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Antifademo in Guben

Antifade­mo:

Sam­stag, 14.02.2004, um 15.30

Tre­ff: Gedenkstein in der Hugo-Jentsch-tr. (par­al­lel zur B97)

Am 13.2.1999 wurde der algerische Flüchtling Farid Guen­doul von ein­er Gruppe Nazis im bran­den­bur­gis­chen Guben zu Tode gejagt. 

Fünf Jahre danach sind FaschistIn­nen immer noch im Stadt­bild präsent; sie gewin­nen eher noch an Stärke, da linke Jugendliche am lieb­sten so schnell wie möglich der Stadt den Rück­en kehren. Und das ist noch nicht alles: der
einzige alter­na­tive linke Jugend­club der Stadt, der Sanikas­ten, eine selb­stver­wal­tete Begeg­nungsstätte des Inter­na­tionalen Jugend­vere­ins Guben/Gubin e.V. soll im Som­mer im Rah­men des “Zukun­ft im Stadtteil”-Programmes abgeris­sen wer­den, um Platz für prestigeträchtigere
Prunk­baut­en in der Innen­stadt zu schaffen. 

Fünf Jahre nach dem Tod von Farid Guen­doul rufen wir erneut zum Wider­stand auf — Kein Vergeben; Kein Vergessen! 

Wir wollen keine Nazis in Guben! Wir fordern den Erhalt des Sanikas­tens und eine Poli­tik wider den recht­en Mainstream! 

Kommt zur antifaschis­tis­chen Demo am 14.02.2004 (Sam­stag) um 15.30; Start­punkt ist der Gedenkstein in der Hugo-Jentsch-Str. (par­al­lel zur B97); danach bietet der Sanikas­ten einen Demoausklang mit leck­erem Essen, einem
The­ater­stück aus Auszü­gen der Prozes­sak­ten und einem Zusam­men­schnitt der unzäh­li­gen TV-Beiträge zum Recht­sex­trem­is­mus in Guben.

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Nun doch: Prozess wegen Flyer

Nach dem das Amts­gericht Rathenow die Eröff­nung des Hauptver­fahrens gegen zwei Antifaschis­ten am 24. Sep­tem­ber 2003 abgelehnt hat­te, legte die Staat­san­waltschaft vor dem Landgericht Pots­dam erfol­gre­ich Beschw­erde ein. Am 10.
Feb­ru­ar 2004 find­et nun der nichtöf­fentlichen Prozess gegen die zum Tatzeit­punkt 15 und 17-jähri­gen Jugendlichen in Rathenow statt. 

Hin­ter­grund der Restrik­tions-Maß­nah­men der Staats­ge­walt waren ange­blich von den Beschuldigten hergestellte und ver­bre­it­ete Fly­er, die mit aus Inter­net­seit­en über­nomme­nen Motiv­en auf eine antifaschis­tis­che Ver­anstal­tung im Januar
2003 in Rathenow hin­wiesen. Nach Ansicht der Staat­san­waltschaft stell­ten die ver­wen­de­ten Bilder den Straftats­be­stand der Auf­forderung zu Gewaltaktionen
dar, ins­beson­dere der in der Szene ver­bre­it­ete Slo­gan „Lets toast the rich…with our choice of cock­tail“ riefen bei den Behör­den Hor­rorszenar­ien hervor. 

Das die bewor­bene Ver­anstal­tung der „Antifaschis­tis­chen Front Rathenow“ selb­st nach Ein­schätzung der Polizei friedlich blieb und es zu kein­er Zeit davor oder danach zu Bran­dan­schläge auf wie auch immer definier­bare „Reiche“ gekom­men war spielt für die Staat­san­waltschaft aber anscheinend keine Rolle, sie will ein Exem­pel statuieren. 

Fragt sich nur ob Staat­san­waltschaft gegen Rathenows Nation­al­is­ten genau­so „gewis­senhaft“ ermit­telt, die in ihren, in ein­er Auflage von mehr als 1000, ver­bre­it­eten Aufk­le­bern im Jahr 2003 u.a. NS – Kriegsver­brech­er und ein
Deutsch­land in den Gren­zen von 1941 glo­ri­fizierten — erfahrungs­gemäß nicht. 

Wir fordern die Ein­stel­lung des Ver­fahrens gegen die bei­den Antifas. 

Rote Hil­fe Rathenow

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Brandenburg bleibt recht extrem

(TAZ) Der Recht­sex­trem­is­mus ist in Bran­den­burg weit­er­hin das größte Prob­lem bei der poli­tisch motivierten Gewaltkrim­i­nal­ität. Im ver­gan­genen Jahr seien 87
rechts motivierte Gewalt­tat­en reg­istri­ert wor­den, 6 mehr als im Vor­jahr, sagte Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) gestern in Pots­dam. Damit sei erneut das Niveau von 2001 erre­icht. Zugle­ich sei aber die Aufklärungsquote
rechter Gewalt­tat­en von 72 auf 82 Prozent gestiegen. 

Unter den rechts motivierten Gewalt­tat­en waren 4 Brand­s­tiftun­gen, 77 Kör­per­ver­let­zun­gen und 2 ver­suchte Morde durch Brand­s­tiftun­gen bei aus­ländis­chen Imbiss­be­treibern in Hen­nigs­dorf und Pritzwalk. Damit weicht
die offizielle Sta­tis­tik erneut von der des Vere­ins Opfer­per­spek­tive ab. Dieser reg­istri­erte mit 116 recht­en Gewalt­tat­en deut­lich mehr Delikte. 

Laut Schön­bohm sind 84 Prozent der Täter 2003 erst­mals im Bere­ich Recht­sex­trem­is­mus in Erschei­n­ung getreten, 75 Prozent waren jedoch bere­its durch all­ge­meine Straftat­en bekan­nt. Die Gesamtzahl rechts motivierter
Straftat­en ist von 983 im Jahr 2002 auf 993 im ver­gan­genen Jahr gestiegen. 

Leichter Anstieg der poli­tisch motivierten Straftaten

Hohe Gewalt­bere­itschaft — Bran­dan­schlag gegen aus­ländis­chen Imbiss-Betreiber

(BM, Peter Schelling) Pots­dam — Was hat die Lan­desregierung nicht alles getan, um der politisch
motivierten Gewalt Herr zu wer­den. Eine eigene schnelle Eingreiftruppe
namens Mega gegrün­det, die Bren­npunk­te im Auge behält. Ein Aktionsprogramm
namens Tomeg ins Leben gerufen, bei dem notorische Straftäter kontinuierlich
beobachtet wer­den. Und doch haben alle repres­siv­en Maß­nah­men eines nicht
geschafft: die Zahl extrem­istisch — und das heißt in Bran­den­burg fast
auss­chließlich recht­sex­trem­istisch — motiviert­er Gewalt­tat­en zu verringern.
Gestern musste Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) für 2003 einen leichten
Anstieg der Zahlen bekan­nt geben. Schön­bohm räumte ein: “Mit polizeilichen
Mit­teln sind wir langsam am Ende.” Vielmehr müsse man sich gesellschaftlich
viel mehr Gedanken machen, wie des Prob­lems Herr zu wer­den sei. Insgesamt
hat die Polizei im ver­gan­genen Jahr 1571 poli­tisch motivierte Straftaten
gezählt (2002: 1530). Das Spek­trum reicht dabei von versuchten
Tötungs­de­lik­ten bis zu einem zweimal zwei Zen­time­ter großen, in ein
Fahrrad­schutzblech ein­ger­itzten Hak­enkreuz. “Auch solche Kleinigkeit­en sind
wir nach ein­er Bun­desverord­nung gehal­ten, als Straftat zu ver­fol­gen”, so der
Innen­min­is­ter. Daran halte sich Bran­den­burg, auch wenn der Sinn fraglich
sei. Viel schw­er­er wiegt für Schön­bohm, dass auch die Zahl der politisch
motivierten Gewalt­tat­en auf hohem Niveau ver­har­rt. Bei Körperverletzungen
mit 83 Delik­ten (2002: 75) und bei ver­sucht­en Tötungs­de­lik­ten mit drei
(2002: 2) musste sog­ar ein Anstieg verze­ich­net wer­den. Da tröstet auch
wenig, dass die Aufk­lärungsquote auf 42 Prozent ins­ge­samt (2002: 39) und bei
Gewalt­tat­en auf 52 Prozent (2002: 46) verbessert wor­den ist. Auf­fäl­lig sei,
dass 75 Prozent aller wegen poli­tis­ch­er Straftat­en von recht­saußen dingfest
Gemacht­en schon vorher mit gewöhn­lichen Straftat­en auf­fäl­lig gewe­sen waren.
Die meis­ten Straftat­en geschehen aus der Gruppe her­aus. “Vor allem die
Zunahme der Gewalt­bere­itschaft ist beden­klich”, so Schönbohm. 

