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Neuruppin: Rechtsradikale Schmierereien

Die Schmier­erei am Bauhof, in der Nähe des Flüchtlingsheims(Foto: Inforiot)

Gestern gegen 8.40 Uhr wurde der Polizei mit­geteilt, dass bish­er unbekan­nte Täter in der Erich-Dieck­hoff-Straße die Außen­wände des Asyl­be­wer­ber­heimes sowie eines Nach­barge­bäudes mit recht­sradikalen Parolen und Zeichen beschmiert hätten. 

Die Täter tru­gen in schwarz­er Farbe u.a. zwei Hak­enkreuze und eine Triskele (dreifache Spri­ale) in den Abmaßen 0,50 x 0,60 Meter auf. In diesem Zusam­men­hang wurde der Polizei am heute bekan­nt, dass eben­falls unbekan­nte Täter an eine Hauswand eines Gebäudes der Rup­pin­er Bauhof GmbH, welche eben­falls in der Neu­rup­pin­er Erich-Dieck­hoff-Straße ansäs­sig ist, ein weit­eres Hak­enkreuz in der Größe 1,20 x 1,40 Meter in schwarz­er Farbe angeschmiert hätten. 

Durch die zuständi­gen Ver­ant­wortlichen wurde die Besei­t­i­gung der Schmier­ereien ver­an­lasst. Die Krim­i­nalpolizei hat die Ermit­tlun­gen wegen des Ver­wen­dens von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen aufgenommen. 

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Wachdienst-Mitarbeiter des Asylbewerberheims in Rathenow unter Verdacht

HAVELLAND Der Wach­schutz­di­enst, der im Auf­trag der Arbeit­er­wohlfahrt Havel­land das Asyl­be­wer­ber­heim am Birken­weg in Rathenow bewacht, gerät wieder in die Schlagzeilen. Als sich Asyl­be­wer­ber im Juli dieses Jahres darüber beschw­erten, dass einige Mit­glieder des Wach­schutz­di­en­stes der recht­sex­tremen Szene zuzuord­nen seien, reagierte der Geschäfts­führer der Arbeit­er­wohlfahrt (Awo) unwirsch: “Frei erfun­den und aus der Luft gegrif­f­en”, schimpfte Ralf Schröder. Nun gibt es einen inter­nen Ver­fas­sungss­chutzbericht, der die Vor­würfe bestätigt. Eine Zuver­läs­sigkeit­sprü­fung, die das Innen­min­is­teri­um im Sep­tem­ber dem Sozialmin­is­teri­um des Lan­des emp­fahl, sei laut “Focus” unterblieben. 

Das Nachricht­en­magazin hat von dem Bericht des Ver­fas­sungschutzes erfahren und ver­bre­it­ete am Fre­itag in ein­er Vor­ab­mel­dung zur aktuellen Aus­gabe, dass “Asyl­be­wer­ber in Rathenow von Mit­gliedern der recht­sex­tremen Szene bewacht wer­den”. Die Betrof­fe­nen gehören — so der Ver­fas­sungschutzbericht — der so genan­nten “Kam­er­ad­schaft Hauptvolk” an. Das ist ein Zusam­men­schluss von Recht­sex­tremen, die haupt­säch­lich aus dem West­havel­land stam­men. Insid­er wis­sen, dass die Mit­glieder der “Kam­er­ad­schaft Hauptvolk” zum so genan­nten “harten Kern” der recht­sex­tremen Szene in der Region gehören. 

Dass in der Wach­schutz­fir­ma Mitar­beit­er beschäftigt wer­den, die zur recht­sex­tremen Szene gezählt wer­den müssen, ist in Rathenow bekan­nt. Schon im Feb­ru­ar 2000, als Asyl­be­wer­ber ein Mem­o­ran­dum ver­fasst hat­ten, in dem sie die Ver­legung in ein anderes Bun­des­land forderten, wur­den die Behör­den auf das Prob­lem aufmerk­sam gemacht. Damals hat­te Awo-Geschäfts­führer Ralf Schröder erk­lärt, die Wach­schutz­fir­ma sei von der Indus­trie- und Han­del­skam­mer über­prüft und zuge­lassen wor­den. Als Beweis für die Weltof­fen­heit der Fir­ma informierte er, “dass die sog­ar schon mal einen Sche­ich bewacht haben”. Die Vor­würfe gegen Mitar­beit­er des Wach­schutzes spiel­ten keine Rolle, als die Träger­schaft für das Asyl­be­wer­ber­heim neu aus­geschrieben wurde. Damals erhielt wieder die Awo den Zuschlag — obwohl bekan­nt gewe­sen sein muss, dass bei dem von der Awo beauf­tragten Wach­schutz recht­sex­trem ori­en­tierte Per­so­n­en angestellt sind. Auch im Jahres­bericht der Kreisaus­län­der­bauf­tragten spielte das Prob­lem nie eine Rolle. 

Vor­würfe des “Focus” zurückgewiesen 

RATHENOW Der vor­ab veröf­fentlichte Artikel des Nachricht­en­magazins Focus, demzu­folge das Asyl­be­wer­ber­heim am Birken­weg von recht­sex­tremen Mitar­beit­ern ein­er Sicher­heits­fir­ma bewacht wird (MAZ berichtete), hat erste Reak­tio­nen nach sich gezo­gen. Das Sozialmin­is­teri­um (MASGF) teilte noch am Fre­itag mit, dass ihm “keine neuen und konkreten Erken­nt­nisse vor­lä­gen, wonach Mitar­beit­er der Fir­ma dem recht­sradikalen Spek­trum zuzurech­nen seien.” In der Erk­lärung heißt es weit­er, die Zuver­läs­sigkeit der Fir­ma … sei dem MASGF durch das Ord­nungsamt des Kreis­es anlässlich ein­er Beratung am 6. Sep­tem­ber bestätigt wor­den. Es ste­he allerd­ings außer Frage, heißt es in der Stel­lung­nahme weit­er, “dass der Aufen­thalt­sort von Asyl­be­wer­bern nicht von Per­so­n­en bewacht wer­den darf, die dem recht­sradikalen Spek­trum zuzurech­nen sind.” Neuen Hin­weisen sei umge­hend nachzuge­hen. Der Kreis habe das Min­is­teri­um unter­richtet, vor­sor­glich eine neue Über­prü­fung des Unternehmens einzuleiten. 

 

Awo-Geschäfts­führer Ralf Schröder gab am Sam­stag bekan­nt, dass der Sicher­heits­fir­ma der Auf­trag ent­zo­gen werde, wenn die zuständi­gen Behör­den die im “Focus” erhobe­nen Vor­würfe schriftlich belegten. Bish­er habe er “aber kein­er­lei Hin­weise, dass Per­son­al mit recht­sex­tremem Hin­ter­grund durch die Fir­ma im Heim einge­set­zt wurde.” Der Geschäfts­führer der Fir­ma habe ihm noch im Okto­ber schriftlich bestätigt, dass alle einge­set­zten Mitar­beit­er IHK-geprüft und die Führungszeug­nisse ohne Ein­träge seien. Wed­er die Polizei noch die Min­is­te­rien hät­ten Bedenken geäußert. “Seit Über­nahme des Auf­trages im Jahr 1998”, so Schröder weit­er, “hat die Fir­ma ihre ver­traglich ange­bote­nen Leis­tun­gen der Bewachung voll­ständig ohne Abstriche erfüllt.”

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Naziaufmarsch massiv gestört

Der Nazi­auf­marsch am Sonnabend in Pots­dam kon­nte zwar nicht ver­hin­dert wer­den, entwick­elte sich für die Faschis­ten erfreulicher­weise aber zu einem kom­plet­ten Desaster. Rund 250 AntifaschistIn­nen gelang es, in unmit­tel­bar­er Nähe der nur 40 am Stad­trand demon­stri­eren­den Nazis, ihrem Protest laut und kraftvoll Aus­druck zu ver­lei­hen. Der von einem grossen Polizeiaufge­bot beschützte Aufzug um den Ham­burg­er Kam­er­ad­schaft­skad­er Chris­t­ian Worch ging völ­lig unter. Wenig­stens acht Antifas wur­den nach Angaben des Ermit­tlungsauss­chuß verhaftet. 

Vorher, am Vor­mit­tag, demon­stri­erten rund 400 Bürg­erIn­nen und Schü­lerIn­nen in der Innen­stadt gegen die Nazis. Bei der abschließen­den Kundge­bung verkün­dete Bran­den­burgs Min­is­ter­präsi­dent, dass “Wider­stand an allen Eck­en und Enden” nötig und richtig sei. Pots­dams Ober­bürg­er­meis­ter Jacobs war der Auf­fas­sung, dass nach neuen, effek­tiv­eren Konzepten gegen rechte Demos in Pots­dam gesucht wer­den müsse, denn “wir kön­nen nicht zufrieden sein, dass Worch nur am Stad­trand marschieren darf. Solche Aufzüge wollen wir über­haupt nicht.” Die Kam­er­ad­schafts-Demo unter dem Mot­to “Schön­bohm in die Wüste schick­en” war bere­its der dritte Ver­such in diesem Jahr von Nazis, durch Demos in Pots­dam ver­stärkt Fuß zu fassen. Ulrich Schulz, Gen­er­al-Super­in­ten­dent der Evan­ge­lis­chen Kirche, gab kund, dass er eigentlich lieber “einen Wei­h­nachts­baum schla­gen würde. Aber trotz­dem bekenne ich hier Farbe. Und zwar lila, die Farbe des Chris­ten­tums.” Der bürg­er­liche Anti­naziprotest war von Schü­lerIn­nen der Voltaire-Gesamtschule ini­ti­iert wor­den, offizielle Stellen wie die Stadtverord­neten­ver­samm­lung hat­ten sich angeschlossen. 

