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Streit um Umgang mit DVU

(BM, 17.11.) Pots­dam — Auf der Suche nach ein­er gemein­samen Lin­ie im Umgang mit der
recht­sex­tremen DVU ger­at­en SPD und CDU sowie die oppo­si­tionelle PDS immer
mehr in Stre­it. Union und PDS wer­fen der SPD vor, die DVU mit Verbalattacken
aufzuw­erten. Der SPD-Frak­tion­schef Gün­ter Baaske hat­te die zum zweit­en Mal
im Land­tag vertretene DVU jüngst eine “Nazi-Partei” genan­nt und sie scharf
attack­iert. In der ver­gan­genen Leg­is­laturpe­ri­ode hat­ten die demokratischen
Parteien die DVU-Truppe weit­ge­hend ignori­ert. Trotz­dem schaffte sie mit 6,1
Prozent den Wiedereinzug. 

Der par­la­men­tarische Geschäfts­führer der PDS, Heinz Viet­ze, warf der SPD
gestern vor, die Auseinan­der­set­zung auf prim­i­tivstem, bil­ligem Niveau zu
führen. “Dies dient nur der Pro­fil­ierung der eige­nen Per­son und Partei und
der Aufw­er­tung der DVU”, sagte Viet­ze. Die Lei­t­erin der Zen­trale für
poli­tis­che Bil­dung, Mar­ti­na Weyrauch, übte eben­falls deut­liche Kri­tik. Der
Ver­such, die Partei nicht weit­er zu ignori­eren, sei “in die Hose gegangen”.
SPD-Frak­tion­schef Baaske kündigte für Ende Novem­ber ein Konzept für den
Umgang mit der recht­sex­tremen Partei an. Ziel müsse es sein, der DVU “die
Maske vom Gesicht zu reißen”. Baaske bedauerte, daß sich bei dem
Neon­azi-Auf­marsch in Halbe so wenig Gegen­demon­stran­ten gezeigt haben. “Ich
bin stinksauer darüber”, sagte der SPD-Politiker. 

CDU-Frak­tion­schef Thomas Lunacek erk­lärte das Gesamtkonzept der
Lan­desregierung gegen den Recht­sex­trem­is­mus für weit­ge­hend gescheit­ert. Er
ver­wies darauf, daß sich jed­er fün­fte männliche Erst­wäh­ler für die DVU
entsch­ieden habe. Er kündigte an, die CDU werde selb­st stärk­er Begriffe wie
Nation, Stolz und Heimat in den Vorder­grund stellen. 

Konzepte gegen Recht­sex­trem­is­mus gescheitert

CDU: Poli­tik muss die Jugend zurück­gewin­nen / Suche nach neuen Wegen auch in
PDS und SPD

(Berlin­er Zeitung, 17.11.) POTSDAM. Die Aktiv­itäten Bran­den­burgs zur Bekämp­fung des Rechtsextremismus
sind nach Auf­fas­sung von CDU-Frak­tion­schef Thomas Lunacek “in weit­en Teilen
gescheit­ert”. Ger­ade junge Leute wen­de­ten sich ver­stärkt dem recht­en Rand
zu. “Das sind alles Leute, die die bran­den­bur­gis­che Schule durch­laufen und
die Lan­despoli­tik der let­zten zehn Jahre erlebt haben”, sagte Lunacek am
Dien­stag. Die Poli­tik müsse nach Wegen suchen, sie zurück­zugewin­nen. Dazu
gehöre es auch, eine gemein­same Sprache zu find­en. “Begriffe wie Nation oder
Stolz auf das eigene Land dür­fen nicht länger tabuisiert wer­den”, sagte der
CDU-Fraktionschef. 

Let­zter Aus­lös­er für die Debat­te in der gemein­sam mit der SPD regierenden
CDU war der Neon­azi-Auf­marsch am ver­gan­genen Woch­enende in Halbe. Etwa 1 600
waren zum “Heldenge­denken” zu dem dor­ti­gen Sol­daten­fried­hof gekommen -
dop­pelt so viele, wie von der Polizei erwartet. “Und der Großteil waren
keine dumpfen Krawall­mach­er”, sagte Lunacek. Darüber hin­aus “muss es
beden­klich stim­men”, dass 15 Prozent der Erst­wäh­ler bei der Land­tagswahl im
Sep­tem­ber die recht­sex­treme DVU gewählt hät­ten. Bei den männlichen
Erst­wäh­lern habe der Anteil sog­ar bei knapp 20 Prozent gele­gen. Insgesamt
rück­te die DVU mit einem Stim­man­teil von 6,1 Prozent wieder in den Landtag
ein. 

“Wir müssen gemein­sam über­legen, wie wir an diese Jugendlichen herankommen,
sie für die pos­i­tiv­en Ansätze der Demokratie gewin­nen. Es beste­ht riesiger
Hand­lungs­be­darf”, sagte Lunacek. Die Konzepte der ver­gan­genen zehn Jahre
hät­ten offenkundig nicht funk­tion­iert. Dabei spiele es eine zen­trale Rolle,
was an den Schulen geschehe, wie authen­tisch Lehrer die Werte der Demokratie
ver­mit­tel­ten. “Die Jugendlichen suchen Antworten.” 

Die Union wolle sich in den Wahlkreisen ver­stärkt in rechte Gruppen
hinein­begeben, sagt Lunacek. Dabei werde seine Partei auch Begriffe wie
Heimat und Nation in den Vorder­grund stellen. “Ganz nor­male Gefüh­le wie der
Stolz auf das Heimat­land dür­fen nicht länger ver­pönt sein”, sagte er. “Die
mul­ti­kul­turelle Gesellschaft ist blanke Illu­sion.” Das wür­den die jungen
Leute selb­st erleben, wenn sie in Berlin im Zug von Ausländern
zusam­mengeschla­gen würden. 

Angriffe von SPD-Poli­tik­ern gegen die DVU nan­nte Lunacek dagegen
“über­zo­gen”. Wer die Partei des Münch­n­er Ver­legers Ger­hard Frey in die Nähe
der NSDAP rücke, ver­harm­lose die Ver­gan­gen­heit. Nach sein­er Ein­schätzung sei
die DVU nicht recht­sex­trem, son­dern allen­falls recht­sradikal, sagte Lunacek. 

In der jüng­sten Land­tagssitzung hat­te der par­la­men­tarische Geschäftsführer
der SPD, Christoph Schulze, einen DVU-Abge­ord­neten wegen seines schwachen
Aus­drucksver­mö­gens ange­grif­f­en. Der Mann stot­tert. SPD-Frak­tion­schef Günter
Baaske hat­te die DVU unter Ver­weis auf ihre angestrebte Koop­er­a­tion mit der
NPD eine “Nazi-Partei” genan­nt. Dage­gen haben die Recht­sex­tremen rechtliche
Schritte angekündigt. Baaske warnte am Dien­stag erneut vor Verharmlosungen:
“Wer den stram­men Auf­marsch in Halbe gese­hen hat, weiß, da waren
Recht­sex­trem­is­ten am Werk”, hielt er Lunacek ent­ge­gen. Bis Anfang Dezember
will er ein Konzept zum Umgang mit der DVU und anderen rechtsextremen
Kräften vorlegen. 

Auch die PDS ringt noch um ihre Posi­tion gegenüber den Rechts-extremen. In
ein­er Frak­tions­de­bat­te mit dem Parteien­forsch­er Richard Stöss sagte der
Frank­furter Abge­ord­nete Frank Ham­mer, er habe die DVU in Bran­den­burg anders
erlebt als die NPD: “Das ist eher eine bürg­er­liche Partei, die hin und
wieder Aus­flüge ins Recht­sex­treme macht.” Ander­er­seits bekomme er in
PDS-Ver­samm­lun­gen von älteren Genossen zu hören, “wir müssen auch über den
Nieder­gang der deutschen Nation­alkul­tur reden.” Stöss, seit über 30 Jahren
mit der Parteienen­twick­lung befasst, sagte, er mache bezüglich des
Recht­sex­trem­is­mus keine neue Sit­u­a­tion aus. Um den Ursachen
ent­ge­gen­zuwirken, müsse mehr für die Per­sön­lichkeits­bil­dung junger Menschen
getan wer­den. Einen Rat wollte er der PDS allerd­ings nicht erteilen. 

Lunacek betont “Stolz auf Heimat”

CDU will neuen Umgang mit der Jugend

(MAZ, 17.11., Igor Göld­ner) POTSDAM Der hohe Anteil von 15 Prozent Erst­wäh­lern, die bei der DVU ihr
Kreuz macht­en und die vie­len jun­gen Leute, die sich am Sam­stag in den
Neon­azi-Auf­marsch in Halbe ein­rei­ht­en — für den neuen CDU-Fraktionschef
Thomas Lunacek sind dies “gruselige Bilder”. Diese jun­gen Leute müssten
wieder für die Demokratie gewon­nen wer­den, meint Lunacek und hat sich seine
Gedanken gemacht. 

Die Poli­tik, so der 40-Jährige gestern vor Jour­nal­is­ten, benötige in der
Jugen­dar­beit und im Kampf gegen den Recht­sex­trem­is­mus einen neuen Ansatz.
Alle bish­eri­gen Konzepte wie das von der Lan­desregierung initiierte
“Tol­er­ante Bran­den­burg” hät­ten nicht funk­tion­iert und seien gescheitert,
meinte er rig­oros. “Es wurde zu viel über die Köpfe der Jugendlichen hinweg
gere­det.” Die “Unkul­tur” hätte sich so weit­er entwick­eln können. 

Die CDU werde Begriffe wie “Heimat” und “Nation” kün­ftig stärk­er in den
Mit­telpunkt rück­en. Tabus müssten der Ver­gan­gen­heit ange­hören. Dazu gehöre
auch, dass man “stolz auf seine Heimat” sein könne. Damit könnten
Jugendliche und ihre “Gefühlswelt” bess­er erre­icht wer­den, glaubt Lunacek,
der selb­st die “Sprache der Jugend” sprechen will. Wie das konkret aussehen
soll, ließ er aber offen. 

