Kleidung der bei Rechten beliebten Bekleidungsmarke “Thor Steinar” darf
nicht mehr in Tschechien verkauft werden. Das sagte ein Sprecher der Polizei
in Plzen der Mlada fronta Dnes. Erst Mittwoch hatte das Landgericht
Neuruppin ein Verbot des Runenwappens von “Thor Steinar” bestätigt, da es
dem Symbol der Waffen-SS ähnele.
Monat: November 2004
Dienstagabend im Stadion der Freundschaft in Cottbus: Das Abspielen der
deutschen Nationalhymne vor dem Fußball-Qualifikationsspiel der
U‑21-Nationalmannschaften zwischen Deutschland und Polen ist für den
22-jährigen Enrico J. aus Vetschau willkommener Anlass, seine rechtsradikale
Gesinnung einem breiten Publikum zu zeigen. Demonstrativ erhebt er auf der
neuen Osttribüne seine rechte Hand zum Hitlergruß. Die Polizei hält die
Provokation mit einer Überwachungskamera fest.
Gestern Nachmittag im Amtsgericht Cottbus. In einem beschleunigten Verfahren
wird Enrico J. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, weil er
das Symbol der Nazidiktatur in aller Öffentlichkeit gezeigt hat. Die Strafe
wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der junge Mann aus Vetschau mit fast kahl geschorenem Kopf macht auch vor
Gericht aus seinen Ansichten keinen Hehl. Den Kapuzenpullover, den er trägt,
ziert der Schriftzug der Marke “Lonsdale”, die wegen der Buchstabenfolge
“NSDA” für die nationalsozialistische NSDAP bei Rechtsradikalen beliebt ist.
Das Zeigen des Hitlergrußes will der 22-Jährige mit Dummheit und
Alkoholgenuss als Bagatelle abtun. Allerdings gibt er auf energische
Nachfragen von Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Rupieper und Staatsanwalt
Thomas Grothaus zu, dass er seit sechs bis acht Jahren — so genau wisse er
das nicht mehr — “eine rechte Meinung” vertritt. Er sei gegen die
kriminellen Ausländer und wolle, dass die Deutschen ordentlich bezahlte
Arbeit bekommen und nicht die Ausländer. Im Sommer hätten doch nur Polen auf
den Äckern für viel Geld gearbeitet, während er für einen Euro Laub fürs
Sozialamt harken müsse, versucht er sein Denken zu begründen. J. hat die
zehnte Klasse absolviert, eine Berufsausbildung später abgebrochen.
Wer in das Denkschema nicht passt, der bekommt die harte Hand von Enrico J.
zu spüren. Im September 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht Cottbus wegen
gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe und gemeinnütziger
Arbeit. Er hatte sich mit linken Jugendlichen, Punks, wie er sagt,
geprügelt.
Diesmal bekommt Enrico J. eine harte Hand zu spüren — die des Staates. “Wer
Symbole aus dem Nazireich zeigt, das viel Leid über die Völker gebracht hat,
der bringt Deutschland in Verruf. Das ist keine Dummheit sondern eine
Straftat”, begründet Amtsgerichtsdirektor Rupieper sein Urteil. Solch ein
Verhalten schade der Völkerverständigung und belaste das deutsch-polnische
Verhältnis. Das Urteil solle deshalb auch jene abschrecken, die wie Enrico
J. dumpfe rechtsradikale Ansichten verbreiten.
Potsdam — Wie konnte es sein, dass die rechtsextreme DVU bei Abstimmungen im
Landtag auch Stimmen aus anderen Fraktionen erhalten hat? Darüber wird jetzt
in Brandenburg weiter diskutiert. SPD und CDU verdächtigten gestern die PDS,
verantwortlich für den Eklat zu sein.
CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek sagte dem Tagesspiegel, er vermute, dass
PDS-Abgeordnete bei der Wahl der für Telefonüberwachung zuständigen G10-
Kommission des Landtags ihre Stimme der DVU-Fraktionschefin Liane
Hesselbarth gegeben hätten, „um einen Keil in die Koalition zu treiben“.