AntifaschistIn­nen ver­sucht­en ab etwa 11.30 Uhr, sich Rich­tung Rehbrücke durchzuschla­gen, nach­dem bekan­nt wurde, dass dort der geheim gehal­tene Start­punkt der Nazi­ak­tion sein sollte. Viele Nazigeg­ner­In­nen wur­den jedoch von der Polizei aus der Straßen­bahn gez­er­rt. Den­noch gelang es let­z­tendlich 250 Men­schen durchzukom­men und fast die gesamte Aufzugstrecke an der Hein­rich-Mann-Allee ent­lang auf Höhe der Nazis präsent zu sein. “Komisch, dass die Polizei uns hier nicht haben will — der Jacobs hat doch gesagt, dass direk­ter Protest richtig ist”, merk­te eine ältere Antifaschistin iro­nisch an. Mit einem Mega­fon und mit vie­len Sprechchören wur­den die Nazis per­ma­nent beschimpft. “Ein Wei­h­nachts­baum, ein Strick, ein Nazi­genick”, “Stal­in­grad, Stal­in­grad”, “Ob Ost, ob West — nieder mit der Nazipest” oder auch “Lang lebe Israel” waren einige der Rufe. Auch bei der Abschlußkundge­bung der Nazis am so genan­nten Blauen Haus verebbten die Sprechchöre nicht. Der Laut­sprecher­wa­gen der Nazis (ein­deutiges Num­mern­schild: ..-HK 88) kam dage­gen nicht an, auch die Rede von Chris­t­ian Worch blieb unver­ständlich. Inhaltlich forderten die Faschis­ten die Abset­zung von Bran­den­burgs Innense­n­a­tor Jörg Schön­bohm (ein CDU-Recht­saußen), da dieser für das Ver­bot des “Heldenge­denkens” in Halbe Mitte Novem­ber ver­ant­wortlich sei. Unter densel­ben Vorze­ichen hat­ten Worch und Co. bere­its am Sam­stag der Vor­woche in Teupitz (in der Nähe von Halbe), eben­falls in geringer Zahl, gegen den dor­ti­gen Amts­di­rek­ter Onck­en demonstriert. 

Ver­suche von Teilen der AntifaschistIn­nen vor Ort, die Nazide­mo zu block­ieren und somit voll­ständig zu ver­hin­dern scheit­erten am — teil­weise bru­tal­en — Ein­greifen der Polizei. Auch abseits dieser Ver­suche kam es einige Male zu Rangeleien zwis­chen Antifas und Polizei. Selb­st am Rande ste­hende Men­schen beka­men Tritte und Schläge von Seit­en der Polizei ab. Am Ende der Kundge­bung zogen die Nazis Rich­tung Rehbrücke ab — der Rück­zugsweg wurde durch Abdrän­gen der Antifas von der Polizei gesichert. 

Es liegen übri­gens mehrere — bis­lang unbestätigte — Berichte vor, nach denen am Rande der Demo kleinere, sep­a­rate Nazi­grup­pen unter­wegs gewe­sen seien, die mehrfach Nazigeg­ner­In­nen ange­grif­f­en haben. 

Ein weit­er­er Bericht auf Indymedia:
Nazis lei­der nicht verjagt

Son­der­seite bei Inforiot

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Anschlag auf das Mittendrin in Neuruppin

Am Abend des 20.Dezember 2002 wurde ein Anschlag auf das Mit­ten­drin in Neu­rup­pin verübt. Im Caféraum waren ca. 20 BesucherIn­nen zusam­men um Musik zu hören und Dart zu spielen. 

 

Gegen 22.15 Uhr wurde ein ca. 15 mal 15 cm großer Stein durch ein Dop­pelfen­ster direkt in den Raum gewor­fen. Wahrschein­lich zwei Täter flüchteten zu Fuß. Ein Täter, der ver­fol­gt wurde, kon­nte wenig später in der Innen­stadt gestellt wer­den. Dieser schimpfte nun mit “Scheiß Zeck­en”, “Dreck­spunk” und ähn­lichen Sprüchen drau­f­los und bot auch “Prügel” an. Nach ein­er kurzen Rangelei wurde die Polizei ver­ständigt. Diese nah­men kurze Zeit später vom mut­maßlich zweit­en Täter die Per­son­alien auf. 

 

Faz­it: Anzeigen wegen Sachbeschädi­gung und Kör­per­ver­let­zung — ein kaputtes Dop­pelfen­ster und zwei Leichtver­let­zte durch Glassplitter. 

 

Erst am ver­gan­genen Sam­stag marschierten ca. 35 NPDler durch Neuruppin´s Straßen. Dies war nun ein direk­ter Angriff auf das alter­na­tive Info­café Mit­ten­drin und dessen BesucherIn­nen. Es war ein glück­lich­er Zufall das niemen­sch direkt vom Stein getrof­fen oder durch die Glass­plit­ter schw­er­er ver­let­zt wurde. 

 

Aler­ta Antifascista!!!

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Rechtsextreme Anschläge gegen Pfeffer und SalZ e. V. in Angermünde

In den let­zten zwei Nächt­en (18./19.12.2002) haben bish­er Unbekan­nte das Büro des Vere­ins Pfef­fer und SalZ e. V. in Anger­münde und das Auto eines engagierten Mitar­beit­ers mit recht­sex­tremen und anti­semi­tis­chen Parolen beschmiert. Auf die Küh­ler­haube des PKW wurde dabei ein Davidsstern und das Wort “Jude” mit schwarz­er Farbe geschmiert. An bei­den Orten hin­ter­ließen die Täter mit Com­put­er geschriebene Zettel auf denen stand: “Wir kriegen euch alle! Autonomer Wider­stand Angermünde.” 

Diese bei­de Anschläge sind nur der vor­läu­fige Höhep­unkt ein­er ganzen Kam­pagne gegen den antifaschis­tisch und in der Flüchtlingsar­beit engagierten Vere­in. Bere­its Anfang des Jahres erschien eine vom NPD-Bun­desvor­standsmit­glied Frank Schw­erdt her­aus­gegebene Anti-Antifab­roschüre, in der Mit­glieder und Aktiv­itäten des Vere­in denun­ziert und ver­leumdet wor­den. Im Ver­lauf des Jahres erschienen Kad­er des Märkischen Heimatschutzes bei nahezu jed­er Ver­anstal­tung und Aktion des Vere­ins, so beim Aktion­stag mit Broth­ers Keep­ers in Pren­zlau, bei Ausstel­lungseröff­nun­gen, Gutscheinum­tauschak­tio­nen und Konz­erten. Beim let­zten Konz­ert blamierten sich die Kam­er­aden vor rund 150 Gästen mit ein­er 2- Minuten Sitzblockade. 

Seit etwa zwei Monat­en konzen­tri­eren sich die Aktiv­itäten der recht­sex­tremen Szene auf das Büro des Vere­ins in Anger­münde. Regelmäßig beobacht­en Nazis aus Anger­münde und Eber­swalde von Autos aus das Büro und ver­suchen die anwe­senden Jugendlichen zu fotografieren. Zum Teil wur­den sie mit Autos durch die ganze Stadt ver­fol­gt. In der Nacht zum 28.10.2002 wurde ein großer Feld­stein durch das Fen­ster des Büros geschleud­ert und ver­fehlte dabei den Kopf eines anwe­senden Vere­ins­mit­gliedes nur um Zen­time­ter. In der Nacht vom 2.- 3.12. 2002 wur­den sieben Farbbeu­tel an die Fen­ster des Büros gewor­fen und beträchtlich­er Schaden an der Fas­sade angerichtet. Daraufhin hat der Ver­mi­eter eine Kündi­gung gegenüber dem Vere­in ausgesprochen. 

Der Polizei wur­den alle diese Straftat­en angezeigt, ohne das es weit­ere Ermit­tlun­gen gab. Anwe­sende, Betrof­fene oder Ver­ant­wortliche des Vere­ins wur­den bish­er nicht befragt. Die Lokalen Medi­en haben bis heute keine Infor­ma­tio­nen über die Vor­fälle bekanntgegeben. 

Die Häu­fung recht­sex­tremer Aktiv­itäten gegenüber dem Vere­in Pfef­fer und SalZ e. V. ist sicher­lich Aus­druck der Wut über viele erfol­gre­iche Pro­jek­te und Aktiv­itäten des Vere­ins in diesem Jahr. Konz­erte, anti­ras­sis­tis­che Aktion­stage, Pro­jek­te mit Flüchtlin­gen und die inter­na­tionalen Aus­tausch­pro­jek­te wie die deutsch- pol­nis­che Som­mer­tour haben immer mehr junge Leute in Anger­münde und darüber hin­aus erre­icht und einen Beitrag zur Verän­derung des gesellschaftlichen Kli­mas geleis­tet. Dage­gen richtet sich der jet­zt zunehmend mil­i­tante Recht­sex­trem­is­mus in der Region. 

Pfef­fer & SalZ e.V.

19.12.2002

(Kon­takt: 0172/3940583)

www.pfefferundsalz-ev.de.vu

pfefferundsalz-ev@gmx.net

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Trebbiner muss Feuerwehr verlassen

TREBBIN Die Feuer­wehr Treb­bin (Tel­tow-Fläming) duldet keine Recht­sex­tremen in ihren Rei­hen. Nach monate­langem Stre­it hat Amts­brand­meis­ter Peter Giesel­er jet­zt Sil­vio Kahle aus der Frei­willi­gen Feuer­wehr aus­geschlossen. Der 25-Jährige war in der Ver­gan­gen­heit wieder­holt durch recht­sradikale Ein­stel­lun­gen und Tat­en aufge­fall­en. Das Anse­hen der Feuer­wehr sei dadurch beschädigt wor­den, erk­lärte Gieseler.

 

Nur Bürg­er­meis­ter Thomas Berg­er (CDU) sper­rte sich bis zulet­zt “aus­drück­lich” gegen den Rauswurf. Allerd­ings habe er kein Vetorecht, räumte Berg­er ein. Der Amts­brand­meis­ter müsste sich mit ihm nur ins “Benehmen” set­zen. Aus sein­er Sicht sei Kahle für seine recht­sex­tremen Tat­en bere­its von der Jus­tiz aus­re­ichend bestraft wor­den. “Es bringt nichts, ein Exem­pel zu sta­tu­ieren und ihn noch weit­er auszu­gren­zen”, so Berg­er. Er habe die Hoff­nung gehabt, dass Kahle sich vom Recht­sex­trem­is­mus abwendet.

