(BM, 17.11.) Potsdam — Auf der Suche nach einer gemeinsamen Linie im Umgang mit der
rechtsextremen DVU geraten SPD und CDU sowie die oppositionelle PDS immer
mehr in Streit. Union und PDS werfen der SPD vor, die DVU mit Verbalattacken
aufzuwerten. Der SPD-Fraktionschef Günter Baaske hatte die zum zweiten Mal
im Landtag vertretene DVU jüngst eine “Nazi-Partei” genannt und sie scharf
attackiert. In der vergangenen Legislaturperiode hatten die demokratischen
Parteien die DVU-Truppe weitgehend ignoriert. Trotzdem schaffte sie mit 6,1
Prozent den Wiedereinzug.
Der parlamentarische Geschäftsführer der PDS, Heinz Vietze, warf der SPD
gestern vor, die Auseinandersetzung auf primitivstem, billigem Niveau zu
führen. “Dies dient nur der Profilierung der eigenen Person und Partei und
der Aufwertung der DVU”, sagte Vietze. Die Leiterin der Zentrale für
politische Bildung, Martina Weyrauch, übte ebenfalls deutliche Kritik. Der
Versuch, die Partei nicht weiter zu ignorieren, sei “in die Hose gegangen”.
SPD-Fraktionschef Baaske kündigte für Ende November ein Konzept für den
Umgang mit der rechtsextremen Partei an. Ziel müsse es sein, der DVU “die
Maske vom Gesicht zu reißen”. Baaske bedauerte, daß sich bei dem
Neonazi-Aufmarsch in Halbe so wenig Gegendemonstranten gezeigt haben. “Ich
bin stinksauer darüber”, sagte der SPD-Politiker.
CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek erklärte das Gesamtkonzept der
Landesregierung gegen den Rechtsextremismus für weitgehend gescheitert. Er
verwies darauf, daß sich jeder fünfte männliche Erstwähler für die DVU
entschieden habe. Er kündigte an, die CDU werde selbst stärker Begriffe wie
Nation, Stolz und Heimat in den Vordergrund stellen.
Konzepte gegen Rechtsextremismus gescheitert
CDU: Politik muss die Jugend zurückgewinnen / Suche nach neuen Wegen auch in
PDS und SPD
(Berliner Zeitung, 17.11.) POTSDAM. Die Aktivitäten Brandenburgs zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
sind nach Auffassung von CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek “in weiten Teilen
gescheitert”. Gerade junge Leute wendeten sich verstärkt dem rechten Rand
zu. “Das sind alles Leute, die die brandenburgische Schule durchlaufen und
die Landespolitik der letzten zehn Jahre erlebt haben”, sagte Lunacek am
Dienstag. Die Politik müsse nach Wegen suchen, sie zurückzugewinnen. Dazu
gehöre es auch, eine gemeinsame Sprache zu finden. “Begriffe wie Nation oder
Stolz auf das eigene Land dürfen nicht länger tabuisiert werden”, sagte der
CDU-Fraktionschef.
Letzter Auslöser für die Debatte in der gemeinsam mit der SPD regierenden
CDU war der Neonazi-Aufmarsch am vergangenen Wochenende in Halbe. Etwa 1 600
waren zum “Heldengedenken” zu dem dortigen Soldatenfriedhof gekommen -
doppelt so viele, wie von der Polizei erwartet. “Und der Großteil waren
keine dumpfen Krawallmacher”, sagte Lunacek. Darüber hinaus “muss es
bedenklich stimmen”, dass 15 Prozent der Erstwähler bei der Landtagswahl im
September die rechtsextreme DVU gewählt hätten. Bei den männlichen
Erstwählern habe der Anteil sogar bei knapp 20 Prozent gelegen. Insgesamt
rückte die DVU mit einem Stimmanteil von 6,1 Prozent wieder in den Landtag
ein.
“Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir an diese Jugendlichen herankommen,
sie für die positiven Ansätze der Demokratie gewinnen. Es besteht riesiger
Handlungsbedarf”, sagte Lunacek. Die Konzepte der vergangenen zehn Jahre
hätten offenkundig nicht funktioniert. Dabei spiele es eine zentrale Rolle,
was an den Schulen geschehe, wie authentisch Lehrer die Werte der Demokratie
vermittelten. “Die Jugendlichen suchen Antworten.”