Hesselbarth erhielt fünf Stimmen mehr, als die DVU Mitglieder hat. Auch
SPD-Fraktionschef Günter Baaske wollte nicht ausschließen, dass „Unruhe“ in
die rot-schwarze Regierungskoalition getragen werden sollte. Doch seien auch
Abstimmungspannen möglich. Die PDS sprach von „aberwitzigen
Verdächtigungen“: „Die Freunde der DVU sitzen in der CDU“, sagte
PDS-Vize-Fraktionschef Heinz Vietze.
Unterdessen forderten die nicht im Landtag vertretenen Grünen, die fünf
DVU-Wähler sollten sich öffentlich bekennen. SPD, CDU und PDS müssten alles
daransetzen, „die DVU-Sympathisanten ausfindig zu machen“ und
auszuschließen. Lunacek wies die Forderung als Unsinn zurück. Es handele
sich um geheime Wahlen. Er betonte, dass die DVU-Fraktionschefin trotz der
fünf zusätzlichen Stimmen nicht in die G10-Kommission gekommen sei. Deren
Vize-Vorsitzende, Ex-Justizministerin Barbara Richstein, sagte, jemand habe
„Sand ins Getriebe streuen“ wollen. ma
Ein couragierter 15-jähriger Schüler hatte rechtsradikale Schläger
angezeigt. Da wurde er wieder verprügelt
(Tagesspiegel, Sandra Dassler) Rathenow — Als Toni P. den Gerichtssaal verlässt, zieht er seine dunkle
Wollmütze tief ins Gesicht. Es scheint, als ob der 15-Jährige Schutz sucht.
Dabei hat sich der Schüler aus Premnitz im Gegensatz zu anderen nicht
verkrochen, als ihn rechte Schläger immer wieder bedrohten, weil sie
verhindern wollten, dass er vor Gericht gegen sie aussagte.
Am 7. April dieses Jahres kam der Junge aus der Schule, da hielt ein Auto
vor ihm. Der Fahrer stieg aus und fragte: „Bist du der Toni P.?“ Als der
Schüler bejahte, erhielt er einen heftigen Faustschlag ins Gesicht. Ihm
wurde schwarz vor Augen, er sank zu Boden. Das Auto und den Schläger hat er
sich trotzdem gemerkt und ihn nach anfänglichem Zögern angezeigt.
Gestern saß der 23-jährige Sandro B. auf der Anklagebank im Amtsgericht
Rathenow. Er hat ziemlich kurze Haare, seine bullige Figur lässt ahnen, was
ein Fausthieb von ihm anrichten kann. B. bestreitet, Toni P. geschlagen zu
haben. Er ist einschlägig vorbestraft, die letzte Strafe wegen
Körperverletzung wurde zur Bewährung ausgesetzt. B. bezeichnet sich selbst
als Sympathisanten der rechten Szene. Die sei im Westhavelland besonders
dumpf und brutal, sagt Kay Wendel vom Verein „Opferperspektive“. In den
vergangenen Jahren hat es immer wieder Übergriffe auf „Linke“ gegeben. Meist
schwiegen die Opfer aus Angst vor Rache.
Auch Toni P. hat Angst. So sehr, dass er nicht mehr in Premnitz, sondern bei
einer Freundin im Umland wohnt. Seine Anwältin ist überzeugt, dass Sandro B.
von seinen Gesinnungsgenossen den Auftrag erhielt, dem 15-Jährigen einen
„Denkzettel“ zu verpassen, weil dieser mehrere Rechte anzeigte, die ihn im
Januar dieses Jahres mehrmals zusammengeschlagen hatten. Sie waren aufgrund
seiner Aussagen als Hauptzeuge vor wenigen Wochen in Rathenow verurteilt
worden.
Das Gericht hielt Toni P. für glaubwürdig und verurteilte Sandro B. gestern
wegen Körperverletzung zu neun Monaten Haft ohne Bewährung. Die Hintergründe
des Faustschlags spielten keine Rolle. „Motive der Täter werden meist nur
bei Tötungsdelikten berücksichtigt“, sagt Kay Wendel.
Frau Weyrauch, SPD, CDU und auch die PDS suchen derzeit etwas ratlos nach
einem angemessenen Umgang mit der rechtsextremen DVU im Landtag. Können Sie
weiterhelfen?