Zu der gesamten Bilanz passt eine Mel­dung aus der Nacht zum gestrigen
Fre­itag: Da wurde auf einen türkischen Imbiss in Brück (Pots­dam-Mit­tel­mark)
ein Brand­satz geschleud­ert. Der Besitzer befand sich in dem Imbiss. Mit Mühe
kon­nte er den Brand löschen. Wegen der guten Spuren­lage, so die Polizei,
kon­nten schon gestern Mor­gen die Täter ermit­telt wer­den. Sie waren
ein­schlägig als Recht­sex­treme bekan­nt, han­del­ten alko­holisiert und
wahrschein­lich aus der Gruppe. Auf sie wartet jet­zt ein Prozess wegen
ver­sucht­en Totschlages. 

Rechte Gewalt­tat­en leicht angestiegen

Höhere Aufk­lärungsquote / Schön­bohm mah­nt Fam­i­lie und Schulen zur Wachsamkeit

(Berlin­er Zeitung, Mar­tin Kles­mann) POTSDAM. Eigentlich wollte Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) am Fre­itag nur
die neuesten Zahlen zur poli­tisch motivierten Krim­i­nal­ität im Lande bekannt
geben. Doch zunächst ein­mal musste er über den jüng­sten Bran­dan­schlag der
recht­sex­trem­istis­chen Szene in Bran­den­burg bericht­en. In der Nacht zum
Fre­itag hat­ten junge Neon­azis einen Brandbeschle­u­niger in einen türkischen
Imbiss in Brück (Pots­dam-Mit­tel­mark) gewor­fen. Der Imbiss­be­sitzer befand
sich noch im Gas­traum und kon­nte den Brand schnell löschen. “Vor einer
hal­ben Stunde habe ich erfahren, dass die Polizei bere­its am Freitagmorgen
drei Tatverdächtige festgenom­men hat”, sagte Schön­bohm. Die jun­gen Männer
seien bere­its als Recht­sex­trem­is­ten polizeibekan­nt und gehörten einer
gewalt­bere­it­en Grup­pierung an. 

Zwei Tötungsver­suche

Dann kam der Min­is­ter auf die Sta­tis­tik für das Jahr 2003 zu sprechen. Die
Zahl der recht­sex­trem­istisch motivierten Gewalt­tat­en stieg im Ver­gle­ich zum
Vor­jahr leicht um sechs Delik­te an. 87 recht­sex­trem­istis­che Gewaltdelikte
waren es laut Innen­min­is­teri­um im ver­gan­genen Jahr, darunter vier
Brand­s­tiftun­gen, 77 Kör­per­ver­let­zun­gen sowie zwei ver­suchte Tötungsdelikte
durch Brand­s­tiftun­gen gegen viet­name­sis­che und türkische Imbiss­be­treiber in
Pritzwalk und Hen­nigs­dorf. “Damit liegen wir im Ver­gle­ich der Bundesländer
lei­der mit an der Spitze”, sagte Rain­er Grieger vom Landeskriminalamt. 

Ins­ge­samt ermit­telte die Polizei 993 Straftat­en mit rechtem Hin­ter­grund, dar
unter viele so genan­nte Pro­pa­gan­dade­lik­te wie das Zeigen ver­boten­er Symbole.
Von diesen Straftat­en hat­ten 211 Fälle einen frem­den­feindlichen Bezug, 96
waren anti­semi­tisch motiviert. 

Schön­bohm ver­wies zugle­ich auf die gestiegene Aufk­lärungsquote der Polizei.
Bei 82 Prozent aller recht­en Gewalt­tat­en kon­nten laut Innen­min­is­teri­um im
ver­gan­genen Jahr die Täter ermit­telt wer­den — eine Steigerung von zehn
Prozent gegenüber dem Vor­jahr. “So langsam ken­nen wir unsere Klientel”,
sagte Schön­bohm. Gegen spon­tane Gewal­taus­brüche aus ein­er alkoholisierten
Gruppe her­aus könne die Polizei aber nur bed­ingt präven­tiv tätig werden.
Schön­bohm machte klar, dass viele rechte Schläger bere­its vorher als
Krim­inelle bekan­nt gewor­den seien. Nach ersten sta­tis­tis­chen Erhebungen
seien 46 Prozent jen­er Gewalt­täter Schüler und Auszu­bildende, 15 Prozent
Fachar­beit­er und 34 Prozent sind arbeit­s­los. “Viele Täter sind also
gesellschaftlich einge­bun­den”, sagte Schön­bohm. Fam­i­lie und Schule seien
hier gefordert. 

Den einzi­gen Ter­ro­rakt in Bran­den­burg verübten indes Link­sex­treme. Im
Feb­ru­ar 2003 verübte die “Mil­i­tante Gruppe” einen Bran­dan­schlag auf
Bun­deswehrfahrzeuge in Straus­berg. Die Ermit­tlun­gen über­nahm die
Bundesanwaltschaft. 

Rechte Gewalt bleibt auf hohem Niveau

Zehn Prozent mehr Delik­te aufgeklärt

(MAZ, Frank Schau­ka) POTSDAM Die recht­sex­treme Gewalt in Bran­den­burg hat 2003 leicht zugenommen
und sich auf hohem Niveau sta­bil­isiert — trotz ver­stärk­ten Verfolgungsdrucks
der Polizei und ein­er Aufk­lärungsquote von 82 Prozent bei Gewaltdelikten.
206 Tatverdächtige aus der recht­sex­tremen Szene hat­ten 87 Gewalttaten
verübt, sechs mehr als 2002. Die Bekämp­fung der recht­en Gewalt bleibe ein
Schw­er­punkt der Polizeiar­beit, betonte Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU)
gestern in Pots­dam bei der Vorstel­lung der Bilanz zur poli­tisch motivierten
Krim­i­nal­ität für das Jahr 2003. 

Linksmo­tivierte Straftat­en sind dem­nach weit­er ein Rand­phänomen. Von den 104
poli­tisch motivierten Gewalt­tat­en ent­fie­len 87 auf die rechte und 14 auf die
linke Szene. Nur vier der ins­ge­samt 83 poli­tisch motivierten
Kör­per­ver­let­zun­gen wur­den von linken, 77 von recht­en Tätern verübt. 

Der Anstieg recht­sex­tremer Gewalt ist nicht auf Nach­läs­sigkeit­en der
Polizeibeamten zurück­zuführen. Die Spezialein­heit “Mega” hat den Druck auf
die Szene sog­ar erhöht und 24 543 Per­so­n­en kon­trol­liert, 3700 Per­so­n­en mehr
als 2002. Dabei wur­den 521 Per­so­n­en vor­läu­fig festgenom­men. “Diese Zahlen
bele­gen deut­lich, dass die Mega präsent ist und in erhe­blichem Umfang
han­delt”, sagte Schönbohm. 

