Der Wiederaufbau der Garnisonkirche sollte nicht mit dem von der
Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) gesammelten Geld
erfolgen. Dies forderte gestern Lutz Boede von der Kampagne gegen
Wehrpflicht vor Journalisten. Er begründete dies mit dem Weltbild des
TPG-Vorsitzenden Max Klaar, seines “ganz klar rechtsextremistischen
Gedankenguts, dass sich ganz klar im verfassungsfeindlichen Bereich
abspielt”. Seinen Vorwurf stützt Boede darauf, dass Klaar im April 2004
Bundesvorsitzender des Verbandes Deutscher Soldaten (VDS) wurde. Wie
Wolfgang Rose von der Kampagne ausführte, verhängte das
Verteidigungsministerium am 11. März 2004 eine Kontaktsperre für
Bundeswehrangehörige gegenüber dem VDS. Grund war der Abdruck eines Artikels
des stellvertretenden Vorsitzenden der Nationalsozialistischen Partei
Amerikas, Richard Tedor, in der Verbandszeitung “Soldat im Volk” im Jahr
2003. In dieser Zeitung warb die TPG regelmäßig um Spenden. Klaar wies die
Vorwürfe gestern zurück. Er habe sich in der Zeitung deutlich vom Inhalt des
genannten Autors distanziert. Zum Vorwurf auch unter seinem Vorsitz sei
positiv über die Waffen-SS berichtet worden, sagte Klaar der MAZ: “In
Baden-Württemberg stand ein Kriegerdenkmal einer Waffen-SS-Division. Das ist
geschändet worden. Dazu haben wir eine Meldung gebracht.”
Monat: März 2005
Herr Meyer sorgt für Unruhe
In Kleinmachnow fordert ein Berliner Immobilienkaufmann hunderte ehemals jüdische Grundstücke zurück. Die Ansprüche
daran hat er billig bekommen — und kassiert kräftig mit Hilfe von Vergleichen.
Es ist der wohl größte noch vor Gericht anhängige Rückgabestreit in
Ostdeutschland. Im Südwesten von Berlin, hinter Zehlendorf, in der
Sommerfeld-Siedlung in Kleinmachnow, wird über knapp 1.000 Grundstücke
gestritten. Der Streit währt schon fast zehn Jahre, und ein Ende ist
nicht abzusehen. Denn der geschäftstüchtige Berliner Immobilienkaufmann
Christian Meyer, will sein Ding durchziehen. Und bisher hat er meist gut
taktiert.
Benannt ist die umstrittene Siedlung nach dem Unternehmer und
Architekten Adolf Sommerfeld. Seine Siedlungsgesellschaft wollte Anfang
der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts Grundstücke parzellieren und an
Bauwillige verkaufen. Es war ein modernes Konzept: Angestellte und
einfache Beamte sollten sich ein kleines Häuschen im Grünen leisten können.
Doch Sommerfeld war Jude. Nach der NS-Machtergreifung kam es zu einem
Überfall der SA auf Sommerfelds Wohnhaus. Kurzentschlossen flüchtete der
Unternehmer im April 1933 aus Deutschland. Seine Siedlungsgesellschaft
wurde arisiert. Der Verkauf der Grundstücke ging trotzdem weiter.
Seit einigen Jahren fordert der Berliner Immobilienkaufmann Christian
Meyer die Rückgabe der Grundstücke — obwohl er mit Adolf Sommerfeld
nicht verwandt ist und auch sonst keine Beziehungen zum Judentum hat.
Der eloquente Ökonom hat in den 70er-Jahren in West-Berlin studiert, war
damals in der marxistischen Forschung engagiert und machte sich dann als
Immobilienentwickler selbständig. Nach der Wende sah er neue
Geschäftsfelder in Ostdeutschland. Er suchte die Erben von vermeintlich
herrenlosen Grundstücken, die ihm dafür einen Teil des Werts auszahlten.
So kam er auch mit den Erben Adolf Sommerfelds in Kontakt, die
inzwischen in die ganze Welt zerstreut lebten.
Die Grundstücke in der Sommerfeld-Siedlung waren zwar nicht herrenlos,
sie gehörten ja den Käufern von einst oder deren Nachkommen. Doch Meyer
sah die Chance auf eine groß angelegte Rückgabeforderung. Die
Sommerfeld-Angehörigen traten ihm 1995 alle Rechte ab — gegen eine
unbekannte Basiszahlung und eine Beteiligung an eventuellen Erlösen. Sie
selbst hätten keinen Rückgabeantrag mehr stellen können. Denn die Frist
für solche Anträge war Ende 1992 abgelaufen.