Die Union wolle sich in den Wahlkreisen verstärkt in rechte Gruppen
hineinbegeben, sagt Lunacek. Dabei werde seine Partei auch Begriffe wie
Heimat und Nation in den Vordergrund stellen. “Ganz normale Gefühle wie der
Stolz auf das Heimatland dürfen nicht länger verpönt sein”, sagte er. “Die
multikulturelle Gesellschaft ist blanke Illusion.” Das würden die jungen
Leute selbst erleben, wenn sie in Berlin im Zug von Ausländern
zusammengeschlagen würden.
Angriffe von SPD-Politikern gegen die DVU nannte Lunacek dagegen
“überzogen”. Wer die Partei des Münchner Verlegers Gerhard Frey in die Nähe
der NSDAP rücke, verharmlose die Vergangenheit. Nach seiner Einschätzung sei
die DVU nicht rechtsextrem, sondern allenfalls rechtsradikal, sagte Lunacek.
In der jüngsten Landtagssitzung hatte der parlamentarische Geschäftsführer
der SPD, Christoph Schulze, einen DVU-Abgeordneten wegen seines schwachen
Ausdrucksvermögens angegriffen. Der Mann stottert. SPD-Fraktionschef Günter
Baaske hatte die DVU unter Verweis auf ihre angestrebte Kooperation mit der
NPD eine “Nazi-Partei” genannt. Dagegen haben die Rechtsextremen rechtliche
Schritte angekündigt. Baaske warnte am Dienstag erneut vor Verharmlosungen:
“Wer den strammen Aufmarsch in Halbe gesehen hat, weiß, da waren
Rechtsextremisten am Werk”, hielt er Lunacek entgegen. Bis Anfang Dezember
will er ein Konzept zum Umgang mit der DVU und anderen rechtsextremen
Kräften vorlegen.
Auch die PDS ringt noch um ihre Position gegenüber den Rechts-extremen. In
einer Fraktionsdebatte mit dem Parteienforscher Richard Stöss sagte der
Frankfurter Abgeordnete Frank Hammer, er habe die DVU in Brandenburg anders
erlebt als die NPD: “Das ist eher eine bürgerliche Partei, die hin und
wieder Ausflüge ins Rechtsextreme macht.” Andererseits bekomme er in
PDS-Versammlungen von älteren Genossen zu hören, “wir müssen auch über den
Niedergang der deutschen Nationalkultur reden.” Stöss, seit über 30 Jahren
mit der Parteienentwicklung befasst, sagte, er mache bezüglich des
Rechtsextremismus keine neue Situation aus. Um den Ursachen
entgegenzuwirken, müsse mehr für die Persönlichkeitsbildung junger Menschen
getan werden. Einen Rat wollte er der PDS allerdings nicht erteilen.
Lunacek betont “Stolz auf Heimat”
CDU will neuen Umgang mit der Jugend
(MAZ, 17.11., Igor Göldner) POTSDAM Der hohe Anteil von 15 Prozent Erstwählern, die bei der DVU ihr
Kreuz machten und die vielen jungen Leute, die sich am Samstag in den
Neonazi-Aufmarsch in Halbe einreihten — für den neuen CDU-Fraktionschef
Thomas Lunacek sind dies “gruselige Bilder”. Diese jungen Leute müssten
wieder für die Demokratie gewonnen werden, meint Lunacek und hat sich seine
Gedanken gemacht.
Die Politik, so der 40-Jährige gestern vor Journalisten, benötige in der
Jugendarbeit und im Kampf gegen den Rechtsextremismus einen neuen Ansatz.
Alle bisherigen Konzepte wie das von der Landesregierung initiierte
“Tolerante Brandenburg” hätten nicht funktioniert und seien gescheitert,
meinte er rigoros. “Es wurde zu viel über die Köpfe der Jugendlichen hinweg
geredet.” Die “Unkultur” hätte sich so weiter entwickeln können.
Die CDU werde Begriffe wie “Heimat” und “Nation” künftig stärker in den
Mittelpunkt rücken. Tabus müssten der Vergangenheit angehören. Dazu gehöre
auch, dass man “stolz auf seine Heimat” sein könne. Damit könnten
Jugendliche und ihre “Gefühlswelt” besser erreicht werden, glaubt Lunacek,
der selbst die “Sprache der Jugend” sprechen will. Wie das konkret aussehen
soll, ließ er aber offen.
Lunacek bedauerte, dass die Debatte über die “deutsche Leitkultur”, die vor
vier Jahren der CDU-Politiker Friedrich Merz los getreten hatte, so schnell
wieder beendet war. “Da ist leider die Union eingeknickt.”
