Im folgenen eine Bilderserie von der erfolgrechen Reclaim the Streets / Pink&Silver Aktion in Neuruppin am 31. August. Was los war, lässt sich im inforiot-Bericht Die Stadt gehört uns! nachlesen. Noch mehr Fotos — größere und teils auch bessere — von der Aktion findest Du auf den Seiten vom Mittendrin.
Monat: September 2002
Ergänzung vom 10.9.
(Inforiot) Der folgende Text wurde ursprünglich nur in Teilen veröffentlicht — auf diese unvollständige Version beziehen sich auch der Großteil der Diskussionsbeiträge. Hier nun die komplette Fassung. Die ergänzten Absätze sind zur besseren Kenntlichkeit kursiv markiert. Wir bitten um Entschuldigung.
Die “Gruppe Raus Aus Berlin” will Brandenburger Gruppen unterstützen
Um die klaren Fronten haben die Metropolenlinken die Povinzlinken wohl seit je her beneidet. Schleppen sich Berliner von einer Sexismusdiskussion zum nächsten Antisemitismusstreit, geht es in Brandennburg meist noch darum, gegen den braunen Sumpf anzukämpfen. So wichtig wie die inhaltliche Arbeit auch ist, so nervenzerrend scheint sie oft. Und manchmal hat mensch darauf einfach keine Lust mehr. Die “Gruppe Raus aus Berlin” [GRAB] macht aus der Not eine Tugend. [GRAB] will linken Projekten in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeiten eröffnen, die sich auf dem flachen Land normalerweise nicht bieten. Solipartys in Berliner Clubs für kleine Antifagruppen, Plakate preisgünstig drucken und mit guten Grafikern auch gleich noch für die schicke Gestaltung sorgen.
“Wir wollen die Berliner Ressourcen zur Verfügung stellen”, sagt Chaze von der GRAB. Sich auf das Umland zu konzentrieren, liege teilweise tatsächlich daran, dass die GRAB-Leute der zahlreichen Diskussionen überdrüssig sind. “Ich will etwas machen, bei dem ich am Ende auch sehe,
was rauskommt.” Zudem kommen die Leute von der GRAB selbst nicht aus den Berliner Szenebezirken, sind in Hellersdorf oder Marzahn aufgewachsen. Andere zogen aus Meck-Pomm oder Bayern zu. „Wir versuchen, in Berlin die Solidarität von anderen Gruppen einzufordern“, so chaze. Der Traum vom
großen Miteinander also. Aufzupassen gilt es dabei aber, dass Metropolenleute „keinen Führungsanspruch entwickeln“. Dass so etwas schnell passieren kann, hätten frühere Vernetzungen gezeigt. Infrastruktur in Brandenburg und Meck-Pomm könne von Berlin aus nicht aufgebaut werden, die GRAB könne nur da unterstützen, wo außerparlamentarische linke Ansätze bereits vorhanden sind. „Insoweit sind wir auch eine Art Dienstleistungsunternehmen.“
Erste Kontakte ins Umland gibt es bereits. Für die Antifa Erkner wurde
eine Soliparty veranstaltet. Am 7. September gab es eine
Infoveranstaltung mit den Internet-Projekten Inforiot (Brandenburg) und
Links-Langs (Mecklenburg-Vorpommern) im La Casa in Berlin-Hellersdorf.
Wenn Ihr also Lust habt, dass Euch die [GRAB] mit einer Soliparty von Geldnöten befreit oder ihr Unterstützung beim designen von Flyern oder etwas ganz anderem braucht: Meldet Euch einfach unter der E‑Mail-Adresse grab@berlin.com.
(Pressemitteilung) Das „Stadtfest“ in Rathenow, dieses mal vom Freitag, dem 06.September, bis Sonntag, dem 08.September, ist das größte Fest des Jahres im Westhavelland und gleichzeitig auch ein Anziehungspunkt für Rechtsextremisten aus der Stadt und der Umgebung.
Seit 1995 kam es ja hier zu Übergriffen auf Flüchtlinge, Linksorientierte und Normalbürger, wobei wohl die Jahre 1998 und 1999, als selbst die Randzonen des Festes nicht mehr sicher waren, den Höhepunkt bildeten.