Deshalb wandte sich Meyer an die Jewish Claims Conference (JCC), die
gesetzliche Nachfolgeorganisation für unbeanspruchtes ehemaliges
jüdisches Eigentum im Beitrittsgebiet. Sie hatte Ende 1992 per
Globalanmeldung Ansprüche auf alle bekannten und unbekannten exjüdischen
Immobilien angemeldet und verlangte nun auch die Rückgabe der rund 1.000
Sommerfeld-Grundstücke. Aus den Erlösen ihrer Einnahmen finanziert die
JCC gewöhnlich Hilfsmaßnahmen für Holocaust-Überlebende vor allem in
Israel und den USA. Sie hatte jedoch auch einen Goodwill-Fonds für Erben
eingerichtet, die sich verspätet meldeten. Auf Zahlungen aus diesem
Fonds spekulierte Meyer, der ja inzwischen Inhaber der Ansprüche der
Sommerfeld-Erben war.
Doch nun reagierte der Gesetzgeber. Auf Betreiben der Brandenburger
Landesregierung, die Eigentümer und Bewohner der Sommerfeld-Siedlung
beruhigen wollte, wurde 1997 eine “Lex Kleinmachnow” ins Vermögensgesetz
eingefügt. Sie sollte Rückgabeansprüche ausschließen, wenn es sich um
Flächen handelt, die von einer Siedlungsgesellschaft verkauft worden
waren. Das Argument: Die Grundstücke sollten ja nach dem ursprünglichen
Geschäftsplan ohnehin verkauft werden.
Der JCC wurde die Sache jetzt zu heiß. Es gab zwar schon damals
verfassungsrechtliche Zweifel an der “Lex Kleinmachnow”, weil sie
ähnliche Parzellierungen durch Privatleute oder Unternehmen nicht
erfasste. Doch die Claims Conference wollten das Gesetz nicht beim
Bundesverfassungsgericht angreifen. Zu sehr war man auf die Kooperation
der damaligen Kohl-Regierung in anderen Fragen angewiesen, etwa bei
jüdischen Fremdrenten. Also trat auch sie ihre Ansprüche an Meyer ab.
Angeblich sogar kostenlos, weil der Immobilienkaufmann bei einem Erfolg
etwas an die Sommerfeld-Erben abgeben muss.
Seither klagt Meyer gegen die im Grundbuch eingetragenen Eigentümer.
Nach Angaben des Potsdamer Verwaltungsgerichts waren zum Jahreswechsel
noch 867 Streitfälle bei dem Gericht anhängig. Meyer ist vor allem am
Abschluss von Vergleichen mit den Eigentümern interessiert. In etwa 100
Fällen hatte er schon Erfolg. Die Eigentümer wollten einfach ihre Ruhe
haben und risikolos ihre Häuschen modernisieren. Sie zahlen
sechsstellige Summen an Meyer, damit er seine jeweilige Klage fallen
lässt. Andere sind noch stur und hoffen auf einen Erfolg vor Gericht.
Im Dezember wollte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eigentlich
ein Grundsatzurteil fällen. Doch unter kuriosen Umständen hat Meyer dies
kurzfristig verhindert. Das Musterverfahren betraf ein Grundstück in der
Straße “Am Brodberg”. In der ersten Instanz hatte Meyer den Prozess
gewonnen. Doch er drängte die Eigentümerin, Frau T., mit der er sich
längst verglichen hatte, zur Revision und übernahm auch ihre
Prozesskosten. Er wollte ein Präzedenzurteil des
Bundesverwaltungsgerichts erreichen. Erst eine Woche vor dem Leipziger
Urteil kam die Kehrtwendung. Nun bat Meyer Frau T., die Revision wieder
zurückzuziehen. Angeblich hatte er in der mündlichen Verhandlung
festgestellt, dass der Fall doch nicht für ein Grundsatzurteil taugte.
Jedenfalls hatte Meyer den richtigen Riecher. Nach taz-Informationen
hätte der Kaufmann den Prozess beim Bundesverwaltungsgericht verloren.
Die Richter hätten — anders als die Vorinstanz — die Lex Kleinmachnow
angewandt und so die Rückgabe der Grundstücke ausgeschlossen.
Meyer findet die Aufregung um das verhinderte Grundsatzurteil jedoch
übertrieben. Bei einer Niederlage in Leipzig hätte er den Fall eben zum
Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe getragen, sagt er.
Rechtssicherheit hätte es also ohnehin noch keine gegeben.
