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Montagsdemo in Neuruppin

(Indy­media) Wie schon vor Beginn des 3. Golfkrieges fand auch diesen Mon­tag in Neu­rup­pin eine Antikriegs­demon­stra­tion und anschliessend eine Kundge­bung statt. Los ging es um 18.00 Uhr an der Kirche, wo die ChristIn­nen vorher ein Friedens­ge­bet abhiel­ten. An der Demo nah­men unge­fähr ein­hun­dert Per­so­n­en aus über­wiegend kirch­lichen Kreisen teil. Vere­inzelt sah ich auch Leute aus der ex-Bürg­er­rechts­be­we­gung und ein paar junge Punks. Wie üblich wurde das Bom­bo­drom (geplanter Bomben­ab­wurf­platz) kri­tisiert. Weit­erge­hende Forderun­gen waren recht wenige zu Hören. Ein Teil­nehmer forderte allerd­ings Sol­dat­en der Bun­deswehr zur sofor­ti­gen Deser­tion auf und die anderen Teil­nehmer zu deren Unter­stützung. Anson­sten wurde von keinen der Red­ner­In­nen die Bun­desregierung kri­tisiert. Es war fast eher so, als ob die das alle toll find­en, was der Schröder so macht. 

Einige der jun­gen Teil­nehmerIn­nen (Junge Gemeinde oder so) hat­ten sich als Krieg­sopfer verklei­det. Das kam ganz schön komisch rüber, war aber das einzige auss­er ein paar Trom­meln und Schildern (mit eher plat­ten Sprüchen drauf).

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Keine Träne für Potsdam

Zum 58. Jahrestag des Flächenbombardements:

Keine Träne für Potsdam 

Aktion­stage

Mon­tag 14.4.

18 Uhr Kundge­bung, Alter Markt, Potsdam

20:30 Uhr “Mori­t­uri” im Kino Melodie, Fr.-Ebert-Str. 12 

Mittwoch 16.4.

19 Uhr “Vom Mitläufer zum Blindgänger”

Podi­ums­diskus­sion mit M. Blu­men­tritt und J. Sundermeier
zum neuen deutschen Selbstmitleid
in der FH Pots­dam, Alter Markt 

Don­ner­stag 17.4.

21 Uhr Par­ty­time im Kunst­werk, Her­mann-Elflein-Str. 10

News und Aktu­al­isierun­gen zum Pro­gramm sind auf der Home­page der
Antifa Aktion Pots­dam unter www.aapo.info zu finden. 

Aufruf

In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 war­fen britische
Bomberver­bände Bomben auf das süd­west­lich Berlins gele­gene Pots­dam ab
und zer­störten dabei große Teile der his­torischen Innen­stadt. Die
„Nacht von Pots­dam“ ist for­t­an immer wieder Anlass gewe­sen, die
deutschen Opfer des Zweit­en Weltkriegs zu bekla­gen. Das „schwere Erbe“
des Nation­al­sozial­is­mus ist der Stadtverord­neten­ver­samm­lung Potsdam
dann zum 58. Jahrestag zwar nicht genug Anlass, Hin­den­burg die
Ehren­bürg­er­schaft abzuerken­nen, wohl aber sich des NS geläutert gegen
den Irakkrieg zu posi­tion­ieren und zu ein­er „City for peace“ zu
erklären. 

Deutsche Geschichte(n): When we were Opfers

Ein halbes Jahrhun­dert nach Ende des Zweit­en Weltkrieges wird also
belehrt, wer nicht schon immer wusste: die deutsche
Schick­sals­ge­mein­schaft hat in der let­zten Zeit viel mit­machen müssen;
nicht nur die “Mut­terkatas­tro­phe” (u.a. Walser) Erster Weltkrieg, die
“Schmach von Ver­sailles” und die Rätere­pub­lik, eben­so hat es die
Weltwirtschaft­skrise geduldig ertra­gen. Dann kam auch schon Hitler und
mit ihm noch ein Weltkrieg “der unsäglich­es Leid, Zer­störung und Tod
brachte und mit dem total­en Zusam­men­bruch Deutsch­lands endete”
(Erk­lärung der Stadtverord­neten­ver­samm­lung zum “Tag von Pots­dam”). Im
Ver­lauf der Nieder­lage kam noch mehr Leid über das deutsche Volk, die
als “Vertrei­bung” beze­ich­nete Flucht und Umsied­lung, die
“Ver­schlep­pung” genan­nten Ent­naz­i­fizierungs­maß­nah­men gemäß des
Pots­damer Abkom­mens — zur Zeit groß im deutschen Selb­st­ge­spräch: der
soge­nan­nte “Bomben­ter­ror”; eigentlich die Beschle­u­ni­gung des notwendig
gewor­de­nen “total­en Zusam­men­bruchs” und die Vor­bere­itung der völligen
Zer­schla­gung der NS-Infra­struk­tur durch alli­ierte Bodentruppen. 

Das war aber noch nicht alles: das Schlimm­ste soll sein, dass die
Deutschen ange­blich nie über ihre Unan­nehm­lichkeit­en, die sie bei den
alli­ierten Anstren­gun­gen, “die Deutschen von sich selb­st zu befreien”
(Ralph Gio­darno), kon­se­quenter­weise haben mussten, sprechen durften.
Ein jet­zt endlich zu brechen­des Tabu soll seit ehe­dem beste­hen, den
Besiegten anfänglich von den Siegermächt­en, später auch durch ihre
“Hand­langer”, vor allem (linke) Intellek­tuelle, aufer­legt. Was dem
Deutschen als Ver­bot galt, war das Gebot, wed­er den Unterschied
zwis­chen direk­ter bzw. indi­rek­ter Täter­schaft und Opfer­rolle zu
leug­nen, noch diese zu ver­tauschen, und den ursäch­lichen Zusammenhang
zwis­chen Angriffs- und Ver­nich­tungskrieg und
Ent­naz­i­fizierungs­maß­nah­men zur Grund­lage jed­er Beschäf­ti­gung mit der
eige­nen Geschichte zu machen. 

Viel­stim­miges Schweigen

Doch die Täter­gen­er­a­tion entsch­ied sich für die “zweite Schuld”, das
Ver­hal­ten der “Befre­it­en” straft alle Ver­führungs- und
Unter­w­er­fungs­the­sen Lügen: jet­zt wo sie von NS-Pro­pa­gan­da und
Repres­sion frei waren, zeigten sie wed­er Reue für die begangenen
Ver­brechen noch Mit­ge­fühl für deren Opfer. Im Gegen­teil: die
Trüm­mer­frauen und Heimkehrer kan­nten kein anderes Leid als ihre eigene
Sit­u­a­tion. Diese Selb­st­mitlei­digkeit wen­dete sich aggres­siv gegen alle
wahren Opfer, umso mehr, wenn jene von ihren Erleb­nis­sen berichteten.
Auch die wiedergekehrten Emi­granten, von denen sich viele am
Wieder­auf­bau beteiligten, sowie die aus den KZ Befre­it­en waren zum
Schweigen ver­dammt, woll­ten sie einen Platz im Nachkriegsdeutschland
finden. 

Das war zumin­d­est in der sow­jetis­chen Besatzungszone für die “Kämpfer
gegen den Faschis­mus”, zumeist Kommunist/inn/en, anders, wo mit der
Grün­dung der DDR der Antifaschis­mus der KPD sog­ar zur Staatsdoktrin
wurde. Die soge­nan­nten “Opfer des Faschis­mus” mussten allerd­ings schon
tot sein, wenn an sie erin­nert wurde. Eine ern­stliche Aufar­beitung der
Ver­gan­gen­heit wurde durch jene vul­gär­marx­is­tis­che Faschismusanalyse
behin­dert, die schon den Auf­stieg des Nation­al­sozial­is­mus weder
the­o­retisch fassen kon­nte, noch die zu dessen Bekämp­fung gebotenen
Bünd­nisse mit bürg­er­lichen Kräften zuließ. Die Masse des deutschen
Volkes wurde kollek­tiv frei gesprochen, mit dem Ende des Enteignungs-
und Ent­naz­i­fizierung­spro­gramms wurde die Ver­gan­gen­heit an die
West­zo­nen delegiert. 

Dort hinge­gen sah man jene im “total­itären Sowjetsystem”
weit­er­erex­istieren. Selb­st­mitleid und Ver­drän­gung wurde nun unter
Besatzer­auf­sicht in den Dienst des Kalten Krieges gestellt.
West­deutsche kon­nten als Heimatver­triebene staatlich gedeckt
Gebi­et­sansprüche gegenüber Polen und der Tsche­choslowakei oder die
Forderung nach Ent­las­sung der in der SU Reparationsleistungen
erbrin­gen­den Kriegs­ge­fan­genen stellen. Schnell erin­nerte sich man im
Osten an die angloamerikanis­chen Städte­bom­barde­ments als “unsin­niges
Ver­brechen” (Otto Grotewohl). 