Ein zusät­zlich­er Kon­troll- und Ermit­tlungs­druck ist laut Schönbohm
“prak­tisch nicht zu erre­ichen”. Deshalb seien “in beson­derem Maße alle
gesellschaftlichen Instanzen gefordert, beson­ders Fam­i­lien und Schulen”. 

Unter­suchun­gen zeigen, dass recht­sex­treme Gewalt haupt­säch­lich spontan
verübt wird. 63 Prozent der Gewalt­tat­en entste­hen unge­plant aus der
Sit­u­a­tion her­aus, in mehr als 75 Prozent der Fälle kan­nten sich Täter und
Opfer zuvor nicht. Grup­pen­dy­namik und Alko­hol fördern recht­sex­treme Gewalt
zudem. Etwa 70 Prozent der Delik­te wur­den aus ein­er Clique her­aus begangen,
45 Prozent der Täter standen unter Alkoholeinfluss. 

Dass recht­sex­treme Gewalt wesentlich mit hoher Arbeit­slosigkeit in
Bran­den­burg erk­lär­bar sei, wies Schön­bohm zurück. Zwar sind 34 Prozent der
recht­en Tatverdächti­gen ohne Arbeit, 46 Prozent sind hinge­gen Schüler und
Lehrlinge, 15 Prozent Facharbeiter. 

Wie Schön­bohm betonte, bege­hen recht­sex­treme Gewalt­täter oft auch
unpoli­tis­che Straftäter. 75 Prozent seien im Vor­feld bere­its durch
all­ge­meine Straftat­en in Erschei­n­ung getreten. “Wir haben es hier also nicht
mit ein­seit­ig poli­tisch motivierten Straftätern zu tun, son­dern im
wesentlichen mit gemeinen Krim­inellen, die ihre krim­inellen Biogra­phien um
poli­tisch motivierte Tat­en lediglich erweitern.” 

Diese Analyse dürfe “kein Vor­wand wer­den”, recht­sex­treme Gewalt “nur als ein
krim­inelles Rand­phänomen abzu­tun”, warnte der Vor­sitzende des
Aktions­bünd­niss­es gegen Gewalt, Recht­sex­trem­is­mus und Fremdenfeindlichkeit,
Heinz Joachim Lohmann. Der Witt­stock­er Super­in­ten­dent wies zudem auf die
ver­mut­lich hohe Dunkelz­if­fer hin, weil viele Opfer recht­sex­tremer Gewalt es
erfahrungs­gemäß nicht wagten, Anzeige zu erstatten. 

Gefährliche Kleinigkeit­en

MAZ-Kom­men­tar von Frank Schauka

Ein zwei Zen­time­ter großes Hak­enkreuz in ein­er Schul­bank wird in Brandenburg
in der Sta­tis­tik für poli­tisch motivierte Krim­i­nal­ität kon­se­quent als
Straftat reg­istri­ert. Das Beispiel von Innen­min­is­ter Schön­bohm ist auf den
zweit­en Blick den­noch nicht geeignet, den Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus zu
karikieren. Denn es ver­an­schaulicht im Detail die Ver­bre­itung von
Frem­den­hass bei Jugendlichen und ist insofern ein Sym­bol für die Erkenntnis,
dass 46 Prozent der recht­sex­tremen Gewalt­täter Schüler und Lehrlinge sind.
Nur wenn die Polizeis­ta­tis­tik solche ver­meintlichen Kleinigkeit­en aufführt,
geht der Blick für den schle­ichen­den Über­gang vom Bagatellde­likt zur
Gewalt­tat nicht ver­loren. 2003 waren 84 Prozent der recht­sex­tremen Schläger
Erst­täter. Der sich seit Jahren stetig erneuernde Kreis prügel­nder Neonazis
rekru­tiert sich auch aus anfänglichen Schmierfinken. Deshalb müssen ihnen
schon frühzeit­ig mit den Mit­teln des Rechtsstaats Gren­zen aufgezeigt werden. 

Rechte Schläger waren meist schon vorher kriminell

Leicht gestiegene Aufk­lärungsquote bei poli­tisch motivierten Delikten

(Tagesspiegel) Pots­dam. Es passte bestens zu der Bilanz, die Innen­min­is­ter Jörg Schönbohm
(CDU) am Fre­itag vorstellte: Nur einen Tag nach einem Bran­dan­schlag auf
einen türkischen Imbiss in Brück bei Pots­dam hat die Polizei gestern drei
Tatverdächtige festgenom­men. Die drei Män­ner aus der Region seien durch
ein­schlägige, poli­tisch motivierte Straftat­en bekan­nt, sagte Schön­bohm. Da
sich der Inhab­er im Imbiss befand, geht die Staat­san­waltschaft von einem
ver­sucht­en Tötungs­de­likt aus. 

“Es zahlt sich aus, dass wir die Klien­tel inzwis­chen ken­nen”, kommentierte
Schön­bohm den Fah­n­dungser­folg, der mit der Bilanz des Innenministers
kor­re­spondiert. Danach ist die Aufk­lärungsquote der Bran­den­burg­er Polizei
bei poli­tisch motivierten Straftat­en auf 42 Prozent gegenüber 39 Prozent im
Jahr 2002 gestiegen. Ins­ge­samt wur­den 1571 poli­tisch motivierte Straftaten -
davon 993 mit recht­sex­tremem Hin­ter­grund — reg­istri­ert, im Jahr 2002 waren
es 41 Fälle weniger. 

Den­noch sind diese drei Tatverdächti­gen eher die Aus­nahme: 82 Prozent der
Gewalt­täter mit poli­tis­chem Hin­ter­grund sind bei diesen Delik­ten Ersttäter.
Schön­bohm nan­nte dies Besorg­nis erre­gend. Mit anderen Tat­en jedoch sind fast
70 Prozent dieser Straftäter vorher bere­its aufge­fall­en. Schön­bohm sagte, es
seien zumeist “gewöhn­liche Krim­inelle”, die irgend­wann auch politische
Gewalt­tat­en begingen. 

Von diesen Tat­en zählte das Innen­min­is­teri­um wie im Vor­jahr 104 — womit
Bran­den­burg weit­er­hin auch im Län­derver­gle­ich im Spitzen­feld liegt. 46
Prozent dieser Gewalt­täter seien Schüler oder Auszu­bildende, 15 Prozent
Fachar­beit­er, nur 34 Prozent arbeit­s­los. Die Vorstel­lung, die hohe
Arbeit­slosigkeit führe zu Recht­sex­trem­is­mus, greife fol­glich zu kurz, so
Schön­bohm. 70 Prozent der recht­en Gewalt­straftat­en wür­den aus Grup­pen heraus
verübt, bei fast jed­er zweit­en sei Alko­hol im Spiel. 

Schön­bohm an regte an, die Strate­gie für das “Tol­er­ante Bran­den­burg” zu
über­denken — und ins­ge­samt auf die wach­sende Gewalt­bere­itschaft von
Jugendlichen zu reagieren, die die Keimzelle rechter Gewalt sei. Der
Kon­troll- und Ermit­tlungs­druck auf den harten Kern der rechtsextremistischen
Szene sei näm­lich kaum noch zu erhöhen. 

Anstieg bei poli­tisch motiviert­er Kriminalität

Min­is­ter: Schw­er­punkt bleibt Kampf gegen Rechts

(LR) Die Fälle von poli­tisch motiviert­er Krim­i­nal­ität in Bran­den­burg haben im
ver­gan­genen Jahr ger­ingfügig zugenom­men. Ihre Zahl stieg im Ver­gle­ich zu
2002 um 41 auf 1571 Fälle, wie Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) gestern in
Pots­dam mit­teilte. Das sind 2,6 Prozent. 

Zugle­ich sei die Aufk­lärungsquote um drei auf etwa 42 Prozent verbessert
wor­den. Bei Gewalt­straftat­en in diesem Bere­ich wuchs die Quote sog­ar um zehn
auf 82 Prozent. Der leichte Anstieg wurde Schön­bohm zufolge im Wesentlichen
durch eine Zunahme von Schmier­ereien verur­sacht (plus 49). 