“Unmoralisch” findet dagegen Klaus-Jürgen Warnick, PDS-Gemeinderat in
Kleinmachnow, das Verhalten von Meyer, dem es “nur ums Geld” gehe. Darin
sind sich in der Sommerfeld-Siedlung wohl auch alle einig:
selbstnutzende Eigentümer ebenso wie Erben, die im Westen wohnen und
selbst Vereinigungsgewinnler sind. Auch die Mieter, deren Mietverträge
von einem Eigentümerwechsel oder einem Vergleich eigentlich unberührt
bleiben, sind wütend. Sie fürchten Mieterhöhungen oder gar Mobbing,
falls die Grundstücke zu Geld gemacht werden sollen.
Derweil laufen am Verwaltungsgericht Potsdam neue Prozesse. In einigen
Einzelfällen hat Meyer Mitte Februar wieder gewonnen. Vermutlich wird
der Streit aber noch Jahre währen und wohl doch erst beim
Bundesverfassungsgericht beendet sein — wenn die Eigentümer überhaupt so
lange durchhalten. Meyer wird jedenfalls nicht aufgeben. Er dürfte schon
prima leben können, wenn er pro Jahr nur eine Hand voll Vergleiche schließt.
Rechte wählen auch SPD
(FR) Das rechtsextreme Potenzial in der Bevölkerung Berlins ist mit sechs Prozent
nur halb so hoch wie im brandenburgischen Umland. Das haben Politologen
mehrerer Universitäten mit einer neuen Untersuchungsmethode herausgefunden.
Berlin · 23. März · In Ost- und Westteil Berlins sind rechtsextreme
Einstellungen gleich häufig: Das werten die Forscher als Beleg für das
Zusammenwachsen der Stadt. In Brandenburg sind solche Ansichten im
“Speckgürtel” um Berlin etwa um die Hälfte höher als in der Hauptstadt; in
von Berlin entfernter gelegenen Teilen Brandenburgs mit hoher
Arbeitslosigkeit sehen die Wissenschaftler das Potenzial bei 13 Prozent.
Richard Stöss und Oskar Niedermayer von der FU Berlin haben zusammen mit
Forschern aus Erlangen, Jena, Leipzig und Mainz einen Katalog zur Messung
rechtsextremer Einstellungen entwickelt. Er enthält Äußerungen zur
Befürwortung von Diktaturen, Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus,
Antisemitismus, Sozialdarwinismus (“unwertes Leben”) und zur Verharmlosung
des Nationalsozialismus. Auf die Antworten gibt es Punkte: drei für
Zustimmung, zwei für eher Zustimmung, einen für eher Ablehnung, keinen für
Ablehnung.
Zum rechtsextremen Potenzial wird gezählt, wer mindestens neun der 18
möglichen Punkte erreicht. Die Wissenschaftler hoffen, dass ihr Maßstab bei
Umfragen zum Rechtsextremismus Standard wird; Ergebnisse wären so über Jahre
vergleichbar.
Nicht alle Rechten wählen auch Parteien wie NPD oder DVU: Aus den zum
rechtsextremen Potenzial Zählenden würden sich 30 Prozent für die SPD, 26
Prozent für die CDU und sieben Prozent sogar für die PDS entscheiden. In
Brandenburg würden 31 Prozent, in Berlin 26 Prozent der zum rechten
Potenzial Zählenden rechtsextreme Parteien wählen. Die Grünen finden nur bei
einem Prozent Anklang.
In Berlin und Brandenburg zusammen finden sich rechtsextreme Einstellungen
besonders bei über 65-Jährigen (12,1 Prozent) und bei Menschen über 75
Jahren (10,5 Prozent). Für die 68er-Generation der heute zwischen 55- und
64-Jährigen und der folgenden Jahrgänge (35 bis 54 Jahre) ermittelten die
Forscher Anteile von 8,3 und 6,5 Prozent. Bei den unter 35-Jährigen liegt
der Anteil bei 9,7, bei 18 bis 24 bei 5,5 Prozent.