In der west­deutschen 68er Studieren­den­be­we­gung stellte die zweite
Gen­er­a­tion ihren Eltern die Fra­gen nach per­sön­lich­er Schuld und
Ver­ant­wor­tung. Doch nur der kle­in­ste Teil meinte es ernst. Den meisten
genügte eine anti­in­tellek­tuelle, moral­is­tis­che Selbstgefälligkeit;
wenn ihre Eltern schon wegge­se­hen haben soll­ten, dann sahen sie
den “neuen Faschis­mus” über­all, wo Unrecht geschah. Andere verorteten
ihn ähn­lich wie im Ost­block immer genau dort, wo Staat und Kapital
ihren Zweck bzw. Selb­stzweck erfüll­ten. Selb­st die kritische
Erken­nt­nis, dass die Ursachen für den NS auch in der
sozialpsy­chol­o­gis­chen Ver­fass­theit des autoritären Sub­jek­ts zu suchen
sind, wurde als Ein­ladung zum Mit- und Besser­ma­chen missver­standen und
ver­schwand als Erziehung­sprob­lem in den Kitalä­den und diversen
Selb­sthil­fe­grup­pen. Auf diesem Boden gedieh das „Alter­na­tivm­i­lieu“,
eben­jene “grüne” Klien­tel, die heute mit den Jusos von damals die
höhere Ver­wal­tung stellt. 

Par­al­lel zu deren “Marsch durch die Insti­tu­tio­nen” kam es in den 80er
Jahren zu Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen recht­skon­ser­v­a­tiv­en und
linkslib­eralen Poli­tik­ber­atern um das Geschichts- und Selb­st­bild der
(West)Deutschen. Das dama­lige Behar­ren einzel­ner Pro­tag­o­nis­ten des
akademis­chen Diskurs­es auf Posi­tio­nen, die die Sin­gu­lar­ität und
Unver­gle­ich­barkeit des NS beton­ten und im Vernichtungsantisemitismus
sein wichtig­stes Ele­ment sahen, gilt den Gut­men­schen seit­dem als
Beweis für ihren erfol­gre­ichen Lern­prozess. Die Entwick­lung, die sich
spätestens seit der Wiedervere­ini­gung vol­l­zog, entledigt diese
Behaup­tung jeglichen Wahrheitsgehalts. 

Erin­nerungs-Arbeit macht frei

Was damals noch als Revi­sion­is­mus galt, ist heute ‚com­mon sense‘; das
ein­mal befürchtete “nationale Selb­st­be­wusst­sein” hat es mittlerweile
zur Staat­srä­son der Berlin­er Repub­lik gebracht. Dieser Zus­tand aber
ist nicht das Ergeb­nis der Ver­schwörung ein­er “Neuen Recht­en”, es ist
vielmehr das Gemein­schaftswerk der angekomme­nen Alt-68er und
der
herun­tergekomme­nen Sozialdemokratie. Die Total­i­taris­mus­dok­trin gewann
nach dem Scheit­ern des Staatskap­i­tal­is­mus erst mit Unterstützung
rot-grün­er Schicht­en ihre bei der Diskus­sion um die Sin­gu­lar­ität des
NS einge­büsste Hege­monie wieder. Auf den Gelän­den der
Konzen­tra­tionslager ent­standen und entste­hen gegen den Protest
ehe­ma­liger Häftlinge Gedenkstät­ten für die zu aller­größtem Teil
NS-belasteten “Internierten”; der Stal­in­is­mus heißt jet­zt “rot­er
Holo­caust” — wer es wis­senschaftlich mag, set­zt noch ein Fragezeichen
hin­ten­dran. Bei der von außen zu erzwin­gen gewesenen
Zwangsar­beit­er­entschädi­gung stellt das neue Deutsch­land die
Bedin­gun­gen und bes­timmt, wer wie viel bekommt; eine Stiftung sorgt
dafür, dass auch in Zukun­ft an die Großzügigkeit der Deutschen
erin­nert wer­den wird. Will Tschechien Mit­glied der EU wer­den, dann
soll es nach dem Willen Deutsch­lands die Benes-Dekrete aufheben und
die in ihnen u.a. geregelte, für eine friedliche Nachkriegsordnung
notwendi­ge Umsied­lung der “Sude­tendeutschen” als Verbrechen
beze­ich­nen; spätere materielle Forderun­gen der Umge­siedel­ten und
ihrer Nach­fahren sind nicht aus­geschlossen. Nach­dem man die
Unter­stützung des Angriff­skriegs auf Jugoslaw­ien mit der Begründung
recht­fer­tigte, ein neues “Auschwitz” ver­hin­dern zu müssen, wurde in
der Heimat die um ein real­is­tis­ches Bild des Vernichtungskrieges
bemühte Wehrma­cht­saustel­lung umgestal­tet und von ‘pauschalen Aussagen’
befreit. 

Auch das for­male Anerken­nen massen­hafter direk­ter und indirekter
deutsch­er Täter­schaft, so beispiel­sweise geschehen durch jene
Wehrma­cht­saustel­lung oder in der Gold­ha­gen-Rezep­tion, tut dem neuen
deutschen Selb­st­be­wusst­sein keinen Abbruch. Im Gegen­teil: hiermit
glaubt man, zum “primus bal­ler­i­nus” der Men­schen­rechte gewor­den zu
sein. Jet­zt kann man sog­ar den West­al­li­ierten erk­lären, was sie schon
damals alles falsch gemacht haben. Die Bom­bardierun­gen seien
„mil­itärisch unsin­nig“ und (auch) ein „moralis­ches Ver­brechen“, so
klingt es heute von FAZ bis Friedensbewegung. 

Geistige Blind­gänger: Neue deutsche Friedens­be­we­gung (notwendi­ger Exkurs) 

Kon­se­quenten Aus­druck find­et diese Entwick­lung in der selbsternannten
Friedens­be­we­gung seit ihrer Grün­dung in den 80er Jahren. Aus
moralis­ch­er Selb­st­ge­fäl­ligkeit her­aus bastelt sie sich mit dem Verweis
auf die deutsche Geschichte eine „Ver­ant­wor­tung gegen jeden Krieg“
und geriert sich gerne als das bessere Deutsch­land, das auch heute
wieder Objekt und Opfer fremder Mächte sei. Eben­so wie alles Übel auf
Welt notorisch mit den Ver­brechen des NS ver­glichen bzw. gleich
gle­ichge­set­zt wird, sind Schuld am schlecht­en Zus­tand der Welt
besten­falls die eigene Regierung, die einen wieder mal ver­rat­en habe,
bevorzugter­weise; den einzi­gen Staat­en, bei denen nicht mal mehr
zwis­chen Bevölkerung und Regierung unter­schieden wird: die USA und
Israel. Auch die link­eren Kräfte in ihr haben es, soll­ten sie es je
ver­sucht haben, nie ver­mocht, ihr einen Hauch von Antinationalismus
oder staatskri­tis­chem Bewusst­sein zu ver­lei­hen. Die größere
Ver­bre­itung von verkürzter Kap­i­tal­is­muskri­tik kann kaum als
Aus­gle­ich­sange­bot herhalten. 

Als Bel­grad das zweit­en Mal von deutschen Bombern getrof­fen wurde,
schwieg der über­wälti­gende Teil der Friedens­be­wegten bzw. wechselte
die Argu­men­ta­tion; jet­zt aber wo es darum geht, Dres­den nach Bagdad
zu hal­luzinieren und sich mit dem „Leid der ohne­hin schon genug
geschun­de­nen Zivil­bevölkerung“ zu iden­ti­fizieren, ist sie in
National­mannschaftsstärke auf der Straße. Wer an Emanzipation
fes­thält, kann mit der Friedens­be­we­gung keine Bünd­nisse eingehen. 