Im Bere­ich Ter­ror­is­mus wurde mit einem link­sex­trem­istis­chen Brandanschlag
auf Bun­deswehrfahrzeuge in Straus­berg (Märkisch-Oder­land) im Feb­ru­ar nur
eine Straftat im Land verzeichnet. 

Nach Schön­bohms Worten bleibt die Bekämp­fung rechtsmo­tiviert­er Straftaten
ein Schw­er­punkt polizeilichen Han­delns. Auf diesem Gebi­et wur­den im
ver­gan­genen Jahr mit 993 Fällen zehn mehr als ein Jahr zuvor reg­istri­ert. Im
Zuge der Angle­ichung des bun­desweit­en Melde­v­er­hal­tens stufte das
Lan­deskrim­i­nalamt davon 982 Fälle als extrem­istisch ein. Ins­ge­samt hatten
21,24 Prozent der Fälle (211) einen frem­den­feindlichen Bezug; 9,67 Prozent
(96) waren anti­semi­tisch motiviert. 

Schön­bohm zeigte sich überzeugt, dass der hohe polizeiliche Druck auf die
recht­sex­treme Szene Wirkung zeigt. So habe die Mobile Ein­satzein­heit gegen
Gewalt und Aus­län­der­feindlichkeit (Mega) im ver­gan­genen Jahr mehr als 24 500
Per­so­n­en kon­trol­liert, 521 fest-oder in Gewahrsam genom­men sowie 2000
Platzver­weise ausgesprochen.

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Kripo beantragte Verbot von 54 rechtsextremen CDs

EBERSWALDE. Das Lan­deskrim­i­nalamt (LKA) Bran­den­burg hat seit dem Jahr 2000 die Indizierung von 54 Ton­trägern wegen recht­sex­tremer oder Gewalt ver­her­rlichen­der Inhalte beantragt. In 35 Fällen habe die Bundesprüfstelle
die Jugendge­fährdung bejaht und die CDs auf den Index geset­zt, teilte ein LKA-Sprech­er am Fre­itag in Eber­swalde mit. Elf der 18 im ver­gan­genen Jahr vom LKA bean­stande­ten CDs seien von der Bun­de­sprüf­stelle bere­its auf den
Index geset­zt wor­den, weit­ere Fälle wür­den geprüft. Seit Jahres­be­ginn wurde bere­its für neun Ton­träger die Indizierung beantragt.

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Mahler leugnet Holocaust

Mit Tumul­ten vor dem Gerichtssaal, schar­fen Attack­en der Angeklagten auf den
Rechtsstaat und der Leug­nung des Holo­caust hat am Fre­itag in Berlin der
Prozess gegen den früheren NPD-Anwalt Horst Mahler wegen Volksverhetzung
begonnen. 

Berlin · 6. Feb­ru­ar · ap/dpa · Der 68 Jahre alte Recht­sex­trem­ist und zwei 60
und 38 Jahre alte Mitangeklagte müssen sich vor dem Landgericht wegen eines
aus­län­der­feindlichen Pam­phlets vom Okto­ber 2000 im Inter­net ver­ant­worten. In
ihrem so genan­nten Aufruf zum Auf­s­tand der Anständi­gen fordern sie ein
100-Punk­te-Pro­gramm der Regierung, um Aus­län­der in Deutsch­land nicht mehr zu
beschäfti­gen und auszuweisen. Mahler wird fern­er vorge­wor­fen, in der
NPD-Zen­trale in Berlin-Köpenick im Herb­st 2002 volksver­het­zende Schriften
verteilt zu haben, in denen er den Hass auf Juden als “völ­lig nor­mal und
Zeichen geistiger Gesund­heit” genan­nt habe. 

Vor Gericht sprach Mahler von der so genan­nten Auschwitz-Lüge und rief zum
Sturz der “jüdis­chen Fremd­herrschaft” auf. Nach Ende der Ver­hand­lung sagte
er, es sei eine “Lüge, dass wir sechs Mil­lio­nen Juden fab­rik­mäßig umgebracht
haben”. Er muss deshalb mit neuen Ermit­tlun­gen rechnen. 

Während der Ver­hand­lung kam es vor dem Saal zu Rangeleien, als abgewiesene
Zuhör­er die Jus­tizwacht­meis­ter bedrängten, wieder­holt gegen die Türen
häm­merten und laut­stark Ein­lass begehrten. Einen Antrag der Angeklagten auf
einen größeren Sitzungssaal hat­te das Gericht abgelehnt. Mahler, der früher
als Anwalt RAF-Ter­ror­is­ten vertei­digt hat­te, nan­nte das Ver­fahren einen
“poli­tis­chen Schauprozess”.

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Mord von Potzlow wird Theaterstück

Berlin/Potzlow. Der Berlin­er Filmemach­er Andres Veiel will über den
grausamen Mord an einem 16-jähri­gen Schüler in Pot­zlow ein Theaterstück
her­aus­brin­gen. Der Regis­seur von “Black Box BRD” ste­he mit dem Berliner
Max­im Gor­ki The­ater in entsprechen­den Ver­hand­lun­gen, sagte Dramaturgin
Annette Reber am Fre­itag. Das Stück solle 2005 im Gor­ki und am The­ater Basel
zu sehen sein. 

Der 16-jährige Mar­i­nus Schöberl war im Juli 2002 von drei jun­gen Männern
gefoltert und bru­tal getötet wor­den. Die Leiche ver­schar­rten die drei Täter
im Alter zwis­chen 18 und 24 Jahren in ein­er Jauchegrube, wo sie monatelang
unent­deckt blieb. “Es gibt über­all ganz ähn­liche Ver­drän­gungsmech­a­nis­men und
latente Aggres­siv­ität” sagte die Dra­matur­gin. Das mache das The­ma für das
The­ater inter­es­sant. Das Landgericht Neu­rup­pin hat­te das Trio im Oktober
2003 zu Gefäng­nis­strafen zwis­chen 2 und 15 Jahren verurteilt. 

Der 44-jährige Veiel wurde für den Doku­men­tarfilm “Black Box BRD” über die
ter­ror­is­tis­che “Rote Armee Frak­tion” (RAF) mit zahlre­ichen Preisen
ausgezeichnet.

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Nach Gangster-Rap Gewalt im Glad-House

Er gilt als der härteste Gang­ster-Rap­per Deutsch­lands. Viele sein­er Texte
sind eine schn­od­derige Ode an die Gewalt. «Als Berlin­er boxt man sich halt
gern» , hat «Bushi­do» ein­mal in einem Inter­view gesagt. «Wenn du in einem
Ghet­to leb­st, ist der Sinn des Spiels, dass du immer der Erste bist, der
zuschlägt.» Bei «Bushi­dos» Gast­spiel im Cot­tbuser Glad-House, dem Auftakt
ein­er geplanten Hip-Hop-Ver­anstal­tungsrei­he, ist in der Nacht von Mittwoch
auf Don­ner­stag aus diesem Spiel blutiger Ernst geworden. 

Eigentlich soll der ver­bale Schlagab­tausch zwis­chen Rap­pern und Pub­likum als
Ven­til wirken, Aggres­sio­nen abbauen, ver­hin­dern, dass sich «echte Kerle»
immer gle­ich die Rübe ein­hauen. Doch einige rasteten nach dem heftigen
Wort­ge­wit­ter, das von der Bühne auf sie niederg­ing, aus. Noch während des
Auftritts kam es zu ersten Wort­ge­fecht­en. So bat «Bushi­do» zum Beispiel
Hip-Hop-Radiomod­er­a­tor André Lan­gen­feld auf die Bühne, um «ihm die Fresse zu
polieren» . «Die haben getan, als ob sie die Größten wären. Das war alles
sehr pro­vokant» , sagt Lan­gen­feld. «Und dann spiel­ten Alko­hol und
Aggres­sio­nen im Pub­likum eine große Rolle.» 

