsch­er Mäd­chen über die “Her­ren­rasse” gepredigt wor­den war. 

Son­nen­burg ist nun knapp zwei Wochen her, die junge Frau kämpft mit dem Schar­lach. Die Russen sind noch weit, glaubt man den Nachricht­en aus dem Volk­sempfänger. An diesem 31. Jan­u­ar machen sich Ursu­las Vater und zwei andere Män­ner aus dem Dorf mit dem Rad auf den Weg nach Kienitz. Auf der östlichen Oder­seite wollen sie Baum­stubben zum Feuer­ma­chen roden. Die drei trauen ihren Augen kaum, als sie in Kienitz auf Sol­dat­en in der Uni­form der Roten Armee tre­f­fen — Spitzen der 5. Stoßarmee, erfährt man heute aus Geschichts­büch­ern. Die sagen etwas von “Damoi” zu den Sydowswiesern, sie sollen wieder nach Hause gehen. Dort glaubt ihnen kein­er so recht, was sie soeben gese­hen haben. Ein Wehrma­cht­sof­fizier auf Fron­turlaub in Kienitz benachrichtigt per Tele­fon das Oberkom­man­do der Wehrma­cht. Wer weiß, wie die Geschichte ohne diesen Anruf ver­laufen wäre … 

Wenn Ursu­la Fis­ch­er erzählt, rückt, was nun 60 Jahre her ist, in greif­bare Nähe, wird fass­bar. Die zier­liche Frau, die ver­schmitzt lächelt, wenn man sich über die Zahl ihrer Leben­s­jahre ver­wun­dert zeigt, hat ein gutes Gedächt­nis und ist eine geübte Erzäh­lerin, die über den Fort­gang der Ereignisse nicht erst lange grü­beln muss. 

Sie schildert die Odyssee der Fis­ch­ers nach der Räu­mung von Sydowswiese. In ein­er Woche wür­den sie die Russen wieder über die Oder getrieben haben, war von den Sol­dat­en zu hören. Einige Sydowswieser kamen bei Ver­wandten unter, die Fis­ch­ers fol­gten mit anderen der Route, die die deutschen Strate­gen ihnen nach und nach zuwiesen. Zuerst ging es nach Buschdorf. “Meine Mut­ter hat mich auf meinen Rodelschlit­ten geset­zt und bis Buschdorf gezo­gen.” Eine Decke im Rück­en und eine kleine Tasche war alles, was sie mit­nah­men. Die 19-Jährige hat­te immer noch hohes Fieber. Geflüchtet, ver­trieben, evakuiert? Schw­er zu sagen, meint Ursu­la Fis­ch­er, auch nach 60 Jahren. 

Von Buschdorf zog die Fam­i­lie weit­er nach Worin und von dort nach Münchehofe. Ihr Vater sei dann noch zum Volkssturm nach Müncheberg ein­berufen wor­den. Ursu­la Fis­ch­er blieb mit ihrer Mut­ter und ein­er anderen Sydowswieserin und deren Tochter zusam­men. Per Son­derzug von Treb­nitz aus gelangten sie nach Glöwen, eine Sta­tion vor Wit­ten­berge und mit einem Pfer­de­fuhrw­erk weit­er nach Söl­lentin in der Prig­nitz. Dort kamen sie bei ein­er Bauern­fam­i­lie unter. Nach den Massen­quartieren der let­zten Wochen sei es den Vieren bis zum ersten Mai dort recht gut gegan­gen, erin­nert sich Ursu­la Fis­ch­er. Doch inzwis­chen waren in Söl­lentin die Russen mit weißen Fah­nen emp­fan­gen wor­den. Am 1. Mai befahlen sie den Flüchtlin­gen die Rück­kehr in ihre Heimat­dör­fer, sofern diese östlich der Oder lägen. 