 

Andere hat­ten da große Zweifel. Jut­ta John, Mit­glied der Ini­tia­tive “Treb­bin Miteinan­der” ist überzeugt, dass Kahles ver­sproch­ene Abkehr vom Recht­sex­trem­is­mus unglaub­würdig ist. “Er hat uns angel­o­gen.” Das glaubt auch Stephan Hein­rich. Der Richter am Amts­gericht Luck­en­walde sah es am 4. Dezem­ber als erwiesen an, dass Sil­vio Kahle im April an ein­er Feier teil­nahm, bei der Lieder der Neon­azi-Kult­band “Landser” gehört und mit­ge­sun­gen wur­den. Die Bun­de­san­waltschaft hat die Musik­gruppe als krim­inelle Vere­ini­gung angeklagt. Kahles Zeu­ge­naus­sage, man habe keine Landser-Lieder gehört, wertete Hein­rich als “vorsät­zliche Falschaus­sage”. Inzwis­chen bere­it­et offen­bar auch die Pots­damer Staat­san­waltschaft eine Anklage wegen Falschaus­sage gegen Kahle vor.

 

Doch es gab noch weit­ere Vor­würfe gegen Kahle. So soll er im Sep­tem­ber 1996 an der “Treb­bin­er Men­sch­jagd” teilgenom­men, bei der ital­ienis­che Bauar­beit­er von Neon­azis durch die Stadt gejagt, geprügelt und schw­er ver­let­zt wur­den. Dafür erhielt Kahle erst im Sep­tem­ber nach Jugend­strafrecht eine Ver­war­nung und eine Geld­strafe. Aus Sicht der Neu­rup­pin­er Staat­san­waltschaft war Kahle auch an einem Über­fall auf einen far­bigen Amerikan­er im ver­gan­genen Jahr beteiligt.

 

Auch für Rena Ueck­ert von der Treb­bin­er Ini­tia­tive war der Auss­chluss Kahles deshalb lange über­fäl­lig. “Ich habe kein­er­lei Ver­ständ­nis für die zöger­liche Hal­tung des Bürg­er­meis­ters”, so Ueck­erts harsche Kri­tik. Auch Wehrleit­er Burkhard Hein­rich führte sich von Bürg­er­meis­ter Berg­er im Stich gelassen. “Ich habe bere­its im Mai den Auss­chluss Kahles gefordert — aber nie eine Antwort erhalten.”

 

Unter­stützung für einen Rauswurf erhiel­ten sie let­ztlich auch aus dem Innen­min­is­teri­um. Es dürfe nicht der Ein­druck entste­hen, dass die Feuer­wehr etwas mit Recht­sex­trem­is­ten zu tun habe, sagte Sprech­er Wolf­gang Brandt. “Es ist unver­ständlich, dass so lange um eine Entschei­dung herum laviert wurde.”


 


 

Treb­bin­er Feuer­wehr zo Konsequenzen

Sil­vio K. wird entlassen

 

TREBBIN Treb­bins Amtswehrführer Peter Giesel­er hat die Ent­las­sung­surkunde für den Treb­bin­er Feuer­wehrmann Sil­vio K. unter­schrieben. Damit entsprach er dem Antrag der Frei­willi­gen Feuer­wehr Treb­bin, Sil­vo K. aus den Rei­hen der Feuer­wehr auszuschließen. Das trifft nicht auf Stef­fen T. zu, der eben­falls Mit­glied der Treb­bin­er Wehr ist. Die bei­den jun­gen Män­ner waren vor drei Monat­en vom Amts­gericht Luck­en­walde für schuldig befun­den wor­den, an dem bru­tal­en recht­sex­tremen Über­fall auf ital­ienis­che Bauar­beit­er 1996 beteiligt gewe­sen zu sein. Sil­vio K. soll zudem am 20. April dieses Jahres in ein­er Treb­bin­er Woh­nung an ein­er Feier teilgenom­men haben, bei der Lieder der Neon­azi-Band Landser gespielt und gesun­gen wur­den. Vor dem Amts­gericht Luck­en­walde, wo K. als Zeuge geladen war, bestritt er, dabei gewe­sen zu sein. Der Richter bew­ertete das als “vorsät­zliche Falschaus­sage”. Die Bürg­erini­tia­tive “Treb­bin miteinan­der” begrüßt die Entschei­dung des Amtswehrführers, die allerd­ings im Wider­spruch zum Stand­punkt des Treb­bin­er Bürg­er­meis­ters und Amts­di­rek­tors Thomas Berg­er ste­ht. “Ich bleibe auch jet­zt dabei, dass ger­ade bei jun­gen Leuten Bewährung bess­er ist als Aus­gren­zung”, so Berg­er gegenüber MAZ. “Sil­vio K. ist ein guter Feuer­wehrmann, aber seine gesellschaftliche Ein­stel­lung ist in der Feuer­wehr nicht trag­bar”, so Burkhard Hein­rich, Wehrführer der Frei­willi­gen Feuer­wehr Trebbin. 

Kom­men­tar von Stephan Breiding

Klare Gren­zen

Einige Entschei­dun­gen sind nicht so ein­fach, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Der Bürg­er­meis­ter von Treb­bin hat sich bis zum Schluss gegen den Rauswurf eines verurteil­ten Recht­sex­tremen aus der Frei­willi­gen Feuer­wehr gewehrt. Sein Argu­ment: Das Aus­gren­zen eines Missliebi­gen löse nicht die Prob­leme. Einge­bun­den in eine Gemein­schaft könne man ihn am besten aus der recht­sradikalen Szene her­aus­lösen. Der Ansatz hat etwas Ver­führerisches. Er geht davon aus, dass Men­schen sich ändern kön­nen und eine zweite Chance ver­di­enen. Doch das kom­pro­miss­lose Fes­thal­ten an diesem pos­i­tiv­en Men­schen­bild kann auch fatal sein. Ger­ade in der Auseinan­der­set­zung mit dem Recht­sex­trem­is­mus muss es klare Gren­zen geben — son­st riskiert man, nicht mehr ernst genom­men zu wer­den. Der Treb­bin­er Stadtchef muss sich schon die Frage gefall­en lassen, was noch hätte passieren müssen, damit ein Rauswurf berechtigt ist.

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V‑Mann-Affäre: Piato war Waffenhändler

Ein ehe­ma­liger V‑Mann des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes hat während sein­er Dien­stzeit mit Waf­fen gehandelt.


Bran­den­burg hat schon wieder eine V‑Mann-Affäre. Carsten Szczepan­s­ki wurde in der vorigen Woche vom Amts­gericht Pots­dam wegen Waf­fenbe­sitzes zu ein­er Geld­strafe in Höhe von 1 800 Euro verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die ehe­ma­lige Führungs­fig­ur der recht­en Szene aus Königs Wuster­hausen bei Berlin einige Zeit im Besitz eines Repetiergewehrs war, das er später an Uwe M., den Sänger der Neon­az­iband Prois­senheads weit­er­verkaufen wollte. Der Waf­fend­eal fand im Som­mer des Jahres 2000 statt, kurz vor der Ent­tar­nung des promi­nen­ten NPDlers. 

 

Szczepan­s­ki war in der recht­en Szene kein bloßer Mitläufer. Er gehörte jahre­lang dem Bran­den­burg­er Lan­desvor­stand der NPD an und er gab eines der ältesten und mil­i­tan­testen Naz­i­hefte, Unit­ed Skins, her­aus. Auch zur Führungsriege der so genan­nten nation­al­rev­o­lu­tionären Zellen und zur Organ­i­sa­tion Blood & Hon­our soll er gehört und rechte Großver­anstal­tun­gen in Bran­den­burg organ­isiert haben. Szczepan­skis Arbeit war erfol­gre­ich, Königs Wuster­hausen gilt bis heute als Hochburg mil­i­tan­ter Neonazis. 

 

Vor sieben Jahren war er vom Landgericht in Frankfurt/Oder wegen ver­sucht­en Mordes an einem nige­ri­an­is­chen Asyl­be­wer­ber zu ein­er Frei­heitsstrafe von acht Jahren verurteilt wor­den. Ob er schon vor der Tat für den Ver­fas­sungss­chutz arbeit­ete oder erst in der Unter­suchung­shaft ange­wor­ben wurde, ist nicht klar. Sich­er ist, dass Szczepan­s­ki seit 1994 für das bran­den­bur­gis­che Lan­desamt arbeit­ete und dafür 70 000 Mark kassierte. Seine Haft­strafe brauchte er nur teil­weise abzusitzen, er kam schließlich auf Bewährung frei. Nach Angaben der Staat­san­waltschaft läuft die Bewährungszeit noch. 

 

Mit sein­er Ent­tar­nung im Som­mer des Jahres 2000 wurde ein­mal mehr die Ver­strick­ung der Sicher­heits­be­hör­den mit der extremen Recht­en deut­lich. Kurz zuvor wurde der Thüringer Neon­azi Thomas Dienel ent­tarnt. Zwis­chen 1995 und 1998 kassierte er für seine Infor­ma­tio­nen 25 000 Mark vom Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz, mit denen er nach eige­nen Aus­sagen Pro­pa­gan­da­ma­te­r­i­al für die Naziszene finanzierte. 

 

Szczepan­s­ki lebt seit sein­er Ent­tar­nung an einem unbekan­nten Ort und wurde mit viel Aufwand und Geld vom Staat mit ein­er neuen Iden­tität aus­ges­tat­tet, um ihn vor Racheak­ten sein­er ehe­ma­li­gen Kam­er­aden zu schützen. Im Gerichtssaal erschien er mit ein­er Son­nen­brille und einem falschen Bart. Ob ihm die neue Iden­tität nach der Verurteilung wegen Waf­fenbe­sitzes noch nützt, ist fraglich. Die Jus­tiz muss dem­nächst entschei­den, ob der Waf­fend­eal nicht ein Ver­stoß gegen die Bewährungsaufla­gen war und Szczepan­s­ki wieder ins Gefäng­nis muss. 