Das Feuer­w­erk wüster Beschimp­fun­gen und Belei­di­gun­gen, das immer wieder über
die Köpfe hin­weg pras­selte, war für Lan­gen­feld aber «nur Show, Getue. Ich
habe das gar nicht so ernst genom­men» , sagt er. Andere im Pub­likum fühlten
sich indes «von der Band extrem provoziert» , wie die Polizei später zu
Pro­tokoll nehmen sollte. «Fakt ist, dass eine Gruppe aggres­sive Stimmung
ver­bre­it­et hat im Saal» , bestätigt Ulf Hen­nicke, Leit­er des
Glad-House-Ver­anstal­tungs­büros. «So hat sich das Ganze langsam
aufgeschaukelt.» Und nach dem Konz­ert war noch lange nicht Schluss. 

An der Bar flog dem Cot­tbuser Dirk F., wie Unbeteiligte bestäti­gen, eine
Flasche an den Kopf. Zudem sollen Band­mit­glieder den Dis­put gesucht und ihn
bedrängt haben, wie er später aus­sagen wird. Es kam zu Handgreiflichkeiten.
Schließlich zog der 32-Jährige ein Schnitzmess­er, stach wild um sich,
ver­let­zte drei Män­ner im Alter von 18 bis 26 Jahren, die den Stre­it zum Teil
schlicht­en woll­ten — wohl aus Angst, vielle­icht auch, weil ihn die
Erin­nerung in diesem Moment ein­holte. Denn ange­blich soll Dirk F. vor zehn
Jahren selb­st Opfer ein­er Messer­at­tacke gewe­sen sein. Damals ver­let­zte ihn
eine Gruppe Recht­sex­tremer lebensgefährlich. 

«Dirk F. hat bei der Vernehmung erk­lärt, dass er in Notwehr gehan­delt hat» ,
sagt die Cot­tbuser Staat­san­wältin Cäcil­ia Cramer-Krah­forst. «Ein Haftbefehl
gegen ihn ist nicht erlassen wor­den. Dafür gibt es keinen Grund.» «Die
Aggres­sion» , sagt ein­er der Ver­let­zten, der am Don­ner­stag operiert wurde,
«ging an diesem Abend ein­deutig von Aggro-Berlin aus. Das ist eben nicht
Hip-Hop, nicht in dieser Form.» 

Die Ver­anstal­ter sind schock­iert. Die geplante Veranstaltungsreihe
«Ton­spielzeug­tage — Ein Klang Par­ty» ist abge­sagt wor­den. «Wir wollten
Hip-Hop aus ver­schiede­nen Städten und ver­schiede­nen Nationalitäten
präsen­tieren, ger­ade weil diese Musik immer mit Gewalt in Verbindung
gebracht wird, um zu verdeut­lichen: Es geht auch mit Tol­er­anz» , erklärt
Glad-House-Leit­er Jür­gen Dulitz. «Doch wenn Gewalt zur
Selb­stver­ständlichkeit wird, wer­den wir diese Szene als Kul­turhaus nicht
mehr bedi­enen kön­nen. Dieses Aus­maß war erst­ma­lig und einmalig.»

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Elbe-Elster in der Filiz-Falle

Umstrit­tene Abschiebung ein­er kur­dis­chen Fam­i­lie aus dem Asyl­be­wer­ber­heim Hohen­leip­isch offen­bart kollek­tive Ohnmacht

Die Abschiebung der kur­dis­chen Fam­i­lie Fil­iz aus dem Asylbewerberheim
Hohen­leip­isch ist Beispiel dafür, wie ein Rechtsstaat seine Bürg­er im Stich
lassen kann. Im Elbe-Elster-Kreis geri­eten Kirche und Land­kreis aneinander,
obwohl bei­de keinen entschei­den­den Ein­fluss auf das Asylver­fahren hatten.
Über das Schick­sal der Fil­iz wurde tat­säch­lich schon 2002 im Bundesrat
entsch­ieden. Damals gab es den Eklat bei der Abstim­mung um das
Zuwan­derungs­ge­setz. Noch heute warten die Betrof­fe­nen auf konkrete
Regelun­gen und kämpfen wie im Elbe-Elster-Kreis gegen unsichtbare
Windmühlen. 

«Wir wer­den es wieder machen.» Ste­fan Branig spricht diesen Satz aus, wie es
son­st nur sturköp­fige Teenag­er tun. Der 44-Jährige ahnt, dass er auch beim
näch­sten Mal kaum Erfolg haben wird. Doch er fühlt sich im Recht. Branig ist
kein Queru­lant, son­dern Pfar­rer der Gemeinde Tröb­itz. Er taugt nicht
unbe­d­ingt zum Don Qui­chotte, hat nicht ein­mal Spitzbart und Lanze. Dafür
aber ein großes Herz. 

Seit gut einem Jahr hat­te sich Ste­fan Branig für den 34-jähri­gen Gazi Filiz,
seine Frau Hal­ime (25) und die drei in Deutsch­land gebore­nen Kinder Süleyman
(6), Bucra (3) und Zeynep (2) einge­set­zt. Im Früh­jahr 2003 erfuhr er, dass
im 25 Kilo­me­ter ent­fer­n­ten Hohen­leip­isch die fün­fköp­fige Fam­i­lie abgeschoben
wer­den soll. In die Ost­türkei, wo den Kur­den ob ihrer uner­laubten Heirat die
Steini­gung dro­hte. «Blutschande» haben die Fil­iz in den Augen der Familie
von Hal­ime began­gen. In eini­gen türkischen Regio­nen noch immer
gle­ichzuset­zen mit dem Todesurteil. 

Branig entsch­ied aus Bauch und Herz her­aus. Dort sitzt bei ihm der tiefe
Glaube, er ver­traut auf die Bibel. Das Gebot der Näch­sten­liebe ste­ht für den
44-Jähri­gen an erster Stelle. Auf des Pfar­rers Betreiben hin gewährte der
Gemein­dekirchen­rat den Kur­den kurzfristig Kirchenasyl. Mutig, denn im
deutschen Recht gibt es dieses Asyl nicht — strafrechtliche Konsequenzen
dro­ht­en. Bibel gegen Rechtsstaat, eine Zwick­müh­le für den Chris­ten Branig.
Die Evan­ge­lis­che Kirche hil­ft ihren Pfar­rern mit einem Handzettel aus dem
Dilem­ma. Darauf beschreibt sie das Asyl als Auszeit, «um bei den Behörden
eine rechtlich und human­itär vertret­bare Lösung zu erwirken» . 

Tröb­itz beson­ders sensibilisiert

Ste­fan Branig will sein Ein­mis­chen erk­lären, sucht Begrün­dun­gen. «Vielle­icht
sind wir in Tröb­itz beson­ders sen­si­bil­isiert» , sagt er mit gesenk­tem Blick.
Der Pfar­rer meint den «ver­lore­nen Zug» , der am 22. April 1945 mit 2500
jüdis­chen Häftlin­gen in Tröb­itz lan­dete, von den Russen befre­it wurde. Zuvor
war der Trans­port zwis­chen den Fron­ten hin und her geir­rt. Ursprünglicher
Ziel­bah­nof: There­sien­stadt. Nur wenige über­standen die zehn­tägige Odyssee. 

Nicht alle im Dorf scheinen diese Vorgänge so verin­ner­licht zu haben wie der
Pfar­rer. Die Res­o­nanz sei «deut­lich neg­a­tiv» gewe­sen, erzählt Branig. «Jet­zt
helfen die den Türken­schweinen» , gibt er eine ihm zu Ohren gekommene
Äußerung wieder. Der Christ will es den Men­schen nicht ver­denken: «Schauen
Sie sich die Arbeit­slosen­quote an» , meint er resig­niert. «Die Leute sind
frus­tri­ert, müssen selb­st sehen, wo sie bleiben.» 