Zu Fuß macht­en sich die Sydowswieser von Söl­lentin auf den Weg nach Hause, ruht­en sich unter freiem Him­mel oder in Sche­unen aus, ernährten sich von Rhabar­ber und Brennnes­seln, hat­ten immer Hunger. Manch­mal schlossen sich ihnen andere an, dann wieder liefen sie zu viert. Ein­mal habe sie, als sie durch ein Dorf liefen, ein rus­sis­ch­er Sol­dat zu sich gerufen. Alle befürchteten das Schlimm­ste. Schließlich hörte man immer wieder von Verge­wal­ti­gun­gen. Doch die junge Frau kam unversehrt und mit Brot und einem Stück Speck wieder. “Schein­bar hab ich so elend aus­ge­se­hen von dem Schar­lach …”, bemerkt Ursu­la Fis­ch­er trock­en. Solche Erleb­nisse prä­gen sich ein. 

Am 9. Mai endet der lange Fuß­marsch mit zer­fet­zten Schuhen und kaput­ten Füßen. Als sie den Letschin­er Kirch­turm gese­hen habe, habe sie auch wieder laufen kön­nen. In Letschin beka­men die Hun­gri­gen ein Brot von der Bäck­erei in der Ursu­la Fis­ch­er vor dem Krieg Lehrling gewe­sen war und zogen weit­er nach Sydowswiese. 

Dort war kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. In der Früh­lingsluft lag Leichengeruch. Das erste, was die Heimgekomme­nen tat­en, war, die Gefal­l­enen zu begraben. Dann kam der Typhus. Wenn sie heute die Berichte von der Flutkatas­tro­phe höre, wisse sie nur zu gut, wovon die Rede sei, meint Ursu­la Fischer. 

In den ersten Tagen hat­ten die Heimkehrer wed­er Stre­ich­hölz­er noch Feuerzeug. Was da ist, wird roh gegessen. Kein warmes Wass­er, um sich ein­mal richtig zu waschen, kein warmes Getränk. Die Russen teilen die Deutschen zur Arbeit ein. Die Zick­za­ck­gräben auf dem Deich wer­den zugeschaufelt. Wer arbeit­et, bekommt Brot. Ursu­la Fis­ch­er und andere Frauen schla­gen Pflöcke in den Boden und ziehen Markierungsleinen bei einem rus­sis­chen Minen­suchkom­man­do. Als sich ein­er der Sol­dat­en in der Pause eine Zigarette anzün­det, machen die Helferin­nen große Augen. Der Sol­dat braucht ein biss­chen, bis er begreift, dass es um sein Feuerzeug geht. Und er über­lässt es ihnen. Dieses Feuerzeug hät­ten sie gehütet wie ein Geschenk. Kein Geschenk des Him­mels, son­dern eins der vor­dem ver­has­sten Russen. Auch das prägt sich ein. 

Fragt man Ursu­la Fis­ch­er nach ihrem Leben vor 60 Jahren, klagt sie nicht, sie schildert. Auch wenn es eben­so ent­behrungsre­ich war wie das ander­er ihrer Gen­er­a­tion. Sie sage nur, was sie selb­st erlebt habe, auch wenn andere sie vielle­icht für bek­loppt hiel­ten, meint Ursu­la Fis­ch­er kampfes­lustig. Auch die Deutschen hät­ten gelit­ten. Aber man dürfe nicht vergessen, dass sie den Krieg begonnen und viel Leid über andere Völk­er gebracht haben. Das sagt sie auch denen, die das heute nicht oder nicht mehr hören wollen.

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Erinnerung nicht verwässern!

(Doris Steinkraus, MOZ) SEELOW Rund 300 Gäste nah­men gestern an ein­er wis­senschaftlichen Kon­ferenz im Kreiskul­turhaus teil, mit der in Märkisch-Oder­land offiziell der Ver­anstal­tungsreigen zum Ende des Zweit­en Weltkrieges eröffnet wurde. Gast­ge­ber waren der Land­kreis und die Lan­deszen­trale für poli­tis­che Bildung. 