Lunacek bedauerte, dass die Debat­te über die “deutsche Leitkul­tur”, die vor
vier Jahren der CDU-Poli­tik­er Friedrich Merz los getreten hat­te, so schnell
wieder been­det war. “Da ist lei­der die Union eingeknickt.” 

Die Poli­tik müsse sich darum küm­mern, welch­es poli­tis­che Welt­bild an den
Schulen ver­mit­telt werde. Wichtig sei, dass Jugendlichen Orientierung
gegeben werde. “Es wer­den Antworten
und keine Appelle erwartet”, betonte
Lunacek. 

Den Halbe-Auf­marsch der Recht­sex­trem­is­ten nahm SPD-Frak­tion­schef Günter
Baaske gestern zum Anlass für eine Gen­er­alkri­tik. Er könne nicht verstehen,
warum sich so wenig Gegen­demon­stran­ten einge­fun­den hät­ten. “Darüber bin ich
stinksauer.” Statt der erwarteten 2500 Demon­stran­ten waren ger­ade einmal
1000 gekom­men. Das zeige, dass das Prob­lem von Recht­sex­trem­is­mus und der
“Unter­wan­derung der Demokratie” nicht ernst genom­men werde, so Baaske. 

Union will DVU The­men wegnehmen

Was tun mit den Recht­sex­tremen? SPD set­zt auf Kon­fronta­tion, die CDU hält
das für die falsche Strategie

(Tagesspiegel, 17.11., Thorsten Met­zn­er) Pots­dam — Die CDU in Bran­den­burg will “Begriffe wie Heimat und Nation”
kün­ftig stärk­er in den Vorder­grund stellen. So soll­ten jugendliche Wähler
der recht­sex­tremen DVU wieder für demokratis­che Parteien gewon­nen werden,
sagte CDU- Frak­tion­schef Thomas Lunacek gestern. “Es darf nicht verpönt
sein, Stolz auf das eigene Land zu äußern.” Lunacek wies darauf hin, dass
jed­er fün­fte männliche Erst­wäh­ler bei der Land­tagswahl für die
Recht­sex­tremen ges­timmt hat: Es sind genau diejeni­gen, an die sich seit 1990
groß angelegte Pro­gramme wie etwa “Tol­er­antes Bran­den­burg” richt­en. Lunaceks
Faz­it: Was im Land bei der Bekämp­fung des Recht­sex­trem­is­mus unternommen
wurde, “funk­tion­iert offen­sichtlich nicht und ist weit­ge­hend gescheitert”. 

Für die stärkere Beto­nung von Patri­o­tismus und Heimat in der
Auseinan­der­set­zung mit Recht­sradikalen haben sich auch der sächsische
Min­is­ter­präsi­dent Georg Mil­bradt (CDU) und CSU-Gen­er­alsekretär Markus Söder
ausgesprochen. 

Der Poli­tik­wis­senschaftler Richard Stöss von der Freien Uni­ver­sität Berlin
forderte dage­gen gestern eine “kon­se­quente Abgren­zung vom
Recht­sex­trem­is­mus”. Die DVU dürfe nicht ver­harm­lost wer­den. Er sprach vor
der PDS-Frak­tion — denn wed­er diese noch die der SPD sind sich so recht
sich­er, welche Strate­gie sie gegenüber der DVU ver­fol­gen sollen. Die SPD
fuhr bish­er einen harten Kon­fronta­tion­skurs; so nan­nte Frak­tion­schef Günter
Baaske die DVU öffentlich “Recht­snach­fol­ger der NSDAP” und ihre Mitglieder
“Nazis”. Sein par­la­men­tarisch­er Geschäfts­führer Christoph Schulze ging so
weit, einen DVU-Abge­ord­neten im Par­la­ment wegen seines Stot­terns zu
verspot­ten — wofür er sich später entschuldigen musste. “Ein solch
prim­i­tives Niveau” stärke die DVU nur, find­et der PDS-Vizefraktionschef
Heinz Viet­ze — und es kon­nte zum Beispiel auch nicht ver­hin­dern, dass
DVU-Frak­tion­schefin Liane Hes­sel­barth bei der Wahl in den so genannten
G10-Auss­chuss zur Kon­trolle des Ver­fas­sungss­chutzes fünf Stim­men mehr
erhielt als die DVU Sitze hat. SPD, CDU und PDS wis­sen bis heute nicht,
wieso und von wem. 

Baaske kündigte jet­zt an, die SPD-Frak­tion werde noch in diesem Jahr ein
Konzept zum Umgang mit der DVU beschließen; der Frak­tionsvor­stand werde bis
Ende Novem­ber einen Entwurf vorlegen 

Die PDS wiederum wirbt für eine gemein­same Lin­ie der drei großen Parteien
gegen die Recht­sausleger. Einigkeit beste­ht zumin­d­est darin, dass man
kün­ftig auch inhaltlich zu Anträ­gen der DVU Stel­lung nehmen will. “Wir
wer­den ihr die Maske vom Gesicht reißen”, erk­lärte SPD-Frak­tion­schef Baaske
gestern. Anders als etwa die NPD in Sach­sen ist die DVU bis­lang kaum durch
recht­sex­treme Pro­voka­tio­nen oder Tabubrüche aufge­fall­en. In der vergangenen
Leg­is­laturpe­ri­ode hat­ten die drei Parteien die DVU noch weitgehend
ignori­ert — was ihren Wiedere­inzug ins Par­la­ment mit 6,1 Prozent jedoch
nicht ver­hin­derte. Die PDS-Frak­tion­schefin Dag­mar Enkel­mann sagte nun, sie
lehne es ab, die DVU im Land­tag weit­er totzuschweigen. “Ich wehre mich
dage­gen zu sagen, das Prob­lem des Recht­sex­trem­is­mus erledigt sich von
allein.” Auch die CDU will sich im Par­la­ment kün­ftig zu DVU-Anträ­gen äußern. 

Parteien im Land­tag uneins über den Umgang mit der DVU

CDU und PDS stellen sich gegen Kurs von SPD-Frak­tion­schef Baaske

Bran­den­burgs Parteien stre­it­en über den kün­fti­gen Umgang mit der
recht­sex­tremen DVU. Die PDS-Oppo­si­tion, aber auch der
CDU-Koali­tion­spart­nern, stell­ten gestern den neuen Kurs von
SPD-Frak­tion­schef Gün­ter Baaske in Frage, der die DVU öffentlich als “Nazis”
und “Recht­snach­fol­ger der NSDAP” gegeißelt hat­te. Die Ausein andersetzung
werde auf “so prim­i­tiv­en Niveau geführt, dass es die DVU stärkt”, beklagte
PDS-Vize­frak­tion­schef Heinz Viet­ze. CDU-Frak­tion­schef Thomas Lunacek warnte:
“Ver­bal­at­tack­en, die nicht der Real­ität entsprechen, werten die DVU nur
auf.” 

Lunacek wies darauf hin, dass jed­er fün­fte männliche Erst­wäh­ler die
Recht­sex­tremen gewählt habe. Dies seien alles Jugendliche, auf die seit 1990
groß angelegte Pro­gramme — wie etwa Tol­er­antes Bran­den­burg — ausgerichtet
waren. Sein Faz­it: “Was im Land bei der Bekämp­fung des Rechtsextremismus
angepackt wurde, funk­tion­iert offen­sichtlich nicht, und ist weitgehend
gescheit­ert.” Der CDU-Frak­tion­schef kündigte Kon­se­quen­zen an: Die Union
werde kün­ftig selb­st “Begriffe wie Heimat und Nation” stärk­er in den
Vorder­grund stellen und zwar in ein­er “jugendgemäßen Sprache”, um den
Recht­sradikalen nicht die Deu­tung­shoheit zu über­lassen: “Es darf nicht
ver­pönt sein, Stolz auf das eigene Land zu äußern.” 

Ob diese Rech­nung aufge­ht, bezweifeln Recht­sex­trem­is­mus-Experten. So
forderte der Poli­tik­wis­senschaftler Richard Stöss von der Freien Universität
Berlin in der PDS-Frak­tion eine “kon­se­quente Abgren­zung vom Rechtsex
trem­is­mus” — und stärk­te indi­rekt Baaske den Rück­en. “Man muss klare Grenzen
ziehen”, sagte Stöss. Auch wenn man von den DVU-Vertretern im Landtag
vielle­icht einen anderen Ein­druck habe, bleibe es eine recht­sex­treme Partei,
die “nicht ver­harm­lost wer­den darf”. 

Tat­säch­lich gibt sich die DVU als “nor­male” Partei, kündigte jet­zt etwa
Anträge zur Bekämp­fung von Graf­fi­ti und Untreue von Amt­strägern an. Dass die
DVU bis­lang kaum durch recht­sex­treme Pro­voka­tio­nen oder Tabu-Brüche — anders
als die NPD in Sach­sen — auffiel, ver­stärkt die Unsicher­heit unter den
Land­tagsparteien. In der let­zten Leg­is­laturpe­ri­ode hat­ten SPD, CDU und PDS
die DVU noch weit­ge­hend ignoriert. 

Doch auch was seit der Land­tagswahl ver­sucht wurde, sei “in die Hose
gegan­gen”, sagte gestern Mar­ti­na Weyrauch, die Chefin der Lan­deszen trale
für poli­tis­che Bil­dung. Tat­säch­lich gab es dabei auch noch mehrere Pannen.
So musste sich jüngst Christoph Schulze, der parlamentarische
SPD-Geschäfts­führer, bei einem DVU-Abge­ord­neten entschuldigen, weil er ihn
im Plenum zu per­sön­lich ange­grif­f­en hat­te. Nicht erk­lären kön­nen sich SPD,
CDU und PDS auch, weshalb die DVU-Frak­tion­schefin Liane Hes­sel­barth bei der
Wahl in den so genan­nten G 10-Auss­chuss zur Kon­trolle des
Ver­fas­sungss­chutzes mehr als die DVU-Stim­men erhielt.