Mit­tler­weile hat sich der Pfar­rer in die Masse der Frus­tri­erten eingereiht.
Nicht die wirtschaftliche Lage, son­dern die Nieder­lage im ungle­ichen Kampf
gegen die Behör­den lässt ihn verzweifeln. Die Ent­täuschung sitzt tief. Auch
wenn es Branig nicht ausspricht, die hil­f­los zuck­enden Schul­tern verraten
ihn. 

Am 10. April 2003 hat­ten Gerichts­beamte mit Unter­stützung von Polizei und
Jugen­damt die Fam­i­lie aus dem Tröb­itzer Kirchenasyl geholt. Gazi und Halime
waren von ihren Kindern getren­nt wor­den. Die drei lan­de­ten ver­stört in einem
Fürsten­walder Heim. Es gab hefti­gen öffentlichen Protest,
Elbe-Elster-Lan­drat Klaus Richter (SPD) schal­tete sich ein. Bere­its am Abend
saß die Fam­i­lie wieder vere­int an einem Tisch im Hohenleipischer
Asylbewerberheim. 

Ein Gutacht­en sollte nun nochmals klären, ob der Gesund­heit­szu­s­tand der
Fam­i­lie eine Ausweisung in die Türkei über­haupt zulässt. «Das war unser
let­zter Stro­hhalm» , erin­nert sich Klaus Richter heute. Ein «Stro­hhalm, der
richtig Geld kostete» , fügt er hinzu. Der Lan­drat hat das dringende
Bedürf­nis, sich zu recht­fer­ti­gen. Vor ihm liegt ein Brief — Absender anonym.
Darin wird Richter gelobt, «die Abschiebung dieser Türken als eine
stab­smäßig organ­isierte Meis­ter­leis­tung» beze­ich­net, durch die «alle
Quertreiber über­rumpelt wur­den.» Der Lan­drat schüt­telt den Kopf, diesen
Bierkeller-Strate­gen wollte er nicht in die Hände spie­len. Aber er hatte
keine Wahl. 

Schnell wurde deut­lich, dass sich der Fil­iz-Fall speziell für den Landrat
zur Fil­iz-Falle entwick­elte. Dessen Amt­skol­lege Dieter Friese (SPD)
for­mulierte bei ein­er Abschiebung in seinem Spree-Neiße-Kreis: «Ich wähle
zwis­chen Staat­san­walt und Men­schen­würde.» Klaus Richter ging es so:
Ein­er­seits musste er den Entschei­dun­gen der Gerichte fol­gen, andererseits
raubte ihm der Gedanke an die Abschiebung den Schlaf. «Beson­ders wegen der
Kinder habe ich mich gesorgt» , sagt Richter. 

Die Wahl zwis­chen Recht und Moral, wer sollte bei dieser Entscheidung
helfen« Eine Härte­fal­lkom­mis­sion» Lan­drat Richter sagt Ja, die würde ihn
ent­las­ten. Doch Ord­nungs­dez­er­nent Erhard Haase, in seinem Ressort werden
Aus­län­der­fra­gen gek­lärt, wider­spricht. Er will eine konkrete gesetzliche
Regelung. «Egal wie» , sagt er. Aber die Zuwan­derung müsse endlich
ordentlich gek­lärt werden. 

Seit der the­ater­reifen Bun­desrat-Debat­te im März 2002, als Hessens
Min­is­ter­präsi­dent Roland Koch (CDU) wütend auf den Tisch trom­melte, liegt
die Sache jedoch auf Eis. Aus­gerech­net Bran­den­burg hat­te in Per­son von
Man­fred Stolpe (SPD) und Jörg Schön­bohm (CDU) das unentsch­iedene Zün­glein an
der Waage gespielt. Das Bun­desver­fas­sungs­gericht verkün­dete daraufhin, das
Zuwan­derungs­ge­setz sei «ver­fas­sungswidrig zu Stande gekom­men» . Noch immer
fehlt eine recht­mäßige Regelung. Längst ist bekan­nt, dass Deutsch­land die
Zuwan­derung braucht, um wirtschaftlich mithal­ten zu kön­nen. Warum werden
dann junge Fam­i­lien wie die Fil­iz ausgewiesen« 

Antworten darauf gab es nicht, stattdessen avancierte der Fall im
Elbe-Elster-Kreis zum Spiel­ball der Instanzen. Für seine im April 2003
aus­ge­sproch­ene Dul­dung bekam Klaus Richter einen Rüf­fel aus dem
Innen­min­is­teri­um. Durch seinen Sprech­er ließ Innen­min­is­ter Jörg Schönbohm
die Ver­ant­wor­tung für die Elbe-Elster-Entschei­dung von sich weisen. Dass der
Christ­demokrat damals mit Blick auf die Kom­mu­nal­wahlen parteipolitisch
tak­tierte, will SPD-Mann Richter heute nicht ausschließen. 

Der Lan­drat blät­tert sichtlich mitgenom­men in einem dick­en Aktenord­ner. Der
Fil­iz-Fall war ein außeror­dentlich­er Rechts­fall. Seit 1997 sollte die
Fam­i­lie abgeschoben wer­den. Immer wieder wurde Hal­ime schwanger. Erst griff
der Mut­ter­schutz, danach stellte sie für das neuge­borene Kind ein
Asy­lantrag. Wieder ein Ver­fahren, das dauerte. So manch­er im
Elbe-Elster-Kreis glaubt, dass die Fam­i­lie so ver­suchte, Zeit zu schinden -
offen aussprechen will das niemand. 

Über­haupt ist es schw­er, in dieser Geschichte Opfer und Täter auszumachen.
Wieso haben die Fil­iz erst um poli­tis­ches Asyl gebeten, als sie 1997
aufge­grif­f­en wur­den» Schließlich waren sie schon seit 1996 ille­gal in
Deutschlan
d. War er verzweifelt oder sku­pel­los, als Gazi Fil­iz dro­hte, im
Fall des Fall­es werde er seinen Kindern etwas antun, sie gar anzünden?
Hart­näck­ig hal­ten sich auch Gerüchte, Gazi sei in den Schwarzhan­del mit den
Gutscheinen für die Asyl­be­wer­ber ver­wick­elt gewe­sen — nicht ein­fach für
seine Mit­men­schen, ihn nur als Opfer zu betrachten. 

«Wenn die Leute sehen, wie die Aus­län­der bei uns kisten­weise Schnaps auf
ihre Gutscheine kaufen, dann wis­sen die, dass da was nicht recht­ens ist» ,
ist sich ein Elster­w­er­daer Geschäfts­mann sich­er. Aber das seien wenige,
nicht alle Aus­län­der seien Ver­brech­er, weiß er zu bericht­en. «Sie wis­sen ja,
wie die Stim­mung bei den Men­schen ist» , fügt er viel sagend hinzu.
Offiziell wolle er aber nichts sagen. Der Mann ste­ht für jene, die lieber
schweigen statt anzuecken. 

Angst vor Missverständnissen

Auch Mar­ti­na Funke will nicht missver­standen wer­den. Sie ist
stel­lvertre­tende Lei­t­erin des Asyl­be­wer­ber­heims Hohen­leip­isch, der
zeitweisen Heimat der Fil­iz. Fast reflexar­tig betont die blonde Frau: «Das
soll jet­zt nicht ras­sis­tisch oder so klin­gen.» Aber: «Bei den Asylbewerbern
gibt es genau­so Idioten, wie bei uns Deutschen» , sagt sie. Mar­ti­na Funke
bleibt sach­lich, obwohl sie ganz schön sauer sein kön­nte. Sie hat einiges
erlebt: Als «Nazi» haben sie Asyl­be­wer­ber beschimpft, als «Arschloch»
tit­uliert. Aus­gerech­net sie, die Heim­be­wohn­ern bei Rechtsangelegenheiten
hil­ft, für sie Briefe beant­wortet. «Der meis­ten Bewohn­er sind aber liebe
Men­schen, mit denen wir keine Prob­leme haben» , fügt sie an. 