 

Dass ein V‑Mann jet­zt auch noch im Waf­fen­han­del mit­mis­cht, bringt den bran­den­bur­gis­chen VS erneut in die Schlagzeilen. Inner­halb weniger Monate ist es der zweite Fall eines V‑Manns, über den der Ver­fas­sungss­chutz die Kon­trolle ver­loren hat. 

 

Im Som­mer machte der Guben­er Toni Stadtler Schlagzeilen. Er wurde in Berlin festgenom­men und ist inzwis­chen vom Berlin­er Landgericht zu ein­er Bewährungsstrafe verurteilt wor­den, weil er mit recht­sex­tremen CDs gehan­delt hat­te. In den Song­tex­ten war unter anderem zum Mord an Rita Süß­muth und Michel Fried­man aufgerufen wor­den. Toni Stadtler behauptete, er habe den CD-Han­del mit dem Wis­sen des Ver­fas­sungss­chutzes betrieben. Nach der Ansicht des Gerichts trägt der Ver­fas­sungss­chutz eine Mitschuld an der Ver­bre­itung von rechter Propaganda. 

 

Sei­ther wird in Bran­den­burg darüber disku­tiert, ob V‑Männer Straftat­en bege­hen dür­fen oder nicht. Der Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) will so genan­nte »szene­typ­is­chen« Straftat­en tolerieren, weil er meint, den Recht­sex­trem­is­mus son­st nicht wirkungsvoll beobacht­en zu können. 

 

Ver­ant­wortlich für das, was die V‑Leute immer wieder anricht­en, will man indes nicht sein. Zur Verurteilung von Toni Stadtler meinte Schön­bohm, er habe die »Weisun­gen seines Quel­len­führers mis­sachtet und sich durch eigen­mächtige Aktio­nen straf­bar gemacht«. 

 

Auch zum Ver­fahren gegen Szczepan­s­ki find­et der ehe­ma­lige Berlin­er Innense­n­a­tor markige Worte. Der Ein­druck, »das von einem kar­ri­ere­ori­en­tierten Staat­san­walt forcierte Ver­fahren habe Züge eines Schauprozess­es gegen den bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutz in sich getra­gen«, so Schön­bohm, sei nur schw­er zu entkräften. 

 

Bran­den­burgs Gen­er­al­staat­san­walt Erar­do Raut­en­berg teilte die Mei­n­ung Schön­bohms nicht, wonach man V‑Leuten »szene­typ­is­che« Straftat­en durchge­hen lassen solle. Wenig später bekam Raut­en­berg offen­bar einen Maulko­rb ver­passt. Es sei vere­in­bart wor­den, dass sich Bran­den­burgs Chefan­kläger nicht mehr zu dieser Frage äußert, hieß es aus der Press­es­telle des Jus­tizmin­is­teri­ums von Bar­bara Riech­stein (CDU).

 

Genützt hat das nur wenig. Ende Novem­ber befassten sich der Gen­er­al­bun­de­san­walt Kay Nehm und alle 25 deutschen Gen­er­al­staat­san­wälte auf ein­er inter­nen Arbeit­sta­gung in Karl­sruhe mit der Frage. Sie befan­den im Gegen­satz zum Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um ein­hel­lig, dass V‑Leuten des Ver­fas­sungss­chutzes keine »ein­satzbe­zo­ge­nen Straftat­en« erlaubt seien. Bran­den­burgs Innen­min­is­teri­um zeigte sich davon allerd­ings unbeein­druckt. Man sehe kein­er­lei Handlungsbedarf. 

 

Nun fordert die PDS im Pots­damer Land­tag den Rück­tritt Schön­bohms. Unter anderem begrün­det sie das mit den V‑Mann-Skan­dalen. Der Antrag ist wegen der Mehrheitsver­hält­nisse im bran­den­bur­gis­chen Par­la­ment freilich ohne Chance. Doch die SPD, die stärk­ste Partei im Land, die mit Schön­bohms CDU die Lan­desregierung stellt, ver­traut nach dem Waf­fend­eal eines V‑Manns dem früheren Bun­deswehrgen­er­al nicht mehr bedin­gungs­los. Möglicher­weise wer­den die Vorgänge nun im zuständi­gen Gremi­um des Land­tages geprüft, wie es die PDS lange fordert. 

 

Anders als Toni Stadtler kon­nte sich Carsten Szczepan­s­ki bei seinem Waf­fengeschäft nicht auf den Segen des Ver­fas­sungss­chutzes berufen, vielmehr hat­te wohl die Behörde die Kon­trolle über ihn ver­loren. »Er durfte lediglich Infor­ma­tio­nen aus der Szene abschöpfen und an den Ver­fas­sungss­chutz weit­er­leit­en«, erk­lärte Heiko Hom­burg, der Sprech­er des Innen­min­is­teri­ums. Das hat ja bestens geklappt.

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Keine idealen Opfer — Wahrnehmungsschwierigkeiten in Brandenburg

Einige Worte vorweg


Von Seit­en der rot-grü­nen Bun­desregierung wird Recht­sex­trem­is­mus derzeit allen­falls ver­wal­tet. Mit der halb­herzi­gen Weit­er­führung des Bun­de­spro­gramms CIVITAS meint man offen­bar, der Imagepflege und der Stre­ichelein­heit­en für eine lib­erale Öffentlichkeit genüge getan zu haben. Derzeit über­wiegt der Diskurs um “Zuwan­derungs­be­gren­zung”. Der definiert gle­ichzeit­ig die gesellschaftliche Stel­lung der poten­ziellen Opfer: Als Men­schen zweit­er Klasse ohne gle­iche Rechte. Damit liefert man den recht­en “Voll­streck­ern des Volk­swil­lens” aus­re­ichend Legit­i­ma­tion zum Zuschla­gen, ohne auf offen ras­sis­tis­che Kam­pag­nen wie Anfang der 90er Jahre set­zen zu müssen. So ver­wun­dert es dann auch kaum, dass recht­sex­trem und ras­sis­tisch motivierte Angriffe den Medi­en derzeit in den meis­ten Fällen nur noch Rand­no­ti­zen wert sind. Dabei hat sich die Zahl der Vor­fälle allen gegen­teili­gen offiziellen Ver­laut­barun­gen zum Trotz auf gle­ich­bleibend hohem Niveau sta­bil­isiert. Ein Blick in die Nachricht­e­na­gen­turen macht aber deut­lich, dass rechte Gewalt in den alten und neuen Bun­deslän­dern gle­icher­maßen nach wie vor zum All­t­ag gehört.

 

“Eine Gruppe von etwa 20 angetrunk­e­nen Neon­azis hat im nor­drhein-west­fälis­chen Ham­minkeln ran­daliert und dabei einen Türken schw­er und zwei Polizis­ten leicht ver­let­zt.” meldete dpa am 1. Sep­tem­ber. Zwei Tage später wer­den im bran­den­bur­gis­chen Cot­tbus ein jor­danis­ch­er Arzt und seine Tochter vor fünf Naziskins vor einem Super­markt ange­grif­f­en, geschla­gen und ras­sis­tisch beschimpft. Die Staat­san­waltschaft Cot­tbus leugnet zunächst jeglichen ras­sis­tis­chen Hin­ter­grund. Am 8. Sep­tem­ber wer­den im säch­sis­chen Chem­nitz zwei Fußball­spiel­er aus Kamerun am Rande des Stadt­festes von drei Naziskins ras­sis­tisch angepö­belt und ange­grif­f­en. Auch zwei Spiel­er des Chem­nitzer FC, die ein­greifen woll­ten, wer­den bedro­ht. Zehn Tage später stößt eine Gruppe rechter junger Män­ner auf dem Bahn­hof der bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt Per­leberg einen 25jährigen algerischen Asyl­be­wer­ber aus einem Region­alzug und treten dann auf den am Boden liegen­den Mann ein. Zuvor hat­te die Gruppe dessen deutsche Fre­undin mit recht­en Parolen beschimpft. In der Nacht zum 1. Okto­ber wer­fen unbekan­nte Täter zwei Molo­tow-Cock­tails in die Räume eines deutsch-türkischen Kul­turvere­ins im nieder­säch­sis­chen Nor­den­ham und sprühen Hak­enkreuze an die Hauswand. Bei dem Bran­dan­schlag entste­ht ein Sach­schaden von 75.000 Euro, fünf Bewohn­er des Haus­es kön­nen sich unver­let­zt ret­ten. Vier Tage später wer­den in Mönchenglad­bach zwei Rus­s­land­deutsche on drei Män­nern im Alter zwis­chen 22 und 41 Jahren zunächst mit frem­den­feindlichen Sprüchen belei­digt und dann ange­grif­f­en. Die Opfer erlei­den Platz- und Schnittwunden.

 

Diejeni­gen, die tagtäglich mit den Betrof­fe­nen in den fünf neuen Bun­deslän­dern und Berlin arbeit­en, kom­men in den nach­fol­gen­den Artikeln selb­st zu Wort. Einein­halb Jahre, nach­dem die Förderung durch das Bun­de­spro­gramm CIVITAS im Osten die Ein­rich­tung pro­fes­sioneller Ini­tia­tiv­en für die explizite Unter­stützung von Opfern rechter, ras­sis­tis­ch­er und anti­semi­tis­ch­er Gewalt ermöglicht hat, fall­en drei Aspek­te beson­ders auf: Der Bedarf an Unter­stützung ist so gross ist, dass die Struk­turen von haup­tamtlichen und ehre­namtlichen Mitar­bei­t­erIn­nen der Pro­jek­te ständig am Rand der Über­las­tung arbeit­en. Zum anderen bedin­gen sich insti­tu­tioneller Ras­sis­mus und Recht­sex­trem­is­mus bei den Fra­gen, wer Opfer rechter Gewalt wird und welche Möglichkeit­en die Betrof­fe­nen haben. Die Arbeits­ge­mein­schaft der Beratungsstellen für Opfer ras­sis­tis­ch­er, recht­sex­tremer und anti­semi­tis­ch­er Gewalt (agO­ra) fordert daher zu Recht als ersten Schritt ein Bleiberecht für die Betrof­fe­nen und sollte mit dieser Forderung nicht alleine gelassen werden.