Stich­wort Abgeordnetengesetz

Die Koali­tion­sparteien von SPD und CDU wollen das Landes-Abgeordnetengesetz
auf unzeit­gemäße Regelun­gen hin durch­forsten und es gegebe­nen­falls anpassen.
So sprachen sie sich gestern im Pots­damer Land­tagdafür aus, das Sterbegeld
zu stre­ichen, das für den Großteil der Bevölkerung ohne­hin bereits
abgeschafft sei. Eine Erhöhung der Diäten ste­ht nach Angaben von
CDU-Frak­tion­schef Lunacek im Augen­blick nicht zur Debatte.
Stre­it um Umgang mit DVU

CDU will Begriffe wie Heimat und Stolz stärk­er in den Vorder­grund stellen

(BM, 17.11.) Pots­dam — Auf der Suche nach ein­er gemein­samen Lin­ie im Umgang mit der
recht­sex­tremen DVU ger­at­en SPD und CDU sowie die oppo­si­tionelle PDS immer
mehr in Stre­it. Union und PDS wer­fen der SPD vor, die DVU mit Verbalattacken
aufzuw­erten. Der SPD-Frak­tion­schef Gün­ter Baaske hat­te di
e zum zweit­en Mal
im Land­tag vertretene DVU jüngst eine “Nazi-Partei” genan­nt und sie scharf
attack­iert. In der ver­gan­genen Leg­is­laturpe­ri­ode hat­ten die demokratischen
Parteien die DVU-Truppe weit­ge­hend ignori­ert. Trotz­dem schaffte sie mit 6,1
Prozent den Wiedereinzug. 

Der par­la­men­tarische Geschäfts­führer der PDS, Heinz Viet­ze, warf der SPD
gestern vor, die Auseinan­der­set­zung auf prim­i­tivstem, bil­ligem Niveau zu
führen. “Dies dient nur der Pro­fil­ierung der eige­nen Per­son und Partei und
der Aufw­er­tung der DVU”, sagte Viet­ze. Die Lei­t­erin der Zen­trale für
poli­tis­che Bil­dung, Mar­ti­na Weyrauch, übte eben­falls deut­liche Kri­tik. Der
Ver­such, die Partei nicht weit­er zu ignori­eren, sei “in die Hose gegangen”.
SPD-Frak­tion­schef Baaske kündigte für Ende Novem­ber ein Konzept für den
Umgang mit der recht­sex­tremen Partei an. Ziel müsse es sein, der DVU “die
Maske vom Gesicht zu reißen”. Baaske bedauerte, daß sich bei dem
Neon­azi-Auf­marsch in Halbe so wenig Gegen­demon­stran­ten gezeigt haben. “Ich
bin stinksauer darüber”, sagte der SPD-Politiker. 

CDU-Frak­tion­schef Thomas Lunacek erk­lärte das Gesamtkonzept der
Lan­desregierung gegen den Recht­sex­trem­is­mus für weit­ge­hend gescheit­ert. Er
ver­wies darauf, daß sich jed­er fün­fte männliche Erst­wäh­ler für die DVU
entsch­ieden habe. Er kündigte an, die CDU werde selb­st stärk­er Begriffe wie
Nation, Stolz und Heimat in den Vorder­grund stellen. 

Konzepte gegen Recht­sex­trem­is­mus gescheitert

CDU: Poli­tik muss die Jugend zurück­gewin­nen / Suche nach neuen Wegen auch in
PDS und SPD

(Berlin­er Zeitung, 17.11.) POTSDAM. Die Aktiv­itäten Bran­den­burgs zur Bekämp­fung des Rechtsextremismus
sind nach Auf­fas­sung von CDU-Frak­tion­schef Thomas Lunacek “in weit­en Teilen
gescheit­ert”. Ger­ade junge Leute wen­de­ten sich ver­stärkt dem recht­en Rand
zu. “Das sind alles Leute, die die bran­den­bur­gis­che Schule durch­laufen und
die Lan­despoli­tik der let­zten zehn Jahre erlebt haben”, sagte Lunacek am
Dien­stag. Die Poli­tik müsse nach Wegen suchen, sie zurück­zugewin­nen. Dazu
gehöre es auch, eine gemein­same Sprache zu find­en. “Begriffe wie Nation oder
Stolz auf das eigene Land dür­fen nicht länger tabuisiert wer­den”, sagte der
CDU-Fraktionschef. 

Let­zter Aus­lös­er für die Debat­te in der gemein­sam mit der SPD regierenden
CDU war der Neon­azi-Auf­marsch am ver­gan­genen Woch­enende in Halbe. Etwa 1 600
waren zum “Heldenge­denken” zu dem dor­ti­gen Sol­daten­fried­hof gekommen -
dop­pelt so viele, wie von der Polizei erwartet. “Und der Großteil waren
keine dumpfen Krawall­mach­er”, sagte Lunacek. Darüber hin­aus “muss es
beden­klich stim­men”, dass 15 Prozent der Erst­wäh­ler bei der Land­tagswahl im
Sep­tem­ber die recht­sex­treme DVU gewählt hät­ten. Bei den männlichen
Erst­wäh­lern habe der Anteil sog­ar bei knapp 20 Prozent gele­gen. Insgesamt
rück­te die DVU mit einem Stim­man­teil von 6,1 Prozent wieder in den Landtag
ein. 

“Wir müssen gemein­sam über­legen, wie wir an diese Jugendlichen herankommen,
sie für die pos­i­tiv­en Ansätze der Demokratie gewin­nen. Es beste­ht riesiger
Hand­lungs­be­darf”, sagte Lunacek. Die Konzepte der ver­gan­genen zehn Jahre
hät­ten offenkundig nicht funk­tion­iert. Dabei spiele es eine zen­trale Rolle,
was an den Schulen geschehe, wie authen­tisch Lehrer die Werte der Demokratie
ver­mit­tel­ten. “Die Jugendlichen suchen Antworten.” 

Die Union wolle sich in den Wahlkreisen ver­stärkt in rechte Gruppen
hinein­begeben, sagt Lunacek. Dabei werde seine Partei auch Begriffe wie
Heimat und Nation in den Vorder­grund stellen. “Ganz nor­male Gefüh­le wie der
Stolz auf das Heimat­land dür­fen nicht länger ver­pönt sein”, sagte er. “Die
mul­ti­kul­turelle Gesellschaft ist blanke Illu­sion.” Das wür­den die jungen
Leute selb­st erleben, wenn sie in Berlin im Zug von Ausländern
zusam­mengeschla­gen würden. 

Angriffe von SPD-Poli­tik­ern gegen die DVU nan­nte Lunacek dagegen
“über­zo­gen”. Wer die Partei des Münch­n­er Ver­legers Ger­hard Frey in die Nähe
der NSDAP rücke, ver­harm­lose die Ver­gan­gen­heit. Nach sein­er Ein­schätzung sei
die DVU nicht recht­sex­trem, son­dern allen­falls recht­sradikal, sagte Lunacek. 

In der jüng­sten Land­tagssitzung hat­te der par­la­men­tarische Geschäftsführer
der SPD, Christoph Schulze, einen DVU-Abge­ord­neten wegen seines schwachen
Aus­drucksver­mö­gens ange­grif­f­en. Der Mann stot­tert. SPD-Frak­tion­schef Günter
Baaske hat­te die DVU unter Ver­weis auf ihre angestrebte Koop­er­a­tion mit der
NPD eine “Nazi-Partei” genan­nt. Dage­gen haben die Recht­sex­tremen rechtliche
Schritte angekündigt. Baaske warnte am Dien­stag erneut vor Verharmlosungen:
“Wer den stram­men Auf­marsch in Halbe gese­hen hat, weiß, da waren
Recht­sex­trem­is­ten am Werk”, hielt er Lunacek ent­ge­gen. Bis Anfang Dezember
will er ein Konzept zum Umgang mit der DVU und anderen rechtsextremen
Kräften vorlegen. 

Auch die PDS ringt noch um ihre Posi­tion gegenüber den Rechts-extremen. In
ein­er Frak­tions­de­bat­te mit dem Parteien­forsch­er Richard Stöss sagte der
Frank­furter Abge­ord­nete Frank Ham­mer, er habe die DVU in Bran­den­burg anders
erlebt als die NPD: “Das ist eher eine bürg­er­liche Partei, die hin und
wieder Aus­flüge ins Recht­sex­treme macht.” Ander­er­seits bekomme er in
PDS-Ver­samm­lun­gen von älteren Genossen zu hören, “wir müssen auch über den
Nieder­gang der deutschen Nation­alkul­tur reden.” Stöss, seit über 30 Jahren
mit der Parteienen­twick­lung befasst, sagte, er mache bezüglich des
Recht­sex­trem­is­mus keine neue Sit­u­a­tion aus. Um den Ursachen
ent­ge­gen­zuwirken, müsse mehr für die Per­sön­lichkeits­bil­dung junger Menschen
getan wer­den. Einen Rat wollte er der PDS allerd­ings nicht erteilen. 

Lunacek betont “Stolz auf Heimat”

CDU will neuen Umgang mit der Jugend

(MAZ, 17.11., Igor Göld­ner) POTSDAM Der hohe Anteil von 15 Prozent Erst­wäh­lern, die bei der DVU ihr
Kreuz macht­en und die vie­len jun­gen Leute, die sich am Sam­stag in den
Neon­azi-Auf­marsch in Halbe ein­rei­ht­en — für den neuen CDU-Fraktionschef
Thomas Lunacek sind dies “gruselige Bilder”. Diese jun­gen Leute müssten
wieder für die Demokratie gewon­nen wer­den, meint Lunacek und hat sich seine
Gedanken gemacht. 