Die Szenerien des Festes glichen in den vergangenen Jahren immer wieder „national befreiten Zonen“.
Doch dies sollte sich in diesem Jahr nicht wiederholen. Deshalb zeigten linksorientierte Jugendliche am Freitag und Samstag verstärkt Präsenz auf dem Fest.
Für die Rechtsextremisten, die nach wie vor der Veranstaltung beiwohnten, war dies ein ungewöhnlicher Anblick. Und so war die Stimmung am Freitag auch am aggressivsten.
Gegen 22.30 Uhr begaben sich immer mehr Rechtsextremisten auf die Promenade in der Goethestraße, wo sich die meisten Linksorientierten den ganzen Abend über aufhielten.
Und so kam es recht schnell zu einzelnen Attacken von Rechts, wobei jedoch niemand erheblich verletzt wurde. Schließlich kamen aber noch ungefähr 15 Rechtsextremisten, vorwiegend aus Premnitz und Döberitz, hinzu, um weiteren Ärger zu provozieren. Nachdem zunächst eine Linksorientierte verbal und durch Fäuste bedroht wurde, verlor ein namentlich bekannter Nazi nun völlig die Beherrschung und provozierte ein kurzes Handgemenge, beim dem, aus der Gruppe der Premnitz/Döberitzer, zwei weitere Linksorientierte angegriffen wurden.
Jetzt sprach die Polizei auch Platzverweise, vorwiegend gegen die Linksorientierten, aus. Mindestens sieben Personen, die diesem Platzverweis nicht nachkamen wurden unter dem Beifall der Nazis polizeilich abgeführt.
Von einem Balkon in der unmittelbaren Nähe, wurde das Geschehen mit einer Videokamera mitverfolgt. Auch Täter, der angesprochenen Angriffe sind darauf zu erkennen. Zu dem gibt es auch zahlreiche kompetente Zeugen.
Trotz alle dem, begaben sich am Samstag, wiederum eine große Anzahl von Linksorientierten zur Promenade in die Goethestraße und somit wieder unmittelbar ins Fest.
Dieses mal vermieden die 27 namentlich und weiteren ungefähr 30 nicht namentlich bekannten RechtsextremistInnen aber größtenteils die direkte Konfrontation und verteilten sich in größeren Abständen um die Linksorientierten.
Nur ein einziger Übergriff wurde an dem Abend bekannt. Ein 19-jähriger Nazi aus Potsdam-Mittelmark schlug mit der Faust gegen 01.10 Uhr auf einen 16-Jährigen ein.
Der Rechtsextremist wurde sofort durch die Polizei in Gewahrsam genommen und zur Wache gebracht. Eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen den namentlich bekannten Täter wurde gestellt.
Weitere Übergriffe wurden nicht bekannt, so dass, außer dem voran geschilderten Fall, an diesem Tag durchaus von einem Erfolg gesprochen werden kann. Erstmals war es gelungen ohne größere Übergriffe und Platzverweise auf dem Stadtfest zu bleiben und somit den Nazis zu zeigen, dass sie hier nicht alleine sind.
Hinweis:
Opfer der freitäglichen Übergriffe in der Goethestraße wenden sich wegen Zeugenaussagen und Einsicht ins Videomaterial an afowhl@gmx.de.
In der V‑Mann-Affäre gibt es ein erstes Urteil: Das Amtsgericht hat gestern den Neonazi Lars B. (33) zu 22 Monaten auf Bewährung verurteilt.
Der Szene-Anführer hatte, wie berichtet, zusammen mit zwei V‑Leuten des Verfassungsschutzes die CD „Noten des Hasses” vertrieben, auf der zum Mord an Michel Friedman und weiteren Prominenten aufgerufen wird. Einen der beiden V‑Männer, Toni S., hatte die Polizei im Juli festgenommen. Gegen ihn will die Staatsanwaltschaft in Kürze Anklage erheben.