Die 45-Jährige zeigt die Asyl­be­wer­ber-Barack­en auf dem ehemaligen
Mil­itärareal. Rechts das asi­atis­che Haus, davor das afrikanische.
Schmuck­los, aber sta­bil. Für manche ein Zuhause für mehrere Jahre. Ihr
Gefühl sagt Mar­ti­na Funke: «Wer hier frei­willig lebt, in dessen Heimat muss
es fürchter­lich sein.» Sie hat Mitleid mit Hal­ime und ihren Kinder, denkt
oft an sie. «Es war allerd­ings eine rechtlich saubere Sache» , betont sie. 

Rechtlich sauber und für manch einen im Kreis längst über­fäl­lig. Mit den
Aus­län­dern sei es immer das­selbe, meint zum Beispiel Klaus in Elsterwerda.
Die kämen nach Deutsch­land, um mit großen schwarzen Augen die Hand
aufzuhal­ten. Der Mittvierziger ste­ht vor der Tür des Bahn­hof­s­ge­bäudes, nickt
wis­send mit dem Kopf und zieht mech­a­nisch an ein­er Zigarette. Seinen
Nach­na­men will er partout nicht sagen, dafür aber noch etwas «zu den
Aus­län­dern» : «Ander­swo hätte man die sofort raus­geschmis­sen» , so sein
argu­men­ta­tiv­er Keulenschlag. 

Klaus hat von der aufwändi­gen Fil­iz-Abschiebung gehört. Von ihm kön­nten «die
Türken» kein Mitleid erwarten. «Ich würde auch gern mal für 50 000 Euro in
die Türkei fliegen» , sagt der Arbeit­slose. Diese Summe hat er sich gemerkt,
weiß, dass er damit am Stammtisch punk­ten kann. Gelang­weilt schnippt der
Elster­w­er­daer die Zigarette weg. «Wir haben selb­st genug Prob­leme.» Ende der
Durch­sage. Klaus wen­det sich ab, will zurück in die Bahn­hof­skneipe. Der Fall
Fil­iz ist für ihn erledigt. 

«Dumpf­back­en» nen­nt Thomas Meißn­er solche Men­schen. Meißn­er ist Pfar­rer der
evan­ge­lis­chen Gemeinde Bad Lieben­wer­da und hat seinen Tröb­itzer Freund
Ste­fan Branig bei der Fil­iz-Sache unter­stützt. Für ihn ist sie noch längst
nicht erledigt. Er redet sich den Frust von der Seele. Beson­ders die geheim
gehal­tene Abschiebung mit Polizeiaufge­bot am 20. Jan­u­ar macht ihn noch immer
wütend. «Das war unmen­schlich» , sagt der 39-Jährige. «Die wur­den wie
Schw­erver­brech­er behandelt.» 

Vater Gazi wurde von der Fam­i­lie getren­nt, «die Fil­iz auf ein­er Irrfahrt»
zum Char­ter­flug nach Bre­men geschafft. Meißn­er und Branig fuhren hinterher -
ein hoff­nungslos­er Ret­tungsver­such. Die bei­den Pfar­rer fühlen sich
hin­ter­gan­gen, hat­te ihnen der Land­kreis doch zugesichert, vor der
Abschiebung seel­sorg­erisch mit der Fam­i­lie sprechen zu kön­nen. «Wir hätten
sie dann wieder ins Kirchenasyl genom­men» , gibt Meißn­er unumwun­den zu. Die
Blitza­k­tion der Behör­den durchkreuzte ihre Pläne. 

Zurück bleibt Ratlosigkeit

Lan­drat Richter und Ord­nungs­dez­er­nent Haase vertei­di­gen die Abschiebeaktion.
Sie recht­fer­ti­gen den Aufwand damit, die Kinder vor dem Vater zu schützen.
Mit­tler­weile sind die Fil­iz in der Türkei bei der Fam­i­lie von Gazi
untergekom­men. Per Handy hat Ste­fan Branig davon erfahren. «Ob es ihnen aber
wirk­lich gut geht, kann ich nicht sagen» , fügt er an. Zu weit weg ist die
Türkei, die Hil­flosigkeit hat eine neue Dimen­sion angenommen. 

Zurück in Deutsch­land bleibt ent­täuschte Ratlosigkeit.

Bei Mar­ti­na Funke im Asyl­be­wer­ber­heim, die nicht ein­mal beim Kofferpacken
helfen konnte. 

Bei Lan­drat Richter, der noch immer angestrengt in seinen Akten wühlt, wohl
auch, um sein eigenes Gewis­sen zu beruhigen. 

Und bei den Pfar­rern Branig und Meißn­er, die sich von ver­schiede­nen Seiten
vor­w­er­fen lassen müssen, der kur­dis­chen Fam­i­lie falsche Hoff­nun­gen gemacht
zu haben. Sie beste­hen trotzig darauf: «Wir betra­cht­en immer den
Einzelfall — und wir wer­den es wieder tun.»

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Keine Kameras an Schulen

POTSDAM Bran­den­burgs Schulen wer­den auch kün­ftig nicht per Video überwacht.
Rechtlich sei die Videoüberwachung von Schulen zwar möglich, sagte der
Sprech­er des Bil­dungsmin­is­teri­ums, Thomas Hainz, gestern. Doch sei die
Überwachung der Ein­rich­tun­gen vor allem aus päd­a­gogis­ch­er Sicht abzulehnen. 

Das Bil­dungs­ge­setz for­muliere einen Erziehungs- und Bil­dungsauf­trag, sagte
Hainz. Dem­nach soll­ten die Kinder und Jugendlichen zu selbstbestimmten
Per­sön­lichkeit­en erzo­gen wer­den. Hainz betonte zudem, dass die Überwachung
nur dann sin­nvoll wäre, wenn sie flächen­deck­end erfol­gen würde. Das sei
jedoch nicht möglich. Man könne nicht jeden Winkel ein­er Schule beobachten.
Lediglich eine Videoüberwachung von Schul­höfen sei im Einzelfall in Erwägung
zu ziehen, so Hainz. 

Nieder­sach­sens Kul­tus­min­is­ter Bernd Buse­mann (CDU) hat­te am Donnerstag
angeregt, für beson­ders kri­tis­che Zonen in Schulen kön­nten technische
Sicher­heits­maß­nah­men wie Videoüberwachun­gen sin­nvoll sein. Busemann
reagierte damit auf die bekan­nt gewor­de­nen Mis­shand­lun­gen von Schülern in
Berufsschulen.

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Blick hinter den Stacheldrahtzaun

Olaf Löh­mer ist Mit­glied des Flüchtlingsrates Bran­den­burg und besucht Abschiebe­häftlinge in Eisenhüttenstadt

(PNN, Ulrike Strube) Ein klein­er Bau gesichert mit Videokam­eras und end­los wirk­en­dem, eng geschlun­genem Stachel­draht. Eine kleine Fes­tung im Südosten des Landes
Bran­den­burg, nahe der deutsch-pol­nis­chen Gren­ze. Weitab von der öffentlichen Wahrnehmung: die Abschiebe­haft in Eisen­hüt­ten­stadt. Hier wer­den Men­schen inhaftiert, deren Abschiebung vor­bere­it­et wird. Ihr Asy­lantrag wurde
abgelehnt, weil beispiel­sweise die Gefahr ihres Lebens in der Heimat für nicht bedrohlich erachtet wurde. Sie sitzen teil­weise monate­lang ein, ohne etwas ver­brochen zu haben. Olaf Löh­mer erzählt. Sein Gesicht ist gezeichnet
von Fas­sungslosigkeit. Die Zustände für die dort leben­den Men­schen seien ein­fach unmen­schlich. Seit Jahren engagiert sich der Stu­dent für die Rechte von Asyl­suchen­den im Land Bran­den­burg, beispiel­sweise warb – und wirbt – er
für die Abschaf­fung der Wertgutscheine für Asylsuchende. 