Zu DDR-Zeit­en habe es zweifel­los eine zu ein­seit­ig aus­gerichtete Betra­ch­tung auf die Ereignisse gegeben. Doch eine Vok­a­bel wollte der Präsi­dent des Land­tages, Gunter Fritsch, mit Blick auf 60 Jahre Kriegsende ganz offiziell genan­nt wis­sen — Befreiung. Deutsch­land, Europa und die Welt sei von dem men­schen­ver­achte­tenden Naziregime befre­it wor­den. Diese his­torische Tat­sache sollte nie­mand aus­blenden. “Erin­nerung darf nicht ver­wässert oder über­lagert wer­den”, mah­nte Fritsch mit Blick auf die Ereignisse im säch­sis­chen Land­tag. Es werde immer Kon­flik­te in der Welt geben. Sie gewalt­frei zu lösen, sei eine Fähigkeit, die Men­schen erler­nen müssten. “Und es ist unsere Auf­gabe, der Jugend unsere Erfahrun­gen weiterzugeben.” 

Gunter Fritsch erin­nerte daran, dass bis heute Tausende Gefal­l­ene unter­schiedlich­er Nation­al­itäten in märkischem Boden ver­schar­rt liegen. Er würdigte die jahrzehn­te­lange Arbeit des Umbet­ters Erwin Kowalke aus Buck­ow, “der es sich zur Leben­sauf­gabe gemacht hat, den unzäh­li­gen Namen­losen eine Iden­tität zu geben”. Der amtierende Lan­drat Michael Bonin machte deut­lich, dass der 60. Jahrestag die let­zte Möglichkeit darstelle, mit Men­schen, die das schreck­liche Geschehen bewusst miter­lebt haben, ins Gespräch zu kom­men. Bonin zitierte Richard von Weizsäck­er, der schon vor 20 Jahren mah­nte: “Wer vor der Ver­gan­gen­heit die Augen ver­schließt, wird blind für die Gegenwart.” 

In den Vorträ­gen des Tages wurde die strate­gis­che Bedeu­tung der einzel­nen Aktio­nen sowohl der Roten Armee als auch der Wehrma­cht und der Alli­ierten deut­lich. Längst sei den Gen­erälen der Wehrma­cht klar gewe­sen, dass der Tag der Nieder­lage naht. Pro­fes­sor Dr. Rolf-Dieter Müller vom Mil­itärgeschichtlichen Forschungsamt Pots­dam ließ die Ereignisse Revue passieren. Im Jan­u­ar 1945 hat­te sich die Weich­sellinie aufgelöst. Die Ver­bände der Wehrma­cht zogen sich zur Oder­lin­ie zurück. In erbit­terten Gefecht­en wur­den der Roten Armee schwere Ver­luste beigebracht. 

Die große Offen­sive, die am 16. April mit der Erstür­mung der Seelow­er Höhen begann, hätte jedoch ganz offen­sichtlich nicht so ver­lus­tre­ich sein müssen, wie sie let­ztlich war. Das machte Müllers His­torik­er-Kol­lege Kurt Arlt vom gle­ichen Insti­tut in seinem Vor­trag deut­lich. “Mit der Schlacht um die Seelow­er Höhen erwarb sich die Rote Armee kein Ruhmes­blatt”, stellte Arlt klar. Und belegte es mit inter­es­san­ten Details. Gen­er­al Shukow wollte bere­its im Feb­ru­ar den großen Angriff starten. Das jedoch lehnte Stal­in mit seinem Stab ab. Man wollte den Angriff auf sichere Füße stellen. Dass die Schlacht um die Seelow­er Höhen oft im Schat­ten der Berlin­er Ereignisse stand, habe schlichtweg auch mit der wenig ruhm­re­ichen Kampf­führung Shukows zu tun gehabt. Schon 1946 habe es eine Kon­ferenz gegeben, in der man über die immensen Opfer bei dieser Oper­a­tion referierte. Es sei deut­lich gewor­den, dass hier viele fehler­hafte Entschei­dun­gen getrof­fen wur­den, die zusät­zliche Tote bescherten und die nor­maler­weise Fälle für ein Kriegs­gericht waren. Arlt nan­nte Beispiele. Shukow habe eine völ­lig überdi­men­sion­ierte Dichte an Men­schen und Gerät auf­marschieren lassen. So fehlte den Panz­ern die nötige Bewe­gungs­frei­heit. Mitunter wurde die eigene Infan­terie über­fahren wie auch Bomber der Roten Armee eigene Stel­lun­gen trafen, weil die Aufk­lärung mehr als man­gel­haft war. 