In Ost wie West: Sechs Prozent denken rechtsextrem
Die Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft stellt eine neue Umfrage zur Situation in Berlin und Brandenburg vor
(Berliner Zeitung) Sechs Prozent der Berliner haben ein mehr oder weniger rechtsextremes
Weltbild. In Brandenburg sind es mit zwölf Prozent doppelt so viele. Das
ist das Ergebnis einer neuen Studie über Rechtsextremismus, die das
Meinungsforschungsinstitut Forsa, die Deutsche Paul-
Lazarsfeld-Gesellschaft und die Freie Universität Berlin am Mittwoch
vorgestellt haben. Innerhalb von Berlin gibt es keinen Unterschied in
der Verteilung des braunen Gedankengutes, wie der Berliner Professor für
Politik- und Sozialwissenschaften Richard Stöss, einer der beiden
Autoren der Studie, erläuterte: “Kurz nach der Wende gab es
Unterschiede, aber die Identitäten in Ost- und West ‑Berlin wachsen
schneller zusammen als etwa Berlin und Brandenburg.”
Neue Methodik
Bisherige Studien zum Thema hatten Quoten von fünf bis 20 Prozent
gefunden, “aber die hatten unterschiedliche Messkonzepte”, wie Stöss
erläuterte. Ob die Zahlen der aktuellen Studie einen Zuwachs oder ein
Abflauen der rechtsextremen Tendenzen beschreiben, können die Autoren
nicht sagen. “Wir fangen hier mit einer neuen Messmethode an”, erklärte
Oskar Niedermayer, Co-Autor und wie Stöss Professor am
Otto-Suhr-Institut der FU. Der Hintergrund der neuen Methodik ist die
Tatsache, dass rechtsextremes Verhalten “ziemlich überschaubar ist”
anhand von Mitgliederzahlen rechter Parteien und Organisationen, dem
Wahlverhalten und etwa rechten Gewalttaten, sagte Stöss: “Aber die
Einstellung zu messen ist schwierig.”
Für diese Aufgabe entwickelten die beiden Berliner Wissenschaftler
zusammen mit Kollegen aus ganz Deutschland eine “DIN-Norm” für
Rechtsextremismus. Dieser sei zusammengesetzt aus sechs Dimensionen, so
die Grundannahme: der Befürwortung rechtsautoritärer Diktaturen,
Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus
und zuletzt der Verharmlosung des Nationalsozialismus. Für jeden dieser
Teilbereiche suchten sie typische Aussagen, denen die Befragten mehr
oder weniger zustimmen sollten.
Nach einigen Proberunden filterten die Forscher die stärkste Aussage pro
Gebiet heraus, zum Beispiel für das Verhältnis zu Diktaturen: “Wir
sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker
Hand regiert.” Dass das auch Menschen bejahen, die etwa eine
kommunistische Diktatur wollen, schließt Niedermayer aus: “Das Wort
‚Führer ist ein starker Stimulus und eindeutig rechts besetzt, genauso
wie die ‚starke Hand .” Zum Thema Chauvinismus musste die Befragten
hierauf reagieren: “Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an
die deutschen Leistungen reicht das aber nicht heran.” Zum Punkt
Sozialdarwinismus: “Es gibt wertvolles und unwertes Leben.” Zuletzt zur
Verharmlosung der NS-Zeit: “Der Nationalsozialismus hatte auch seine
guten Seiten.” Je nach Antwort — “stimme völlig zu” bis “lehne völlig
ab” — vergaben die Forscher Punkte, ab der Hälfte der möglichen Punkte
galt der Befragte als rechtsextrem.
“Die Brandenburger stimmten den Aussagen über alle Kategorien hinweg
häufiger zu als Berliner”, erläutert Niedermayer die Ergebnisse. Im
Gegenzug lehnten in Berlin 23 Prozent der Befragten alle Aussagen ab, in
Brandenburg nur 13 Prozent. Besonders groß war der
Stadt-Land-Unterschied bei der Diktaturbefürwortung: Während sich nur
zwölf Prozent der Berliner nach einem neuen Führer sehnen, waren es in
Brandenburg 24 Prozent der Befragten. Zudem scheint die Regel zu gelten:
Je weiter weg von der Stadt desto größer das rechtsextreme Potenzial -
was durchaus dem Klischee entspricht.
Überraschendes fanden die Forscher jedoch etwa beim Abgleich mit anderen
Untersuchungen, denen zufolge die Mitglieder und Wähler rechter Parteien
und rechte Gewalttäter vorwiegend jung und männlich sind. Niedermayer
und Stöss befragten zwar nur Wahlberechtigte ab 18 Jahren, können also
über rechte Jugendkultur nichts aussagen. Doch Männer und Frauen
scheinen statistisch gleich anfällig für braunes Gedankengut zu sein.
Und der Anteil von Menschen mit einem rechtsextremen Weltbild war bei
den 65–74-Jährigen in Berlin und Brandenburg mit 12,1 Prozent am
höchsten. Bei den 18–24-Jährigen fanden die Forscher nur 5,5 Prozent.