Die Politik müsse sich darum kümmern, welches politische Weltbild an den
Schulen vermittelt werde. Wichtig sei, dass Jugendlichen Orientierung
gegeben werde. “Es werden Antworten
und keine Appelle erwartet”, betonte
Lunacek.
Den Halbe-Aufmarsch der Rechtsextremisten nahm SPD-Fraktionschef Günter
Baaske gestern zum Anlass für eine Generalkritik. Er könne nicht verstehen,
warum sich so wenig Gegendemonstranten eingefunden hätten. “Darüber bin ich
stinksauer.” Statt der erwarteten 2500 Demonstranten waren gerade einmal
1000 gekommen. Das zeige, dass das Problem von Rechtsextremismus und der
“Unterwanderung der Demokratie” nicht ernst genommen werde, so Baaske.
Union will DVU Themen wegnehmen
Was tun mit den Rechtsextremen? SPD setzt auf Konfrontation, die CDU hält
das für die falsche Strategie
(Tagesspiegel, 17.11., Thorsten Metzner) Potsdam — Die CDU in Brandenburg will “Begriffe wie Heimat und Nation”
künftig stärker in den Vordergrund stellen. So sollten jugendliche Wähler
der rechtsextremen DVU wieder für demokratische Parteien gewonnen werden,
sagte CDU- Fraktionschef Thomas Lunacek gestern. “Es darf nicht verpönt
sein, Stolz auf das eigene Land zu äußern.” Lunacek wies darauf hin, dass
jeder fünfte männliche Erstwähler bei der Landtagswahl für die
Rechtsextremen gestimmt hat: Es sind genau diejenigen, an die sich seit 1990
groß angelegte Programme wie etwa “Tolerantes Brandenburg” richten. Lunaceks
Fazit: Was im Land bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus unternommen
wurde, “funktioniert offensichtlich nicht und ist weitgehend gescheitert”.
Für die stärkere Betonung von Patriotismus und Heimat in der
Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen haben sich auch der sächsische
Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und CSU-Generalsekretär Markus Söder
ausgesprochen.
Der Politikwissenschaftler Richard Stöss von der Freien Universität Berlin
forderte dagegen gestern eine “konsequente Abgrenzung vom
Rechtsextremismus”. Die DVU dürfe nicht verharmlost werden. Er sprach vor
der PDS-Fraktion — denn weder diese noch die der SPD sind sich so recht
sicher, welche Strategie sie gegenüber der DVU verfolgen sollen. Die SPD
fuhr bisher einen harten Konfrontationskurs; so nannte Fraktionschef Günter
Baaske die DVU öffentlich “Rechtsnachfolger der NSDAP” und ihre Mitglieder
“Nazis”. Sein parlamentarischer Geschäftsführer Christoph Schulze ging so
weit, einen DVU-Abgeordneten im Parlament wegen seines Stotterns zu
verspotten — wofür er sich später entschuldigen musste. “Ein solch
primitives Niveau” stärke die DVU nur, findet der PDS-Vizefraktionschef
Heinz Vietze — und es konnte zum Beispiel auch nicht verhindern, dass
DVU-Fraktionschefin Liane Hesselbarth bei der Wahl in den so genannten
G10-Ausschuss zur Kontrolle des Verfassungsschutzes fünf Stimmen mehr
erhielt als die DVU Sitze hat. SPD, CDU und PDS wissen bis heute nicht,
wieso und von wem.
Baaske kündigte jetzt an, die SPD-Fraktion werde noch in diesem Jahr ein
Konzept zum Umgang mit der DVU beschließen; der Fraktionsvorstand werde bis
Ende November einen Entwurf vorlegen
Die PDS wiederum wirbt für eine gemeinsame Linie der drei großen Parteien
gegen die Rechtsausleger. Einigkeit besteht zumindest darin, dass man
künftig auch inhaltlich zu Anträgen der DVU Stellung nehmen will. “Wir
werden ihr die Maske vom Gesicht reißen”, erklärte SPD-Fraktionschef Baaske
gestern. Anders als etwa die NPD in Sachsen ist die DVU bislang kaum durch
rechtsextreme Provokationen oder Tabubrüche aufgefallen. In der vergangenen
Legislaturperiode hatten die drei Parteien die DVU noch weitgehend
ignoriert — was ihren Wiedereinzug ins Parlament mit 6,1 Prozent jedoch
nicht verhinderte. Die PDS-Fraktionschefin Dagmar Enkelmann sagte nun, sie
lehne es ab, die DVU im Landtag weiter totzuschweigen. “Ich wehre mich
dagegen zu sagen, das Problem des Rechtsextremismus erledigt sich von
allein.” Auch die CDU will sich im Parlament künftig zu DVU-Anträgen äußern.