Ich denke, wir sollten erst einmal innehalten und uns fragen, was wollte uns
der Wähler sagen? Wenn ich mich im Land umgucke, stelle ich eine tiefe
Verunsicherung fest. Sie ist nicht nur Nebenprodukt eines Reformprozesses,
der dringend notwendig ist, sondern auch der internationalen Veränderungen -
in Amerika, im Irak, in den Niederlanden. Auf diese Verunsicherung gibt es
keine schnellen Antworten. Wir müssen signalisieren, dass wir gemeinsam mit
den Menschen auf der Suche sind.
Was bedeutet das praktisch?
Wir müssen eingestehen, dass Demokratie eine ganz, ganz verletzliche Sache
ist. Dass der Grundkonsens dieser Gesellschaft nicht einmal gesetzt wird und
dann für alle Zeiten gilt. Besonders in Ostdeutschland, wo oft der Wohlstand
als Kitt fehlt. Wir müssen alle — das ist das Wichtige besonders im Osten -
mit mehr Eigenverantwortung in diesen Prozess hineingehen, und nicht sagen,
das macht jetzt der Staat.
Und wie sollte man sich zur DVU verhalten?
Ich denke, es gibt Essentials, die wirklich klar sind: Wir müssen
rechtsextreme Parteien auch rechtsextrem nennen …
Diese Definition ist selbst in der PDS nicht unumstritten. CDU-Fraktionschef
Thomas Lunacek sagt, die DVU sei allenfalls rechtsradikal …
Nein, die ist rechtsextrem. Dazu müssen wir uns genau die Programmatik
ansehen und benennen, wo sie den im Grundgesetz verankerten Grundrechten
entgegensteht. Vor allem aber müssen die zivilgesellschaftlichen
Aktivitäten — und es gibt eine ganze Menge — weiter gestärkt werden, bei der
Kinderbetreuung, an den Schulen, in der Freizeit. Es gibt ganz viele
Initiativen, die versuchen, demokratisches Bewusstsein zu schaffen. Wenn sie
nicht existiert hätten, würde es wahrscheinlich viel schlimmer aussehen. Da,
wo sich die Zivilgesellschaft zurückzieht, gehen die Rechten rein.
Aber war das nicht das Konzept der vergangenen zehn Jahre, von dem zumindest
die CDU-Fraktion sagt, es sei weitgehend gescheitert?
Ich warne davor, die gesamte Arbeit der Demokraten in diesem Land
kaputtzureden. Der eine fühlt sich durch die Repressionsstrategien des Herrn
Schönbohm angezogen und der andere durch das Aktionsbündnis gegen rechte
Gewalt. Wir müssen diese Vielfalt auch ertragen und nicht sagen: Ich bin der
Gute und weiß, wie es geht. Uns eint doch, dass wir diese Demokratie, dieses
Grundgesetz behalten wollen. Wir müssen das verteidigen.
Dennoch: Ist der Kontakt zu rechten Jugendkulturen verloren gegangen? Sind
Begriffe wie Heimat zu sehr tabuisiert worden?
Was Herr Lunacek sagt, ist auf jeden Fall nachdenkenswert. Es ist aber auch
nicht neu. Ich glaube, wir haben bestimmte identitätsstiftende Begriffe wie
Heimat oder Stolz auf das eigene Land außer Acht gelassen aus Angst, in die
falsche Ecke gerückt zu werden. Aber man muss sie positiv füllen, was nichts
mit “kleiner DDR” zu tun hat. Das können wir. Aber das macht richtig Arbeit,
das kostet auch Geld. Da reicht es nicht zu sagen, wir reißen den Rechten
die Maske vom Gesicht.
Gibt es eine Kooperation zwischen den Landtagsparteien und der
Landeszentrale?
Unsere Dienstleistung könnte vom Parlament auch mehr abgerufen werden.
Erreichen Sie als Landeszentrale überhaupt die Klientel, die anfällig für
den Rechtsextremismus ist?
Unsere Arbeit kann nicht kampagnenhaft erfolgen. Politische Bildung ist ein
sehr mühsames Geschäft. Es geht ja darum, die Menschen innerlich für
Argumente aufzuschließen. Deswegen arbeiten wir mit 120 freien Trägern
zusammen, die auf ganz unterschiedliche Zielgruppen ausgerichtet sind. Bei
allen Angeboten geht es um eine Stärkung der Demokraten. Es ist der Versuch
einer Immunisierung der Menschen gegen den rechten Populismus.
