RAVENSBRÜCK Zwei Wahlplakate der NPD haben zwei Männer am vergangenen Freitag gegen 11.30 Uhr auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück angebracht. Das teilte die Polizei jetzt mit. Wie es weiter heißt, habe die Leiterin der Gedenkstätte, Sigrid Jacobeit, sofort Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet. Die Polizei ermittelte daraufhin zwei 21-jährige Männer, von denen einer, aus Gransee stammend, wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen schon einschlägig bekannt ist. Bei einer Hausdurchsuchung wurden Schriften mit rechts gerichtetem Inhalt, eine Hakenkreuzfahne sowie zwei Schreckschusspistolen gefunden und beschlagnahmt.
Monat: September 2002
Kubaner in Potsdam angegriffen
Ein in Kuba geborener Potsdamer (43) dunkler Hautfarbe wurde am Montag gegen 22.15 Uhr auf der Babelsberger Straße von zwei Unbekannten mit Reizgas besprüht. Er war aus dem Potsdam-Center kommend in Richtung Zentrum Ost unterwegs, als ihm die Täter entgegenkamen und ohne Grund oder verbale Auseinandersetzungen Reizgas ins Gesicht sprühten. Das Opfer wurde im Krankenhaus behandelt. Ein fremdenfeindlicher Tat-Hintergrund ist wahrscheinlich.
Ost-West-Gefälle bei Antisemitismus
Berlin (ND-Gernhardt). In Westdeutschland nehmen antisemitische Tendenzen deutlich zu, während diese Einstellung im Osten kaum verbreitet ist. Das ist eines der Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der Freien Universität Berlin und der Universität Leipzig, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.
Der Aussage: »Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß«, stimmten 33 Prozent der Westdeutschen ohne Abitur und 17 Prozent derjenigen mit Abitur zu.Dem stehen 15 bzw. 10 Prozent im Osten gegenüber. Damit hat sich die Zahl der antisemitisch geprägten Westdeutschen seit 1998 verdoppelt, während sie im Osten etwa gleich blieb. Statistisch belegte Gründe für die alarmierende Entwicklung in den alten Bundesländern konnten jedoch weder der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer noch Elmar Brähler von der Uni Leipzig nennen. Sie vermuten jedoch einen Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. September und dem Nahost-Konflikt.
Die Studie bestätigt zugleich, dass Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern nicht weniger verbreitet ist als in den alten. Er äußere sich jedoch in anderer Form: So sei Fremdenfeindlichkeit bei 30 Prozent der Ostdeutschen zu konstatieren, gegenüber 25 Prozent im Westen. Die Zustimmung zu diktatorischen Regierungsformen sei geringfügig stärker im Osten Deutschlands zu finden (9 Prozent; West: 7 Prozent), ermittelten die Autoren.
Insgesamt wird deutlich, dass der Bildungsgrad Einstellungen offenbar beeinflusst. Für die Studie, die einen Beitrag zu einer einheitlichen Definition des Rechtsextremismus leisten soll, waren 1001 Ost- und 1050 Westdeutsche zu Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Sozialdarwinismus befragt worden. Rechtsextremistische Tendenzen ließen sich häufiger bei weniger gebildeten Personen ausmachen.
Flüchtlinge eingeschleust
Dahme-Spreewald — Mehrfach sind am vergangenen Wochenende im Bereich Waltersdorf / Schönefeld ausländische Personen ohne Personaldokumente nach Bürgerhinweisen aufgegriffen worden. In den Nachmittagsstunden des Freitag stellten die eingesetzten Beamten acht Männer ohne Papiere fest. Nach deren Angaben handelt es sich dabei um sechs pakistanische und zwei indische Personen. Am Samstag sind vier männliche Personen ohne Personaldokumente überprüft worden. Sie stammen nach bisherigen Erkenntnissen aus dem Irak. Sieben weitere Erwachsene und drei Kinder wurden am Abend des Sonntag zur Identitätsfeststellung zur Polizeiwache Schönefeld gebracht. Bei diesen Personen handelt es sich nach bisherigen Erkenntnissen um Bürger aus dem Irak und Armenien.
Potsdam — Einen schnellen Fahndungserfolg zum rechtsextremistischen Brandanschlag auf die Gedenkstätte des Todesmarsches im Belower Wald (Ostprignitz-Ruppin) erwartet Innenstaatssekretär Eike Lancelle. «Die Spuren führen nach Mecklenburg-Vorpommern», sagte Lancelle gestern. Die Hinweise seien «vielversprechend». Länderübergreifend arbeitet eine 15-köpfige Sonderkommission an der Aufklärung des Anschlags vom 5. September, bei dem ein Ausstellungsraum des Museums ausgebrannt war.