Die Poli­tik, so der 40-Jährige gestern vor Jour­nal­is­ten, benötige in der
Jugen­dar­beit und im Kampf gegen den Recht­sex­trem­is­mus einen neuen Ansatz.
Alle bish­eri­gen Konzepte wie das von der Lan­desregierung initiierte
“Tol­er­ante Bran­den­burg” hät­ten nicht funk­tion­iert und seien gescheitert,
meinte er rig­oros. “Es wurde zu viel über die Köpfe der Jugendlichen hinweg
gere­det.” Die “Unkul­tur” hätte sich so weit­er entwick­eln können. 

Die CDU werde Begriffe wie “Heimat” und “Nation” kün­ftig stärk­er in den
Mit­telpunkt rück­en. Tabus müssten der Ver­gan­gen­heit ange­hören. Dazu gehöre
auch, dass man “stolz auf seine Heimat” sein könne. Damit könnten
Jugendliche und ihre “Gefühlswelt” bess­er erre­icht wer­den, glaubt Lunacek,
der selb­st die “Sprache der Jugend” sprechen will. Wie das konkret aussehen
soll, ließ er aber offen. 

Lunacek bedauerte, dass die Debat­te über die “deutsche Leitkul­tur”, die vor
vier Jahren der CDU-Poli­tik­er Friedrich Merz los getreten hat­te, so schnell
wieder been­det war. “Da ist lei­der die Union eingeknickt.” 

Die Poli­tik müsse sich darum küm­mern, welch­es poli­tis­che Welt­bild an den
Schulen ver­mit­telt werde. Wichtig sei, dass Jugendlichen Orientierung
gegeben werde. “Es wer­den Antworten und keine Appelle erwartet”, betonte
Lunacek. 

Den Halbe-Auf­marsch der Recht­sex­trem­is­ten nahm SPD-Frak­tion­schef Günter
Baaske gestern zum Anlass für eine Gen­er­alkri­tik. Er könne nicht verstehen,
warum sich so wenig Gegen­demon­stran­ten einge­fun­den hät­ten. “Darüber bin ich
stinksauer.” Statt der e
rwarteten 2500 Demon­stran­ten waren ger­ade einmal
1000 gekom­men. Das zeige, dass das Prob­lem von Recht­sex­trem­is­mus und der
“Unter­wan­derung der Demokratie” nicht ernst genom­men werde, so Baaske. 

Union will DVU The­men wegnehmen

Was tun mit den Recht­sex­tremen? SPD set­zt auf Kon­fronta­tion, die CDU hält
das für die falsche Strategie

(Tagesspiegel, 17.11., Thorsten Met­zn­er) Pots­dam — Die CDU in Bran­den­burg will “Begriffe wie Heimat und Nation”
kün­ftig stärk­er in den Vorder­grund stellen. So soll­ten jugendliche Wähler
der recht­sex­tremen DVU wieder für demokratis­che Parteien gewon­nen werden,
sagte CDU- Frak­tion­schef Thomas Lunacek gestern. “Es darf nicht verpönt
sein, Stolz auf das eigene Land zu äußern.” Lunacek wies darauf hin, dass
jed­er fün­fte männliche Erst­wäh­ler bei der Land­tagswahl für die
Recht­sex­tremen ges­timmt hat: Es sind genau diejeni­gen, an die sich seit 1990
groß angelegte Pro­gramme wie etwa “Tol­er­antes Bran­den­burg” richt­en. Lunaceks
Faz­it: Was im Land bei der Bekämp­fung des Recht­sex­trem­is­mus unternommen
wurde, “funk­tion­iert offen­sichtlich nicht und ist weit­ge­hend gescheitert”. 

Für die stärkere Beto­nung von Patri­o­tismus und Heimat in der
Auseinan­der­set­zung mit Recht­sradikalen haben sich auch der sächsische
Min­is­ter­präsi­dent Georg Mil­bradt (CDU) und CSU-Gen­er­alsekretär Markus Söder
ausgesprochen. 

Der Poli­tik­wis­senschaftler Richard Stöss von der Freien Uni­ver­sität Berlin
forderte dage­gen gestern eine “kon­se­quente Abgren­zung vom
Recht­sex­trem­is­mus”. Die DVU dürfe nicht ver­harm­lost wer­den. Er sprach vor
der PDS-Frak­tion — denn wed­er diese noch die der SPD sind sich so recht
sich­er, welche Strate­gie sie gegenüber der DVU ver­fol­gen sollen. Die SPD
fuhr bish­er einen harten Kon­fronta­tion­skurs; so nan­nte Frak­tion­schef Günter
Baaske die DVU öffentlich “Recht­snach­fol­ger der NSDAP” und ihre Mitglieder
“Nazis”. Sein par­la­men­tarisch­er Geschäfts­führer Christoph Schulze ging so
weit, einen DVU-Abge­ord­neten im Par­la­ment wegen seines Stot­terns zu
verspot­ten — wofür er sich später entschuldigen musste. “Ein solch
prim­i­tives Niveau” stärke die DVU nur, find­et der PDS-Vizefraktionschef
Heinz Viet­ze — und es kon­nte zum Beispiel auch nicht ver­hin­dern, dass
DVU-Frak­tion­schefin Liane Hes­sel­barth bei der Wahl in den so genannten
G10-Auss­chuss zur Kon­trolle des Ver­fas­sungss­chutzes fünf Stim­men mehr
erhielt als die DVU Sitze hat. SPD, CDU und PDS wis­sen bis heute nicht,
wieso und von wem. 

Baaske kündigte jet­zt an, die SPD-Frak­tion werde noch in diesem Jahr ein
Konzept zum Umgang mit der DVU beschließen; der Frak­tionsvor­stand werde bis
Ende Novem­ber einen Entwurf vorlegen 

Die PDS wiederum wirbt für eine gemein­same Lin­ie der drei großen Parteien
gegen die Recht­sausleger. Einigkeit beste­ht zumin­d­est darin, dass man
kün­ftig auch inhaltlich zu Anträ­gen der DVU Stel­lung nehmen will. “Wir
wer­den ihr die Maske vom Gesicht reißen”, erk­lärte SPD-Frak­tion­schef Baaske
gestern. Anders als etwa die NPD in Sach­sen ist die DVU bis­lang kaum durch
recht­sex­treme Pro­voka­tio­nen oder Tabubrüche aufge­fall­en. In der vergangenen
Leg­is­laturpe­ri­ode hat­ten die drei Parteien die DVU noch weitgehend
ignori­ert — was ihren Wiedere­inzug ins Par­la­ment mit 6,1 Prozent jedoch
nicht ver­hin­derte. Die PDS-Frak­tion­schefin Dag­mar Enkel­mann sagte nun, sie
lehne es ab, die DVU im Land­tag weit­er totzuschweigen. “Ich wehre mich
dage­gen zu sagen, das Prob­lem des Recht­sex­trem­is­mus erledigt sich von
allein.” Auch die CDU will sich im Par­la­ment kün­ftig zu DVU-Anträ­gen äußern. 

Parteien im Land­tag uneins über den Umgang mit der DVU

CDU und PDS stellen sich gegen Kurs von SPD-Frak­tion­schef Baaske

Bran­den­burgs Parteien stre­it­en über den kün­fti­gen Umgang mit der
recht­sex­tremen DVU. Die PDS-Oppo­si­tion, aber auch der
CDU-Koali­tion­spart­nern, stell­ten gestern den neuen Kurs von
SPD-Frak­tion­schef Gün­ter Baaske in Frage, der die DVU öffentlich als “Nazis”
und “Recht­snach­fol­ger der NSDAP” gegeißelt hat­te. Die Ausein andersetzung
werde auf “so prim­i­tiv­en Niveau geführt, dass es die DVU stärkt”, beklagte
PDS-Vize­frak­tion­schef Heinz Viet­ze. CDU-Frak­tion­schef Thomas Lunacek warnte:
“Ver­bal­at­tack­en, die nicht der Real­ität entsprechen, werten die DVU nur
auf.” 

Lunacek wies darauf hin, dass jed­er fün­fte männliche Erst­wäh­ler die
Recht­sex­tremen gewählt habe. Dies seien alles Jugendliche, auf die seit 1990
groß angelegte Pro­gramme — wie etwa Tol­er­antes Bran­den­burg — ausgerichtet
waren. Sein Faz­it: “Was im Land bei der Bekämp­fung des Rechtsextremismus
angepackt wurde, funk­tion­iert offen­sichtlich nicht, und ist weitgehend
gescheit­ert.” Der CDU-Frak­tion­schef kündigte Kon­se­quen­zen an: Die Union
werde kün­ftig selb­st “Begriffe wie Heimat und Nation” stärk­er in den
Vorder­grund stellen und zwar in ein­er “jugendgemäßen Sprache”, um den
Recht­sradikalen nicht die Deu­tung­shoheit zu über­lassen: “Es darf nicht
ver­pönt sein, Stolz auf das eigene Land zu äußern.” 

Ob diese Rech­nung aufge­ht, bezweifeln Recht­sex­trem­is­mus-Experten. So
forderte der Poli­tik­wis­senschaftler Richard Stöss von der Freien Universität
Berlin in der PDS-Frak­tion eine “kon­se­quente Abgren­zung vom Rechtsex
trem­is­mus” — und stärk­te indi­rekt Baaske den Rück­en. “Man muss klare Grenzen
ziehen”, sagte Stöss. Auch wenn man von den DVU-Vertretern im Landtag
vielle­icht einen anderen Ein­druck habe, bleibe es eine recht­sex­treme Partei,
die “nicht ver­harm­lost wer­den darf”. 

Tat­säch­lich gibt sich die DVU als “nor­male” Partei, kündigte jet­zt etwa
Anträge zur Bekämp­fung von Graf­fi­ti und Untreue von Amt­strägern an. Dass die
DVU bis­lang kaum durch recht­sex­treme Pro­voka­tio­nen oder Tabu-Brüche — anders
als die NPD in Sach­sen — auffiel, ver­stärkt die Unsicher­heit unter den
Land­tagsparteien. In der let­zten Leg­is­laturpe­ri­ode hat­ten SPD, CDU und PDS
die DVU noch weit­ge­hend ignoriert. 