Parteien im Landtag uneins über den Umgang mit der DVU
CDU und PDS stellen sich gegen Kurs von SPD-Fraktionschef Baaske
Brandenburgs Parteien streiten über den künftigen Umgang mit der
rechtsextremen DVU. Die PDS-Opposition, aber auch der
CDU-Koalitionspartnern, stellten gestern den neuen Kurs von
SPD-Fraktionschef Günter Baaske in Frage, der die DVU öffentlich als “Nazis”
und “Rechtsnachfolger der NSDAP” gegeißelt hatte. Die Ausein andersetzung
werde auf “so primitiven Niveau geführt, dass es die DVU stärkt”, beklagte
PDS-Vizefraktionschef Heinz Vietze. CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek warnte:
“Verbalattacken, die nicht der Realität entsprechen, werten die DVU nur
auf.”
Lunacek wies darauf hin, dass jeder fünfte männliche Erstwähler die
Rechtsextremen gewählt habe. Dies seien alles Jugendliche, auf die seit 1990
groß angelegte Programme — wie etwa Tolerantes Brandenburg — ausgerichtet
waren. Sein Fazit: “Was im Land bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus
angepackt wurde, funktioniert offensichtlich nicht, und ist weitgehend
gescheitert.” Der CDU-Fraktionschef kündigte Konsequenzen an: Die Union
werde künftig selbst “Begriffe wie Heimat und Nation” stärker in den
Vordergrund stellen und zwar in einer “jugendgemäßen Sprache”, um den
Rechtsradikalen nicht die Deutungshoheit zu überlassen: “Es darf nicht
verpönt sein, Stolz auf das eigene Land zu äußern.”
Ob diese Rechnung aufgeht, bezweifeln Rechtsextremismus-Experten. So
forderte der Politikwissenschaftler Richard Stöss von der Freien Universität
Berlin in der PDS-Fraktion eine “konsequente Abgrenzung vom Rechtsex
tremismus” — und stärkte indirekt Baaske den Rücken. “Man muss klare Grenzen
ziehen”, sagte Stöss. Auch wenn man von den DVU-Vertretern im Landtag
vielleicht einen anderen Eindruck habe, bleibe es eine rechtsextreme Partei,
die “nicht verharmlost werden darf”.
Tatsächlich gibt sich die DVU als “normale” Partei, kündigte jetzt etwa
Anträge zur Bekämpfung von Graffiti und Untreue von Amtsträgern an. Dass die
DVU bislang kaum durch rechtsextreme Provokationen oder Tabu-Brüche — anders
als die NPD in Sachsen — auffiel, verstärkt die Unsicherheit unter den
Landtagsparteien. In der letzten Legislaturperiode hatten SPD, CDU und PDS
die DVU noch weitgehend ignoriert.
Doch auch was seit der Landtagswahl versucht wurde, sei “in die Hose
gegangen”, sagte gestern Martina Weyrauch, die Chefin der Landeszen trale
für politische Bildung. Tatsächlich gab es dabei auch noch mehrere Pannen.
So musste sich jüngst Christoph Schulze, der parlamentarische
SPD-Geschäftsführer, bei einem DVU-Abgeordneten entschuldigen, weil er ihn
im Plenum zu persönlich angegriffen hatte. Nicht erklären können sich SPD,
CDU und PDS auch, weshalb die DVU-Fraktionschefin Liane Hesselbarth bei der
Wahl in den so genannten G 10-Ausschuss zur Kontrolle des
Verfassungsschutzes mehr als die DVU-Stimmen erhielt.
Stichwort Abgeordnetengesetz
Die Koalitionsparteien von SPD und CDU wollen das Landes-Abgeordnetengesetz
auf unzeitgemäße Regelungen hin durchforsten und es gegebenenfalls anpassen.
So sprachen sie sich gestern im Potsdamer Landtagdafür aus, das Sterbegeld
zu streichen, das für den Großteil der Bevölkerung ohnehin bereits
abgeschafft sei. Eine Erhöhung der Diäten steht nach Angaben von
CDU-Fraktionschef Lunacek im Augenblick nicht zur Debatte.