Stöss: “Es gibt den Rückhalt der Älteren, die nicht mehr selbst handeln
können, für die Jungen, die aktiv werden.”
Rechtsradikale vor allem in der Provinz
Regionale Studie belegt, dass braunes Gedankengut auf dem Land stärker verbreitet ist als in der Stadt
(Tagesspiegel)Rechtsextremistische Ansichten sind in Brandenburg deutlich stärker
verbreitet als in Berlin. Während rund zwölf Prozent der Brandenburger
ein rechtsradikales Weltbild vertreten, sind es in Berlin etwa sechs
Prozent. Dies ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie der Deutschen
Lazarsfeld-Gesellschaft, der Freien Universität und des
Meinungsforschungsinstituts Forsa. “Die Berliner sind weit weniger
anfällig für den Rechtsextremismus als die Brandenburger”, sagt
Sozialwissenschaftler Richard Stöss.
Für die Studie haben die Forscher 2000 Menschen befragt: in West- und
Ost-Berlin, dem so genannten S
peckgürtel und der brandenburgischen
Provinz. Gefragt war ihre Meinung zu unterschiedlichen Thesen, zum
Beispiel: “Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle
aller mit starker Hand regiert.” Oder: “Wenn Arbeitsplätze knapp werden,
sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken.” Und: “Es
gibt wertvolles und unwertes Leben.”
Zu den Ergebnissen: Danach sind im Ost- und Westteil Berlins keine
Unterschiede auszumachen. Deutliche Differenzen gibt es aber zwischen
dem Umland und der brandenburgischen Provinz: Während um Berlin herum
nur neun Prozent eine rechtsextreme Gesinnung vertreten, sind es in den
entfernt gelegenen Regionen rund 13 Prozent. Bei rechtsradikalen
Übergriffen sind die Täter zumeist junge Männer, das radikale
Gedankengut ist aber in Berlin und Brandenburg vor allem in der älteren
Generation verbreitet: Während 5,5 Prozent der 18- bis 24-Jährigen
rechtsextreme Thesen befürworten, sind es bei den über 65-Jährigen knapp
23 Prozent. Auf eine kurze Formel gebracht heißt dies: “Die Jungen
tun s, die Alten dulden s”, sagt Stöss.
Offenbar ist es vor allem eine Frage der Bildung: Während unter den
Befragten mit Abitur oder Studium nur zwei Prozent rechtsextrem denken,
sind es unter den Hauptschulabgängern zwölf Prozent.
Zu Entwicklungen und Tendenzen kann Stöss nichts sagen: Für die Studie
hat er gemeinsam mit anderen Forschern eine neue, vereinheitlichte Skala
entwickelt. Sie mache es möglich, künftig deutschlandweit
Vergleichszahlen zu erhalten. Denn bislang habe nahezu jede Studie ein
anderes Ergebnis zutage gebracht. Mal bewegte sich die Zahl der
Rechtsextremisten bei fünf, mal bei zwanzig Prozent — je nach
Messungsmethode.
Sechs Prozent sind rechtsextrem
In Brandenburg hegen zwölf Prozent rechtsextremes Gedankengut, in Berlin ist es die Hälfte. Kaum Unterschiede im Ost- und Westteil der Stadt. Das zeigt eine neue Studie.
(TAZ)“Es gibt wertvolles und unwertes Leben.” Wer dieser und fünf ähnlichen
Aussagen voll zustimmt, der hat eine eindeutige rechtsextreme
Einstellung. Das besagt eine neue Studie des Meinungsforschungsinstituts
Forsa in Kooperation mit der Freien Universität, die gestern vorgestellt
wurde. Die Kernaussage der Befragungen im Oktober und November 2004:
Sechs Prozent der wahlberechtigten Berliner hegen eindeutig
rechtsextremes Gedankengut. Zahlenmäßige Unterschiede zwischen Ost- und
Westberlin gibt es dabei nicht.
In Brandenburg sind es mit zwölf Prozent doppelt so viele, das ist jeder
achte Wahlberechtigte. Dabei gibt es starke Unterschiede zwischen
ländlichen und städtischen Gebieten. Im so genannten Speckgürtel rund um
die Hauptstadt fallen laut Studie unterdurchschnittliche neun Prozent
unter die Rechtsextremen-Definition. In den weiter entfernten Regionen
sind es 13 Prozent.