 

Kaum Unter­stützung für Opfer im Westen

 

Während Opfer ras­sis­tis­ch­er und rechter Gewalt in den neuen Bun­deslän­dern und in Berlin inzwis­chen Unter­stützung von pro­fes­sionell arbei­t­en­den und aus dem Bun­de­spro­gramm CIVITAS finanzierten Ini­tia­tiv­en erhal­ten kön­nen, existieren in den alten Bun­deslän­dern kaum ver­gle­ich­bare Struk­turen. Frei nach dem Mythos “im Osten ist alles viel schlim­mer” ignori­eren Öffentlichkeit, Bun­des- und Lan­despoli­tik die Fak­ten: Dass die Über­reste der Zivilge­sellschaft im West­en die Opfer rechter Gewalt im Stich lassen. Hier hat das jahre­lang trans­portierte Bild, wonach Recht­sex­trem­is­mus, Ras­sis­mus und Anti­semitismus in erster Lin­ie ein “ost­deutsches Phänomen” sind, fatale Fol­gen. Forschungsergeb­nisse, die das Gegen­teil nach­weisen, wie zulet­zt die von der Uni­ver­sität Leipzig und dem Berlin­er Poli­tik­wis­senschaftler Oskar Nie­der­mey­er gemein­sam veröf­fentliche Studie “Recht­sex­treme Ein­stel­lun­gen in Deutsch­land” wer­den kaum zur Ken­nt­nis genom­men. Dabei ist das Ergeb­nis der Umfrage unter 2051 Befragten in Ost- und West­deutsch­land erschreck­end. So stimmten 43 Prozent aller Befragten der Aus­sage zu, “Aus­län­der kom­men nur hier­her, um unseren Sozial­staat auszunutzen”. Der Aus­sage “Die Bun­desre­pub­lik ist durch die vie­len Aus­län­der in einem gefährlichen Maß über­fremdet” stimmten 37 Prozent der Befragten aus dem West­en und 42 Prozent der Befragten aus dem Osten zu. Geht es um Zus­tim­mung zu anti­semi­tis­chen Aus­sagen, über­holen West­deutsche den Osten sog­ar bei weit­em. Eine find­et der Satz “der Ein­fluss der Juden ist zu groß” bei 31 Prozent der west­deutschen Befragten und bei 14 Prozent der Ost­deutschen Zus­tim­mung. Die logis­che Kon­se­quenz für eine antifaschis­tis­che Bewe­gung sollte es sein, aus eigen­er Kraft Struk­turen aufzubauen, die den Opfern der herrschen­den Mei­n­un­gen zur Seite ste­hen — unab­hängig von ein­er staatlichen Finanzierung.

 


 

Witt­stock an der Dosse,

 

eine Stadt am nordöstlichen Rand von Bran­den­burg, kommt aus den Schlagzeilen nicht her­aus. Die jüng­ste Mel­dung stammt von Anfang Sep­tem­ber: Unbekan­nte verübten auf die Gedenkstätte im Below­er Wald, in der an die Todesmärsche jüdis­ch­er Häftlinge kurz vor der Beendi­gung des zweit­en Weltkrieges erin­nert wird, einen Bran­dan­schlag. Seit Anfang der neun­ziger Jahre wur­den Migranten, dunkel­häutige Touris­ten, rus­sisch-deutsche Aussiedler und linke Jugendliche Opfer ras­sis­tis­ch­er Angriffe. Der Ort bildet einen Kristal­la­tion­spunkt der recht­sex­tremen Organ­isierung in Brandenburg.

 

Seit Anfang 2001 entsch­ied sich der Vere­in Opfer­per­spek­tive in Witt­stock und Umge­bung inten­siv und länger­fristig zu arbeit­en. Nach einem Angriff auf einen schwarzen Deutschen beka­men wir Hin­weise, dass nicht nur Migranten und linke Jugendliche Opfer von ras­sis­tis­ch­er Gewalt wur­den, son­dern auch immer mehr Ruß­land­deutsche Angrif­f­en, ins­beson­dere von recht­en Jugend­cliquen, aus­ge­set­zt sind. Zunächst stellte es sich sehr schw­er da, Kon­takt zu der rus­s­lan­deutschen Gemeinde zu erhal­ten. Die Opfer­per­spek­tive bemühte sich eine Recht­shil­febroschüre in rus­sis­ch­er Sprache zu verteilen und damit ver­bun­den ein konkretes Beratungsange­bot anzu­bi­eten. Einige wenige Fam­i­lien, die ein­er sys­tem­a­tis­chen Diskri­m­inierung oder kör­per­lichen Angrif­f­en aus­ge­set­zt waren, nah­men schließlich Kon­takt auf. Sehr schnell zeigte sich, dass auf der Seite der rus­sisch- deutschen Gemeinde eher eine pas­sive und abwartende Hal­tung dominierte. Die meis­ten Aussiedler waren nur bere­it, in anonymer Form über entsprechende Vorkomm­nisse zu bericht­en, sie hat­ten Angst vor möglichen Kon­se­quen­zen von Seit­en der Stadt und der örtlichen recht­en Szene. Sie sel­ber betra­chteten sich eher als Aus­län­der, denn als Sp&
auml;taussiedler. Nur wenige Betrof­fene von ras­sis­tis­chen Angrif­f­en, sahen einen Sinn darin, die Vor­fälle bei der Polizei anzuzeigen. Allerd­ings wurde das Team der Opfer­per­spek­tive nach eini­gen Gesprächen mit den Aussiedlern, schon bald von Fam­i­lie zu Fam­i­lie gere­icht und wir beka­men einen Ein­druck davon, unter welch enor­men Druck und unter welch­er Angst Aussiedler in Witt­stock und Umge­bung leben müssen.

 

Die eher pas­sive Hal­tung der Ruß­land­deutschen wird durch die Hoff­nung genährt, “bald” Witt­stock ver­lassen zu kön­nen und sich auf den Weg nach West­deutsch­land zu machen. Aussiedler sind zwar nach dem Bun­desver­triebe­nenge­setz zwar als deutsche Staats­bürg­er aufzunehmen, jedoch ist für sie das Wohn­raumzuweisungs­ge­setz gültig. Dies bedeutet, dass trotz der deutschen Staats­bürg­er­schaft das Grun­drecht der Freizügigkeit für die Dauer von drei Jahren eingeschränkt ist, es sei denn es gelingt den Spä­taussiedlern sich selb­ständig einen Arbeit­splatz zu suchen. Für viele Aussiedler in Witt­stock bedeutet dies: nach drei Jahren kann die Stadt und der Land­kreis ver­lassen wer­den. Aus diesem Grund fiel auch der Vorschlag des Teams der Opfer­per­spek­tive an die rus­sisch- deutschen Gesprächspart­ner, sich in das Bünd­nis für ein tol­er­antes Witt­stock einzubrin­gen und dieses Forum zu nutzen, um auf ihre eigene prikäre Sit­u­a­tion aufmerk­sam zu machen, auf keine Zustimmung.

 

Nazistruk­turen vor Ort

 

In der Stadt existiert ein­er der aktivsten NPD Kreisver­bände in Bran­den­burg. Der Land­wirt Mario Schulz baute inner­halb von zwei Jahren einen aktiv­en Kreisver­band in der Stadt auf, der ein­er­seits durch Demon­stra­tio­nen Nach­wuchs zu rekru­tieren ver­sucht, aber auch Ein­fluß auf die Kom­mu­nalpoli­tik ausüben will. Erst im April diese Jahres disku­tierte Schulz bei ein­er Ver­anstal­tung zum The­ma Recht­sex­trem­is­mus fleißig mit den städtis­chen Kom­mu­nalpoli­tik­ern und forderte für die örtliche nationale Jugend einen eige­nen Raum.

 

Er selb­st stellt für die örtliche rechte Szene eine Art Vater­fig­ur da, Ansprech­part­ner für poli­tis­che Diskus­sio­nen, wie auch für soziale Prob­leme sein­er Schützlinge.
Neben der NPD, die vor­wiegend jugendlichen Anhänger in Witt­stock und Umge­bung besitzt, gibt es noch einzelne rechte Cliquen, die durch eine hohe Gewalt­bere­itschaft auf­fall­en. An dem durch die Medi­en bekan­nt gewor­de­nen Tre­ff­punkt an der Elf Tankstelle, mis­cht sich jedoch das “organ­isierte” rechte Klien­tel mit den eher sub­kul­turell aus­gerichteten Cliquen. Die meis­ten ras­sis­tis­chen Über­grif­f­en in Witt­stock wer­den von diversen losen, auf “Kam­er­ad­schaft” basieren­den Struk­turen aus­geübt, was nicht heißen soll, dass Pro­tag­o­nis­ten der örtlichen NPD wie Sven Knoop und Matthias Wirth in diese Angriffe involviert sind.

 

Nach dem Tod von Kajrat B. dis­tanzierte sich die örtliche NPD von dem bru­tal­en Mord und einige “Kam­er­aden” nah­men an dem Trauer­marsch teil. Mit den Worten “Gewalt ist keine Lösung- Deutsche sollen keine Deutschen schla­gen” appel­liert der Vor­sitzende an seinen recht­en Nach­wuchs. Doch großen Ein­fluß auf seine zumeist jugendlichen Anhänger scheint der recht­sex­treme Kader­mann nicht zu haben.
Der Vere­in Opfer­per­spek­tive reg­istri­erte allein für das erste Hal­b­jahr 2002 neun ras­sis­tis­che Angriffe auf Aussiedler in Wittstock.