Wahn und Wirklichkeit

Am Ende des Zweit­en Weltkriegs, so wohl das nun alleinige Resümee der
Deutschen, hätte es vor allem jene getrof­fen, die sowieso schon Opfer
waren: die eigene Zivil­bevölkerung. Volksmärchen von Rachemassakern
„der Russen“ an Bauern­fam­i­lien, Speku­la­tio­nen über alli­ierte Pläne zur
Entvölkerung Deutsch­lands und vor allem die immerwährende
Argu­men­ta­tion mit der Unmen­schlichkeit von Flächen­bom­barde­ments auf
deutsche Großstädte verdicht­en das Bild ein­er sich zu Unrecht
getrof­fen füh­len­den „Volks­ge­mein­schaft“. Die Angst der Deutschen vor
dem “Ver­nich­tungskrieg” (Jörg Friedrich in “Der Brand”), als der die
mil­itärischen Oper­a­tio­nen der Alli­ierten hal­luziniert wur­den, war eng
verknüpft mit der Gewis­sheit der eige­nen Ver­brechen in den vergangenen
zwölf Jahren; Guer­ni­ca, Coven­try, Warschau, Rot­ter­dam und Belgrad
waren von der Wehrma­cht schon in Schutt und Asche gelegt wor­den, bevor
die erste alli­ierte Bombe in Deutsch­land einschlug. 

Selb­st zu dem Zeit­punkt, als die Nieder­lage Deutsch­lands bereits
abse­hbar gewe­sen ist, war von einem Aufgeben nichts zu merken. Die
meis­ten der­er, die über Wider­stand gegen die Nazis auch nur
nachgedacht hat­ten, waren zu diesem Zeit­punkt bere­its in
Konzen­tra­tionslager einges­per­rt bzw. ermordet wor­den oder hat­ten sich
rechtzeit­ig in Sicher­heit brin­gen kön­nen. Der über­große kon­forme Teil
der deutschen Bevölkerung übte sich der­weil im Wieder­holen der
Durch­hal­teparolen aus der Goebbelss­chnau­ze, im Nach­laden der
Volkssturm-Flak­stel­lung, dem Warten auf den End­sieg oder zumin­d­est auf
den Ein­satz der ver­sproch­enen Wun­der­waffe; eine Zivil­bevölkerung im
wörtlichen Sinne gab es gar nicht. 

Jedoch gab es tat­säch­lich unschuldige Opfer der Bombardements:
Zwangsarbeiter/innen, die in den Städten einge­set­zt wur­den, um dort
die Infra­struk­tur aufrechtzuer­hal­ten und die Nach­fuhr an die Front zu
gewährleis­ten; Ander­s­denk­ende und Juden, die sich irgend­wo versteckt
hal­ten mussten. Für eben­jene Men­schen bedeuteten die zunehmenden
Bombe­nan­griffe aber neben der objek­tiv­en Gefahr des Todes auch die
steigende Hoff­nung auf die Nieder­lage des Nation­al­sozial­is­mus; sie
bedeuteten, dass die Front näher rück­te und damit auch das eigene
Über­leben immer wahrschein­lich­er wurde. 

Die Tak­tik der Alli­ierten zielte darauf, Volk und Führer zu entzweien,
hat­ten sie doch in Ital­ien mit den “moral bomb­ing” — in kleinerem
Rah­men — die Erfahrung gemacht, dass mit zunehmenden Kriegswirren die
Bevölkerung gegen das Regime auf­begehrte; das­selbe erhofften zumindest
die West­al­li­ierten eben­so vom deutschen. Zwar dien­ten die
Bom­barde­ments deutsch­er Städte auch dazu, durch das Zerstören
kriegstauglich­er und ‑wichtiger Indus­triean­la­gen den Nach­schub an die
Front zu unterbinden. Wichtiger aber war die erhoffte demoralisierende
Wirkung der Flächen­bom­barde­ments auf die Bevölkerung; auf jene
Men­schen die vorher denun­ziert, sich an jüdis­chem Eigen­tum bereichert,
gemordet oder auch nur ruhig zuge­se­hen hat­ten, und vor allem durch
ihre Arbeit­sleis­tung weit­er­hin das Über­leben der Mordmaschine
sicherten. Doch die Rech­nung ging nicht auf, Volk und Führung rückten
in den Luftschutzkellern noch enger zusam­men. Selb­st um die Trümmern
wurde erbit­tert gekämpft; allein bei der Befreiung Berlins mussten
noch mehr als 10.000 Sow­jet­sol­dat­en ihr Leben lassen. 

Auch wenn die Bom­bardierun­gen nicht den erhofften Erfolg brachten,
haben sie noch höhere Ver­luste sowohl auf Seit­en der
Anti­hitler-Koali­tion, als auch auf Seit­en der vom Naziterror
Betrof­fe­nen und für die bis zum let­zten Tag auf Hochbe­trieb laufende
Ver­nich­tung vorge­se­henen Men­schen ver­hin­dert wer­den. Die Wirkung der
Luftan­griffe war nicht zuerst ideeller, son­dern eher materieller
Dimen­sion und der kriegs­been­dende Effekt maß sich geringer aus als
erhofft. Den­noch haben die Flächen­bom­barde­ments zu seiner
beschleun
igten Beendi­gung beige­tra­gen kön­nen. Mögen es Tage gewesen
sein; jed­er Tag, ret­tete unschuldige Men­schen­leben. Wer also
behauptet, die Bom­bardierun­gen seien „mil­itärisch unsin­nig“ und ein
„moralis­ches Ver­brechen“ ist in den geisti­gen Luftschutzkellern der
Schick­sals­ge­mein­schaft ver­schüt­tet worden. 

Sollte je aber eine andere Welt möglich sein, in der die Kri­tik der
Waf­fen nicht auch gegen die Waf­fen der Kri­tik einge­tauscht werden
muss, um das Schlimm­ste zu ver­hin­dern, gilt es, daran zu erinnern,
dass erst die Zer­schla­gung des Nation­al­sozial­is­mus mit allen
notwendi­gen Mit­teln die Vor­raus­set­zung für ebendiese schaffte.


organ­isiert von

AAPO Antifa Aktion Pots­dam, progress.pdm antifas­cist youth 

unter­stützt von

SIgAA_UP, AG_Antifa im AStA_UP, AG Anti­ras­sis­mus, AK Kritische
Reflex­ion der Geschichte, Anti­deutsch­er Schü­lerIn­nen­zirkel Belzig,
Redak­tion “Com­mu­nist Cos­mopoli­tan”, BGAA Bünd­nis gegen Antisemitismus
und Antizion­is­mus berlin, BGA Bünd­nis gegen Anti­semitismus Berlin,
HUm­mel Antifa Berlin, Gruppe Gen­der Killer Berlin, Autonome Antifa
[Nor­dost] Berlin

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Stadt ohne Zukunft

Am 26. März 2003 fand eine Pressekon­ferenz mit Vertretern der Alter­na­tiv­en Jugend Straus­berg im geschlosse­nen Jugend­klub Dom­izil (Straus­berg) statt. Die Wäh­lerge­mein­schaft stellte sich in erweit­ert­er Beset­zung und mit ihrem Wahl­pro­gramm vor. 

Die Anwe­senden drück­ten ihre Besorg­nis über die gegen­wär­tige Sit­u­a­tion in Straus­berg aus. „Straus­berg ist eine Stadt ohne Zukun­ft gewor­den; die Stadt küm­mert sich nicht oder zu wenig um die Jugendlichen und um deren Zukun­ft.“, so ein Jugendlich­er. Als Beispiele wur­den die Kürzung der städtis­chen Zuschüsse für Jugend‑, Sozial- und Sportvere­ine sowie Nichtweit­er­fi­nanzierung von Per­son­al­stellen, die zur Schließung des Jugend­klubs Dom­izil führte, genannt. 

Die finanzielle Mis­ere ist nicht etwa durch zuwenig Geld in der Stadtkasse ent­standen, son­dern durch eine falsche Pri­or­itätenset­zung. Bei der Jugend darf nicht ges­part wer­den! Die Alter­na­tive Jugend wird bei der Kom­mu­nal­wahl 2003 antreten, um dies durchzuset­zen. Jet­zt schon sind 10 Per­so­n­en bere­it auf der Alter­na­tiv­en Jugendliste zu kan­di­dieren. Sie ist bere­its seit 1998 mit zwei Sitzen in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung vertreten ist. 

Die Frak­tion hat ständig und behar­rlich die Belange der Jugendlichen vertreten; sich z.B. für die Ein­führung der Aus­bil­dungs­förderung 1999 einge­set­zt, durch welche nach­weis­lich mehrere Aus­bil­dungsplätze geschaf­fen wur­den. „Durch die ständi­ge Artikulierung des The­mas Per­son­al­ab­bau in der Ver­wal­tung durch uns ist endlich Bewe­gung in Par­la­ment und Ver­wal­tung erkennbar“, so Hagen Flem­mig, Stadtverord­neter der Alter­na­tiv­en Jugend Straus­berg. Ziel sei es, dort Geld zu sparen, wo auch die meis­ten Kosten anfall­en. In Zeit­en wie diesen ist es völ­lig deplaziert, über Schul- und Kitaschließun­gen zu debat­tieren, wo doch die Prob­leme dieser Stadt in anderen Bere­ichen liegen. 