Oberhavel/Ravensbrück — Am Freitag gegen 11.30 Uhr brachten unbekannte männliche Personen zwei Wahlplakate der NPD auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück an einer Straßenlaterne an, die sich vor dem Kinogebäude befindet. Durch die Leiterin der Gedenkstätte wurde Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet. Im Verlauf der polizeilichen Ermittlungen wurde zunächst ein 21-jähriger Mann aus Gransee als einer der Beteiligten bekannt. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmungern ließ sich der 21-Jährige im Wesentlichen geständig ein. Dieser ist bereits u.a. wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen polizeilich in Erscheinung getreten. Weiterhin konnte als zweiter Täter ein ebenfalls 21 Jahre alter Mann ermittelt werden. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Neuruppin wurden bei beiden Tatverdächtigen Wohnungsdurchsuchungen durchgeführt. Dabei wurden u.a. diverse Schriften mit rechts gerichtetem Inhalt, eine Hakenkreuzfahne sowie zwei Schreckschusswaffen sichergestellt und beschlagnahmt. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei Potsdam dauern an.
Schläge auf der Grenzbrücke?
Guben. Eine Auseinandersetzung am Grenzübergang Gubinek, die erst jetzt bekannt wurde, sich aber bereits vor zwei Wochen ereignete, könnte für deutsche Grenzschützer unter Umständen ein juristisches Nachspiel haben. Der polnische Fahrer eines Sattelschleppers hat nämlich bei der Gubiner Polizei eine Strafanzeige erstattet, und mittlerweile beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft in Krosno mit dem Fall. Was genau am 2.September passiert ist, darüber gehen die Aussagen weit auseinander. Einigkeit herrscht lediglich darüber, dass der polnische Fahrer verdächtigt wurde, gefälschte Papiere, konkret eine Arbeitserlaubnis für Deutschland, mitgeführt zu haben. Nach Angaben des Fahrers sei er, nachdem er von den BGS-Beamten angehalten wurde, von diesen geschlagen und zur Zahlung von 500 Euro gezwungen worden. Zwar habe er für das Geld eine Quittung bekommen, aber keine Erklärung, warum er zu zahlen habe. Thomas Plank, Leiter der Gubener Bundesgrenzschutzinspektion, bestätigt, dass die Beamten den polnischen Fahrer wegen des Verdachtes der Urkundenfälschung genauer unter die Lupe nahmen. Der Mann sei dazu in die Dienststelle geführt worden, und es seien von ihm 500 Euro als so genannte Sicherheitsleistung verlangt worden. Allerdings habe der Mann Widerstand gegen die Beamten geleistet. Daraufhin hätten diese “körperliche Gewalt ” angewendet, so Plank. Die Beamten hätten den Fahrer festgehalten und nach dem geforderten Geld durchsucht. Ob gegen hiesige Grenzschützer staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen, konnte Plank gestern noch nicht sagen. Andererseits ist Fakt, dass gegen den polnischen Fahrer ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Urkundenfälschung eingeleitet wurde. Nicht auszuschließen ist, dass der Vorfall noch weitere Kreise zieht. Auf polnischer Seite denkt man offenbar darüber nach, das Außenministerium zu informieren.
Anzug schützt vor Kontrolle
Flüchtlinge, die wie der Togolese Kofi der Isolation in den Heimen auf dem Land entgehen wollen, können dort nur illegal wegziehen. In der Stadt leben sie mit der steten Angst, der Polizei aufzufallen
Kofi* wohnt seit drei Jahren in einem Flüchtlingsheim, jedenfalls offiziell. Einen Kilometer außerhalb von Berlin. Wenn der Togolese die Stadtgrenze überschreitet, macht er sich strafbar. Dennoch hat er sich Anfang des Jahres entschlossen, nach Berlin zu ziehen. Seit Februar lebt er ohne Papiere in der Stadt.
Als Treffpunkt schlägt Kofi das Kottbusser Tor vor. Der groß gewachsene Mann in Jeans und T‑Shirt macht einen sehr entspannten Eindruck, dabei ist der Kreuzberger U‑Bahnhof eigentlich ein Hot Spot, ein gefährlicher Ort, vor allem für Leute ohne gültige Papiere. Die Polizei kontrolliert hier besonders scharf.
1999 kam Kofi nach Brandenburg. In Togo wollte er eigentlich Dolmetscher werden. Acht Sprachen beherrscht er. Doch er durfte nicht einmal Abitur machen, weil er sich gegen die dortige Einparteiendiktatur engagierte. Politische Mitstreiter seien plötzlich verschwunden, erzählt Kofi.
Als Asylbewerber bekommt er in Brandenburg Unterkunft und Verpflegung, aber nur in dem ihm zugewiesenen Heim. Was im Juristendeutsch Residenzpflicht heißt, bedeutet im Klartext, dass Kofi den ihm zugewiesenen Landkreis nicht verlassen darf, es sei denn, er beantragt einen Urlaubsschein. “Doch das wird in den meisten Fällen abgelehnt, gerade wenn es sich um persönliche Gründe handelt”, weiß Kofi.