V‑Mann-Affäre: Berlin lenkt ein
POTSDAM. Berlin und Brandenburg haben wegen der V‑Mann-Panne weitere Konsequenzen gezogen: Der Informationsaustausch zwischen beiden Ländern soll in Sicherheitsfragen enger werden. Entsprechende Vorschläge sollen in Kürze erarbeitet werden, hieß es am Freitag nach einem Treffen von Jusitzministerin Barbara Richstein und Innenminister Jörg Schönbohm (beide CDU) mit ihren Berliner Amtskollegen Karin Schubert und Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD) in Potsdam.
In einem Punkt konnten sich die Brandenburger durchsetzen: Sie erhalten in der V‑Mann-Affäre Einsicht in die Ermittlungsakten, die bisher von der Berliner Staatsanwaltschaft unter Verschluss gehalten wurden. Denn die vier Minister einigten sich am Freitag darauf, dass das Ermittlungsverfahren gegen den verbeamteten V‑Mann-Führer des Potsdamer Verfassungsschutzes nun von Berlin an die Staatsanwaltschaft in Brandenburg abgegeben wird. Dadurch sei das entstandene Informationsdefizit ausgeräumt, hieß es.
Ende Juli war der V‑Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes bei einer Razzia des Berliner Landeskriminalamtes festgenommen worden. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Propagandadelikten. Das Vorgehen des Berliner LKA war nicht mit Brandenburg abgestimmt. Deshalb kam es zum Streit zwischen beiden Ländern.
Reue oder Rache
LUCKENWALDE. Aus dem Gefängnis heraus hat der wegen versuchten Mordes verurteilte Neonazi Jan Weicht sechs einstige Kumpane aus der Trebbiner rechten Szene schwer belastet — sie stehen jetzt in Luckenwalde (Teltow-Fläming) vor Gericht. Die Männer sollen laut Weicht aktiv an zwei Überfällen auf eine Gruppe italienischer Bauarbeiter im September 1996 beteiligt gewesen sein und einen der Männer, den Italiener Giovanni Andreozzi, schwer verletzt haben. Am Mittwoch soll das Urteil fallen.
Bisher waren nur der 29-jährige Weicht und ein weiteres Mitglied der rechten Szene für die fremdenfeindlichen Übergriffe am 29. September 1996 in Trebbin belangt worden. Vor fünf Jahren wurde Weicht vom Landgericht Potsdam wegen versuchten Mordes zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er hatte bei den Angriffen Andreozzis Kollege Orazio Giamblanco fast umgebracht. Mit einer Baseballkeule schlug er dem damals 55-jährigen Sizilianer mehrmals auf den Kopf und zertrümmerte ihm dabei die Schädeldecke. Seit dem Überfall sitzt Orazio Giamblanco im Rollstuhl. Weichts Komplize bei dem versuchten Mord wurde zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Bei der anschließenden Treibjagd auf weitere italienische Bauarbeiter erlitt Giovanni Andreozzi einen offenen Nasenbeinbruch, eine Rippenfraktur und eine Verletzung an der Lunge. Er musste wochenlang im Krankenhaus behandelt werden.
Im vergangenen Jahr hatte sich Weicht der Potsdamer Staatsanwaltschaft anvertraut und die sechs Männer im Alter von 23 bis 29 Jahren schwer belastet. Vor dem Amtsgericht in Luckenwalde hatte er bei Prozessbeginn in der vorigen Woche angegeben, er habe in den vergangenen Jahren im Gefängnis sehr viel Zeit zum Überlegen gehabt und sich gefragt, für wen er eigentlich die Schuld abtrage. “Weicht hat sich von seiner rechten Gesinnung losgesagt”, sagte Staatsanwalt Peter Petersen, der die Anklage gegen die sechs ehemaligen Weicht-Freunde vertritt. Es gebe keinen Grund, dem einstigen Neonazi nicht zu glauben. Er mache sich mit seiner späten Aussage keine Freunde im Gefängnis. Im Gegenteil, er müsse mit Vergeltung rechnen.