(Das Gespräch führte Andrea Beyerlein.)
“Nicht liberal genug”
(MAZ, Igor Göldner) POTSDAM Rein formal ist die Härtefallkommission in Brandenburg unstrittig.
Sie ist Willen der rot-schwarzen Koalition, auch wenn die CDU dem Gremium,
das sie noch vor der Wahl bekämpft hat, nur widerwillig zustimmte.
Ungeklärt allerdings ist, wie die Kommission, die sich um von Abschiebung
bedrohte Ausländer kümmern soll, zusammengesetzt ist. Offen ist, welche
Kompetenzen sie hat und welche Ausnahmen es für ein Bleiberecht von
Ausländern geben soll. In allen Punkten gehen die Meinungen von SPD und CDU
auseinander.
Zuständig in der Landesregierung ist das CDU-geführte Innenministerium von
Jörg Schönbohm. Es hat einen Vorschlag für eine “Verordnung” über die
Einrichtung einer Härtefallkommission vorgelegt. Diese soll aus humanitären
Gründen ein Bleiberecht für Ausländer gewähren können — gegebenenfalls auch
am Gesetzgeber vorbei. Das vierseitige Papier mit neun Paragraphen, das der
MAZ vorliegt, stößt bei der SPD auf Skepsis und teilweise auf Ablehnung.
Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Britta Stark, sagt, die
Schönbohm-Verordnung sei “nicht liberal genug”. Es gebe “Diskussionsbedarf”.
Stark würde sich lieber am “Berliner Modell” der Härtefallkommission
orientieren, das der rot-rote Senat kürzlich vorgelegt hat.
Nach Vorstellungen Schönbohms soll die Kommission maximal acht Mitglieder
haben. Vorsitzender ist zugleich der Leiter der Geschäftsstelle, die beim
Innenministerium eingerichtet wird. Weitere Mitglieder sind die Vertreter
der evangelischen und der katholischen Kirche sowie der
Flüchtlingsorganisationen. Zwei Sitze haben die kommunalen Spitzenverbände:
Städte- und Gemeindebund und Landkreistag. Das Sozialministerium kann die
Ausländerbeauftragte benennen. Einen Sitz hat das Innenministerium. Um einen
Einzelfall auf die Tagesordnung zu setzen, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit
nötig. Für sonstige Entscheidungen genügt die einfache Mehrheit.
Die SPD sorgt sich bei dieser Zusammensetzung um die Unabhängigkeit. Das hat
im Vorfeld auch schon die PDS befürchtet. Das Gremium dürfe kein “Anhängsel
des Innenministers” werden. Britta Stark (SPD) fragt deshalb: “Warum muss
eigentlich zweimal das Innenministerium vertreten sein?” In Berlin sei kein
einziger Senator in der Härtefallkommission Mitglied.
Ein “Knackpunkt” ist für die SPD auch Paragraph 5: die “Ausschlussgründe”,
also mit welchen Ausländern man sich nicht befassen wird. Allein neun werden
aufgezählt — von falschen Angaben über eine eingeleitete Fahndung bis zur
Straffälligkeit.
Die CDU, was nicht sonderlich überraschend ist, bezeichnet das
Schönbohm-Papier als “sachgerecht und ausgewogen”. Der innenpolitische
Sprecher Sven Petke hob besonders die “Ausschlussgründe hervor. Kriminelle
Ausländer dürften “in keinster Weise” begünstigt werden, sagte er.
Die Zeit, sich in der Koalition zu einigen, drängt. Die Verordnung der
Landesregierung könnte am 2. Januar in Kraft treten. Die Innenpolitiker von
SPD und CDU werden ab heute beraten. Ende Dezember entscheidet das Kabinett.
Ein erster Fall könnte das Schicksal der vietnamesischen Familie Nguyen
sein, die seit 1990 mit zwei hier geborenen Kindern in Brandenburg lebt.
Ihre bereits verlängerte Aufenthaltsgenehmigung läuft Ende Januar ab.
Thor Steinar-Waren beschlagnahmt
NEURUPPIN/ZEESEN Die Polizei hat gestern bei der Firma Mediatex GmbH in Zeesen
(Dahme-Spreewald) Waren der Marke “Thor Steinar” beschlagnahmt. Die Aktion
sei von der Staatsanwaltschaft Neuruppin angeordnet worden, teilte ein
Sprecher mit. Die Firma stellt nach Ansicht der Anklagebehörde Artikel mit
einem verfassungswidrigen Logo her.