Seit neuestem ist die Alter­na­tive Jugend auch im Inter­net unter www.alternative-jugend.de vertreten. Hier wer­den u.a. die Mit­stre­it­er und Ziele dargestellt. Im ange­hängtem Forum kann über diese und weit­ere The­men disku­tiert wer­den. Inter­essierte sind aufge­fordert, sich über Inter­net oder über die e‑mail-Adresse info@alternative-jugend.de zu melden.

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Demo und Blockade am Einsatzführungs-Kommando der Bundeswehr


Mehr Fotos: Umbruch Bil­darchiv

(Indy­media) Am heuti­gen Nach­mit­tag (Sam­stag) macht­en sich 250 bis 300 Men­schen auf, um vor dem Tor des Ein­satzführungskom­man­dos gegen die verdeck­te Bun­des­deutsche Beteili­gung am Krieg gegen den Irak zu protestieren. 

Es wurde gefordert:

— der sofor­ti­gen Rück­zug aller Bun­deswehrsol­dat­en und ‑waf­fen aus der Kriegsregion

— die Rück­nahme der Über­flug- und Tran­sitrechte für die kriegs­beteiligten Armeen

— ein Ver­bot der Nutzung von Mil­itär­basen für den völk­er­rechtswidri­gen Krieg

— keine Bewachung US-amerikanis­ch­er Militäreinrichtungen 

Wie angekündigt wurde während der Kundge­bung das Kaser­nen­tor mit ein­er Sitzblock­ade gesperrt.
Die Mehrzahl der Teil­nehmer entsch­ied sich, auch nach Abzug der Demon­stra­tion vor dem Tor sitzen zu bleiben. Die Block­ade wurde erst eine Stunde später nach der drit­ten Auf­forderung durch die let­zten Verblieben frei­willig beendet. 

Rede­beitrag zur Demo und Sitzblock­ade am 29.03.03 nach und in Geltow

(Kam­pagne gegen Wehrpflicht) Der Krieg gegen den Irak und danach voraus­sichtlich gegen noch weit­ere Staat­en hat
die Karten neu gemischt.
Das gilt für die post­sozial­is­tis­chen und kap­i­tal­is­tis­chen Staat­en- und
Mil­itär­bünd­nisse eben­so wie für die deutsche
Friedensbewegung. 

Die Friedens­be­we­gung ist lei­der keine poli­tis­che Organ­i­sa­tion, die gemeinsame
Beschlüsse fassen und Strategien
umset­zen kön­nte. Sie ist eher ein lock­eres Bünd­nis ver­schieden­ster Grup­pen und
Per­so­n­en mit völ­lig unterschiedlichen
und sich zum Teil antag­o­nis­tisch gegenüber­ste­hen­den Inter­essen. Das NEIN der Jusos
zum Irakkrieg ist dem NEIN
von Antikap­i­tal­istin­nen oder Anti­mil­i­taris­ten so ent­ge­genge­set­zt wie die diesem NEIN
zugrundeliegenden
gesellschaftlichen Vorstel­lun­gen und Ansprüche. 

Ein Ziel unser­er heuti­gen Demon­stra­tion und Sitzblock­ade ist es, die Unterschiede
zwis­chen diesen NEIN
deut­lich zu machen und der Vere­in­nah­mung antikap­i­tal­is­tis­ch­er Posi­tio­nen gegen den
Krieg für die Politik
der Bun­desregierung oder das Schüren anti­semi­tis­ch­er Ten­den­zen entgegenzutreten. 

Auf den Friedens­demon­stra­tio­nen dieser Tage sind mitunter eigen­tüm­liche bis bizarre
Erschei­n­un­gen zu beobachten:
Da demon­stri­eren Grüne und Sozialdemokrat­en mit­samt Parteifah­nen gegen den
völk­er­rechtswidri­gen Angriffskrieg.
Mit Schildern wie “Durch­hal­ten Josch­ka” oder “Weit­er so, Ger­hard” oder sogar
“CheGerhard” ziehen sie durch die Straßen.
Als Red­ner treten grüne Bun­destagsab­ge­ord­nete und SPD-Min­is­ter­präsi­den­ten auf und
weisen mit mah­nen­der Stimme darauf hin,
daß es kein UN-Man­dat für den Irakkrieg gibt. Wie ver­logen diese Reden sind, zeigt
sich schon daran, daß erst vor
weni­gen Jahren Jugoslaw­ien unter maßge­blich­er Beteili­gung der rot-grünen
Bun­desregierung ohne UN-Man­dat von der NATO
ange­grif­f­en wurde. Dieser Angriff­skrieg war ein völk­er­rechtlich­er Damm­bruch, der
nicht nur den Irakkrieg begün­stigt hat,
son­dern den Über­gang zum zwis­chen­staatlichen Faus­trecht ein­geleit­et hat. Auf
Ver­anstal­tun­gen, die sich nicht nur
gegen den Krieg gegen den Irak, son­dern gegen den Krieg und seine gesellschaftlichen
Ursachen generell richtet,
haben schon deshalb (und schon ungeachtet der Tat­sache, daß die Bun­desregierung den
Irakkrieg in vielfältiger Weise
prak­tisch unter­stützt) wed­er SPD-Min­is­ter­präsi­den­ten noch grüne Parteifäh­nchen etwas
zu suchen. 

Eine viele Demon­stra­tio­nen beherrschende Parole war in den let­zten Wochen das gut
skandierbare
USA — Inter­na­tionale Völk­er­mordzen­trale”. In Pots­dam tauchte auf ein­er Kundgebung
der Friedenskoordination
ein Trans­par­ent auf, das George Walk­er Bush als “US-Adolf” bezeichnete.
Offen­bar beste­ht in deutschen Friedens­demon­stra­tio­nen erhe­blich­er Aufklärungsbedarf
darüber, was Völk­er­mord ist
und daß der deutsche Faschis­mus ger­ade in seinem ras­sis­tisch motivierten und bis in
die Gaskam­mern von Auschwitz
prak­tizierten Ver­nich­tungswillen gegenüber Juden, Sin­ti und Roma bislang
geschichtlich ein­ma­lig geblieben ist und
daß daher entsprechende Ver­gle­iche eine Ver­harm­lo­sung des Faschis­mus sind. Da
wun­dert es denn auch nicht mehr,
daß hier und da auch Recht­sradikale in Friedens­demon­stra­tio­nen geduldet werden. 

Entsprechende Kri­tik an Erschei­n­un­gen auf Friedenkundge­bun­gen teilen wir. Die
Denun­zi­a­tion jed­er Antikriegsposition
sei es als anti­semi­tisch, anti­amerikanisch oder was auch immer weisen wir zurück.
Ger­ade weil die Friedensbewegung
keine feste poli­tis­che Organ­i­sa­tion ist, ist die pauschale Kri­tik an allen
Kriegs­geg­ner­in­nen kein Argu­ment, sondern
eine Kom­mu­nika­tion­sstrate­gie, in der die Friedens­be­we­gung zu ein­er einheitlichen
Organ­i­sa­tion umgel­o­gen wird, um
einzelne Äußerun­gen allen anlas­ten zu kön­nen. Die Friedens­be­we­gung dient nicht nur
als Sam­mel­be­griff, son­dern als
Zurech­nungskon­strukt. Das ist wed­er linke Kri­tik noch ser­iöse Analyse, sondern
erin­nert eher an bürg­er­liche Hetze
und Demagogie. 

Es gibt ver­schiedene Gründe, den Angriff der USA, Großbri­tan­niens und ihrer
Ver­bün­de­ten auf den Irak zu unterstützen.
Ob es eigene wirtschaftliche Inter­essen sind oder der naive Glaube ist, der
irakischen Bevölkerung Demokratie und
Men­schen­rechte zu bescheren — bei­de JA nehmen die Aufwe­ichung des Völk­er­recht­es in
Kauf und set­zen auf Repression,
statt Emanzi­pa­tion. Oft wird darauf ver­wiesen, daß auch das NS-Regime militärisch
von außen befre­it wer­den mußte.

In den PNN von heute sprach ein britis­ch­er Mil­itär von der Notwendigkeit, die
Anhänger Hus­seins auszuradieren.
Auch diese Argu­mente und Vok­a­beln sind his­torisch frag­würdig. Und sie kön­nen nicht
darüber hin­wegtäuschen, daß
der Men­schen­recht­sim­pe­ri­al­is­mus, auch wenn er sich his­torisch mit Auschwitz zu
legit­imieren ver­sucht, eine
gesellschaftliche Umwälzung von unten nicht erset­zen kann. Gesellschaftlicher
Fortschritt muß erkämpft werden.
Es gibt keine Alter­na­tive zur Emanzi­pa­tion der Unter­drück­ten, nicht ein­mal unterhalb
der Schwelle von Revolutionen. 