Weicht habe sich schon 1997 in einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Brief enttäuscht über die fehlende Hilfe aus der rechten Szene für sich und seine Mutter nach seiner Verurteilung gezeigt und in den Jahren im Gefängnis wohl mitbekommen, dass es nichts bringe, als “Märtyrer der rechten Szene” einzusitzen. Speziell den 28-jährigen André P. habe der Ex-Neonazi beschuldigt, an jenem Abend mit einem Baseballschläger auf Giovanni Andreozzi eingeprügelt zu haben. “Der Angeklagte hat lediglich Fußtritte und Faustschläge zugegeben, die anderen sagen gar nichts zu den Vorwürfen”, sagte Staatsanwalt Petersen.
Am Abend des 29. September 1996 waren italienische Bauarbeiter auf dem Weg von einem Café in ihre Containerunterkünfte zunächst von Jan Weicht und einem Mittäter angepöbelt und dann verprügelt worden. Dabei war Orazio Giamblanco von Weicht mit der Baseballkeule so traktiert worden, dass der Italiener nur mit Glück überlebte. Kurz darauf wurden Giamblancos Kollegen von einer Horde Rechtsradikaler gejagt und verprügelt.
Die Anwälte der nun angeklagten sechs Männer zweifeln an der Glaubwürdigkeit Weichts. Dieser habe die Angeklagten lediglich aus Rache beschuldigt. Er habe für die Tat nicht allein büßen wollen und offenbar auch erfahren, dass über ihn in der rechten Szene in Trebbin gelacht werde. Zudem habe Weicht in der vergangenen Woche ausgesagt, vor dem Überfall auf Giamblancos Kollegen Andreozzi mehrere Biere und eine halbe Flasche Whisky auf Ex getrunken zu haben. Bei dieser Menge sei Weicht wohl kaum noch in der Lage gewesen, sich an einen der Beteiligten des Überfalls auf den Italiener Giovanni Andreozzi erinnern zu können, hieß es.
POTSDAM/WITTSTOCK — Das Sachsenhausen-Komitee der Bundesrepublik Deutschland hat am Montag Bestürzung und Empörung über den Anschlag auf die Todesmarsch-Gedenkstätte im Belower Wald (Ostprignitz-Ruppin) geäußert. “Der Brandanschlag auf das Museum und die Beschmierung der Gedenkstele mit nationalsozialistischen Symbolen und antisemitischen Parolen erschüttern die ehemaligen Häftlinge von Sachsenhausen und die Hinterbliebenen ihrer im Lager und auf dem Marsch ermordeten Kameraden”, betonte das Komitee, das die deutschen Häftlinge des einstigen KZ vertritt.
Die Ermittlungen nach dem Anschlag vom vergangenen Donnerstag werden unterdessen mit Hochdruck fortgesetzt. “Wir ermitteln in alle Richtungen”, sagte der Sprecher des Potsdamer Polizeipräsidiums, Rudi Sonntag. Einzelheiten wollte er aus ermittlungstaktischen Gründen ebenso wenig nennen wie die federführende Staatsanwaltschaft Neuruppin. Von einer “Spur in den Norden” wollten beide Behörden nicht sprechen. Sonntag räumte aber ein, dass es im Nachbarland “eine auffällige Häufung derart schändlicher Taten” gibt.
Dort war ebenso wie im Belower Wald rote Signalfarbe für die Schmierereien benutzt worden. In Mecklenburg-Vorpommern kam es nach dem Brandanschlag im Belower Wald, bei dem einer der beiden Ausstellungsräume durch Feuer verwüstet worden war, am selben Tag sowie am Sonnabend zu weiteren judenfeindlichen Übergriffen. Der Schweriner Innenminister Gottfried Timm (SPD) kündigte den verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen und Friedhöfe an.
Gestern war in Grevesmühlen erneut ein Gedenkstein mit einem Hakenkreuz beschmiert worden. Es handelt sich dabei um einen Stein für Friedrich Schiller.
Presseerklärung, Bernau, 07.09.2002
Öffentliches Entfernen rechtsradikaler und rechtspopulistischer Wahlplakate
Am Donnerstag, den 12.09. um 17 Uhr werden die Plakate der NPD und der
Schill-Partei auf dem Bernauer Bahnhofsvorplatz entfernt.