Streit um Umgang mit DVU
CDU will Begriffe wie Heimat und Stolz stärker in den Vordergrund stellen
(BM, 17.11.) Potsdam — Auf der Suche nach einer gemeinsamen Linie im Umgang mit der
rechtsextremen DVU geraten SPD und CDU sowie die oppositionelle PDS immer
mehr in Streit. Union und PDS werfen der SPD vor, die DVU mit Verbalattacken
aufzuwerten. Der SPD-Fraktionschef Günter Baaske hatte di
e zum zweiten Mal
im Landtag vertretene DVU jüngst eine “Nazi-Partei” genannt und sie scharf
attackiert. In der vergangenen Legislaturperiode hatten die demokratischen
Parteien die DVU-Truppe weitgehend ignoriert. Trotzdem schaffte sie mit 6,1
Prozent den Wiedereinzug.
Der parlamentarische Geschäftsführer der PDS, Heinz Vietze, warf der SPD
gestern vor, die Auseinandersetzung auf primitivstem, billigem Niveau zu
führen. “Dies dient nur der Profilierung der eigenen Person und Partei und
der Aufwertung der DVU”, sagte Vietze. Die Leiterin der Zentrale für
politische Bildung, Martina Weyrauch, übte ebenfalls deutliche Kritik. Der
Versuch, die Partei nicht weiter zu ignorieren, sei “in die Hose gegangen”.
SPD-Fraktionschef Baaske kündigte für Ende November ein Konzept für den
Umgang mit der rechtsextremen Partei an. Ziel müsse es sein, der DVU “die
Maske vom Gesicht zu reißen”. Baaske bedauerte, daß sich bei dem
Neonazi-Aufmarsch in Halbe so wenig Gegendemonstranten gezeigt haben. “Ich
bin stinksauer darüber”, sagte der SPD-Politiker.
CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek erklärte das Gesamtkonzept der
Landesregierung gegen den Rechtsextremismus für weitgehend gescheitert. Er
verwies darauf, daß sich jeder fünfte männliche Erstwähler für die DVU
entschieden habe. Er kündigte an, die CDU werde selbst stärker Begriffe wie
Nation, Stolz und Heimat in den Vordergrund stellen.
Konzepte gegen Rechtsextremismus gescheitert
CDU: Politik muss die Jugend zurückgewinnen / Suche nach neuen Wegen auch in
PDS und SPD
(Berliner Zeitung, 17.11.) POTSDAM. Die Aktivitäten Brandenburgs zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
sind nach Auffassung von CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek “in weiten Teilen
gescheitert”. Gerade junge Leute wendeten sich verstärkt dem rechten Rand
zu. “Das sind alles Leute, die die brandenburgische Schule durchlaufen und
die Landespolitik der letzten zehn Jahre erlebt haben”, sagte Lunacek am
Dienstag. Die Politik müsse nach Wegen suchen, sie zurückzugewinnen. Dazu
gehöre es auch, eine gemeinsame Sprache zu finden. “Begriffe wie Nation oder
Stolz auf das eigene Land dürfen nicht länger tabuisiert werden”, sagte der
CDU-Fraktionschef.
Letzter Auslöser für die Debatte in der gemeinsam mit der SPD regierenden
CDU war der Neonazi-Aufmarsch am vergangenen Wochenende in Halbe. Etwa 1 600
waren zum “Heldengedenken” zu dem dortigen Soldatenfriedhof gekommen -
doppelt so viele, wie von der Polizei erwartet. “Und der Großteil waren
keine dumpfen Krawallmacher”, sagte Lunacek. Darüber hinaus “muss es
bedenklich stimmen”, dass 15 Prozent der Erstwähler bei der Landtagswahl im
September die rechtsextreme DVU gewählt hätten. Bei den männlichen
Erstwählern habe der Anteil sogar bei knapp 20 Prozent gelegen. Insgesamt
rückte die DVU mit einem Stimmanteil von 6,1 Prozent wieder in den Landtag
ein.
“Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir an diese Jugendlichen herankommen,
sie für die positiven Ansätze der Demokratie gewinnen. Es besteht riesiger
Handlungsbedarf”, sagte Lunacek. Die Konzepte der vergangenen zehn Jahre
hätten offenkundig nicht funktioniert. Dabei spiele es eine zentrale Rolle,
was an den Schulen geschehe, wie authentisch Lehrer die Werte der Demokratie
vermittelten. “Die Jugendlichen suchen Antworten.”