Auch der Ein­satz der Flakschein­wer­fer stelle sich als unsin­nige — deshalb wohl auch ein­ma­lige — Aktion dar. Shukow wollte damit mil­itärisches Neu­land betreten, fand aber in den eige­nen Rei­hen viele Kri­tik­er. Die Schein­wer­fer soll­ten die deutschen Stel­lun­gen auf den Seelow­er Höhen bloß stellen. In Wirk­lichkeit sorgten die unzäh­li­gen Granat- und Geschos­sein­schläge für undurch­dringliche Wolken aus Rauch und Staub, die die Sicht sog­ar noch erschwerten. 

In kein­er anderen Schlacht des Krieges, wed­er bei Stal­in­grad noch bei Moskau oder Kursk, habe es so hohe Tages-Ver­luste gegeben wie bei der Oper­a­tion Berlin, so der His­torik­er. Im Durch­schnitt star­ben täglich mehr als 15 700 Sol­dat­en oder wur­den ver­let­zt. Shukows Armee hat­te mehr als 200 000 Tote zu bekla­gen, mehr als 150 000 wur­den ver­let­zt. Und das seien nur die von der Gen­er­al­ität eingeräumten Ver­luste. Gut möglich, dass sie noch höher waren. Alles in allem sei diese let­zte große Schlacht keine Meis­ter­leis­tung der sow­jetis­chen Kriegs­führung gewe­sen und habe wohl auch deshalb nie so im Mit­telpunkt gestanden. 

Der Leit­er des Deutsch-Rus­sis­chen Muse­ums Berlin-Karl­shorst, Dr. Peter Jahn, deut­lich, wie sich die Erin­nerung an den Krieg auch in der Sow­je­tu­nion gewan­delt hat. So lange Stal­in lebte, war er der große Lenker, dann war es das Volk. Heute jedoch sehe man das Agieren der Roten Armee dif­feren­ziert, räume ein, dass es Straf­batail­lone und viele Über­griffe auf die deutsche Zivil­bevölkerung gab. Bis heute eine jedoch der Sieg der Roten Armee über Hitlerdeutsch­land die Völk­er der ein­sti­gen Sow­je­tu­nion. Junge Braut­leute wür­den bis heute an den Kriegs­denkmälern Kränze nieder leg­en. Zu der Kon­ferenz waren alle weit­er­führen­den Schulen des Kreis­es ein­ge­laden. Lediglich das Ober­stufen­zen­trum Märkisch-Oder­land nutzte das Ange­bot. Eine kleine Gruppe ver­fol­gte die Kon­ferenz, wobei beson­ders der erste sehr wis­senschaftlich gehal­tene Vor­trag schwere Kost bedeutete. Er set­zte viel Detailken­nt­nis voraus. 

Zu den Gästen gehörten neben Vertretern zahlre­ich­er Insti­tu­tio­nen und Ein­rich­tun­gen Vertreter der Botschaft der Rus­sis­chen Förder­a­tion und des Rus­sis­ches Haus­es für Kul­tur in Berlin. Auch der Vize-Lan­drat des pol­nis­chen Part­nerkreis­es Mys­li­borz nahm an der Kon­ferenz teil. Beim Sturm auf die Seelow­er Höhen agierten rund 9000 Sol­dat­en der Pol­nis­chen Armee. Etwa 5000 fan­den den Tod. 

Teil­nehmer ver­wiesen auf die Notwendigkeit kor­rek­ter For­mulierun­gen. So sei im Zusam­men­hang der Schlacht­en immer wieder von rus­sis­chen Sol­dat­en und der rus­sis­chen Armee die Rede. Solch eine For­mulierung schließe die Beteili­gung der vie­len anderen Nation­al­itäten — von Ukrain­ern über Weißrussen bis hin zu Mol­daviern aus. Gekämpft hat die Rote Armee bzw. Sol­dat­en der Sowjetunion. 

Für den organ­isatorischen Part des Tages zeich­nete die Kul­tur GmbH ver­ant­wortlich. Das Team des Kul­turhaus­es wurde dabei von Auszu­bilde­nen der Kreisver­wal­tung und des Tech­nis­chen Hil­f­swerkes unterstützt. 