Doch auch was seit der Land­tagswahl ver­sucht wurde, sei “in die Hose
gegan­gen”, sagte gestern Mar­ti­na Weyrauch, die Chefin der Lan­deszen trale
für poli­tis­che Bil­dung. Tat­säch­lich gab es dabei auch noch mehrere Pannen.
So musste sich jüngst Christoph Schulze, der parlamentarische
SPD-Geschäfts­führer, bei einem DVU-Abge­ord­neten entschuldigen, weil er ihn
im Plenum zu per­sön­lich ange­grif­f­en hat­te. Nicht erk­lären kön­nen sich SPD,
CDU und PDS auch, weshalb die DVU-Frak­tion­schefin Liane Hes­sel­barth bei der
Wahl in den so genan­nten G 10-Auss­chuss zur Kon­trolle des
Ver­fas­sungss­chutzes mehr als die DVU-Stim­men erhielt.

Stich­wort Abgeordnetengesetz

Die Koali­tion­sparteien von SPD und CDU wollen das Landes-Abgeordnetengesetz
auf unzeit­gemäße Regelun­gen hin durch­forsten und es gegebe­nen­falls anpassen.
So sprachen sie sich gestern im Pots­damer Land­tagdafür aus, das Sterbegeld
zu stre­ichen, das für den Großteil der Bevölkerung ohne­hin bereits
abgeschafft sei. Eine Erhöhung der Diäten ste­ht nach Angaben von
CDU-Frak­tion­schef Lunacek im Augen­blick nicht zur Debatte.

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Kleidung mit Runenwappen bleibt verboten

(MAZ, 17.11.) Neuruppin/Potsdam Das an ein Sym­bol der Waf­fen-SS angelehnte Runen­wap­pen der
Bek­lei­dungs­marke “Thor Steinar” bleibt ver­boten. Das Landgericht Neuruppin
wies am Mittwoch die Beschw­erde eines 20-jähri­gen Mannes zurück, dessen
T‑Shirt beschlagnahmt wor­den war. 

Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) begrüßte das Urteil: “Der
Ver­such, dieses Sym­bol in einem Marken­l­o­go zu kaschieren, zeigt, mit welchen
Meth­ode die recht­sex­trem­istis­che Szene neuerd­ings ver­sucht, ihre Ideologien
in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.” 

Bil­dungsmin­is­ter Hol­ger Rup­precht (partei­los) sagte, bere­its vor den ersten
juris­tis­chen Entschei­dun­gen hät­ten mehrere Schulleit­er im Land diese
Klei­dung an ihren Schulen ver­boten. “Ich würdi­ge aus­drück­lich Mut und
Zivil­courage dieser Schulleiter.” 

In dem Fir­men­l­o­go der Bek­lei­dungs­marke wer­den zwei Runen so miteinander
kom­biniert, dass sie für Eingewei­hte die Dop­pel-Sig-Rune der ehemaligen
Waf­fen-SS zeigen. Nach Angaben des Innen­min­is­teri­ums hat sich das
Runen­wap­pen in der recht­sex­trem­istis­chen Szene zu einem eindeutigen
Erken­nungsze­ichen entwickelt.

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Einkauf ohne Demütigung

(MAZ, 17.11.) HENNIGSDORF Die Abschaf­fung des diskri­m­inieren­den Gutschein-Sys­tems haben jetzt
Flüchtlinge, die im Asyl­be­wer­ber­heim Stolpe-Süd leben, gefordert.
Unter­stützt wer­den sie darin von den Flüchtlingsini­tia­tiv­en “Hen­nigs­dor­fer
Ratschlag” und “Ini­tia­tivkreis Asyl­be­wer­ber­heim Stolpe-Süd”. 

Flüchtlinge aus Togo, Kamerun und dem Koso­vo legten deshalb einen von 128
der 300 Bewohn­er des Heims unter­schriebe­nen Antrag auf Abschaf­fung der
Gutscheine vor. Diese bekom­men sie in Werten von 20, zehn, fünf und zwei
Euro, sog­ar Zettel mit dem Auf­druck fünf und ein Cent gibt es. Damit müssen
sie einkaufen — allerd­ings nur in bes­timmten Super­märk­ten. Die Gutscheine
sind beschränkt ein­lös­bar für Nahrungsmit­tel, Schreib­waren, Hygieneartikel
und Reini­gungsmit­tel, Wäsche sowie Haus­rat von geringem Anschaffungswert,
Bek­lei­dung und Schuhe. Bargel­drück­gabe bis zu zehn Prozent des Kaufpreises
ist möglich, würde aber zum Beispiel im Pen­ny-Markt und bei Spar in
Hen­nigs­dorf-Nord ver­weigert. Das bedeutet für die Asylbewerber
Erniedri­gun­gen, Stress, seel­is­che Anspan­nung. Zustände, die schon mehrmals
kri­tisiert wur­den, nun aber erneut ins Licht der Öffentlichkeit rück­en, weil
es andere Bun­deslän­der wie Sach­sen-Anhalt sowie Städte wie Bran­den­burg oder
Pots­dam gibt, die längst die gesamte Summe — etwa 220 Euro für einen
Haushaltsvor­stand monatlich — in Bargeld auszahlen. Der Kreis Oberhavel
hinge­gen hält eis­ern an den Gutscheinen fest. 

Wenn ein Asyl­be­wer­ber beispiel­sweise bei Pen­ny an der Kasse ste­ht und mit
Gutscheinen bezahlen will, muss er zunächst seinen Ausweis vor­legen, in
Gegen­wart der Kassiererin den Wertschein unter­schreiben und wenn die Summe
nicht genau aufge­ht, für die Dif­ferenz irgen­det­was kaufen. Das kostet Zeit,
das führt zu Auf­se­hen und alle Augen wen­den sich auf den Asyl­be­wer­ber, der
sich gebrand­markt fühlt. Er hält sozusagen den Laden auf, wird eventuelle
sog­ar aus der lan­gen Warteschlange her­aus beschimpft. Kinder wür­den es
längst ablehnen, sich diesem Mar­tyri­um zu unterziehen, schon, um nicht von
ihren Mitschülern gehänselt zu werden. 

Wozu, so kön­nten Unbeteiligte fra­gen, müssen die Asyl­be­wer­ber überhaupt
Bargeld in Hän­den haben? Alma Kras­niqi aus dem Koso­vo ver­sucht es zu
erk­lären: “Wir brauchen fast alle einen Anwalt, den müssen wir bezahlen, wir
müssen nach Hause tele­fonieren, dafür brauchen wir eine Telefonkarte.”
Außer­dem sei sie Raucherin, könne im Moment nicht davon lassen, aber
Zigaret­ten, Tabak, Bier oder Wein wären für Wertgutscheine nicht zu haben -
eine weit­ere Diskri­m­inierung, wie es die aus­ländis­chen Mit­bürg­er empfinden.
Das alles führt dazu, dass die Krim­i­nal­ität, die man auszuschalten
ver­suchte, begün­stigt wird. Denn es gibt natür­lich “Händler”, die den
Betrof­fe­nen die Papier­coupons unter Wert abkaufen und ihr Geschäftchen damit
machen. 

Und auch sparen könne man diese Gutscheine nicht, klagt Her­vais Jio­fack aus
Kamerun, denn sie wären jew­eils nur ein bis zwei Monate gültig. 

Noch etwas anderes führen die Mit­glieder von “Ratschlag” ins Feld: die hohen
Druck- und Ver­wal­tungskosten, die durch die Gutscheinak­tio­nen entste­hen und
die man für die Asyl­be­wer­ber viel nutzbrin­gen­der ein­set­zen kön­nte: für
interkul­turelle Begeg­nungsstät­ten zum Beispiel. 

Die Hen­nigs­dor­fer Flüchtlingsini­tia­tiv­en organ­isieren derweil
“Einkauf­s­part­ner­schaften”. Die funk­tion­ieren so: Ein deutsch­er Bürger
bezahlt seinen Einkauf mit den Gutscheinen eines Asyl­be­wer­bers. Der muss zum
Unter­schreiben dabei sein. Den Wert erhält er dann als Bargeld ausgehändigt.
Die Ini­tia­tiv­en sehen darin auch “eine schöne Geste vorweihnachtlicher
Näch­sten­liebe”. Infos gibt es bei Simone Tet­zlaff in der Sozialen Beratungs-
und Begeg­nungsstelle für Flüchtlinge, 03302/22 29 18.

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Illegale Einreise verhindert

(LR, 17.11.) Am Son­ntag gegen 17.30 Uhr beobachteten Bun des­gren­zschützer beim Gubener
Indus­triege­bi­et zwei Autos mit deutschen Kennze­ichen. Als die Fahrzeuge am
Neißedamm hiel­ten, stiegen drei Per­so­n­en ein, die aus Rich­tung Neiße kamen. 

Die Fahrzeuge wur­den in der Stadt durch eine BGS-Streife ange­hal­ten und
kon­trol­liert. In einem PKW befan­den sich neben dem Fahrer und der
Beifahrerin, bei bei­den han­delte es sich um deutsche Staat­sange­hörige, drei
Frauen. Zwei wiesen sich mit ukrainis­chen Reisepässen aus, besaßen aber
keine Aufen­thalts­genehmi­gung. Die dritte Frau ist nach eige­nen Angaben
Russin, kon­nte aber kein­er­lei Per­son­al­doku­mente vor­legen. Im zweit­en Auto,
das eben­falls ein deutsch­er Kraft­fahrer fuhr, befand sich das Gepäck der
drei Frauen. Die sechs Per­so­n­en wur­den zwis­chen­zeitlich in Gewahrsam
genom­men. Bei der Durch­suchung der drei Deutschen wur­den bei zwei von ihnen
Betäubungsmit­tel sichergestellt.