Die Union wolle sich in den Wahlkreisen verstärkt in rechte Gruppen
hineinbegeben, sagt Lunacek. Dabei werde seine Partei auch Begriffe wie
Heimat und Nation in den Vordergrund stellen. “Ganz normale Gefühle wie der
Stolz auf das Heimatland dürfen nicht länger verpönt sein”, sagte er. “Die
multikulturelle Gesellschaft ist blanke Illusion.” Das würden die jungen
Leute selbst erleben, wenn sie in Berlin im Zug von Ausländern
zusammengeschlagen würden.
Angriffe von SPD-Politikern gegen die DVU nannte Lunacek dagegen
“überzogen”. Wer die Partei des Münchner Verlegers Gerhard Frey in die Nähe
der NSDAP rücke, verharmlose die Vergangenheit. Nach seiner Einschätzung sei
die DVU nicht rechtsextrem, sondern allenfalls rechtsradikal, sagte Lunacek.
In der jüngsten Landtagssitzung hatte der parlamentarische Geschäftsführer
der SPD, Christoph Schulze, einen DVU-Abgeordneten wegen seines schwachen
Ausdrucksvermögens angegriffen. Der Mann stottert. SPD-Fraktionschef Günter
Baaske hatte die DVU unter Verweis auf ihre angestrebte Kooperation mit der
NPD eine “Nazi-Partei” genannt. Dagegen haben die Rechtsextremen rechtliche
Schritte angekündigt. Baaske warnte am Dienstag erneut vor Verharmlosungen:
“Wer den strammen Aufmarsch in Halbe gesehen hat, weiß, da waren
Rechtsextremisten am Werk”, hielt er Lunacek entgegen. Bis Anfang Dezember
will er ein Konzept zum Umgang mit der DVU und anderen rechtsextremen
Kräften vorlegen.
Auch die PDS ringt noch um ihre Position gegenüber den Rechts-extremen. In
einer Fraktionsdebatte mit dem Parteienforscher Richard Stöss sagte der
Frankfurter Abgeordnete Frank Hammer, er habe die DVU in Brandenburg anders
erlebt als die NPD: “Das ist eher eine bürgerliche Partei, die hin und
wieder Ausflüge ins Rechtsextreme macht.” Andererseits bekomme er in
PDS-Versammlungen von älteren Genossen zu hören, “wir müssen auch über den
Niedergang der deutschen Nationalkultur reden.” Stöss, seit über 30 Jahren
mit der Parteienentwicklung befasst, sagte, er mache bezüglich des
Rechtsextremismus keine neue Situation aus. Um den Ursachen
entgegenzuwirken, müsse mehr für die Persönlichkeitsbildung junger Menschen
getan werden. Einen Rat wollte er der PDS allerdings nicht erteilen.
Lunacek betont “Stolz auf Heimat”
CDU will neuen Umgang mit der Jugend
(MAZ, 17.11., Igor Göldner) POTSDAM Der hohe Anteil von 15 Prozent Erstwählern, die bei der DVU ihr
Kreuz machten und die vielen jungen Leute, die sich am Samstag in den
Neonazi-Aufmarsch in Halbe einreihten — für den neuen CDU-Fraktionschef
Thomas Lunacek sind dies “gruselige Bilder”. Diese jungen Leute müssten
wieder für die Demokratie gewonnen werden, meint Lunacek und hat sich seine
Gedanken gemacht.
Die Politik, so der 40-Jährige gestern vor Journalisten, benötige in der
Jugendarbeit und im Kampf gegen den Rechtsextremismus einen neuen Ansatz.
Alle bisherigen Konzepte wie das von der Landesregierung initiierte
“Tolerante Brandenburg” hätten nicht funktioniert und seien gescheitert,
meinte er rigoros. “Es wurde zu viel über die Köpfe der Jugendlichen hinweg
geredet.” Die “Unkultur” hätte sich so weiter entwickeln können.
Die CDU werde Begriffe wie “Heimat” und “Nation” künftig stärker in den
Mittelpunkt rücken. Tabus müssten der Vergangenheit angehören. Dazu gehöre
auch, dass man “stolz auf seine Heimat” sein könne. Damit könnten
Jugendliche und ihre “Gefühlswelt” besser erreicht werden, glaubt Lunacek,
der selbst die “Sprache der Jugend” sprechen will. Wie das konkret aussehen
soll, ließ er aber offen.
Lunacek bedauerte, dass die Debatte über die “deutsche Leitkultur”, die vor
vier Jahren der CDU-Politiker Friedrich Merz los getreten hatte, so schnell
wieder beendet war. “Da ist leider die Union eingeknickt.”