Eine Posi­tion für kap­i­tal­is­tis­che Angriff­skriege unter­gräbt aber gerade
emanzi­pa­torische Bewegungen.
Deshalb kann die Befür­wor­tung des Irakkrieges eben­so wenig eine linke Posi­tion sein
wie die bloße Ablehnung des
Krieges im Irak. Eine antikap­i­tal­is­tis­che Linke muß sich vielmehr entschlossen gegen
jeden Angriff­skrieg einsetzen,
der let­ztlich immer der Sicherung des Zugangs der ersten Welt zu Rohstof­fen und
Märk­ten in aller Welt dient.

Genau deshalb sind wir heute hier. 

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«Farben der Erinnerung»

Oranien­burg (ddp-lbg). Eine Ausstel­lung des finnis­chen Kün­stlers Rax
Rin­nekan­gas ist seit Son­ntag in der KZ-Gedenkstätte Sachen­hausen zu sehen.
Unter dem Titel «Die Far­ben der Erin­nerung — Auschwitz 1940–2000» werden
groß­for­matige fotografis­chen Gemälde gezeigt. Es sind Momen­tauf­nah­men vom
ehe­ma­li­gen Konzen­tra­tionslager Auschwitz, die durch Dop­pel­be­lich­tung und
Far­ben ver­fremdet wur­den, wie ein Sprech­er der Stiftung Brandenburgische
Gedenkstät­ten in Oranien­burg sagte. 

Der 1954 geborene Rax Rin­nekan­gas ist Träger des finnis­chen Staatspreises
für Fotografie (1989) und für Lit­er­atur (1992). Einze­lausstel­lun­gen seiner
Arbeit­en waren in Finn­land, Island, Schwe­den, Rus­s­land, Deutschland,
Frankre­ich und Spanien zu sehen. Die Schau in Sach­sen­hausen ist bis 15.
Sep­tem­ber geöffnet.

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Schönbohm spricht sich für Härtefallregelung aus

POTSDAM. Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) hat sich erneut für eine
Härte­fall­regelung für Aus­län­der aus­ge­sprochen. Diese sei im Interesse
der
Betrof­fe­nen drin­gend erforder­lich. Dazu müssten jedoch inner­halb des
Bun­desrechts verbindliche Kri­te­rien für alle Län­der fest­gelegt werden.
Sie
soll­ten bei beson­ders gelagerten Einzelfällen eine rechtlich sichere
Grund­lage für den weit­eren Aufen­thalt eines Aus­län­ders beinhalten.
Dadurch
kön­nten Abschiebun­gen in schwieri­gen Fällen ver­mieden wer­den. Die
Ein­rich­tung ein­er Härte­fal­lkom­mis­sion in Bran­den­burg für Aus­län­der, die
von
Abschiebung bedro­ht sind, lehnt er aber weit­er­hin ab.

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Überlebensstrategien Linker in Brandenburg

Die arranca!-Redaktion bat uns, eine kleine Reflex­ion zum The­ma Über­lebensstrate­gien in Bran­den­burg zu ver­fassen und wir gin­gen davon aus, unkom­pliziert einen span­nen­den kleinen Text fer­tig stellen zu kön­nen. Als wir aber ver­sucht­en, eine Diskus­sion inner­halb unseres Net­zw­erkes zu diesem Text zu organ­isieren, sind wir bald an Gren­zen gestoßen. Kaum war eine Diskus­sion träger und müder geführt wor­den als diese — Über­lebensstrate­gien… Ja, über­leben wir denn über­haupt? Ist es über­haupt angemessen, von Über­leben zu sprechen? Das The­ma der Diskus­sion war zwar wun­der­bar offen, dadurch aber gle­ichzeit­ig unstruk­turi­ert, unfokussiert und wenig Ergeb­nis brin­gend. Neben den vie­len span­nen­den Diskus­sio­nen, die dabei am Rande geführt wur­den, ließ sich auf dieser Basis jedoch kein Text pro­duzieren. Schließlich und let­z­tendlich sind wir jedoch zu einem kleinen Inter­view­ergeb­nis gekom­men. Per Mail­ingliste organ­isiert und in klein­er Redak­tion­s­gruppe editiert. 

Wie sehen die gegebe­nen Umstände in Bran­den­burg aus? Wie ist die poli­tis­che Situation?

Suse: Bran­den­burg beste­ht zum größten Teil aus ländlichen Gegen­den, es gibt kaum größere Städte und selb­st die sind sehr prov­inziell. Darüber hin­aus gibt es — und das ist sich­er allen bekan­nt — ein großes Prob­lem mit ein­er von allen Bevölkerungss­chicht­en getra­ge­nen ras­sis­tis­chen Ein­stel­lung, die ganz selb­stver­ständlich von der Ungle­ich­heit im Sinne ein­er unter­schiedlichen Wer­tigkeit von Men­schen aus­ge­ht. Dazu kom­men noch ein unkri­tis­ches Ver­hält­nis zum Mil­i­taris­mus und ein Autoritäts­denken, das Werte wie Gehor­sam, Diszi­plin und Ord­nung in den Vorder­grund stellt. Neben diesen plumpen Bevölkerungs­beschrei­bun­gen lässt sich sicher­lich einiges zur poli­tis­chen Sit­u­a­tion sagen: Bei Betra­ch­tung der Parteien­land­schaft stellt sich Bran­den­burg als tra­di­tionell rot dar. Das heißt, es gibt eine SPD-Mehrheit und eine starke PDS. Die CDU hat es durch Schön­bohm endlich geschafft, in Bran­den­burg eine Rolle zu spie­len und treibt sich sei­ther auf Wahlplatz zwei umher. Das bedeutet erst mal nicht viel. Alle set­zen in ihrer poli­tis­chen Außen­wirkung auf das Lan­des­va­ter­im­age — kon­ser­v­a­tiv, boden­ständig und autoritär. Die PDS ist wenig pro­gres­siv, aber hat den­noch das Prob­lem, an vie­len Punk­ten ihre Basis (inhaltlich) zu ver­lieren, weil die lei­der noch weniger pro­gres­siv ist.

Auf dem außer­par­la­men­tarischem Gebi­et gibt es nicht allzu viel sicht­bare Bewe­gung. Den­noch lassen sich zumeist an allen Orten kleinere oder größere Grüp­pchen von AktivistIn­nen find­en, die sich engagieren, die Welt zu verän­dern. Jeden­falls so lange, bis sie dann wegge­hen aus Bran­den­burg. Aber nicht nur sie gehen weg — generell drängt sich an vie­len Orten dieses Lan­des der Ein­druck so genan­nter “brain drain”-Phänomene auf. Was übrig bleibt, sind haupt­säch­lich die, die bald wegge­hen wer­den oder die es nicht schaf­fen, wegzuge­hen. So sieht es ger­ade in vie­len Dör­fern und Kle­in­städten aus.

Dann ließe sich noch einiges zum Organ­i­sa­tions- und Ver­bre­itungs­grad von Neo­faschis­ten sagen, aber dazu gibt es genü­gend Pub­lika­tio­nen. Es gibt Nazis und das ist auch eigentlich allen bekan­nt. Viel wesentlich­er finde ich in Bran­den­burg jedoch den prob­lema­tis­chen Kon­text: die starke Unter­stützung von Nazis aus Teilen der Poli­tik (z.B. Innen­min­is­ter) und der Bevölkerung, die struk­turschwachen Gegen­den, denen weit­ere Struk­turab­bau­maß­nah­men bevorste­hen, die fehlende kri­tis­che Gegen­wehr. Im Ver­hält­nis zu diesem ganzen Wahnsinn sind wir lei­der nur eine Hand­voll hil­flos­er AktivistIn­nen, die zwar eine ganze Menge bee­in­flussen, aber diese Ver­hält­nisse erst mal nicht abschaf­fen können. 

Ist Bran­den­burg ein brauner Sumpf, aus dem alle Men­schen, die klar denken kön­nen, möglichst schnell abhauen soll­ten? Oder anders gefragt: Ist Pot­zlow wirk­lich überall?