Überrascht hat dieses Ergebnis die Macher der Untersuchung nicht. “Wir
wussten aus früheren Studien, dass ungefähr ein solches Potenzial
besteht”, sagte Oskar Niedermayer, Politologe an der FU. Die neue
Analysemethode bestätige vielmehr eine Faustregel früherer
Untersuchungen, fügte sein Kollege Richard Stöss hinzu. Und die lautet:
Das rechte Potenzial ist in Brandenburg doppelt so groß wie in Berlin.
Je höher die Schulbildung der Befragten, desto geringer ist ihre Neigung
zu rechtem Gedankengut. Doch dieser Eindruck kann trügen, gibt
Niedermayer zu: “Hoch gebildete Befragte haben bei den Fragen eher den
Braten gerochen.” Und daher bei ihren Antworten auch eher gelogen.
Die Studienergebnisse lassen aus Sicht der FU-Professoren nicht auf ein
Erstarken rechter Parteien in Berlin schließen. “Leute mit
rechtsextremen Einstellungen wählen noch lange nicht rechtsextreme
Parteien”, sagt Politologe Stöss. Den Rechtsextremen mangele es an
Organisation, Geld sowie einem Spitzenkandidaten, der auch auf
konservative Schichten wirkt. Außerdem brauche es ein Thema, das auch so
genannte Protestwähler anziehe.
Ist also in Berlin alles im grünen Bereich, was die Braunen angeht? Bei
weitem nicht. Auf den zweiten Blick zeigt sich: Viele Hauptstädter
denken chauvinistisch, ausländerfeindlich, sozialdarwinistisch und
antisemitisch. So stimmt jeder fünfte Berliner (21 Prozent) folgender
Aussage voll und ganz zu: “Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht
haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.” Und 20
Prozent finden: “Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die
Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken.” Immerhin 13 Prozent
Zustimmung gibt es unter Berlinern für den Satz: “Auch heute noch ist
der Einfluss der Juden zu groß.” Matthias Lohre
Rechtsextremes Gedankengut in ländlichen Regionen verbreitet
Studie belegt deutlichen Unterschied zu Berlin
(LR)Rechtsextremes Gedankengut ist in Berlin und Brandenburg laut einer
Forsa-Studie am stärksten in ländlichen Regionen und weniger gebildeten
Schichten verbreitet. Zwölf Prozent der 2,5 Millionen Brandenburger haben
ein rechtsextremes Weltbild.
Unter den 3,4 Millionen Berlinern sind es nur sechs Prozent. Das geht aus
der repräsentativen Studie der Freien Universität Berlin und des
Meinungsforschungsinstituts Forsa hervor, die gestern in Berlin vorgestellt
wurde. Dabei sind von Mitte Oktober bis Anfang November des Vorjahres 2000
Menschen in Berlin-Brandenburg befragt worden.
Am stärksten sind rechtsex tremistische Einstellungen mit 13 Prozent in der
brandenburgischen Peripherie ausgeprägt. Im Raum um Berlin sind es neun
Prozent der Menschen. Dagegen gibt es zwischen dem Ost- und Westteil der
Hauptstadt nach Angaben der Forscher keine Unterschiede mehr. Von der
Verbreitung rechtsextremistischer Einstellungen sei aber nicht direkt auf
das Wahlverhalten zu schließen. Viele dieser Menschen wählten demokratische
Parteien.
Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin sagte, er gehe davon
aus, dass die rechtsextreme NPD bei der Bundestagswahl einen Stimmenzuwachs
erreiche, aber an der Fünf-Prozent-Hürde scheitere.
Die Befragten hatten bei der Studie Aussagen zu bewerten wie: “Wir sollten
einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand
regiert.” Andere Sätze lauteten: “Es gibt wertvolles und unwertes Leben” und
“Der Nationalsozialismus hatte auch seine gute Seiten.” Ferner wurde nach
chauvinistischen, ausländerfeindlichen und antisemitischen Einstellungen
gefragt.
POTSDAM Im Seehotel in Templin (Uckermark) werden Mitte April mehrere
Hundert meist ältere Damen übernachten, die eines gemeinsam haben: Sie
kehren an die nahe gelegene Stätte ihrer Leiden zurück, an den Ort, der sich
tief in ihr Gedächtnis eingebrannt hat: Sie alle sind Überlebende des
Konzentrationslagers Ravensbrück. In acht weiteren Hotels zwischen
Oranienburg und den nördlichen Bezirken Berlins werden zur gleichen Zeit
Gäste aus der ganzen Welt erwartet, die vor und während des Zweiten
Weltkriegs im KZ Sachsenhausen inhaftiert waren.