Die Staatsanwaltschaft berief sich bei der Durchsuchungsanordnung auf eine
Entscheidung des Landgerichts Neuruppin. Dieses hatte am Vormittag die
Beschwerde eines Trägers von Bekleidung der Marke “Thor Steinar”
zurückgewiesen. Demnach ist der Tragen solcher Kleidung strafbar. Es handelt
sich um den Straftatbestand des Verwendens verfassungswidriger
Organisationen oder Kennzeichen, die diesen zum Verwechseln ähnlich sind.
Bei dem Logo der Marke sind zwei Runen so miteinander kombiniert, dass sie
für Eingeweihte die Doppel-Sig-Rune der ehemaligen Waffen-SS zeigen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Neuruppin hat mit dem Landgericht
erstmals ein so genanntes Kollegialgericht die Auffassung der Anklagebehörde
bestätigt. Zuvor hatten sich bereits die Amtsgerichte Prenzlau und Königs
Wusterhausen mit dem Fall befasst.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen hatte bereits am 9. November einen
Durchsuchungsbeschluss für die Räume des Herstellers gefasst. Die
Beschlagnahme war jedoch zunächst von der Generalsstaatsanwaltschaft
verhindert worden. Sprecher Rolf Grünebaum begründete das mit der
umstrittenen Rechtslage. Die Anklagebehörde habe zunächst abgewartet, wie
das Landgericht mit den Beschwerden gegen die Amtsgerichichtsentscheidungen
umgehe. Erst mit der Entscheidung des Landgerichts habe es eine hinreichende
Rechtssicherheit für die Durchsuchungen gegeben. Doch auch dagegen könne das
Unternehmen noch Rechtsmittel einlegen.
Die Polizei hatte bereits im März begonnen, gegen Verwender des
Runen-Wappens Strafverfahren einzuleiten. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU)
sagte, jetzt sei die Auffassung der Polizei bestätigt worden. “Dass sich in
unserem Land Rechtsextremisten offen mit dem Symbol der Waffen-SS schmücken,
kann nicht toleriert werden”, betonte der Innenminister. Der Versuch, das
Runen-Symbol in einem Markenlogo zu kaschieren, zeige, mit welchen Methoden
die rechtsextremistische Szene neuerdings versuche, ihre Ideologien in die
Mitte der Gesellschaft zu tragen.
Auch Bildungsminister Holger Rupprecht (parteilos) begrüßte das Vorgehen der
Justizbehörden. Bereits vor den Gerichtsentscheidungen hätten die Leiter
mehrerer brandenburgischer Schulen das Tragen von “Thor-Steinar”-Kleidung an
den Einrichtungen verboten.
CDU-Chef ruft zur Gegendemo auf
(MAZ, Volkmar Krause) POTSDAM Die Debatte über den Umgang mit dem Rechtsextremismus in Brandenburg hält
an. Gestern forderte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) eine intensivere
Auseinandersetzung mit dem Problem. Aufgrund der geringen Zahl von
Gegendemonstranten beim Neonazi-Aufmarsch am vergangenen Samstag in Halbe
(Dahme-Spreewald) schlug Schönbohm vor, dass SPD und CDU zum Volkstrauertag
2005 eine Kundgebung in der Gemeinde organisieren. Der 60. Jahrestag des
Kriegsendes sei dafür ein geeigneter Anlass. Halbe dürfe nicht zum
“Wallfahrtsort” der Neonazis werden.
SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness begrüßte Schönbohms Vorstoß. Man könne
den Neonazis nicht die “Interpretationshoheit” über Halbe überlassen. Dort
habe eine der grausamsten Schlachten der letzten Kriegstage getobt, die von
den Rechtsextremisten seit Jahren für “Geschichtsklitterung” missbraucht
werde. Ness will ein “breites Bündnis” als Gegenbewegung zu Halbe
mobilisieren, zu dem die demokratischen Kräfte im Landtag, die
Landesregierung, Parteien, Verbände und Gewerkschaften gehören sollen. Die
Einbeziehung seiner Partei verlangte auch der innenpolitische Sprecher der
PDS-Landtagsfraktion, Hans-Jürgen Scharfenberg. Gleichwohl begrüßte
Scharfenberg, dass Schönbohm, der bislang nie an Gegenkundgebungen zu
rechten Aufmärschen teilgenommen habe, nun über seinen Schatten springe.