An der Bundestagswahl in diesem Jahr beteiligen sich auch rechtsradikale und
rechtspopulistische Parteien. In Brandenburg gibt es Landeslisten der NPD und
der Schill-Partei. Außerdem tritt der Zahnarzt Dirk Weßlau im Bernauer
Wahlkreis als Direktkandidat der Schill-Partei an.
Diesen Parteien ist gleich, das sie auf Ausgrenzung, vor allem von schwächeren
MitgliederInnen unserer Gesellschaft setzen und auf Kosten von sogenannten
Randgruppen unserer Gesellschaft ihren Wahlkampf betreiben.
Als Teil ihres Wahlkampfes haben die rechtsradikalen und rechtspopulistischen
Parteien hunderte von Wahlplakaten in die Bernauer Strassen gehängt.
Glücklicherweise fanden sich immer wieder Bernauer BürgerInnen, die einen
großen Teil der Plakate wieder entfernten. Diese Form der Zivilcourage wurde
von den betroffenen Parteien als antidemokratisch bezeichnet und von der
Polizei kriminalisiert. So läuft zur Zeit ein Ermittlungsverfahren wegen
Diebstahls und es gab bereits eine Hausdurchsuchung wegen der Plakate.
Wir glauben dagegen, dass es nicht nur das Recht jeder Bernauer Bürgerin und
jedes Bernauer Bürgers ist, die Propaganda rechtsradikaler und
rechtspopulistischer Parteien aus dem Stadtbild zu entfernen, sondern sogar
ihre Pflicht. Es ist ein notwendiger Einsatz für ein demokratisches und
tolerantes Miteinander in dieser Stadt gegen Ausländerhaß und Gewalt.
Deswegen rufen wir alle Bernauerinnen und Bernauer auf, sich an der
öffentlichen Entfernung der rechtsradikalen und rechtspopulistischen
Wahlplakate auf dem Bahnhofsvorplatz zu beteiligen.
Gegen Spaßgesellschaft
Handelsvertreter Ringel will mehr Basisdemokratie
In der Öffentlichkeit geben sie sich redegewandt und sicher, zeigen sich von ihrer fotogenen Seite. Doch wie sieht es hinter der politischen Fassade aus? Die RUNDSCHAU startete den Versuch, die ganz privaten Seiten der sieben Bundestagskandidaten zu erkunden und traf sich mit ihnen zum Frühstück zu Hause.
Hoyerswerda.
Gotthard Ringel (53 Jahre) hat ein schmuckes Haus. Es steht in Sacka, Gemeinde Thiendorf etwas ab vom Schuss. Was die Leute hier bewegt, sind einfache Dinge. Solche, die sie im eigenen Portmonnee spüren. Zum Beispiel die Abwassersatzung. Die hat dazu geführt, dass sich Gotthard Ringel intensiver mit Politik beschäftigte. Als Sprecher der “Bürgerinitiative gegen Erhöhung der Abwasserkosten ” in der Trinkwasserschutzzone Radeburg machte er erste basisdemokratische Erfahrungen. Nach der Wende hat er sich anfangs für die DSU engagiert. Später kam dann irgendwann die Freiheitliche Partei Deutschlands. Und weil sich der verheiratete Vater von zwei Kindern durch die im Bundestag vertretenen Parteien nicht wirklich gut vertreten fühlte, schloss er sich den Freiheitlichen an. Zwar habe er nichts mit Haider von der Freiheitlichen Partei Österreichs zu tun, weil der kein Zukunftskonzept habe, aber gegen Parteienfilz sei er auch, so Ringel. Der gebürtige Sachse (Ponikau), der sich volkstümlich gibt und ebenso aus einem bayerischen Dorf stammen könnte, sagt gern Dinge, die andere nicht sagen. Dass es sich bei dem Attentat auf das World Trade Center um eine furchtbare Tragödie gehandelt habe, die aber niemals von denen geplant und durchgeführt wurde, die es gewesen sein sollen. “Die Leute um bin Laden hatten doch gar nicht die technischen Voraussetzungen dazu ” . Es war also ein Komplott. Aber