 

Das Prob­lem eines Bünd­niss­es von Oben

 

Es dauerte lange bis in Witt­stock die recht­sex­tremen Struk­turen wahrgenom­men wur­den und als Prob­lem definiert wur­den. Antifas­truk­turen oder andere anti­ras­sis­tis­che, linke Basisini­tia­tiv­en existieren vor Ort nicht, die Jugend­kul­turen sind über­wiegend rechts dominiert. Noch im let­zten Jahr verkün­dete der örtliche Bürg­er­meis­ter der Presse:” Weil hier so eine Truppe am Werk ist, heißt es Witt­stock ist rechts. Witt­stock ist nicht rechts”.
Das Prob­lem rechter Angriffe wurde einzel­nen Per­so­n­en zugeschrieben, indi­vi­did­u­al­isiert und somit bagatellisiert.
Erst Ende des Jahres 2001 grün­dete sich ein Bünd­nis gegen Recht­sex­trem­is­mus, welch­es von der Polizei ini­ti­iert wurde und haupt­säch­lich aus einzel­nen städtis­chen Funk­tion­strägern beste­ht. Aus­gangspunkt dieses “Bünd­niss­es für ein Tol­er­antes Witt­stock” war eine als Geburt­stagspar­ty getarnte Ver­samm­lung von 60 Neon­azis im örtlichen Jugend­club Havan­na, im Herb­st 2001, die durch einen gewalt­samen Ein­satz der Mega aufgelöst wurde. Danach forderte die örtliche Polizei die Ein­rich­tung eines “Präven­tion­srates” und auch der Super­in­ten­dent der evan­ge­lis­chen Kirche rief zur Beteili­gung an einem Bünd­nis auf.

 

Die Beschränk­theit ein­er Stel­lvertreter­poli­tik im Kopf, entsch­ied sich das Team der Opfer­per­spek­tive den beste­hen­den Kon­takt zu dem Bünd­nis zu nutzen, um über die des­o­late Sit­u­a­tion der Aussiedler zu informieren und zu ein­er Sen­si­bil­isierung beizu­tra­gen. Par­al­lel set­zten wir die Besuch bei den betrof­fe­nen deutsch- rus­sis­chen Fam­i­lie fort und führen eine Doku­men­ta­tion der Geschehnisse.

 

Der Tod von Kajrat B.

 

Am frühen Mor­gen des 4.05.02 wur­den Kajrat B. und sein Fre­und Max K. nach einem Par­tybe­such in Alt- Daber bei Witt­stock von hin­ten ange­grif­f­en und mit äußer­ster Bru­tal­ität zusam­mengeschla­gen. Max K. berichtet später, dass sie schon während der Technopar­ty gemerkt haben, dass sie als “Ruß­land­deutsche” erkan­nt wor­den waren und sich unwohl gefühlt hät­ten. Der Angriff wurde min­destens von vier Per­so­n­en began­gen, dabei war einem der Opfer mit einem Feld­stein der Brustko­rb zertrüm­mert wor­den , außer­dem wurde er mit scheren Stiefel­trit­ten trak­tiert. Um die Angreifer stand zu diesem Zeit­punkt eine ca. 10 bis fün­fzehn köp­fige Gruppe, die nicht einge­grif­f­en hat. Die Staat­san­waltschaft geht von einem frem­den­feindlich­es Motiv für die Tat aus. Zwei Wochen später erlag Kajrat B. seinen schw­eren inneren Ver­let­zun­gen. Der Tod von Kajrat B. spitzte die Sit­u­a­tion in Witt­stock inner­halb kurz­er Zeit unge­mein zu. Die rus­sisch- deutsche Gemeinde befand sich nach dem Tod von Kajrat wie in einem Schockzustand.

 

Auch wenn das frem­den­feindliche Tat­mo­tiv bish­er nur von der Staat­san­waltschaft ver­mutet wird, doch auf Seit­en der rus­sisch deutschen Gemeinde gibt es nicht einen Vertreter, der nicht davon aus­ge­ht, dass Kajrat B. Opfer eines ras­sis­tis­chen Angriffs wurde.

 

Ruß­land­deutsche keine ide­alen Opfer?

 

Doch es dauerte Tage bis sich öffentliche Funk­tion­sträger, Medi­en und Antifaschis­ti­In­nen äußerten. Eine Spon­tandemon­stra­tion fand in Witt­stock nicht statt, zu dem Trauer­marsch zwei Wochen später kamen nur wenige Men­schen. In diesem Fall mußte die Opfer­per­spek­tive erneut fest­stellen, dass es sowohl bei den Funk­tion­strägern in den Behör­den, aber auch beim über­wiegen­den Teil der Mitar­beit­er des Bünd­niss­es, große Schwierigkeit­en gab, Ruß­land­deutsche als Betrof­fene von ras­sis­tis­ch­er Gewalt wahrzunehmen. Erst nach dem bru­tal­en Mord von Kajrat B. wurde das Aus­maß der Angriffe gegen Ruß­land­deutsche erkan­nt und Ver­säum­nisse eingestanden.

 

Offen­sichtlich ste­ht in diesem Fall die spez­i­fis­che Wahrnehmung der Gruppe der Ruß­land­deutschen quer zur sozialen Kon­struk­tion des “ide­alen Opfers”, welch­es im Regelfall von einem unbekan­nten, kör­per­lich über­lege­nen Täter ange­grif­f­en wird, obwohl das Opfer alles gemacht hat diesen Angriff zu ver­hin­dern. Auch sollte ein “ide­ales Opfer” sich wed­er dem Täter gegenüber pro­voka­tiv ver­hal­ten haben, noch sich an einem unsicheren Ort aufge­hal­ten haben. Beim Ein­tr­e­f­fen der Polizei sollte sich das Opfer koop­er­a­tiv zu den Erm
ittlungs­be­hör­den verhalten.

 

Offen­sichtlich sind bei der Zubil­li­gung des Opfer­sta­tus solche Aspek­te entschei­dend. Antworten von Seit­en der Anwohn­er wie “die sind ja sel­ber schuld, wenn sie ange­grif­f­en wer­den” sind eher die Regel, als die Aus­nahme. Doch bee­in­flußt diese Bild nicht nur die Bevölkerung Witt­stocks, son­dern ist auch unter AntifaschistIn­nen ein weit ver­bre­it­etes Argu­ment. “Die Aussiedler wehren sich wenig­stens, die haben was drauf”. Woher diese Zuschreiben kom­men und welchen empirischen Gehalt sie aufweisen bleibt zu bezweifeln.

 

Geschürt wur­den in Witt­stock solche Argu­men­ta­tio­nen auch durch einen Teil der Medien.
So schrieb der Spiegel Redak­teur Hol­ger Stark in einem Beitrag über Witt­stock von ein­er “sibirischen Selb­stjus­tiz”, vor der selb­st die Recht­en Angst hät­ten. Operierend mit dem Bild des “kräfti­gen Kasachen” kon­stru­iert er einen Ban­denkon­flikt zwis­chen Spä­taussiedlern und der örtlichen recht­en Szene (vgl. Spiegel 27/02). Die Diskurse über den “kräfti­gen Kasachen” und die “sibirische Selb­stjus­tiz” sind älteren Ursprungs und lassen sich auf die nation­al­sozial­is­tis­che Pro­pa­gan­da und die Zeit nach 1945 zurück­führen, in der sys­tem­a­tisch Angst vor den Russen und später vor den Besatzungsmächt­en geschürt wurde.

 

Zwischenbilanz

 

Durch den Tod von Kajrat B. sind die Fun­tion­sträger der Stadt aufgewacht. Es ist eine Sit­u­a­tion einge­treten, in der das Aus­maß recht­sex­tremer Angriffe nicht mehr ver­harm­lost wird und gle­ichzeit­ig seit­ens der Stadt anerkan­nt wird, dass es jahre­lang ver­nach­läs­sigt wurde Inte­gra­tions­maß­nah­men anzu­bi­eten und Kon­takt zu den Spä­taussiedlern aufzubauen. Von Seit­en der rus­sisch ‑deutschen com­mu­ni­ty wird die Notwendigkeit ein­er Inter­essensverte­tung anerkan­nt, es gibt Ver­suche der jugendlichen Spä­taussiedler für einen eige­nen Club zu kämpfen. Kri­tisch bleibt anzumerken, dass ein Bünd­nis ohne antifaschis­tis­che Jugendliche, Basisini­tia­tiv­en und Betrof­fene ras­sis­tis­ch­er Gewalt, der eige­nen Beschränk­theit zwis­chen pro­fes­sioneller Jugen­dar­beit und dem Anse­hen der Stadt aus­ge­set­zt ist.

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Nazischutzgebiete — zwei beispielhafte Biotope

In den frühen Mor­gen­stun­den des 13. Feb­ru­ars 1999 wurde der Algerier Farid Guen­doul von ein­er Horde Neon­azis in Guben in den Tod gehet­zt. Das Out­ing des Top-Infor­man­ten des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes, Tino Stadler, in diesem Som­mer und inten­sive Recherchen von AntifaschistIn­nen der ver­gan­genen Monate stellen nicht nur wieder­holt die Frage nach dem Ziel und damit dem Sinn der Arbeit des Ver­fas­sungss­chutzes. Sie verdeut­lichen auch, wie die Guben­er Naziszene und auch die bun­des­deutsche Naz­imusikpro­duk­tion von öffentlichen Amt­strägern sorgsam gehätschelt, unter­stützt und auss­chließlich beobachtet wurde.