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Alte Heimat für neue Rechte?


Gessinger: Alte Heimat für neue Rechte?
Bran­den­burgs CDU hat im Kampf gegen den Recht­sex­trem­is­mus auf der ganzen Lin­ie versagt.

Zu den Äußerun­gen des Frak­tionsvor­sitzen­den der märkischen CDU, Thomas Lunacek, die
Bekämp­fung des Recht­sex­trem­is­mus in Bran­den­burg sei ins­ge­samt gescheit­ert, erklärt
der Lan­desvor­sitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, JOACHIM GESSINGER

“Es stünde der CDU in Bran­den­burg gut an, bei der Suche nach den Grün­den für das
Erstarken recht­sex­trem­istis­ch­er und nation­al­is­tis­ch­er Grup­pierun­gen sich erst einmal
mit der eige­nen Poli­tik der let­zten Jahre zu befassen, bevor die Anstrengungen
ander­er diskred­i­tiert wer­den. Wer als Regierungspartei die Mit­tel für das Programm
Tol­er­antes Bran­den­burg kürzt, wer wie Schön­bohm in einem Inter­view mit der
recht­sradikalen Jun­gen Frei­heit (15.11.2002) zivilge­sellschaftlich­es Engagement
gegen Rechts gar für das Ansteigen recht­sex­tremer Gewalt ver­ant­wortlich macht und
seinen Sprech­er Hom­burg dem gle­ichen Blatt am 14. April 2000 zum neuen Design
grat­ulieren lässt — der sollte sich zuallererst fra­gen, ob sein bish­eriger eigener
Umgang mit dem Recht­sex­trem­is­mus nicht ein Ver­sagen auf der ganzen Lin­ie darstellt.

Und dass jüngst die Wahl der DVU-Poli­tik­erin Hes­sel­barth aus­gerech­net in den
G10-Auss­chuss, der den Ver­fas­sungss­chutz kon­trol­lieren soll, mit mehr Stimmen
erfol­gte als die
DVU an Abge­ord­neten zählt, deutet auf mehr als nur Ver­sagen hin — nicht nur bei der
CDU

Lunaceks Vorschlag, Begriffe wie Heimat und Nation wieder stärk­er zu
the­ma­tisieren, fol­gt der sein­erzeit von Biedenkopf for­mulierten Strate­gie, Begriffe
des poli­tis­chen Geg­n­ers zu beset­zen. Daran haben sich Merz, Koch und Schön­bohm schon
bish­er aus­giebig ver­sucht und nur erre­icht, dass schwarz und braun nicht mehr recht
unter­schei­d­bar waren. Wer sich anschickt, mit Blick auf den Bun­destagswahlkampf 2006
man­gels eigen­er Sachthe­men eine nation­al gefärbte, christlich-konservativ
aufge­ladene Debat­te um Werte anz­u­fachen, muss wis­sen, dass in seinem Windschatten
auch jenen recht­sex­tremen Ide­olo­gien den Weg bere­it­et wird, die man aus dem Feld
schla­gen wollte. Wer der neuen Recht­en die Deu­tung­shoheit um die alte Heimat
strit­tig zu machen sucht, bere­it­et ihnen damit gle­ich eine neue. 

In der Tat geht es im Kampf gegen den Recht­sex­trem­is­mus auch um Werte — um
demokratis­che Grundw­erte wie Tol­er­anz, Gewalt­frei­heit und Respekt vor eth­nis­chen und
religiösen Min­der­heit­en. In ein­er offe­nen und sol­i­darischen Gesellschaft haben auch
Begriffe wie Heimat und Nation ihren Platz, nur sind sie anders gefüllt als es
sich die CDU vorstellen kann. Ich empfehle als Nach­hil­fe einen Blick in die
Bran­den­burg­er Verfassung.”

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Keine Dienstnummer an der Uniform

Das Land Bran­den­burg bleibt dabei — keine Dien­st­num­mer­tragepflicht für
Polizeibeamte in geschlosse­nen Einheiten

Nach dem Auf­marsch von rund 350 Neon­azis in der Pots­damer Innen­stadt vor
zwei Wochen forderte die Rote-Liste e.V. (Anmerkung Infori­ot: Gemeint ist die Rote Hil­fe) — eine Sol­i­dar­ität­sor­gan­i­sa­tion des
linken Spek­trums — eine Wiedere­in­führung der Dienstnummerntragepflicht.
Polizeibeamte soll­ten danach in Großein­sätzen durch eine gut sichtbare
Num­mer an Uni­form oder Helm für Jed­er­mann erkennbar sein. Nach Auskun­ft der
Rechtsabteilung des Innen­min­is­teri­ums beste­ht jedoch kein Grund für eine
solche Neuerung. Jed­er Beamte habe sich gemäß Polizeige­setz ohne­hin auf
Ver­lan­gen auszuweisen. Die so genan­nte “Legit­i­ma­tion­spflicht” soll
Betrof­fe­nen die Möglichkeit des Wider­spruchs gegen polizeiliche Maßnahmen
sich­ern. Das “Durch­num­merieren” der Beamten jedoch ver­stoße gegen deren
Per­sön­lichkeit­srechte. Nicht ohne Grund verzichtete der Geset­zge­ber bei der
Neu­fas­sung des Polizeige­set­zes auf eine der­ar­tige Pflicht. Die Erfahrung
habe außer­dem gezeigt, dass es ger­ade in Großein­sätzen kaum möglich sei eine
mehrstel­lige Num­mer zu erken­nen; unberechtigten Anzeigen würde dadurch auch
weit­er unnötig Vorschub geleis­tet. Am Rande der friedlichen
Gegen­demon­stra­tion liefer­ten sich etwa ein­hun­dert, teils vermummte,
Ran­dalier­er eine Straßen­schlacht mit den Ein­satzkräften. Steine und Flaschen
flo­gen, 18 Beamte wur­den ver­let­zt, ein­er davon schwer.

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Streit in der DVU-Fraktion

(Berlin­er Zeitung, 16.11.) POTSDAM. Inner­halb der DVU-Land­tags­frak­tion gibt es Stre­it um das geplante
Bünd­nis der Partei mit der recht­sex­tremen NPD. Vize­frak­tion­schef Michael
Claus bekräftigte am Mon­tag in Pots­dam seine Ablehnung eines solchen
Wahlbünd­niss­es: “Dadurch wer­den wir nicht mehr, son­dern weniger Wähler
erre­ichen”, sagte Claus am Mon­tag der Berlin­er Zeitung. Er kritisierte
ins­beson­dere die radikalen Ansicht­en des NPD-Bun­desvor­sitzen­den Udo Voigt
und das “Erschei­n­ungs­bild” der NPD, auch weil dort Mit­glieder der so
genan­nten Freien Kam­er­ad­schaften vertreten seien. “Wir aber haben solche
Leute nicht in der Partei”, sagte Claus. Der Ver­fas­sungss­chutz schätzt die
Mit­glieder der “Freien Kam­er­ad­schaften” als gewalt­bere­ite Neon­azis ein. 

DVU-Bun­de­schef Ger­hard Frey hat­te jüngst mit NPD-Chef Voigt vere­in­bart, dass
ihre Parteien für die kom­menden Bun­destags- und Europawahlen ein Wahlbündnis
einge­hen. Bran­den­burgs DVU-Lan­deschef Sig­mar-Peter Schuldt wies die Kritik
seines Frak­tion­skol­le­gen Claus an diesem recht­sex­tremen Pakt zurück: “Das
ist seine per­sön­liche Mei­n­ung, die ich nicht teile”, sagte Schuldt, der
jüngst als Gast am NPD-Bun­desparteitag teilgenom­men hat­te. Das Bünd­nis sei
vielmehr notwendig, um in die Par­la­mente zu kom­men, sagte Schuldt und gab
sich ganz pragamtisch: “In ein­er GbR tre­f­fen sich nun mal verschiedene
Leute, um ein Pro­dukt zu ver­mark­ten.” Aus sein­er Sicht müsse es aber
Bedin­gung der DVU sein, dass “keine Skin­heads” auf die Wahllis­ten geraten.
DVU-Frak­tion­schefin Liane Hes­sel­barth ließ aus­richt­en, dass auch sie die
Mei­n­ung des Frak­tion­skoll­gen Claus nicht teile. Hes­sel­barth sitzt auch im
Bun­desvor­stand der Partei und hat dort den Pakt mit der NPD, gegen den ihr
Frak­tionsvize opponiert, abgenickt. 

Andere Parteien im Land­tag suchen nach einem angemesse­nen Umgang mit der
DVU. Die PDS wid­met ihre heutige Frak­tion­ssitzung dem The­ma — geladen ist
der Parteien­forsch­er Richard Stöss. 

DVU “freut” sich auf NPD

Frak­tion will recht­sex­tremes Wahlbünd­nis — ein Abge­ord­neter ist dagegen

(MAZ, 16.11., Igor Göld­ner) POTSDAM Die geplante Koop­er­a­tion mit der NPD, glaubt Sig­mar-Peter Schuldt,
sei die einzige Chance für “die recht­en Parteien”, 2006 in den Bundestag
einzuziehen. Schuldt ist Lan­deschef der recht­sex­tremen DVU und gilt im
Land­tag als der starke Mann der Frak­tion, wo er parlamentarischer
Geschäfts­führer ist. Er selb­st würde gern 2006 mit dabei sein. “Wenn ich
gefragt werde, kan­di­diere ich”, sagt Schuldt. Das entschei­de aber der
Landesverband. 

Doch so wie Schuldt, der sich auf die Koop­er­a­tion mit der NPD “freut”, sehen
das in sein­er Partei nicht alle. Der stel­lvertre­tende Frak­tion­schef im
Land­tag, Michael Claus, lehnt das von DVU-Bun­de­schef Ger­hard Frey geplante
Wahlbünd­nis der bei­den recht­sex­tremen Parteien ab. “Das würde viele Wähler
abschreck­en”, glaubt Claus. 