Auf den Aktion­sta­gen der JungdemokratInnen/Junge Linke im ver­gan­genen Früh­ling erfuhr das Mit­glied des Bran­den­burg­er Flüchtlingsrates vom Leben in der Abschiebe­haft in Eisen­hüt­ten­stadt. Löh­mer las Berichte vom Leben hinterm
Stachel­draht, beispiel­sweise von Alice Mutoni Kamau, die nach eige­nen Aus­sagen in die Beruhi­gungszelle Num­mer 2007 ges­per­rt und auf einem mit Plas­tik bedeck­ten flachen Gestell gefes­selt wurde. Er zitiert aus ihrem
Bericht: „Sie fes­seln deine Hände, deinen Bauch und deine gespreizten Beine.“ Die Keni­aner­in wurde mehrmals fix­iert – „bis sie sich wieder unter Kon­trolle hat­te“. Anfang Okto­ber 2003 waren es über zehn Stun­den, was die
Zen­trale Aus­län­der­be­hörde für Asyl­be­wer­ber bestätigt. Dabei gilt die Fix­ierung als kör­per­lich­er Ein­griff in die Frei­heit. „Selb­st im akuten Not­fall muss eine richter­liche Genehmi­gung einge­holt wer­den“, erk­lärt Hubert Hein­hold, Recht­san­walt und Vor­standsmit­glied der Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tion Pro Asyl auf Nach­frage. Wenn von dieser Form der Beruhi­gung eines Men­schen in psy­chi­a­trischen Abteilun­gen von Kranken­häusern Gebrauch gemacht wird, „muss diese Maß­nahme alle 15 Minuten neu entsch­ieden wer­den“. Kamau wurde Ende des ver­gan­genen Jahres in Hand­schellen abgeschoben. Doch das ist ein
ander­er Bericht. 

Dem Anfang der 90er gegrün­de­ten Flüchtlingsrat liegen zahlre­iche Begeben­heit­en von Inhaftierten vor. In ihnen wird über man­gel­nde medi­zinis­che und psy­cho-soziale Ver­sorgung gesprochen. Dazu kom­men fehlende
Qual­i­fika­tio­nen und fehlende Fremd­sprachenken­nt­nis des Per­son­als, ganz zu schweigen von dem Ange­bot ein­er Rechtsberatung. 

Alle ein bis zwei Wochen fährt Olaf Löh­mer von Pots­dam nach
Eisen­hüt­ten­stadt. Mit­tags nimmt er den roten Dop­pel­stock­zug. Drei Stun­den lang führt ihn seine Reise vor­bei an den glat­ten Fas­saden der Regierungs­ge­bäude in der Bun­de­shaupt­stadt und der fried­vollen Land­schaft hin
in eine andere Welt, von der er früher nichts ahnte. Jeder
Abschiebung­shäftling darf, wie es in der Antwort der Lan­desregierung auf die Kleine Anfrage Num­mer 2470 der PDS vom Okto­ber 2003 heißt, „täglich in der Zeit zwis­chen neun und 11.30 Uhr und in der Zeit von 14 bis 18 Uhr Besuch
emp­fan­gen“. Die Besuch­szeit ist auf täglich eine Stunde begren­zt. Das erste Mal war Olaf Löh­mer bere­its gegen halb zwei Uhr vor Ort, um die Zeit auszunutzen. „Das war etwas naiv“, kom­men­tiert der aus Han­nover Stam­mende zynisch. „Pünk­tlich um 14 Uhr begin­nt der Ein­lass für die Besuch­er.“ Nach­dem der Name des zu Besuchen­den notiert wird, begin­nt eine inten­sive Kon­trolle: Erste Schleuse – Pfört­ner: Abgabe des Per­son­alausweis­es und Aushändi­gung der
Besucherkarte. Zweite Schleuse – Pfört­ner: Warten auf einen Mitar­beit­er, der den Besuch­er zur näch­sten Kon­trolle führt. Dritte Schleuse – auf dem Haft­gelände: Kon­trolle der Sachen. „Die ersten zwanzig Minuten sind dann
vor­bei.“ Die verbleibende Zeit nutzt der 26-Jährige zum Gespräch mit min­destens zwei Men­schen. Er möchte wis­sen, ob sein Gegenüber Bedürfnisse hat wie Kon­takt zum Anwalt, Prob­leme mit dem Per­son­al oder Nachricht­en für
Freunde. 

Der 26-Jährige erfährt von der täglichen Stunde Freigang, „auf dem eingezäun­ten Gelände“, den 18 Quadrat­meter großen Zellen für bis zu drei Men­schen mit unver­schließbaren Schränken und der Angst vor der ungewissen
Zukun­ft. Manch­mal bringt er Eingeschweißtes wie Kekse, Getränke oder ein­fach Geld zum Tele­fonieren mit. Diese Hil­fe sei neben­säch­lich. „Die Angst vor der Zukun­ft ist das zen­trale Prob­lem.“ Eine Abschiebung sollte nach Möglichkeit
ver­hin­dert wer­den. Für die Zeit der Inhaftierung benötigten die Gefan­genen Sol­i­dar­ität und Kraft. „Die Men­schen sitzen dort, weil der Ver­wal­tungsvor­gang Abschiebung vor­bere­it­et wird.“ 

Nach seinen Besuchen und regelmäßi­gen Tele­fonat­en mit den Men­schen in der Ein­rich­tung sucht Löh­mer das Gespräch mit seinen Mit­stre­it­ern vom Flüchtlingsrat, mit Seel­sorg­ern und Anwäl­ten. So kon­nte eine Frauen­ber­atung aus Frank­furt (Oder) gewon­nen wer­den, die die Frauen hin­ter dem Stachel­draht besucht. Kopfzer­brechen bere­ite dem Flüchtlingsratsmit­glied die fehlende kosten­lose Rechts­ber­atung. Der näch­ste auf Asyl­recht spezial­isierte Anwalt sei in Berlin zu erre­ichen. Vor zwei Jahren bat die Arbeits­ge­mein­schaft Aus­län­der- und Asyl­recht des Deutschen Anwalt Vere­ins das bran­den­bur­gis­che Innen­min­is­teri­um um die Genehmi­gung ein­er regelmäßi­gen Rechts­ber­atung, doch
die wurde die mit der Begrün­dung „kein Bedarf“ abgelehnt. 

Prob­lema­tisch erscheinen Olaf Löh­mer die haftähn­lichen Bedin­gun­gen. „Wenn man bedenkt, dass die meis­ten von ihnen erst­mals im Gefäng­nis sitzen.“ Erst Abschiebe­haf­tanstal­ten wur­den in der Bun­desre­pub­lik Anfang der 90er Jahre
ein­gerichtet. Laut Flüchtlingsrat wer­den bun­desweit jährlich mehr als 50 000 Men­schen abgeschoben. Bran­den­burgs Haf­tanstalt wurde 1997 mit 108 Plätzen in Betrieb genom­men. Seit ihrem Beste­hen haben 3 346 Per­so­n­en die Einrichtung
zu „Haftab­schiebungszweck­en“ ver­lassen. Die durch­schnit­tliche Haft­dauer betrage 29 Tage und über­schre­ite in keinem Fall die maximale
Inhaftierungs­dauer von 18 Monaten. 

Für den Stu­den­ten der Biolo­gie und Geografie ist diese Arbeit eine ein­drucksvolle Erfahrung. „Ich lerne Zustände ken­nen, von denen ich nichts erfahren hätte.“ Mit ihnen abfind­en möchte er sich nicht. Und so will er weit­er ver­suchen den Men­schen, die aus welchem Grund auch immer den Weg hier­her gefun­den haben, zu ihrem Recht auf „men­schen­würdi­ge Bedin­gun­gen und Chan­cen“ zu verhelfen.

Inforiot