Als Rotarmist zurück nach Berlin

Seelow (dos/MOZ) Zu den weni­gen noch leben­den Zeitzeu­gen, die die Schlacht um die Seelow­er Höhen als Sol­dat miter­lebten, gehört der am 21. Juni 1924 in Berlin geborene Ste­fan Doern­berg. Der heute 80-Jährige nahm gestern an der Kon­ferenz in Seelow teil. Doern­bergs Fam­i­lie musste während der Naz­i­herrschaft ins Exil gehen. Ste­fan Doern­berg machte 1941 in Moskau das Abitur. Am Tag des Über­falls Deutsch­lands auf die Sow­je­tu­nion meldete er sich am 22. Juni 1941 frei­willig bei der Roten Armee. Er nahm als Leut­nant der 8. Gardearmee an den Kämpfen um Seelow teil. 

Er wirk­te seit Beginn der 60er Jahre in der Friedens­be­we­gung der DDR, wurde 1971 Gen­er­alsekretär des DDR-Komi­tees für €päis­che Sicher­heit und Zusam­me­nar­beit, später dessen Präsi­dent. Von 1990 an wirk­te er im Deutschen Komi­tee für €päis­che Sicher­heit und Zusam­me­nar­beit bis zu dessen Auflö­sung im Jahre 2000 mit. 

Er war Mit­glied des Beirates der Geden
kstätte Seelow, der sich in die inhaltliche Umstruk­turierung der Gedenkstätte ein­brachte. Über seine ungewöhn­liche Heimkehr vor 60 Jahren in sein Heimat­land berichtet Pro­fes­sor Ste­fan Doern­berg u.a. in der Rei­he “Seelow­er Hefte”. Im Teil 3 “Moskau-Seelow-Berlin” schildert er die Ereignisse von damals, set­zt sich dabei auch mit The­men wie Verge­wal­ti­gung oder Plün­derun­gen durch die Rote Armee auseinan­der. Das Heft ist in der Gedenkstätte erhältlich.Seelow/Neuhardenberg (dos/MOZ) “Oder­land. Rein­er Tisch” ist der Titel ein­er Ausstel­lung der schwedis­chen Bild­hauerin Han­na Sjöberg. Sie wird am 25. Feb­ru­ar um 18 Uhr im Kreiskul­turhaus Seelow eröffnet. Die Kün­st­lerin hat sich in ein­er ähn­lichen Ausstel­lung 1995 im Kun­st­spe­ich­er Frieder­s­dorf schon ein­mal mit der Prob­lematik der Vertrei­bung auseinan­derge­set­zt. Ihre ungewöhn­liche Insze­nierung von Erin­nerung galt der einst blühen­den preußis­chen Stadt Küstrin. “Ein Tisch für Küstrin” hat­te sie ihre viel­beachtete Ausstel­lung über­schrieben. Im Schloss Neuhard­en­berg wid­met sich die Ausstel­lung “Boden­funde. Oder­land” vom 20. März bis zum 8. Mai eben­falls der The­matik Kriegsende und die Fol­gen. Bei­de Ausstel­lun­gen wer­den von der Sparkasse Märkisch-Oder­land unterstützt.

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Einmarsch der Russen”

Neuhard­en­berg. Wie haben Sie das Ende des Krieges vor 60 Jahren in der Oder­re­gion erlebt? Was bewegt Sie heute, wenn Sie an das Jahr 1945 denken? — fra­gen wir in unser­er Serie “60 Jahre danach”. Heute berichtet Käthe Dumke aus Neuhardenberg. 

Als Neun­jährige erlebte ich, wie die Russen am 31. Jan­u­ar 1945 in Kienitz ein­marschierten. Ich wollte um 7.45 Uhr zur Schule gehen, als eine Frau aus dem Dorf kam und immer rief, die Russen sind da. Wir sahen, wie sie auf der Straße nach Kienitz/Nord marschierten. 