Diese Äußerung deutet auf Span­nun­gen inner­halb der DVU hin, die im September
mit 6,1 Prozent zum zweit­en­mal in den Pots­damer Land­tag ein­zog. Schuldt
weist das zurück und gibt sich nach außen jovial. Claus sei der einzige in
der sech­sköp­fi­gen Land­tags­frak­tion, “der das anders sieht als wir”. Die
Äußerung wird von Schuldt als “Mei­n­ungsäußerung” abge­tan, “die in der
Demokratie legit­im” sei. 

Für den Parteien­forsch­er Jür­gen Dit­tbern­er, Pro­fes­sor an der Universität
Pots­dam, zeigt der Vor­gang inner­halb der DVU, dass das geplante Wahlbündnis
für 2006 noch lange nicht geschmiedet ist. “Die großen Strate­gen bei DVU und
NPD kön­nen sich das denken, aber das Umset­zen wird schwierig”, sagte
Dit­tbern­er gestern der MAZ. Die DVU in Bran­den­burg wolle den Eindruck
erweck­en, sie sei “mod­er­ater” als die NPD, die wiederum Zulauf von
gewalt­bere­it­en Neon­azis habe. Am Ende aber, so Dit­tbern­er, bes­timme “der
Radikalste” das Bild des Ganzen. Und genau das sei das Prob­lem der DVU, aber
auch der Repub­likan­er. Die Repub­likan­er haben den Schul­ter­schluss am rechten
Rand für 2006 bere­its abgelehnt. 

Die Geschichte der recht­sex­tremen Parteien zeige, dass die Akteure eher
sturköp­fig und stre­it­süchtig sind und für Kom­pro­misse nicht ger­ade zu haben
seien, sagte Dit­tbern­er. Eine Parteien­fu­sion oder eine gemein­same Wahlliste
für die Bun­destagswahl bedeute immer, dass eine Partei auf Pfründe
verzicht­en müsse. 

Öffentlich zer­strit­ten hat sich die DVU im Land­tag bish­er nicht. Da
unter­schied sie sich von ihren Kol­le­gen in Sach­sen-Anhalt 1998. Nach
Auf­fas­sung von Dit­tbern­er ist die DVU allerd­ings nicht durch ihre Arbeit
wieder in den Land­tag gekom­men. “Geschafft hat sie es auf dem Weg des
Protestes gegen Hartz IV”. Das sei “Treib­sand” für die DVU gewe­sen. 71 045
Bran­den­burg­er wählten die DVU am 19. Sep­tem­ber mit ihrer Zweit­stimme, das
sind 0,8 Prozent mehr als 1999. Die NPD war nach ein­er Absprache in
Bran­den­burg nicht ange­treten. Die DVU hat­te im Gegen­zug auf eine Kandidatur
in Sach­sen verzichtet. 

In Bran­den­burg ist die DVU im Visi­er des Ver­fas­sungss­chutzes. Für
Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) ist sie eine “Phan­tom­partei”, die von der
Zen­trale der Partei in München fer­nges­teuert sei. Innen­staatssekretär Eike
Lan­celle beze­ich­net sie als “ver­lore­nen Haufen” mit knapp über 200
Mit­gliedern. DVU-Lan­deschef Schuldt meint, seine Partei habe “knapp 400
Mitglieder”. 

Über den Umgang im Land­tag herrscht Rat­losigkeit. Die einen fordern eine
“schär­fere Klinge”, andere war­nen vor ein­er Aufw­er­tung der DVU. Dittberners
Empfehlung: “Die Auseinan­der­set­zung muss mit Argu­menten und nicht mit
Rit­ualen geführt werden.”

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Gericht will bei Rechtsextremen beliebte Marke einziehen lassen

(LR, 16.11.) Die bei Recht­sradikalen beliebte Bek­lei­dungs­marke “Thor Steinar”, die von
der Fir­ma Medi­a­tex in Zeesen bei Königs Wuster­hausen ver­trieben wird, nimmt
ihr umstrittenes Runen-Logo vom Markt. “Ich habe nach den Beschlagnahmungen
in den ver­gan­genen Wochen dazu ger­at­en”, sagte der Berlin­er Mediatex-Anwalt
Markus Rosch­er gestern auf Anfrage. Ein neues Fir­men­wap­pen sei aber schon in
Arbeit. 

Das Amts­gericht Königs Wuster­hausen hat­te ver­gan­gene Woche angeordnet,
bun­desweit Tex­tilien mit dem “Thor Steinar”-Zeichen einzuziehen. Erwirkt
hat­te diesen Beschluss die Neu­rup­pin­er Staat­san­waltschaft. Sie ist der
Auf­fas­sung, dass das Runen-Logo “nation­al­sozial­is­tis­chen Sym­bol­en zum
Ver­wech­seln” ähnele (die RUNDSCHAU berichtete). 

Im “Thor-Steinar”-Logo sind zwei nordis­che Runen miteinan­der verschlungen:
die Tyr-Rune und die Wolf­san­gel. Erstere war in der NS-Zeit Ärmelem­blem der
Absol­ven­ten der SA-Reichs­führerschulen. Die Wolf­san­gel zählt nach Hakenkreuz
und Sig-Rune zu den sig­nifikan­testen Sym­bol­en des Nation­al­sozial­is­mus. Sie
tauchte in den Abze­ichen mehrerer SS-Ein­heit­en auf und wurde — leicht
abge­wan­delt — auch von der 1982 als ver­fas­sungs­feindlich verbotenen
Jugen­dor­gan­i­sa­tion “Junge Front” genutzt. Zudem heißt es, dass der Name
“Steinar” in Verbindung mit dem Wort Divi­sion, wie er auf T‑Shirts der Marke
aufge­druckt ist, eine gezielte Anspielung auf den von Neonazis
glo­ri­fizierten SS-Gen­er­al Felix Stein­er sei. 

Der Amts­gerichts­beschluss hat für die Fir­ma Medi­a­tex weit reichende Folgen:
Er ermöglicht bun­desweit Razz­ien in Geschäften, die Klei­dung mit dem
Runen-Logo verkaufen. Auch Träger der Tex­tilien müssen jet­zt damit rechnen,
dass Beamte ihre Klei­dungsstücke kon­fiszieren. Darüber­hin­aus ord­nete das
Gericht an, die für die Fir­men­wap­pen-Her­stel­lung notwendi­gen Hil­f­s­mit­tel wie
“Plat­ten, For­men, Neg­a­tive oder Matritzen” unbrauch­bar zu machen. 

“Medi­a­tex hat deshalb alle Händler aufge­fordert, die Logos zu ent­fer­nen und
die Ware zurück­zugeben”, sagte Anwalt Rosch­er auf Anfrage. “Wir beu­gen uns
dieser Gewalt, obwohl uns säch­sis­che, die Cot­tbuser und die Frankfurter
Staat­san­waltschaft zuvor mehrfach sig­nal­isiert hat­ten, dass keine
Ähn­lichkeit mit Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen beste­he. Der
Schaden ist katastrophal.” 

Recht­san­walt Rosch­er hat beim Pots­damer Landgericht Beschw­erde gegen den
Amts­gerichts­beschluss ein­gelegt. Tex­tilien, die die Polizei im Okto­ber in
einem Hen­nings­dor­fer Geschäft bei Berlin beschlagnahmt hat­te, haben die
Behör­den inzwis­chen wieder zurück­geben müssen, da es dafür keine
Rechts­grund­lage gab. 

Um mögliche Schaden­er­satz­forderun­gen der Fir­ma Medi­a­tex auszuschließen, hat
Bran­den­burgs Gen­er­al­staat­san­waltschaft erst ein­mal angewiesen, den
Beschlagnah­mungs­beschluss des Amts­gericht­es nicht zu voll­streck­en. “Wir
wollen abwarten, wie das Landgericht Pots­dam entschei­det”, sagte deren
Press­esprech­er Rolf Grünebaum gestern auf Anfrage. “Wir ste­hen hin­ter der
Neu­rup­pin­er Staat­san­waltschaft, aber dass der Straftatbe­stand 86a durch das
Logo ver­let­zt wird, sieht bis­lang son­st noch kein­er in Deutsch­land so.”

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Rechtsextremer Auftragsschläger vor Gericht

Am
Don­ner­stag, den 18. Novem­ber, find­et um 9:00 Uhr vor dem Amtsgericht
Rathenow, Raum 2.13, ein Prozess gegen den Rechtsextremisten
San­dro B. statt.

April
dieses Jahres, vor­mit­tags gegen 11 Uhr. Der 15-jährige Punk Toni P.
ste­ht allein vor sein­er Schule in Prem­nitz. Ein rot­er Fies­ta hält, ein
unbekan­nter Mann steigt aus. Der Mann fragt den 15-Jähri­gen, ob er Toni
P. sei, was dieser bejaht, nichts ahnend. Und schon ver­set­zt der Unbekannte
ihm einen schw­eren Faustschlag ins Gesicht. Toni fällt mit

dem
Kopf gegen einen Baum und ist kurzzeit­ig bewusst­los. Der Mann fährt
weg.

Der
Angriff bliebe unver­ständlich, wenn nicht wenige Tage später bekannt
gewor­den wäre, dass es sich bei dem Schläger um den stadtbekannten
Recht­sex­trem­is­ten San­dro B. han­delte. Offen­bar war der Angriff
eine Auf­trag­stat. Toni sollte “bestraft” wer­den, weil er es gewagt
hat­te, recht­sex­treme Schläger anzuzeigen. Im Jan­u­ar hat­ten diese
ihn in und vor der Schule zusam­mengeschla­gen und wochen­lang aufgelauert.
Einen Tag vor dem Prozess Ende Sep­tem­ber wurde Toni von einem
Unbekan­nten mit einem Mess­er bedro­ht. Doch Toni blieb bei seiner

Aus­sage
und die Täter vom Jan­u­ar, darunter ein Sohn des Wachschutz-Unternehmers
Zarnikow, wur­den zu Jugen­dar­rest und Bewährungsstrafen
verurteilt.