Die Unterkünfte liegen häufig sehr abgelegen in Wäldern und es gibt keinen Kontakt mit der Bevölkerung. Die Leute vereinsamen und werden krank. Die einzige Chance, aus dieser Welt zu fliehen, ist für viele der Fernseher. Dafür muss ein Flüchtling lange sparen.
Kofi bekommt vom Ausländeramt 95 Euro Bargeld und 158 Euro auf einer Chipkarte. An den Auszahlungstagen fährt er ins Heim. Dann füllen sich schlagartig viele Flüchtlingsunterkünfte, ein großer Teil der Bewohner lebt, wie Kofi, nur an diesen Tagen in der Unterkunft.
Seit Februar wohnt er mit in der Berliner Wohnung seiner Freundin. Die Isolation in einer feindlichen Umgebung wollte er nicht mehr ertragen, erklärt Kofi. Auch könne er sich nur in der Stadt in politischen Gruppierungen engagieren. Nicht zuletzt aber wollte er nicht akzeptieren, in seinem “Menschenrecht auf freie Bewegung eingeschränkt zu sein”.
Nun arbeitet er zwar ehrenamtlich in verschiedenen antirassistischen Initiativen und ist dafür viel unterwegs, Geld erhält er dafür allerdings nicht. Für die BVG-Monatskarte gibt ihm seine Freundin die Hälfte dazu. Zwei mal musste er schon Strafe zahlen wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht. Das kann zwischen 50 und 2.500 Euro kosten. Beim ersten Mal hat eine Menschenrechtsgruppe für ihn gezahlt, die zweite stottert er gerade in Raten ab.
Wie oft er schon kontrolliert wurde, weiß Kofi nicht genau, mindestens sieben Mal: “Das kann überall passieren, bei C & A, am Bahnhof, auf der Straße. Sie kontrollieren dich, nur weil du schwarz bist. Am Anfang war ich sehr ängstlich. Ich versuchte zum Beispiel, Polizeiautos auszuweichen. Mit der Zeit entwickelst du aber ein Gespür für Gefahr. Wenn ich am Kottbusser Tor das Gefühl gehabt hätte, dass Polizei da ist, hätte ich dich nicht angesprochen.”
Mit der Zeit lasse sich die Polizeistrategie durchkreuzen, erzählt Kofi. “Die kontrollieren nach einem Dresscode. Wenn du gut angezogen bist, glauben sie, dass du ein integrierter, legaler Immigrant bist. Besonders häufig wird man kontrolliert, wenn man Dreadlocks hat oder im HipHop-Style rumläuft.”
Doch Kofi will am Kostümspiel keinen Gefallen finden. “Ich fühle mich immer noch blockiert, dahin zu gehen, wo ich möchte. Besonders das Ausgehen ist schwierig. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal in einer Disco war.”
Er zeigt ein Blatt Papier. Es ist der Ablehnungsbescheid von der Ausländerbehörde. Das Verlassen des Landkreises für einen Kongress gegen Rassismus wird ihm darin untersagt. In der Begründung heißt es, die damit verbundene Einschränkung seiner Meinungsfreiheit habe er hinzunehmen.
Neben den Bescheid hat er einen “Dompass” aus der südafrikanischen Apartheidzeit kopiert. Der untersagte den Schwarzen, ihre Homelands zu verlassen. Für Kofi ist die Verbindung klar: “Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem es eine Residenzpflicht gibt. Ein Südafrikaner würde diese Situation Apartheid nennen.”
*Name von der Redaktion geändert
POTSDAM. Wegen der Auflagen bei der Demonstration am vergangenen Sonnabend will die rechtsextreme NPD juristisch gegen das Polizeipräsidium Potsdam und die Staatsanwaltschaft vorgehen. Die Auflagen hätten das Versammlungsrecht praktisch außer Kraft gesetzt, teilte die Partei am Montag mit. Ihr sei unter anderem vorgeschrieben worden, die Demonstration in weitgehend unbewohntem Gebiet binnen zwei Stunden zu beenden. Nach der Zulassung des NPD-Aufmarsches hatten verschiedene Initiativen zu Protesten aufgerufen. Um Ausschreitungen zu verhindern, hatte die Polizei die Veranstaltungen zeitlich und räumlich auseinander gelegt.
Abschiebung zunächst gestoppt
Hennigsdorf — Die für gestern geplante Abschiebung eines allein erziehenden Asylbewerbers aus Hennigsdorf (Oberhavel) nach Vietnam ist vorerst gestoppt worden. Das Verwaltungsgericht Potsdam untersagte der Ausländerbehörde des Kreises, den Mann bis zu einer endgültigen Entscheidung ohne seinen fünfjährigen Sohn abzuschieben. Der Kirchenkreis Oranienburg vermutet, dass sich der Junge bei Bekannten aufhält.