 

Der Ver­fas­sungss­chutz und Guben

 

Was nach der Tode­shatz auf Farid Guen­doul fol­gte, waren die fast gängi­gen Beschwich­ti­gun­gen, Abwiegelun­gen und Schuld­ver­drehun­gen. Guben sei keine Hochburg der Recht­en, sagte etwa die Polizei. Jegliche Ver­nun­ft entschwand damals dem Bürg­er­meis­ter von Sprem­berg, Egon Wochatz, der in einem Inter­view fragte, was Farid Guen­doul “denn nachts auf der Straße zu suchen [hat­te]?”.
Die fast schon üblichen Forderun­gen nach ver­stärk­ter Polizeipräsenz ende­ten mit dem ver­stärk­ten Aus­bau von Son­dere­in­heit­en der Polizei, etwa der MEGA. Dass seit Grün­dung der­ar­tiger Ein­heit­en die Zahl recht­sex­tremer Gewalt­tat­en trotz­dem gestiegen ist, ist ein Hin­weis auf deren unbrauch­bares Repres­sion­skonzept. Reine Augen­wis­cherei waren schließlich die Pläne vom Polizeipräsi­dent Jür­gen Lüth, der Anfang 2001 mit der Grün­dung von polizeilichen Pro­jek­t­grup­pen in Guben und Cot­tbus den “gläser­nen Neon­azi” schaf­fen wollte. Diesen durch­schaubaren Nazi gab es näm­lich schon lange vorher, zumin­d­est in den Rech­n­ern des Ver­fas­sungss­chutzes. Denn schon vor Stadler gab es min­destens zwei V‑Leute in der Cot­tbus-Guben­er-Naziszene, die ab Mitte der 90er Jahre detail­lierte Infor­ma­tio­nen an staatliche Stellen weitergaben.

 

Die Sozialar­beit und Guben

 

Der Chef­sozialar­beit­er von Guben, Ingo Ley, warnte nach der Tode­shatz stattdessen vor “mil­i­tan­ten Autonomen” und “bezahlten Profikillern”, welche nun führende Nazis in Guben “ein­fach abknallen” kön­nten. Ger­ade Ley kann als ein­er der führen­den Züchter des örtlichen Naz­ibiotops beze­ich­net wer­den. Als Sozialar­beit­er ohne sozialpäd­a­gogis­che Aus­bil­dung betreute er spätestens ab Mitte der 90er Jahre in AgAG-Manier die neon­azis­tis­chen Jugend­cliquen. Dabei ver­fügte er auch über enge Kon­tak­te zum Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutz, welch­er über ihn Ein­fluss auf die Jung­nazis nehmen wollte.
Eine der psy­chol­o­gis­chen Fol­gen von Leys Betreu­ung war, dass sich die Jugendlichen gestärkt und bestätigt in ihrem Denken und Han­deln fühlten. Dies erzählte uns bei unseren Recherchen ein Jugendlich­er von damals. Ley soll dafür gesorgt haben, dass die Jugend­cliquen in öffentliche Jugend­clubs hineinka­men und dort — qua­si als pos­i­tiv­en Neben­ef­fekt — noch neue Jugendliche anwer­ben kon­nten. “Dadurch dass man uns dazu motiviert hat, prak­tisch reingeschub­st hat, in die öffentlichen Ein­rich­tun­gen, haben wir noch mehr Ein­fluss auf die anderen Jugendlichen bekommen.”
Die akzep­tierende und unter­stützende Sozialar­beit von Ley ging soweit, dass er bei den wöchentlichen, strö­mungsüber­greifend­en Führungstr­e­f­fen der Guben­er Naziszene mit am Tisch saß und schweigend zuhörte. Dort saßen beispiel­sweise auch Chris­t­ian Wendt, damals noch Kad­er der 1997 aufgelösten Die Nationalen e.V., und die später “entschei­denene Fig­ur” (O‑Ton Gericht) am Tod von Farid Guen­doul, Alexan­der Bode.

 

Neon­azis und Guben

 

Der Neon­azi Chris­t­ian Wendt, der Ende 1991 stel­lvertre­tender Vor­sitzen­der des FAP-Lan­desver­ban­des Berlin wurde, begab sich bere­its Anfang der 90er Jahre nach Guben, um dort rechte Auf­bau- und Sozialar­beit für und mit recht­en Jugendlichen zu machen. Er organ­isierte Fußball­turniere und andere Freizeitak­tiv­itäten und wollte ein “Nationales Jugendzen­trum” durch­set­zen. Deswe­gen nahm er als Stel­lvertreter für die recht­en Jugendlichen am “Run­den Tisch” der Stadt Guben teil, wo er teil­weise dro­hend seine Forderun­gen vortrug. Später kamen dann auch Schu­lungsver­anstal­tun­gen hinzu, welche regelmäßig im Klub “Junge Welt” stat­tfan­den. Diese wur­den maßge­blich von Wendt und dessen poli­tis­chen Ziehvater, Frank Schw­erdt, organ­isiert. Bei­de, Wendt und Schw­erdt, ste­hen für die Organ­isierung und Schu­lung der örtlichen Naziszene. Eine der­ar­tige Ver­anstal­tung zur ver­bote­nen Wik­ing-Jugend sollte von Wolf­gang Nahrath bestrit­ten wer­den, die jedoch von der Polizei unter­bun­den wurde. Nahrath hielt den­noch eine kurze Rede, die er nach Aus­sage eines Augen­zeu­gen mit den Worten “Heil Hitler” been­det haben soll.

 

Der V‑Mann “Toni Turnschuh”

 

Häu­figer Gast bei der­ar­ti­gen Ver­anstal­tun­gen in der “Jun­gen Welt” war Toni Stadler, der jüngst geoutete Spitzen­in­for­mant des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes. Schenkt man einem Bekan­nten von ihm Glauben, dann war er “Anfang der 90er Jahre bis zu bis zum ihrem Ver­bot in der FAP aktiv und pflegte bis heute regen Kon­takt zu dem Kreis um Lars Burmeister”.

 

Inner­halb der Guben­er Naziszene galt Stadler als der­jenige mit den meis­ten Kon­tak­ten, so u.a. zu den Naz­ibands Nord­wind und Frontalkraft, zum ver­stor­be­nen Daniel Eggers und zur säch­sis­chen Führungsriege der Wan­der­ju­gend Gibor (WJG). Stadler warb denn auch regelmäßig für deren Aktio­nen in der Guben­er Szene. Selb­stver­ständlich nahm er auch mehrmals an den Aktiv­itäten der WJG teil, deren ide­ol­o­gis­chen Ansprüchen er jedoch nicht immer genü­gen kon­nte. Deswe­gen wurde für ihn eigens das Spot­tlied “Toni Turn­schuh” gedichtet.

 

Ab 1997 war Stadler als Oberge­fre­it­er a.D. eben­falls offizieller Ansprech­part­ner der Reservis­tenkam­er­ad­schaft (RK) der Bun­deswehr in Guben. Szenein­tern bewarb Stadler die Aktiv­itäten der RK u.a. damit, dass man häu­figer auf die Schieß­plätze der Bun­deswehr fahre und Schießübun­gen abhalte. Der heutige Vor­sitzende der RK ist Alexan­der Franz, ein Recht­san­walt aus ????, der auch Toni Stadler in zivil­rechtlichen Din­gen berät. Und zumin­d­est 1998 nahm Franz eben­falls an einem Aus­flug der Wan­der­ju­gend Gibor teil.

 

Nicht zulet­zt war Stadler der szenebekan­nte Ansprech­part­ner für die Beschaf­fung jed­er Art neon­azis­tis­ch­er Musik. Wer was wollte, egal ob legal oder ille­gal, ging zum “Toni”. Han­delte der anfangs eher mit Raubkopi­en, soll er später die Orig­i­nal-CDs “waschkör­be­weise” zu Hause gehabt haben. Alle in der recht­en Szene wussten das. Und natür­lich auch der Ver­fas­sungss­chutz, der ihn schon damals auf dem Kick­er hatte.

 

Hinzu kommt, dass Stadler über die Ver­san­dliste des von ihm betriebe­nen Ladens “Hate­crime” (früher Top-One) auch indizierte CDs anbot. Hierzu zählten diesen Som­mer beispiel­sweise .… Ein der­ar­tiger offen­er Umgang ist wohl nur möglich, wenn man sich sich­er fühlen kann und wenig Angst vor Strafver­fahren und Gericht­sprozessen hat.
Über den genauen Anwer­bezeit­punkt von Stadler durch das Bran­den­burg­er Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz ist nichts Hand­festes bekan­nt. Die veröf­fentlicht­en Dat­en wider­sprechen sich — in der Diskus­sion ste­ht 2000/2001 — und auch der ver­meintliche Grund von Stadlers Mitar­beit — ein Verkehrs­de­likt — wirkt nicht überzeu­gend. Stadler war schon in den 90er Jahren in Verkehrs­de­lik­te ver­wick­elt und auch das schon erwäh­nte, sehr laxe Ver­hal­ten bei seinen strafrel­e­van­ten Aktiv­itäten schließt a
ndere Anwer­bezeit­punk­te nicht aus. Auch gab Stadler in sein­er Vernehmung nach der Fes­t­nahme an, dass er seinen “Han­del niemals in so einem großen Stil aufge­zo­gen [hätte]”, wenn ihm nicht — mit Rück­endeck­ung des Leit­ers des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes Hein­er Wegesin — “Straf­frei­heit bei einem eventuellen Ver­fahren zugesichert wor­den wäre.”

 

Wie viele V‑Leute braucht man, um eine Nazi-CD zu produzieren?

 

Fakt ist, dass Stadler als V‑Mann gemein­sam mit dem V‑Mann Mirko Hesse an der Her­stel­lung der Landser-CD “Ran an den Feind” und die White Aryan Rebels (WAR) ‑CD “Noten des Has­s­es” beteiligt war. Bei­de CDs kann man — zynisch for­muliert — inzwis­chen als Pro­duk­tio­nen der Ver­fas­sungss­chutzbe­hör­den beze­ich­nen. Zwei der drei bekan­nt gewor­de­nen Ersteller der “Noten des Has­s­es” waren V‑Leute und der dritte — der mut­maßliche WAR-Sänger Lars Burmeis­ter — kon­nte nach sein­er Fes­t­nahme mit aus­ge­sprochen nach­sichti­gen Richtern rechnen.