Ich hat­te nur noch ein­mal pro Woche Unter­richt, da unsere Schule voller Flüchtlinge aus Ost­preußen war. Auch im Hafen lagen viele Kähne, die seit Anfang Dezem­ber, die auf­grund des starken Frostes und der Vereisung der Schiff­fahrtswege, nicht mehr weit­er fahren kon­nten. Meine Mut­ter ver­suchte vor­mit­tags mehrmals zum Bäck­er durchzukom­men, da sie noch Brot­marken hat­te und es war der 31. Zwis­chen 12 und 12.30 Uhr gelang es ihr. 

In dieser Zeit kon­nte mein Vater von Voßberg (Zuck­er­fab­rik) nach Hause. Dort wurde angerufen, dass die Russen in Kienitz sind und er wollte bei sein­er Fam­i­lie sein. Am Nach­mit­tag kamen die ersten Russen und durch­sucht­en unser Haus. 

Am 1. Feb­ru­ar 1945 quartierten sie sich bei uns ein, beset­zten Wohn- und Schlafz­im­mer. Wir drei saßen in der Küche. In der Nacht vom 1. zum 2. Feb­ru­ar rück­te das Deutsche Mil­itär bis zum Bahn­hof vor und schoss auf das Dorf. Die Russen flüchteten aus unserem Hau, und wir auch. Drei Häuser weit­er, bei Bekan­nten, fan­den wir Auf­nahme. Dort mussten wir am 3. Feb­ru­ar auch raus. 

Mein Vater kam auf die Idee, wir ver­suchen nach Groß Neuen­dorf zu flücht­en. Als wir mit unserem Hand­wa­gen an der Müh­le in Kienitz waren, wur­den wir von den Russen zurück geholt. Wir Kinder wur­den von den Eltern getren­nt und wein­ten furcht­bar. Unsere Müt­ter kamen wieder, aber nicht die Väter. Wir zogen zurück ins Dorf in die Nähe der Schule. In dieser Nacht wurde unser Ort von deutschen Fliegern bom­bardiert. Das Haup­tquarti­er der Russen lag in der Schule. Unsere Müt­ter mussten dort für die Russen kochen. Am 5. Feb­ru­ar haben uns die Russen ger­at­en, den Ort in Rich­tung Osten zu ver­lassen, da es jet­zt Kampfge­bi­et werde. 

Am 6. Feb­ru­ar sind wir mit Hand­wa­gen über die Oder. Das Wass­er stand schon auf dem Eis, denn inszwis­chen hat­te Tauwet­ter einge­set­zt. Mit nassen Füßen musste ich an diesem Tag 14 Kilo­me­ter laufen. Als wir zur Oder zogen, kamen schon wieder deutsche Flieger und war­fen Bomben, vor allem die Kähne im Hafen waren betrof­fen. Dor­thin hat­ten sich auch viele Kien­itzer geflüchtet. 

Am 7. Feb­ru­ar hat uns mein Vater wieder gefun­den. Er war schon am 4. Feb­ru­ar über die Oder im Glauben, wir wären schon rüber. Er war dann bis zum 22. Feb­ru­ar noch bei uns. Dann wurde er von den Russen mit genom­men, und ich habe bis heute noch kein Leben­sze­ichen von ihm. Wir mussten dann bis Landsberg/Warthe flücht­en. Alle Sta­tio­nen hier aufzuzählen, würde wahrschein­lich den Rah­men sprengen. 

Anfang April, gle­ich nach Ostern, macht­en wir uns auf die Rück­reise in Rich­tung Heimat, immer mit unserem Hand­wa­gen. Unter­wegs warn­ten uns die Russen: nix Odra, Krieg. Wir woll­ten das gar nicht glauben. Viel mehr über­legten unsere Müt­ter wie wir wohl über die Oder kom­men. Dann erfuhren wir, dass bei Kienitz eine Brücke gebaut war, und so kamen wir Kinder mit unseren Müt­tern am 28. April 1945 in einem völ­lig zer­störtem Kienitz an. Nichts ahnend, dass der Krieg noch gar nicht zu Ende ist. Unser Haus war unbe­wohn­bar. Wir kon­nten bei Bekan­nten wohnen.

Inforiot