Mehr als 1000 Überlebende beider Lager werden an den Feiern zum 60.
Jahrestag der Befreiung durch die Rote Armee teilnehmen. 850 ehemalige
Häftlinge und 440 Angehörige, zumeist Kinder und Enkelkinder, nehmen als
Gäste der Landesregierung teil.
“Die meisten von ihnen kommen aus Ost€pa, sie konnten aus materiellen
oder politischen Gründen bisher nicht an den Feiern zu den Jahrestagen
teilnehmen”, sagte Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische
Gedenkstätten. Vor zehn Jahren waren 2700 ehemalige Häftlinge nach
Sachsenhausen und Ravensbrück gekommen. Viele sind in der Zwischenzeit
verstorben.
Morsch und seine Mitarbeiter wissen, dass dieses Jahr für viele der 1000 der
letzte runde Jahrestag sein wird, den sie noch erleben. Unermüdlich haben
sie daher versucht, die nötigen Mittel für Reise und Unterbringung zu
bekommen. 1,2 Millionen Euro sind insgesamt nötig, 500 000 Euro steuert das
Land bei, 350 000 Euro der Bund aus dem Etat von Kulturstaatsministerin
Christina Weiss, 100 000 Euro kommen vom Land Berlin, der Rest von
verschiedenen Stiftungen.
“Die Häftlinge haben uns eine Botschaft zu vermitteln”, sagte Morsch. Und
fügt angesichts der weiterhin hohen Zahl rechtsextremer Übergriffe im Land
in einem Anflug von Resignation hinzu: “Auch wenn ich den Eindruck habe,
dass viele das nicht mehr hören wollen.”
Das Interesse der brandenburgischen Schulen zumindest liefert keinen Anlass
für diese Resignation: Für den “Tag der Begegnung” am 16. April in
Sachsenhausen haben sich bei der Vorstellung des Begleitprogramms mehr als
120 Lehrer interessiert — aus der unmittelbaren Umgebung, aber auch von
Schulen in Dänemark und Israel. Auch die Jugendbegegnungsstätte Ravensbrück
wird brummen.
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) besucht am 17. April beide
Gedenkstätten. Um 10 Uhr beginnt die zentrale Gedenkveranstaltung in
Ravensbrück, auf der Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD), Anne
Chalut als Präsidentin des Internationalen Ravensbrück-Kommitees und Jakow
Drabkin sprechen werden, der als Angehöriger der Roten Armee an der
Befreiung des Lagers am 30. April 1945 teilnahm. Um 17 Uhr werden in
Sachsenhausen neben Platzeck Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne),
der Präsident des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, Pierre Gouffault,
und Thomas Buergenthal sprechen, der die Befreiung als Zehnjähriger erlebte.
Gleichzeitig wird der neugestaltete Gedenkort “Station Z” mit der
Dauerausstellung “Mord und Massenmord im KZ Sachsenhausen” seiner Bestimmung
übergeben.
Die Gedenkstätten suchen noch ehrenamtliche Betreuer, idealerweise mit
Russisch- oder Polnischkenntnissen. Informationen unter 0 33 01/ 81 09 10.
Integration: Erscheinen Pflicht
Strausberg (MOZ) Die Beschäftigungsgesellschaft Steremat hat dem Landkreis
und dem Sozialpark Märkisch-Oderland enge Zusammenarbeit bei der Integration
der Bewohner des künftigen Strausberger Asylbewerberheims zugesagt. Bei der
Eröffnung des 1. Integrationskurses für Einwanderer und Aussiedler durch das
Strausberger Bildungs- und Sozialwerk erörterten Christine Ockert vom
Sozialpark MOL, Gesundheits- und Sozialdezernentin Marlis Werner,
Steremat-Chefin Kristina Zenker und SBSW-Geschäftsführer Peter Rose
Möglichkeiten der Vernetzung und Ergänzung eigener Angebote.
Strausberg (MOZ) “Erscheinen ist Pflicht. Und zwar regelmäßig und
pünktlich”, stellt Brigitte Arndt unmissverständlich klar, wenn es um den 1.
Integrationskurs beim Strausberger Bildungs- und Sozialwerk geht. 24
Teilnehmer besuchen den im Auftrag des Bundesamtes für Migranten und
Flüchtlinge gestarteten Kurs. Es sind Spätaussiedler und Zugewanderte mit
Bleiberecht, ein Mann aus Liberia darunter und auch ein Türke. Viele leben
seit Jahren in Strausberg, die meisten erhalten Arbeitslosengeld II. Der
Integrationskurs ist ihre Chance, die Sprache ihrer Wahlheimat zu erlernen,
sich deren Kultur und Lebensweise anzueignen. Denn er besteht aus einem 300
Unterrichtsstunden umfassenden Basissprachkurs und einem 300er
Aufbausprachkurs sowie einem 30-stündigen Orientierungskurs. Am Ende steht
eine externe Sprachkundigenprüfung. Die Deutschkenntnisse nach der Kategorie
B1 sind Voraussetzungen für eine Einbürgerung.