Paul: Es ist schwierig, den Begriff Sumpf zu definieren. Grund­sät­zlich würde ich sagen, dass es auf jeden Fall einen recht­en Main­stream sowie einen recht­en Kon­sens in der Gesellschaft gibt. Das übliche halt, wovon wir schon Jahre lang reden. Ich denke, dass die öffentliche Debat­te über Recht­sradikalis­mus im Jahr 2000 schon ein Stück weit dafür gesorgt hat, dass uns heute ein Ohr geschenkt wird. Somit wird es ein­fach­er, einen linken Anspruch zu for­mulieren und ein Stück weit für das The­ma zu sen­si­bil­isieren. Diesen Zus­tand zu nutzen bedarf allerd­ings Kräfte vor Ort, die diese Debat­ten führen wollen und kön­nen. Wo diese Kräfte nicht vorhan­den sind, gibt es auch schnell ein Potzlow. 

S: Genau! Kurz gesagt: Pot­zlow ist noch nicht über­all und wird auch nie über­all sein. Jeden­falls nicht, so lange es uns noch gibt. Über­af­fir­ma­tion mag ja ein sin­nvolles poli­tis­ches Mit­tel sein, aber es macht sich­er keinen Sinn, Links­sein als ständi­ges Bekla­gen und Jam­mern zu begreifen. Mit Parolen, die behaupten, Pot­zlow wäre über­all, vergeben wir uns nicht nur unsere Stärke, poli­tis­che Kon­flik­te genau zu beschreiben und darin polar­isierend zu wirken, son­dern wir machen uns auch noch unglaub­würdig, weil wir seit zehn Jahren das gle­iche sagen — das ken­nt erstens inzwis­chen jede und jed­er und zweit­ens ist es auch sehr unwahrschein­lich, dass sich zehn Jahre lang nichts ändert. Drit­tens ist es dann bei abse­hbar­er Ver­schlechterung der Sit­u­a­tion auch ein­fach dumm, das Leid zu beschreien, weil mehr als ein Gewöh­nungsef­fekt dadurch nicht passieren wird. 

Franziska: Es lassen sich immer noch Regio­nen find­en, an denen Zustände wie in Pot­zlow glück­licher­weise noch nicht anzutr­e­f­fen sind und das hängt mit den seit Jahren beste­hen­den linken selb­st bes­timmten Jugend­pro­jek­ten zusam­men, die auf die lokale Kul­tur und das Kli­ma in ein­er Stadt Ein­fluss ausüben. 

S: Auch durch den zunehmenden Ein­bruch in der Förder­poli­tik und einem Rück­zug des Staates aus sämtlichen zu fördern­den Bere­ichen wie Jugend- und Sozialar­beit wird es Gegen­den wie Pot­zlow immer häu­figer geben. Nicht dass die Jugen­dar­beit daran schuld wäre, aber sie ist ja nun mal dafür geschaf­fen, zu befrieden und zu inte­gri­eren. Und in absur­der Weise befind­en wir uns in Bran­den­burg als Linke in der Sit­u­a­tion, die Abschaf­fung solch­er Befriedungs­maß­nah­men zu bekla­gen. Denn das Poten­zial, das damit freige­set­zt wird, ist alles andere als im Sinne ein­er emanzip­ierten und linken revoltieren­den Jugend: es ist das tief ras­sis­tis­che, anti­semi­tis­che dorffest­mor­dende Poten­zial, das sämtliche erkämpften emanzi­pa­torischen Freiräume ein­fach nur hoff­nungs­los angreift und zer­stört. Was sollen wir tun? Sozialar­beit machen, um Freiräume zu erhal­ten? Staatliche Jugen­dar­beit ein­fordern und Gelder dafür? Oder dann doch lieber in Großstädte ziehen? 

F: Ich denke, es geht nicht um ein Ein­fordern staatlich­er Jugen­dar­beit, weil die her­zlich wenig gegen den dorffest­mor­den­den Mob getan hat. Befriedung bringt uns nicht weit­er! Befriedung, wenn sie fehlschlägt, bringt doch noch größeren Schaden und wird außer­dem immer wieder als Feigen­blatt benutzt, anstatt den faschis­tis­chen und ras­sis­tis­chen Kon­sens tat­säch­lich zu the­ma­tisieren und dage­gen vorzuge­hen. Bess­er doch die Zustände zus­pitzen, oder? 

Und was wir machen soll­ten? Jaaaa — warum uns so klein machen. In eini­gen Regio­nen haben und hat­ten wir Erfolg! Da sind Zustände wie in Pot­zlow weit weg und immer noch undenkbar. Ich finde, anstatt staatliche Befriedungspoli­tik / Jugendpolitik/ ‑arbeit einzu­fordern, soll­ten wir für unsere Arbeit immer wieder einstehen. 

Gibt es Prax­en oder Ansätze, die spez­i­fisch in Bran­den­burg entwick­elt wur­den, um unter den gegebe­nen Umstän­den linke Poli­tik zu machen?

P: Hast Du Ak
tion Notein­gang und Aktion Analyse schon vergessen? Weit­er­hin gibt es da, glaube ich, nicht viel, was bran­den­burgspez­i­fisch wäre. Nötig ist allerd­ings zu sagen, dass in Bran­den­burg häu­fig auch mit z.B. kom­mu­naler Ver­wal­tung ver­han­delt wer­den muss. Hier kann sich kein­er auf ein Hun­derte von Leuten starkes Mobil­isierungspoten­zial ver­lassen, das sol­i­darisch auf die Straße demon­stri­eren geht, wenn die Kacke am Dampfen (Pro­jek­te in Gefahr o.Ä.) ist. Von daher läuft Kon­fronta­tion mit den Oberen hier immer etwas anders ab — glaube ich. 

F: Es gibt sich­er Prax­en, die an Bran­den­burg und die gegebe­nen Sit­u­a­tio­nen angepasst waren und sind. Die Ansätze oder Ideen, wie im Fall Notein­gang, haben einen anderen Ursprung, aber wir haben das Konzept weit­er­en­twick­elt. Die Aktion hat unsere Prax­is verän­dert, wir sind in die Offen­sive gegan­gen und haben uns nicht mehr nur noch an den Nazis abgear­beit­et. Und es ist eine Ver­net­zung der Pro­jek­te über die Kam­pagne ent­standen. Da wir in Bran­den­burg poli­tisch agieren, obwohl nicht mehr alle dort wohnen, haben wir unsere Prax­is und Ansätze natür­lich aus der Analyse her­aus an die Sit­u­a­tion angepasst. 

S: Ich glaube, wir haben uns zu ein­er sehr offe­nen Linken entwick­elt. Ich finde uns sehr undogmatisch. 

F: Ja, stimmt. Ist das dann das spez­i­fis­che? Eine undog­ma­tis­che Linke, die ger­ade für neue Leute die Möglichkeit bietet, mit­machen zu kön­nen bzw. ander­sherum, die immer wieder diese Möglichkeit­en schafft, z.B. durch Aktion Notein­gang und Aktion Analyse. 

Gibt es in Bran­den­burg eine rel­a­tiv gute Ver­net­zung link­er Pro­jek­te, weil die Leute auf Grund dessen, dass alle so wenige sind, zusam­men­ste­hen müssen gegen Bürg­er, Mob und Nazi?

F: Ich glaube, die Ver­net­zung ergibt sich zu einem großen Teil aus per­sön­lichen Kon­tak­ten, aus denen her­aus dann gemein­same poli­tis­che Pro­jek­te entstehen. 

S: Ich glaube, die Sit­u­a­tion ist ander­sherum: Es ist eher erstaunlich, dass wir trotz des Umstandes, dass wir in ein­er ver­meintlichen Defen­sive sind, so sehr zusam­men­hal­ten und zusam­me­nar­beit­en, gemein­same Strate­gien entwick­eln und uns aufeinan­der beziehen. Wir lassen uns halt nicht ein­schüchtern und auf das “wir müssen hier erst mal jed­er für sich was auf­bauen” zurückwerfen. 

F: Also nicht ander­sherum, son­dern genau deswe­gen? Weil wir wenige sind und gegen den braunen Mob zusam­men­hal­ten müssen? Eine Möglichkeit wäre ja auch, dass wir aus der Defen­sive her­aus immer mal wieder in die Offen­sive gehen, d.h. nicht immer nur reagieren. 

Was ist unser Erfol­gsrezept? Warum sind wir nicht klein zu kriegen?

F: Aus ein­er Stärke her­aus, die wir durch eine Ver­net­zung, Teilung der Kom­pe­ten­zen und durch die Möglichkeit, in vie­len ver­schiede­nen Bere­ichen zu agieren, gewinnen. 