wer genau dahinter steckt, weiß auch Ringel nicht. Leider. Der studierte Landwirt und selbstständige Handelsvertreter hat in sein Programm geschrieben, dass er für Ehrlichkeit in Politik und Wirtschaft steht. Dort steht auch, dass er Rechtsstaatlichkeit und Grundgesetz in vollem Umfang achtet. Dies hindert ihn nicht daran, seine Partei als zurzeit einzige Alternative zum bestehenden Parteiensystem zu bezeichnen. Es hindert ihn auch nicht, deutlich Stellung gegen die USA-Politik zu beziehen und die Nato abzulehnen. Ebenso radikal wendet er sich gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr in aller Welt. Er befürchtet eine Eine-Welt-Regierung, mit den Vereinigten Staaten an der Spitze. “Die Amis haben selbst ihre Urvölker vertrieben und Sklaven geholt. Sie haben keine eigene Kultur als Basis, hetzen aber seit 1871 gegen Deutschland. ” 1871. Bismarck. Nationalstaat. Kriege. Ringel hat einiges über deutsche Geschichte gelesen. Er verehrt Bismarck, aber auch Albert Schweitzer, wie er sagt. Er meint, dass das “deutsche Volk das am meisten gedemütigte Volk des 20. Jahrhunderts ” ist. Und dass man Deutschland nicht vorwerfen können, viele Kriege angezettelt zu haben, England habe die meisten Kriege geführt. Wir sitzen in einem blitzblanken Wohnzimmer in einem ruhigen Örtchen nahe der Autobahn. Der Mann, der dem Journalisten gegenüber sitzt, schätzt an sich selbst seine Geradlinigkeit und Ehrlichkeit. Er ist gegen die Spaßgesellschaft, weil sie nicht geeignet ist, die Probleme der Zukunft anzupacken, lässt aber bei aller “Ernsthaftigkeit auch mal die Sau raus. ” Das glauben wir gern. Er will, dass sich das Volk direkt an der Macht beteiligt. Volksabstimmung. Volksentscheid. Direktwahl. Dann nämlich hätten aus seiner Sicht auch Leute wie er mehr Einfluss auf die Gestaltung der Zukunft. Aber selbst wenn es nicht klappe mit der Wahl, habe er genug zu tun. Kommunalpolitik vor Ort. Die Arbeit als Vertreter. Die Familie.
Spree-Neiße. Geld statt Wertgutscheine für Asylbewerber. Dafür solle man sich gegenüber der Landesregierung einsetzen, hatte die PDS im Kreistag gefordert. Damit sollen Vorurteile abgebaut und Integrationsmöglichkeiten verbessert werden. Aber abgestimmt wurde im Kreistag über den Antrag nicht. Er wurde erst einmal vertagt. Die Kreistagsmehrheit folgte dem Vorschlag von CDU-Fraktions-Chef Detlef Lischka, der den Vorschlag noch einmal im Sozialausschuss behandelt wissen wollte. Lischkas Argumentation: Nicht jeder Abgeordnete habe sich vorher mit dem Thema intensiv beschäftigen können. Landrat Dieter Friese (SPD) unterstützte beide Seiten. Er stimmte der PDS zu, dass die Wertschein-Regelung überholt sei. Durch die Regelung, dass maximal zehn Prozent als Wechselgeld herausgegeben werden dürfte, ergäben sich weitere Probleme. Friese sprach von einer “mafiaartigen Struktur ” , die sich herausbilde. Die Abschaffung des Wertgutschein-Systems würde den Kreis 25000Euro sparen. Friese unterstützte aber auch den CDU-Antrag: Im Sozialausschuss könne man engagierte Asylbewerber einladen und ihnen eine Bühne geben. “Ich weiß, dass es noch eine ganze Menge anderer Probleme in diesem Bereich gibt. ” Für Kerstin Nedoma und Birgit Wöllert (beide PDS) war im Anschluss klar: Die Kreistags-Mehrheit aus SPD und CDU habe ihre Zustimmung für mehr Humanität im Umgang mit Minderheiten verweigert.