Die Politik müsse sich darum kümmern, welches politische Weltbild an den
Schulen vermittelt werde. Wichtig sei, dass Jugendlichen Orientierung
gegeben werde. “Es werden Antworten und keine Appelle erwartet”, betonte
Lunacek.
Den Halbe-Aufmarsch der Rechtsextremisten nahm SPD-Fraktionschef Günter
Baaske gestern zum Anlass für eine Generalkritik. Er könne nicht verstehen,
warum sich so wenig Gegendemonstranten eingefunden hätten. “Darüber bin ich
stinksauer.” Statt der e
rwarteten 2500 Demonstranten waren gerade einmal
1000 gekommen. Das zeige, dass das Problem von Rechtsextremismus und der
“Unterwanderung der Demokratie” nicht ernst genommen werde, so Baaske.
Union will DVU Themen wegnehmen
Was tun mit den Rechtsextremen? SPD setzt auf Konfrontation, die CDU hält
das für die falsche Strategie
(Tagesspiegel, 17.11., Thorsten Metzner) Potsdam — Die CDU in Brandenburg will “Begriffe wie Heimat und Nation”
künftig stärker in den Vordergrund stellen. So sollten jugendliche Wähler
der rechtsextremen DVU wieder für demokratische Parteien gewonnen werden,
sagte CDU- Fraktionschef Thomas Lunacek gestern. “Es darf nicht verpönt
sein, Stolz auf das eigene Land zu äußern.” Lunacek wies darauf hin, dass
jeder fünfte männliche Erstwähler bei der Landtagswahl für die
Rechtsextremen gestimmt hat: Es sind genau diejenigen, an die sich seit 1990
groß angelegte Programme wie etwa “Tolerantes Brandenburg” richten. Lunaceks
Fazit: Was im Land bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus unternommen
wurde, “funktioniert offensichtlich nicht und ist weitgehend gescheitert”.
Für die stärkere Betonung von Patriotismus und Heimat in der
Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen haben sich auch der sächsische
Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und CSU-Generalsekretär Markus Söder
ausgesprochen.
Der Politikwissenschaftler Richard Stöss von der Freien Universität Berlin
forderte dagegen gestern eine “konsequente Abgrenzung vom
Rechtsextremismus”. Die DVU dürfe nicht verharmlost werden. Er sprach vor
der PDS-Fraktion — denn weder diese noch die der SPD sind sich so recht
sicher, welche Strategie sie gegenüber der DVU verfolgen sollen. Die SPD
fuhr bisher einen harten Konfrontationskurs; so nannte Fraktionschef Günter
Baaske die DVU öffentlich “Rechtsnachfolger der NSDAP” und ihre Mitglieder
“Nazis”. Sein parlamentarischer Geschäftsführer Christoph Schulze ging so
weit, einen DVU-Abgeordneten im Parlament wegen seines Stotterns zu
verspotten — wofür er sich später entschuldigen musste. “Ein solch
primitives Niveau” stärke die DVU nur, findet der PDS-Vizefraktionschef
Heinz Vietze — und es konnte zum Beispiel auch nicht verhindern, dass
DVU-Fraktionschefin Liane Hesselbarth bei der Wahl in den so genannten
G10-Ausschuss zur Kontrolle des Verfassungsschutzes fünf Stimmen mehr
erhielt als die DVU Sitze hat. SPD, CDU und PDS wissen bis heute nicht,
wieso und von wem.
Baaske kündigte jetzt an, die SPD-Fraktion werde noch in diesem Jahr ein
Konzept zum Umgang mit der DVU beschließen; der Fraktionsvorstand werde bis
Ende November einen Entwurf vorlegen
Die PDS wiederum wirbt für eine gemeinsame Linie der drei großen Parteien
gegen die Rechtsausleger. Einigkeit besteht zumindest darin, dass man
künftig auch inhaltlich zu Anträgen der DVU Stellung nehmen will. “Wir
werden ihr die Maske vom Gesicht reißen”, erklärte SPD-Fraktionschef Baaske
gestern. Anders als etwa die NPD in Sachsen ist die DVU bislang kaum durch
rechtsextreme Provokationen oder Tabubrüche aufgefallen. In der vergangenen
Legislaturperiode hatten die drei Parteien die DVU noch weitgehend
ignoriert — was ihren Wiedereinzug ins Parlament mit 6,1 Prozent jedoch
nicht verhinderte. Die PDS-Fraktionschefin Dagmar Enkelmann sagte nun, sie
lehne es ab, die DVU im Landtag weiter totzuschweigen. “Ich wehre mich
dagegen zu sagen, das Problem des Rechtsextremismus erledigt sich von
allein.” Auch die CDU will sich im Parlament künftig zu DVU-Anträgen äußern.