P: Wir sind nicht klein zu kriegen, weil wir ganz klas­sisch sozial­isiert, daher wis­sen wir, dass es notwendig ist, etwas zu tun. Es gibt keine linke Szene die so groß wäre, dass jede/r jed­erzeit aussteigen/ sich ums Studi­um kümmern/ Urlaub machen kann. Die Leute hier sind nicht erset­zbar wie in größeren Städten. Alle wer­den gebraucht und auf­grund der lokalen Sit­u­a­tion auch immer wieder in die Pflicht genom­men etwas zu unternehmen. Nicht zulet­zt weil auch die Aktivis­ten immer wieder von den Prob­le­men betrof­fen sind, die sie bekämpfen. Daraus resul­tiert diese Progressivität.

Was brachte in der Ver­gan­gen­heit linke Pro­jek­te in Bran­den­burg zum Scheitern?

P: Cafe Ole scheit­ert grade am Kon­sumver­hal­ten der Gäste, welch­es daraus resul­tiert, dass es den Leuten zu gut geht, aus ihrer Sicht. Ich denke aber dass so was über­all passiert wenn Leute keinen poli­tis­chen Anspruch (mehr) haben. Dann ster­ben auch linke Pro­jek­te, es sind halt keine mehr, wenn sie nur noch als bil­lige Kneipe mit dem Ober­be­griff Jugend­club funktionieren. 

S: Die Schwierigkeit, mit hohen Ansprüchen an uns selb­st und unsere Mit­stre­it­er eine poli­tis­che Hand­lungs- und Entwick­lungs­fähigkeit zu bewahren. Das Bedürf­nis nach Gemein­samkeit und die daraus resul­tierende Unfähigkeit zum Dis­sens. Dadurch dann irgend­wann kommt der Still­stand. Und dann das Scheitern. 

Der Beitrag stammt aus der aktuellen Aus­gabe der linken Zeitschrift Arran­ca: arranca.nadir.org

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Schönbohm fordert Bundesgesetz für Härtefallregelung

Pots­dam (ddp-lbg). Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) spricht
sich für eine bun­desweite Härte­fall­regelung im Aus­län­der­recht aus. Es
soll­ten «verbindliche Kri­te­rien» fest­gelegt wer­den, die «in besonders
gelagerten Einzelfällen eine rechtlich sichere Grund­lage für den weiteren
Aufen­thalt des Aus­län­ders im Bun­des­ge­bi­et bilden», sagte der CDU-Politiker
auf eine par­la­men­tarische Anfrage.

Doch könne der Gle­ich­be­hand­lungs­grund­satz wie er für alle Men­schen gelte
durch eine solche Regelung nicht außer Kraft geset­zt wer­den, betonte der
Min­is­ter. Auch bei der Anwen­dung ein­er Härte­fall­regelung seien Polizei und
Behör­den an Recht und Gesetz gebun­den. Schön­bohm kündigte eine
«län­derüber­greifende Abstim­mung» an.

In Bran­den­burg hat­te erst jüngst das Ein­drin­gen vom Polizis­ten in das
Pfar­rhaus der Gemeinde Schwante (Ober­hav­el) für Schlagzeilen gesorgt. Die
Beamten woll­ten einen Viet­name­sen ver­haften, der dort Kirchenasyl gefunden
hat­te. Nach Protesten der Kirche sicherte Min­is­ter­präsi­dent Matthias
Platzeck (SPD) zu, dass kün­ftig das Kirchenasyl respek­tiert werde. Gemeinsam
mit Lan­des­bischof Wolf­gang Huber und Innen­min­is­ter Schön­bohm kündigte er die
Bil­dung ein­er Härte­fal­lkom­mis­sion an. Schön­bohm äußerte später, er
befür­worte keine Härte­fal­lkom­mis­sion, er sei vielmehr für eine
bun­des­ge­set­zliche Härtefallregelung.

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Manchmal laufen Passanten ein paar Kilometer mit

(Berlin­er Zeitung, Jens Blanken­nagel) FRANKFURT (ODER). Die jüng­ste “Mut­ter” ist ein Mann — ein ganz junger.
Johannes Gan­erke ist 14 Jahre alt und über­ragt die kleine Gruppe, die am
Fre­itag kurz hin­ter Frank­furt (Oder) am Straßen­rand aus dem Nebel auftaucht,
fast um Haupteshöhe. Vorn tra­gen zwei ältere Frauen ein blaues Tuch mit
Picas­sos weißer Taube und dem Spruch “Müt­ter gegen den Krieg”. Trotz der
mor­gendlichen Kälte hat sich der Gym­nasi­ast der Friedensstafette der Frauen
angeschlossen. “Es ist mir egal, dass ich heute der einzige Mann bin,
gestern waren ja auch Väter dabei.” Es gehe ums Prinzip, es gehe um den
Frieden. “Ich will ein­fach zeigen, dass der Krieg mir nicht egal ist”, sagt
er. 

Die Leute brauchen einen Anstoß

Am Vortag waren 50 Leute in Eisen­hüt­ten­stadt los­ge­laufen. Bis zum ersten
Etap­pen­ziel in Frank­furt blieben 20 dabei. “Junge, Alte, Chris­ten, Rote und
Grüne, Män­ner und Frauen”, sagt die Ini­tia­torin Brigitte Grimm. Mit dem 120
Kilo­me­ter lan­gen viertägi­gen Fuß­marsch nach Berlin wollen die
Frieden­sak­tivis­ten ein Zeichen set­zen und Unter­schriften sam­meln, die sie am
Son­ntag bei ein­er Protestkundge­bung vor der US-Botschaft in Berlin übergeben
wer­den. “Mit 114 Unter­schriften sind wir los­ge­zo­gen, in Frank­furt hat­ten wir
bere­its 427″, sagt Brigitte Grimm. Die Lehrerin rief zu dem Marsch auf, weil
ihr die am ersten Kriegstag begonnene Mah­nwache vor dem The­ater ihrer
Heimat­stadt zu wenig war. Tage nach­dem sie die Idee hat­te, fiel ihr ein,
dass sie den Weg schon ein­mal gegan­gen ist, in umgekehrter Rich­tung. 1945,
als Vier­jährige mit ihrer Mut­ter und den Geschwis­tern, nach­dem sie die
Bomben­nächte in Berlin über­lebt hatten. 

“Wir haben nicht die Illu­sion, dass wegen uns der Krieg been­det wird”, sagt
Brigitte Grimm. Aber sie erzie­len Aufmerk­samkeit. “Jed­er Aut­o­fahrer, der uns
sieht, denkt sich: Die machen was. Warum tue ich so wenig? Bin ich zu
gle­ichgültig oder zu bequem?”, sagt sie. 

Die Res­o­nanz sei durch­weg pos­i­tiv. Nur ein einziger Aut­o­fahrer habe den Kopf
geschüt­telt. Die anderen hupen und winken. Pas­san­ten ste­hen an den Straßen,
klatschen oder schließen sich für ein paar Kilo­me­ter an. “Am Don­ner­stag war
es sehr warm, eine Frau gab uns zehn Euro und sagte: ‚Kauft euch Eis “,
erzählt Friedrun Köhn. Sie ist eine der drei Frauen, die bis Berlin
durch­laufen wollen. Alle Sta­tio­nen: am Fre­itag bis Fürsten­walde, am
Sonnabend bis Erkn­er, am Son­ntag bis Berlin. 

Ständig klin­gelt ein Handy. Die Friedens­marschier­er wer­den gefragt, wo sie
sind, wann ihnen Unter­schriften­lis­ten übergeben wer­den kön­nen, wann man sie
zum Essen ein­laden könne. “Wir wollen am Son­ntag um 12 Uhr an der
Friedens­glocke in Berlin-Friedrichshain sein”, sagt die
PDS-Kreistagsab­ge­ord­nete Hel­ga Böh­nisch. Auch aus anderen Teilen
Bran­den­burgs wollen dann Frauen dazukommen. 

Friedrun Köhn hat ein ein­fach­es Motiv für ihre Teil­nahme. “Krieg löst keine
Prob­leme”, sagt sie. Ihre Eltern gaben ihr ihren Vor­na­men als
Friedenssym­bol. “Ich wurde 1945, drei Wochen vor der Bom­bardierung in
Dres­den geboren”, sagt sie. Ihre Fam­i­lie habe damals alles ver­loren. “Als
sie aus dem Luftschutzkeller kamen, hat­ten sie nur ihr Leben, einen Koffer,
einen Kinder­wa­gen und ein Baby.” Immer, wenn ihr Vater von den Angriffen
erzählte, habe er gezit­tert. “So etwas schafft eine Grund­hal­tung”, sagt sie. 