Unterdessen ist die Äußerung von SPD-Fraktionschef Günter Baaske, er sei
“stinksauer” über die schwache Beteiligung an der Gegendemonstration in
Halbe, SPD-intern mit Kritik aufgenommen worden. Baaske hatte beklagt, dass
das Problem des Rechtsextremismus und der “Unterwanderung der Demokratie”
nicht ernst genommen werde. “Das ist wenig hilfreich”, heißt es, zumal auch
die SPD keine Kundgebung organisiert hatte. “Im Vorfeld war nichts
besprochen”, erklärte Matthias Ochs, Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks
Dahme-Spreewald.
Statt der vorausgesagten 2600 Gegendemonstranten waren nur einige Hundert
gekommen. “Wir haben es nicht geschafft, die Leute zu mobilisieren”, musste
selbst die PDS-Kreischefin von Dahme-Spreewald, Karin Weber, einräumen.
SPD-Unterbezirkschef Peter Danckert ist bereit, über eine Kundgebung 2005 zu
diskutieren. Er sei am Wochenende nicht in Halbe gewesen, um die Arbeit der
Polizei, die durch Kontrollen ohnehin belastet war, nicht noch zu
erschweren, so der Bundestagsabgeordnete.
Skepsis angesichts möglicher Gegendemonstrationen im protestgeplagten Halbe
gibt es auch an der CDU-Basis. “Demonstrationstourismus ist problematisch”,
gibt der Sprecher des CDU-Kreisverbandes, Joachim Kolberg, zu bedenken. Vor
Ort sei man eher der Auffassung, dass sich der Neonazi-Aufmarsch “totläuft”,
wenn er von der Öffentlichkeit ignoriert werde.
Die Mobilen Beratungsteams in Brandenburg haben die Kritik am mangelnden
Bürgerengagement und an den Programmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
zurückgewiesen. Im Land habe sich in den vergangenen Jahren ein “lebendiger
demokratischer Leitgedanke” entwickelt, erklärte Leiter Wolfram Hülsemann
gestern. Daraus seien Initiativen wie der Landespräventionsrat und das
Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit
entstanden, die in anderen Bundesländern ihresgleichen suchten.
Der lange Weg zum neuen Dosto
Bernau (MOZ) Die Bernauer Stadtverordneten haben die Weichen für ein neues
Jugendzentrum gestellt. Der Jugend- und der Finanzausschuss bekundeten nach
fast vierjährigen Diskussionen ihren Willen, 2005 Geld für ein neues Domizil
für den Jugendklub Dosto bereit zu stellen.
Der Bernauer Jugendklub Dosto an der Breitscheidstraße ist nicht
unumstritten. Als Freizeittreff für vor allem linke Jugendliche bietet er
zwar ein offenes Spektrum an Aktivitäten an, die von Filmaufführungen,
Konzerten, Diskussionsrunden bis zum Billardabend reichen. Doch fallen immer
wieder auch einzelne Akteure durch extreme, nicht gesetzeskonforme Aktionen
auf.
Unstrittig ist bei aller Skepsis gegen Teile des Vereins aber, dass die
Jugendlichen eine neue Heimat brauchen. Seit vier Jahren bereits wird mit
Flickarbeiten versucht, das marode Dach und die bröckelnden Gemäuer des
Flachbaus am Eingang zum Kulturhof über den jeweils nächsten Winter zu
bringen.
Jetzt scheint eine Lösung in Sicht. “Mein Wunsch wäre, dass es für das Dosto
im alten Haus der letzte Winter ist”, sagt der Stadtverordnete Peter
Fillsack (PDS). Der Bernauer Finanzausschuss folgte am Dienstagabend einer
Vorlage seiner Partei, bis zum März 2005 die Standortfrage für eine neue
Unterbringung zu klären und im ersten Nachtragshaushalt 2005 die
erforderlichen Gelder für die Bauarbeiten einzustellen. Die PDS geht von
einer Summe um die 250 000 Euro aus.