Parteien im Landtag uneins über den Umgang mit der DVU
CDU und PDS stellen sich gegen Kurs von SPD-Fraktionschef Baaske
Brandenburgs Parteien streiten über den künftigen Umgang mit der
rechtsextremen DVU. Die PDS-Opposition, aber auch der
CDU-Koalitionspartnern, stellten gestern den neuen Kurs von
SPD-Fraktionschef Günter Baaske in Frage, der die DVU öffentlich als “Nazis”
und “Rechtsnachfolger der NSDAP” gegeißelt hatte. Die Ausein andersetzung
werde auf “so primitiven Niveau geführt, dass es die DVU stärkt”, beklagte
PDS-Vizefraktionschef Heinz Vietze. CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek warnte:
“Verbalattacken, die nicht der Realität entsprechen, werten die DVU nur
auf.”
Lunacek wies darauf hin, dass jeder fünfte männliche Erstwähler die
Rechtsextremen gewählt habe. Dies seien alles Jugendliche, auf die seit 1990
groß angelegte Programme — wie etwa Tolerantes Brandenburg — ausgerichtet
waren. Sein Fazit: “Was im Land bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus
angepackt wurde, funktioniert offensichtlich nicht, und ist weitgehend
gescheitert.” Der CDU-Fraktionschef kündigte Konsequenzen an: Die Union
werde künftig selbst “Begriffe wie Heimat und Nation” stärker in den
Vordergrund stellen und zwar in einer “jugendgemäßen Sprache”, um den
Rechtsradikalen nicht die Deutungshoheit zu überlassen: “Es darf nicht
verpönt sein, Stolz auf das eigene Land zu äußern.”
Ob diese Rechnung aufgeht, bezweifeln Rechtsextremismus-Experten. So
forderte der Politikwissenschaftler Richard Stöss von der Freien Universität
Berlin in der PDS-Fraktion eine “konsequente Abgrenzung vom Rechtsex
tremismus” — und stärkte indirekt Baaske den Rücken. “Man muss klare Grenzen
ziehen”, sagte Stöss. Auch wenn man von den DVU-Vertretern im Landtag
vielleicht einen anderen Eindruck habe, bleibe es eine rechtsextreme Partei,
die “nicht verharmlost werden darf”.
Tatsächlich gibt sich die DVU als “normale” Partei, kündigte jetzt etwa
Anträge zur Bekämpfung von Graffiti und Untreue von Amtsträgern an. Dass die
DVU bislang kaum durch rechtsextreme Provokationen oder Tabu-Brüche — anders
als die NPD in Sachsen — auffiel, verstärkt die Unsicherheit unter den
Landtagsparteien. In der letzten Legislaturperiode hatten SPD, CDU und PDS
die DVU noch weitgehend ignoriert.
Doch auch was seit der Landtagswahl versucht wurde, sei “in die Hose
gegangen”, sagte gestern Martina Weyrauch, die Chefin der Landeszen trale
für politische Bildung. Tatsächlich gab es dabei auch noch mehrere Pannen.
So musste sich jüngst Christoph Schulze, der parlamentarische
SPD-Geschäftsführer, bei einem DVU-Abgeordneten entschuldigen, weil er ihn
im Plenum zu persönlich angegriffen hatte. Nicht erklären können sich SPD,
CDU und PDS auch, weshalb die DVU-Fraktionschefin Liane Hesselbarth bei der
Wahl in den so genannten G 10-Ausschuss zur Kontrolle des
Verfassungsschutzes mehr als die DVU-Stimmen erhielt.
Stichwort Abgeordnetengesetz
Die Koalitionsparteien von SPD und CDU wollen das Landes-Abgeordnetengesetz
auf unzeitgemäße Regelungen hin durchforsten und es gegebenenfalls anpassen.
So sprachen sie sich gestern im Potsdamer Landtagdafür aus, das Sterbegeld
zu streichen, das für den Großteil der Bevölkerung ohnehin bereits
abgeschafft sei. Eine Erhöhung der Diäten steht nach Angaben von
CDU-Fraktionschef Lunacek im Augenblick nicht zur Debatte.