“Der Friedenswille ist bei den Men­schen da”, sagt Brigitte Grimm. “Aber die
Leute brauchen einen Anstoß. Jemand muss sie fra­gen: Machst du mit?”
Vielle­icht rege ihr Marsch ja zu ein­er Friedensstafette von Rügen bis zum
südlich­sten Zipfel Deutsch­lands an. 

Hupen, Winken und zehn Euro für die “Müt­ter gegen den Krieg”

Am Son­ntag wollen die Teil­nehmerin­nen der Eisenhüttenstädter
Friedensstafette in Berlin sein

(Tagesspiegel) Frank­furt (Oder). Das Radio hat­te für den Fre­itag Sonne ver­sprochen, und nun
ste­hen Brigitte Grimm und ein Dutzend andere Frauen auf dem leeren
Frank­furter Rathaus­platz im kalten Nebel. Gestern auf der ersten Etappe
ihrer “Friedensstafette Eisen­hüt­ten­stadt-Berlin” haben sie noch geschwitzt.
Jet­zt wär­men sie sich an dem Gedanken, heute wieder die Land­straßen entlang
zu laufen statt zu Hause taten­los die Kriegsnachricht­en zu ver­fol­gen. Heute
Abend wollen sie im gut 30 Kilo­me­ter ent­fer­n­ten Fürsten­walde ankom­men. Und
Son­ntag an der US-Botschaft in Berlin. 

“Müt­ter gegen den Krieg” nen­nt sich die Ini­tia­tive, die es auch in anderen
Städten gibt und die bei diesem Krieg damit begann, dass Brigitte Grimm,
Lehrerin im Ruh­e­s­tand, ihre ein­stige Kol­le­gin Friedrun Köhn anrief und zum
Marsch nach Berlin überre­dete. Das war am Mon­tag. Am Don­ner­stag sind sie in
Eisen­hüt­ten­stadt ges­tartet, haben sich abends nach Hause fahren lassen und
heute früh wieder nach Frankfurt. 

Zwei etwa 15-jährige Schüler kom­men über den Rathaus­platz ger­adelt. Sie
wollen ein Stück mitkom­men. Brigitte Grimm, gestählt durch 35 Jahre
Beruf­ser­fahrung, lässt sich die Erlaub­nis der Eltern aushändi­gen und belehrt
die Gruppe über das Ver­hal­ten unter­wegs: möglichst Fuß- und Radwege
benutzen, anson­sten unbe­d­ingt links hin­tere­inan­der laufen. So hat es die
Polizei ange­ord­net, der diese Demon­stra­tion allerd­ings kein Begleitfahrzeug
wert ist. 

Einige der Frauen gehen zu ihren Autos, von denen aus sie Verpflegung,
Unter­schriften­samm­lung und den Trans­port ermüde­ter Teilnehmerinnen
organ­isieren. Die anderen marschieren mit geschul­tert­er Papp-Friedenstaube
los. Die Pas­san­ten schauen über­rascht; manche bleiben ste­hen, einzelne
grüßen. “Jut, wat ihr hier macht!”, ruft ein Mann. Mit jedem Meter Richtung
Stad­trand wird die Straße leer­er. Ein aus dem Fen­ster eines Plattenbaus
lehnen­der Jung­na­tionaler höh­nt Unver­ständlich­es, Aut­o­fahrer reck­en die
Hälse, lächeln, fahren weit­er. Friedrun Köhn sagt: “Mein Vor­name passt gut
zu dieser Aktion”. Die zweite Ex-Lehrerin ist gut trainiert und geht
vorneweg. “Die Reak­tion der Leute gestern war wirk­lich schön. Ganz oft haben
Aut­o­fahrer gehupt und uns gewunken. Und als wir in Frank­furt anka­men, haben
die Stadtverord­neten ihre Sitzung unter­brochen, um uns zu begrüßen.” Eine
Frau berichtet von ein­er alten Dame, die spon­tan zehn Euro zück­te: “Kauft
euch ein Eis!” 

Die Bebau­ung ent­lang der Straße geht von ver­fal­l­enen Alt­baut­en in
Indus­triebrachen über, später kom­men die Auto­händler und Baumärk­te. Dann
hört der Fußweg auf, die Straße heißt jet­zt “Berlin­er Chaussee” — oder “B 5”
für die Aut­o­fahrer. An manchen Bäu­men hän­gen Holzkreuze, die Äck­er links und
rechts der Allee ver­lieren sich im Nebel. Aber den Frauen ist warm geworden
auf den ersten fünf Kilo­me­tern, auch wenn sie ein wenig ent­täuscht sind. Die
meis­ten Aut­o­fahrer brem­sen nur erschrock­en oder sind längst vorbeigerauscht,
bevor sie das Trans­par­ent lesen kon­nten. Die acht verbliebe­nen Frauen halten
sich mit Geschicht­en aus dem Film “Good bye Lenin!” bei Laune, während
Brigitte Grimm den weit­eren Ver­lauf des Marsches erläutert: Ankun­ft in
Fürsten­walde, Mah­nwache, zurück im Auto. Am Sonnabend zu Fuß nach Erkner,
wobei ein früher Start die Chance auf ein Mit­tagessen bei einem karitativen
Vere­in in Hangels­berg böte. Die Ein­ladung haben sie ger­ade bekommen. 

Noch sechs Stun­den bis Fürsten­walde, knapp drei Tage bis Berlin.

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Kyritz erklärt sich zur “Stadt des Friedens”

(M. Lukasche­witsch) Kyritz — In Pots­dam gehen tausende von Schülern gegen den Irak-Krieg auf die
Straße, in Eisen­hüt­ten­stadt haben sich Müt­ter auf den Weg zur US-Botschaft
nach Berlin gemacht, und selb­st im Städtchen Anger­münde protestierten
gestern rund 500 Jugendliche — doch die Wiege der Brandenburger
Friedens­be­we­gung liegt im äußer­sten Nord­west­en des Lan­des, in Kyritz. Einer
9000-Ein­wohn­er-Stadt an der Lan­des­gren­ze zu Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Kyritz
nen­nt sich jet­zt “Stadt des Friedens”, die erste in Brandenburg. 

Die Stadtverord­neten haben sich ein­stim­mig hin­ter eine entsprechende
Frieden­sres­o­lu­tion gestellt, die bere­its in 100 amerikanis­chen Städten von
den dor­ti­gen Stadtvätern ver­ab­schiedet wor­den ist. “City for Peace” — Kyritz
ste­ht nun in ein­er Rei­he mit Rom, Lon­don, Brüs­sel und Wien. “Wir wollen in
dem Net­zw­erk der inter­na­tionalen Friedens­be­we­gung dabei sein”, sagte Thomas
Settgast, Vor­sitzen­der der Kyritzer Stadtverord­neten­ver­samm­lung und
SPD-Fraktionsmitglied. 

Der Wun­sch nach Frieden in der Krisen­re­gion am Golf eint die Men­schen der
Stadt, wie wohl seit der Wende im Jahr 1989 nicht mehr. “So viel Menschen
sind seit­dem nicht mehr auf der Straße gewe­sen.” Bis zu 500 ver­sam­meln sich
seit Anfang Dezem­ber jeden Mon­tag auf dem Mark­t­platz. “Sie organ­isieren sich
selb­st”, staunt Jür­gen Frey­er, der für die CDU-Frak­tion im Kyritzer
Stadt­par­la­ment sitzt. “Wir sind da spon­tan hinge­gan­gen”, sagt Rentner
Hans-Joachim Holzapfel. Ans Revers eine weiße Friedenss­chleife geheftet,
macht er sich jeden Mon­tag auf den Weg. Was ihn beson­ders freut: keine
plat­ten Parolen, kein laut­starkes Scharf­machen: “Der Protest ver­läuft ganz
still und andächtig”, hat auch Settgast beobachtet. Er gehe quer durch die
Bevölkerung, Jung ste­ht neben Alt, Müt­ter und Väter mit Kindern. Sie
ver­sam­meln sich im Schat­ten der Kirche St. Marien. Im gesamten Landkreis
läuten dann die Glock­en für eine Vier­tel­stunde. Sie alle lehnen Gewalt als
Mit­tel zur Kon­flik­tlö­sung ab. “So ein­fach ist das und schein­bar doch so
schw­er für manche Staat­slenker”, sagt Rent­ner Holzapfel, der noch den
Bomben­hagel auf Dres­den im Zweit­en Weltkrieg als 11-Jähriger mitbekommen
hat. Und noch etwas Beson­deres: In Kyritz gibt es keine schrille
Antikriegspro­pa­gan­da, gewalt­bere­ite Frieden­sak­tivis­ten. “Eine Friedensdemo
mit Knüp­pel in der Hand ist wohl fehl am Platze”, sagt Settgast.

Inforiot