Fillsacks zeitlicher Optimismus stützt sich auf einen Wandel beim Ziel. Nach
langen Diskussionen wird nun nicht mehr ein Neubau favorisiert, sondern der
Umzug in ein anderes Haus. Im Gespräch dafür ist das einstige Sozialgebäude
der FAGA.
Rechtsradikale erhielten in zwei Fällen Unterstützung von anderen Parteien.
SPD, CDU und PDS schweigen dazu
(Tagesspiegel, Michael Mara, Thorsten Metzner) Potsdam — Skandalöse Abstimmungen im Landtag lassen die rechtsextreme DVU
jubeln: In den neuesten “National-Freiheitlichen Fraktions-Nachrichten”, die
derzeit an Brandenburger Haushalte verschickt werden, wird stolz von zwei
Präzedenzfällen aus den vergangenen Landtagssitzungen berichtet: Die
DVU-Fraktionsvorsitzende Liane Hesselbarth sei in der Plenarsitzung am
28.Oktober “sogar von fünf Abgeordneten außerhalb der DVU-Fraktion” in die
so genannte G‑10-Kommission gewählt worden, “die für die Genehmigung von
Telefonabhörungen zuständig ist”. In geheimer Wahl bekam Hesselbarth elf
Stimmen, obwohl die Fraktion nur sechs Mitglieder zählt. Zuvor hatte sie
bereits bei der Wahl ins Landtagspräsidium neben den DVUStimmen zwei Stimmen
aus anderen Parteien erhalten. Der DVU-Landeschef und parlamentarische
Geschäftsführer der Fraktion, Sigmar-Peter Schuldt, sagte dazu: “Unsere
Arbeit wird zunehmend anerkannt. Ich gehe davon aus, dass auch künftig
Mitglieder anderer Fraktionen DVU-Politiker mitwählen.”
In der Fraktionszeitung wird prophezeit, dass sich solche
Abstimmungsergebnisse wiederholen würden, wenn auch über Sachanträge der DVU
geheim abgestimmt werden dürfte. Nach der Landtagswahl hatten SPD, CDU und
PDS einen offensiveren Umgang mit der DVU angekündigt, der zum zweiten Mal
in Folge der Sprung ins Parlament gelang.
So geißelte SPD-Fraktionschef Günter Baaske die DVU als “Rechtsnachfolger
der NSDAP” und ihre Abgeordneten als Nazis. Die DVU reagierte mit einer
Strafanzeige gegen Baaske. In der vom DVU-Parteichef Gerhard Frey
herausgegebenen rechtsextremen “National-Zeitung” triumphierte Hesselbarth:
Die neue Strategie gegenüber der DVU stoße auch in den Reihen der
Etablierten auf “merklichen Widerstand” — und nannte als Beleg die Stimmen
aus anderen Fraktionen. “Der neue Umgang spaltet eher die Etablierten, als
dass er uns Magenschmerzen bereitet.”
Merkwürdig ist, dass der Abstimmungs-Skandal bisher völlig folgenlos blieb
und auch keine Debatte im Landtag auslöste. Auf Anfrage schlossen gestern
die Fraktionen von SPD, CDU und PDS kategorisch aus, dass die DVU, die unter
Beobachtung des Verfassungschutzes steht, Stimmen aus ihren Reihen erhalten
haben könnte. In der DVU-Fraktion registriert man mit Genugtuung, wie
uneinig und unsicher die anderen Parteien agieren. Zur Ankündigung der
Union, man werde selbst stärker um rechtsextreme Wähler werben, sagte
Schuldt: “Wenn die CDU am rechten Rand fischen will, wird sie Schiffbruch
erleiden.” Das sei ihr schon früher nicht gelungen.
Schuldt verwahrte sich scharf gegen Pläne von SPD, CDU und PDS, die
Finanzierungszuschüsse für die DVU durch Korrekturen am Fraktionsgesetz zu
kürzen. Denn für jeden Abgeordneten erhält die DVU mit 124 100 Euro im Jahr
die höchsten Zuschüsse aller Fraktionen. Die SPD kommt auf 40 580 Euro pro
Abgeordneten, die PDS auf 46 585 und die CDU auf 49 820. Der Grund: Kleine
und große Fraktionen erhalten die gleiche Finanzierung. Schuldt: “Wenn die
anderen so weitermachen, haben wir im nächsten Landtag dreimal so viele
Abgeordnete.”