Die Tat vom April zeigt”, so Kay Wen­del vom Vere­in Opferperspektive,”
mit welchen Mafia-Meth­o­d­en die recht­sex­treme Szene in Prem­nitz ihre Gegner
ein­schüchtern und gefügig machen will. Und Tonis Verhalten

zeigt, dass man sich davon nicht ein­schüchtern lassen muss, dass man standhalten
kann — wenn die Jus­tiz hier ein­deutig ein­greift und die Täter
zur Rechen­schaft zieht. Das ist nicht nur Tonis Wun­sch für den Prozess
am Donnerstag.”

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Rathenower Asylbewerber freigesprochen

Zwei Asyl­suchende wur­den vor Gericht vom Vor­wurf der üblen Nachrede freige­sprochen. Sie hat­ten sich über die Zustände im Asyl­be­wer­ber­heim Rathenow beschwert. 

Ich hätte nie gedacht, dass wir als Asyl­be­wer­ber vor deutschen Gericht­en ein­mal die Chance erhal­ten, so aus­führlich ange­hört zu wer­den.« Mohammed Abdel Amine von der Flüchtlingsini­tia­tive Bran­den­burg (Fib) ver­nahm ungläu­big das Urteil, das am 1. Novem­ber in einem Prozess wegen übler Nachrede im bran­den­bur­gis­chen Rathenow verkün­det wurde. Das Gericht sprach den 28jährigen Togo­er sowie den 34jährigen Palästi­nenser Mohamad Mah­moud vom Vor­wurf der Ver­leum­dung frei. »Den Angeklagten ist das Erbrin­gen der Beweispflicht in bei­den übrig gebliebe­nen Anklagepunk­ten gelun­gen«, lautete die Begrün­dung des Richters Robert Ligier. 

Gemein­sam mit 60 anderen Bewohner­In­nen ihres Asyl­be­wer­ber­heimes hat­ten sich Mah­moud und Amine im Juli 2002 an die Öffentlichkeit gewandt, um auf die katas­trophale Sit­u­a­tion in ihrer Unterkun­ft aufmerk­sam zu machen (Jun­gle World, 38/02). In dem Schreiben hat­ten die Asyl­suchen­den beklagt, dass die Überwachungskam­eras nicht zu ihrem Schutz, son­dern zur ihrer Beobach­tung dien­ten, die Heim­leitung die Gen­er­alschlüs­sel dazu benutze, um die Zim­mer der Bewohner­In­nen in deren Abwe­sen­heit zu kon­trol­lieren, und dass die Post geöffnet werde. Zudem beschuldigten sie das damals für den Schutz des Heimes einge­set­zte Sicher­heit­sun­ternehmen Zarnikow aus Prem­nitz, Mit­glieder der recht­sex­tremen Szene des West­havel­lands zu beschäftigen. 

Auf die öffentliche Beschw­erde reagierten die Arbeit­er­wohlfahrt Havel­land (Awo), die das Heim betreibt, und das Sicher­heit­sun­ternehmen mit ein­er Anzeige wegen übler Nachrede. Zwar bestätigte nur einen Monat später der Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutz, dass bei Zarnikow tat­säch­lich mehrere Mit­glieder der recht­sex­tremen »Kam­er­ad­schaft Hauptvolk« beschäftigt seien. Den­noch been­dete das Unternehmen erst im Jan­u­ar 2003 die Zusam­me­nar­beit mit der Awo; das Unternehmen existiert weit­er, über die Ent­las­sung der als recht­sex­trem eingestuften Mitar­beit­er ist nichts bekan­nt. Im nun been­de­ten Ver­leum­dung­sprozess spielte dieser Aspekt keine Rolle mehr. 

Auch der Punkt der Überwachung der Flüchtlinge durch die instal­lierten Kam­eras war aus der Anklageschrift ent­fer­nt wor­den. Die Lei­t­erin des Heimes, Bär­bel Pagel, hat­te bei ihren Aus­sagen vor Gericht freimütig eingeräumt, dass sie über­prüfe, wer das Heim betritt und ver­lässt. Im Prozess vor dem Amts­gericht, der sechs Ver­hand­lungstage in Anspruch nahm, ging es deshalb nur noch um zwei Punk­te: die Kon­trolle der Zim­mer und die Öff­nung der Post der HeimbewohnerInnen. 

Die Erk­lärung, die der Geschäfts­führer der Awo Havel­land, Ralf Schröder, vor der Verkün­dung des Urteils abgab, klang wenig schuld­be­wusst: »Unbekan­nte haben nach unser­er Wahrnehmung sein­erzeit bei vie­len Bewohn­ern unter Angabe ganz ander­er Gründe (und offen­bar auch Zwang) Unter­schriften unter einen weltweit ver­schick­ten Brief (Mem­o­ran­dum genan­nt) einge­holt. Die in dem Brief erhobe­nen Vor­würfe entsprechen nicht den Tat­sachen. Eine externe Über­prü­fung hat nichts ergeben. Meine als Arbeit­ge­ber geset­zlich vorgeschriebene Für­sorgepflicht für die im Heim beschäftigten Mitar­beit­er gebot es mir, gegen die jahre­lan­gen Belei­di­gun­gen und Unter­stel­lun­gen einzel­ner gegen das Heim­per­son­al und damit gegen uns als Träger vorzugehen.« 

Doch der Vertei­di­gung, auf deren Seite bei Ver­leum­dungskla­gen die Beweis­last liegt, war es gelun­gen, genü­gend Zeug­In­nen aufzutreiben, die die in dem offe­nen Brief genan­nten Vor­würfe bestäti­gen kon­nten. Unter ihnen war der ehe­ma­lige Sozialar­beit­er Man­fred Koch, der im Früh­jahr 2003 drei Monate lang im Heim beschäftigt war, bevor ihm aus unerfind­lichen Grün­den gekündigt wurde. Obwohl die Veröf­fentlichung des Protestschreibens bere­its über ein halbes Jahr zurück­lag, kon­nte Koch aus sein­er Zeit sämtliche Vor­würfe der Flüchtlinge bestäti­gen. »Im Ver­gle­ich zu anderen Heimen, in denen ich zuvor beschäftigt war, war ich über die Sit­u­a­tion in Rathenow erschüt­tert«, sagte er vor Gericht. Er, der den Heim­be­wohner­In­nen die Möglichkeit, Sport zu treiben, und neue Jobs ver­schafft hat­te, ver­trat die Ansicht, »dass die Förderung der Inte­gra­tion nicht im Inter­esse der Awo ist«. 

Ein ehe­ma­liger Mitar­beit­er der IG Met­all, Willy Hajek, bestätigte, dass er einen Anruf von der Heim­lei­t­erin Bär­bel Pagel erhal­ten habe, obgle­ich sie seine interne Durch­wahl eigentlich nicht habe wis­sen können. 

Was sich die Leitung im Rathenow­er Flüchtling­sheim erlaubte, erstaunte selb­st den sich sichtlich unwohl füh­len­den Staat­san­walt Gerd Heininger. »Wäre ich von Anfang an für die Anklageschrift zuständig gewe­sen, ich hätte diesen Prozess nie stat­tfind­en lassen. Bei den Aus­sagen der Heim­leitung hat es mir zum Teil die Kehle zugeschnürt«, sagte der Staat­san­walt während seines Plä­doy­ers und forderte eine schnell­st­mögliche Änderung »der Zustände«. Trotz dieser für die meis­ten Anwe­senden über­raschen­den Auf­fas­sung sprach er sich für eine sym­bol­is­che Geld­strafe von 50 Euro gegen die bei­den Angeklagten aus. Nach Ansicht der Staat­san­waltschaft habe sich das Öff­nen der Post nicht beweisen lassen. Zudem sei »dieses Gericht nicht der geeignete Ort, um die Ver­fehlun­gen der deutschen Aus­län­der­poli­tik zu disku­tieren«. Bei Prozess­be­ginn im März dieses Jahres hat­te dieselbe Staat­san­waltschaft auf dem Prozess bestanden. 

Die Vertei­di­gung von Mah­moud und Amine hat­te Freis­prüche gefordert. »Nach unser­er Auf­fas­sung han­delt es sich bei diesem Ver­fahren um eine Art Muster­prozess, der eine beson­dere Bedeu­tung hat, weil es sich um eine nicht ungewöhn­liche Meth­ode han­delt, poli­tisch aktive Asyl­be­wer­ber mund­tot zu machen«, erk­lärte Recht­san­walt Ulrich von Kling­gräff der Jun­gle World. Nun sei zu hof­fen, »dass dieses Urteil auch woan­ders wahrgenom­men wird und dadurch das Selb­st­be­wusst­sein der Flüchtlinge steigt, die fürchter­lichen Zustände in deutschen Asyl­be­wer­ber­heimen zu benennen«. 

Mah­moud und Amine sind Mit­glieder der Flüchtlingsini­tia­tive Bran­den­burg, die sich seit mehreren Jahren für die Belange der Asyl­suchen­den in dem Bun­des­land ein­set­zt. Und zwar dur­chaus erfol­gre­ich: Bere­its im Herb­st des Jahres 2000 wurde die selb­st organ­isierte Ini­tia­tive für ihr Engage­ment mit der Carl-von-Ossi­et­zky-Medaille der inter­na­tionalen Liga für Men­schen­rechte aus­geze­ich­net. »Dieses Urteil stärkt uns«, sagt der nun freige­sproch­ene Togo­er Amine. »Endlich habe ich wieder alle Kapaz­itäten frei, um meine poli­tis­chen Aktiv­itäten fortzuführen, und muss mich nicht mehr mit diesem Prozess herumschlagen.« 

Sowohl die Staat­san­waltschaft als auch die Vertei­di­gung prüfen nun Anzeigen wegen Falschaus­sagen gegen die Mitar­bei­t­erIn­nen der Awo.

Inforiot