 

Burmeis­ter begann seine Kar­riere als Vor­sitzen­der des Berlin­er Lan­desver­ban­des der inzwis­chen ver­bote­nen FAP. 1992 war er an einem Über­fall auf eine Gruppe Linke beteiligt, in dessen Folge eines der Opfer bis heute sehbe­hin­dert ist. Fol­gen hat­te dies erst mal nicht. Im August 1995 nahm die nor­wegis­che Polizei Burmeis­ter in Hokksund fest, da gegen ihn ein inter­na­tionaler Haft­be­fehl wegen des Angriffes 1992 vor­lag. Bis dahin lebte der Berlin­er schon einige Zeit in Nor­we­gen und knüpfte vielfältige Kon­tak­te zu führen­den Aktivis­ten der nor­wegis­chen Neon­aziszene. Hierzu zählen etwa der über­führte Bomben­bastler Ole Krogstad, ein­er der führen­den Vertreiber neon­azis­tis­ch­er Musik in Norwegen.
Knapp fünf Monate nach sein­er Fes­t­nahme wurde Burmeis­ter nach Deutsch­land aus­geliefert, wo er sich aber einige Monate später ohne eine Verurteilung schon wieder auf freiem Fuß befand. Zu jen­er Zeit beteuerte er auch vor Gericht seinen Ausstieg aus der Nazi-Szene, um dreist einige Wochen später an ein­er Nazide­mo vor eben diesem Gericht teilzunehmen. Er bekam ins­ge­samt acht Monat­en auf Bewährung wegen des schw­eren Angriffes von 1992.
Später engagierte sich Burmeis­ter in der Berlin­er Kam­er­ad­schaftsszene, u.a. bei der Weißen Arischen Brud­er­schaft (WAB), und pro­duzierte gemein­sam mit Stadler und Hesse die WAR-CD “Noten des Has­s­es”. Am 20. Juli woll­ten sich Stadler, Burmeis­ter und Thomas Pers­dorf bei einem, von der Polizei ver­hin­derten Konz­ert im WAB-Klub­haus in Berlin-Marzahn tre­f­fen, um eine Neuau­flage der WAR-CD zu planen.

 

Burmeis­ter kam in Unter­suchung­shaft, gegen ihn wurde wegen der Her­stel­lung und Ver­bre­itung der “Noten des Has­s­es” ermit­telt. Doch auch hier kam er auf mys­ter­iöse Art mit ein­er weit­eren Bewährungsstrafe davon. Sein Haft­prü­fung­ster­min am 9. Sep­tem­ber 2002 wurde in eine Hauptver­hand­lung umge­wan­delt. Er ges­tand seine Beteili­gung an der Her­stel­lung und Ver­bre­itung der CD. Für das Gericht sprachen aus der “umfassenden Geständigkeit” von Burmeis­ter “glaub­haft Ein­sicht und Reue”. Somit bekam er 22 Monate, selb­stver­ständlich auf Bewährung.

 

Resümee

 

Guben und die Erstel­lung bun­desweit bekan­nter Neon­azi-CDs sind zwei Beispiele für staatliche Nazis­chutzge­bi­ete. Diese braunen Biotope wur­den von Ver­fas­sungss­chutzämtern jahre­lang infil­tri­ert und beobachtet. Doch wofür? Die Ver­fas­sungss­chutzbe­hör­den haben damit keinen ras­sis­tis­chen Mord ver­hin­dert. Mit Stadler und Hesse waren min­destens zwei Infor­man­ten von Ver­fas­sungss­chutzbe­hör­den aktiv an der Pro­duk­tion der CD “Ran an den Feind” der neon­azis­tis­chen Band Landser beteiligt. Die ras­sis­tis­chen Lieder dieser neon­azis­tis­chen Band bilde­ten den musikalis­chen Back­ground der drei Nazis, als sie im Som­mer 2000 Alber­to Adri­ano im Dessauer Stadt­park erschlu­gen. Und auch in der Nacht der Tode­shatz auf Farid Guen­doul schallte die ras­sis­tis­che Botschaft von Landser aus den Autos der Ver­fol­ger um Alexan­der Bode. Eine halbe Stunde später war Farid Guen­doul verblutet.

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Noch ein V‑Mann-Fall

Im fol­gen­den doku­men­tieren wir einen Artikel des Bran­den­burg­er Verfassungsschutzes


Drei Män­nern aus der recht­sex­trem­istis­chen Szene — dort teils noch heute aktiv, teils schon seit Jahren nicht mehr — wur­den vom Amts­gericht Pots­dam Geld­strafen aufer­legt, weil sie in der ersten Hälfte des Jahres 2000 ille­gal im Besitz von Waf­fen waren. Zwei der Verurteil­ten waren der inter­essierten Öffentlichkeit schon vorher nicht ganz unbekan­nt: Uwe M., der Sänger der recht­sex­trem­istis­chen Pots­damer Band “Prois­senheads”, und Carsten S., ein ehe­ma­liger V‑Mann des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes, der seit sein­er Ent­tar­nung im Som­mer 2000 unter polizeilichem Zeu­gen­schutz steht. 

 

Vor vier Wochen war Toni S., ein ander­er V‑Mann der bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde, verurteilt wor­den. Mit was für Leuten lassen sich die Ver­fas­sungss­chützer ein? Geben sie ihnen gar Rück­endeck­ung für Straftat­en? Solche Fra­gen sind sehr ver­ständlich. Sie lassen sich jedoch gut beantworten. 

 

Wie zuver­läs­sig sind V‑Leute?

 

V‑Leute liefern dem Ver­fas­sungss­chutz geheime Infor­ma­tio­nen aus extrem­istis­chen Grup­pierun­gen. Sie bewe­gen sich nicht nur in solch frag­würdi­gem Milieu, sie gehören ihm sel­ber an; sie sind von ihm geprägt. Aber der Ver­fas­sungss­chutz lässt sich auf eine begren­zte Zusam­me­nar­beit mit solchen Per­so­n­en nur ein, wenn er nach sorgfältiger Prü­fung in jedem Einzelfall zu dem Schluss kommt: Dieser Mann, diese Frau ist den­noch zuver­läs­sig, wird sich an Weisun­gen hal­ten und keine Straftat­en bege­hen. Eine solche Prog­nose ist die unab­d­ing­bare Voraus­set­zung für den Ein­satz ein­er V‑Person!

 

Es gibt keine Prog­nose, die nicht durch uner­wartete Ereignisse wider­legt wer­den kann. Und auch dies ist eine Selb­stver­ständlichkeit: Das Ver­hal­ten von Men­schen lässt sich nicht abso­lut sich­er vorherse­hen. Deshalb kann es eben auch vorkom­men, dass eine V‑Person sich an Weisun­gen nicht hält und hin­ter dem Rück­en der Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde Straftat­en bege­ht. Dieses Risiko suchen die Ver­fas­sungss­chutzbe­hör­den durch Kon­trolle und Führung so weit wie möglich zu min­imieren, auss­chließen kön­nen sie es nicht. 

 

V‑Mann lässt Waf­fengeschäfte platzen

 

Carsten S. saß wegen eines schw­eren, frem­den­feindlich motivierten Gewaltver­brechens im Gefäng­nis, als er einst dem Ver­fas­sungss­chutz eine Zusam­me­nar­beit anbot. Kon­nte und durfte die Behörde dieses Ange­bot annehmen? Darüber wurde sein­erzeit sehr gründlich nachgedacht. Neben vie­len anderen Gesicht­spunk­ten waren auch diese bei­den wichtig: Würde sich Carsten S. kün­ftig strikt jed­er Gewal­tan­wen­dung enthal­ten? Prog­nose: ja. Ergeb­nis: Prog­nose zutr­e­f­fend. Würde Carsten S. sich an Weisun­gen und Ver­hal­tens­maßregeln der Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde hal­ten? Prog­nose: ja. Ergeb­nis: Prog­nose ganz über­wiegend zutreffend. 

 

Carsten S. hat­te durch Szenekon­tak­te ver­schiedentlich Ken­nt­nis von Waf­fengeschäften bekom­men, die jet­zt oder auch in anderen Ver­fahren abgeurteilt wur­den. Brisant waren ins­beson­dere die Fälle mit ter­ror­is­tis­chem Hin­ter­grund, gegen die sich die jet­zt ver­han­delte Sache — die keinen solchen Hin­ter­grund hat — doch harm­los­er aus­nimmt. Über alles, was ihm hierüber zu Ohren kam, hat­te Carsten S. der Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde wahrheits­gemäß und umfassend berichtet. Nur ein Detail hat­te er ihr ver­schwiegen: dass er eine Waffe, an der Uwe M. als Samm­ler inter­essiert war, kurzzeit­ig in seinem Laden­lokal deponiert hat­te. Denn er wusste recht wohl, dass er dies nicht hätte tun dür­fen. Oft genug war er ermah­nt wor­den, keine Waffe in die Hand zu nehmen! 

 

Wichtiger aber erscheint die andere Seite der Medaille: Weil die Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde von Carsten S. entsprechend informiert wor­den war, kon­nte sie ihrer­seits die Strafver­fol­gungs­be­hör­den über Waf­fen in der recht­sex­trem­istis­chen Szene unter­richt­en. Erst diese Infor­ma­tio­nen also lösten die Ermit­tlun­gen aus, an deren Ende — nach früheren Gerichtsver­hand­lun­gen zu anderen, wesentlich schw­er­eren Delik­ten — schließlich der heutige Prozess stand! Im Zuge dieser Ermit­tlun­gen kam denn auch das erwäh­nte Detail ans Licht, das Carsten S. zunächst für sich behal­ten hat­te und das ihm nun eine Strafe eintrug. 

 

Das Faz­it: Carsten S. hat der Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde zahlre­iche wertvolle Infor­ma­tio­nen geliefert, von denen viele auch den Strafver­fol­gungs­be­hör­den zugute kamen. In ein­er dieser Infor­ma­tio­nen hat er sich nun selb­st ver­fan­gen, weil er eine Weisung des Ver­fas­sungss­chutzes nicht ernst nahm.

Inforiot