“Die Teilnahme ist nur einmal kostenlos möglich”, sagt SBSW-Geschäftsführer
Peter Rose. Wer dreimal unentschuldigt fehlt, muss draußen bleiben. Und die
Plätze sind begehrt. Beim Sozialpark Märkisch-Oderland, der sich bisher vor
allem um die Integration deutschstämmiger Spätaussiedler kümmerte, gebe es
lange Wartelisten, berichtet Christine Ockert, die seit Jahren dort
Deutschkurse abhält.
Das pünktliche und regelmäßige Erscheinen zu den täglichen fünf
Unterrichtsstunden und die Hausaufgaben, die zu einer Stunde Beschäftigung
mit der Sprache in der Freizeit anhalten sollen, sind schon ein erster
Schritt hin zur Kultur und Lebensweise der Wahlheimat. Doch wissen
Steremat-Geschäftsführerin Kristina Zenker und der Leiter des
Jugendarbeitsförderzentrums Gerd Schilling, dass auch der Tag deutscher
Langzeitarbeitsloser in der Regel nicht sinnvoll strukturiert ist. Die neue
Kursstätte des SBSW im Jugendarbeitsförderzentrum sehen sie daher als gute
Ergänzung des Hauses an sich und der Inhalte: “Unsere Kursteilnehmer und die
des Integrationskurses können sich gegenseitig bereichern”, hofft Kristina
Zenker. Das beginnt mit der gemeinsamen Nutzung der Kantine und muss mit
einem russischen Abend und einem gemeinsamen Sportfest noch lange nicht zu
Ende sein.
Kreis-Gesundheits- und Sozialdezernentin Marlis Werner nutzte bei der
Eröffnung des Kurses die Gelegenheit, so viele einander ergänzende Partner
am Tisch vorzufinden und warb für deren Unterstützung beim Aufbau des
Asylbewerberheims in Strausberg. (MOZ berichtete) Mit dem Sozialpark
Märkisch-Oderland ist ein erfahrener Betreiber gefunden. Das JAFZ-Projekt
Xenos — Leben und Arbeiten in Vielfalt — arbeitet am Runden Tisch Asyl MOL
mit und sagte spontan seine Zusammenarbeit zu. BSG-Chefin Kristina Zenker:
“Auf unsere Mitarbeit können Sie zählen.” Jugendliche aus dem Xenos-Projekt
hatten im Kunersdorfer Heim einen Spielplatz gebaut. Um diesen, vor allem
das große Spielhaus, nach Strausberg versetzen zu können, sucht das JAFZ
jetzt einen Sponsor für den Transport.In der Stadt Strausberg leben 775
Aussiedler und 325 Asylbewerber. Insgesamt beträgt der Ausländeranteil in
Strausberg vier Prozent.
Am 1. Januar 2005 trat das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Es regelt
staatliche Integrationsangebote, deren Kern die Integrationskurse bilden.
Netzwerkpartner des 1. Integrationskurses sind u. a. die Ausländerbehörde
MOL, die Agentur für Artbeit Strausberg, das Jobcenter und der Sozialpark
MOL.
Der Integrationskurs umfasst maximal 630 Unterrichtseinheiten, 25
wöchentlich. 600 Stunden Sprachkurs und 30 Stunden Orientierungskurs.
Erneut Anschlag auf Imbiss
(FR) In Brandenburg ist erneut ein rechtsextremer Brandanschlag auf einen
türkischen Imbiss verübt worden. Seit 2000 waren in dem Bundesland mehr als
30 dieser Gaststätten Ziel von Attentaten.
Bernau · 21. März · epd · In der Nacht zum Sonntag wurde ein Bistro in
Zepernick bei Bernau mit mehr als 20 Hakenkreuzen und rechten Parolen
beschmiert, bestätigte die Polizei am Montag in Bernau. Der Versuch, einen
Brandsatz zu zünden, sei fehlgeschlagen. Das Polizeipräsidium in Frankfurt
an der Oder habe die Ermittlungen übernommen.
Nach Angaben der Bistro-Betreiber ist der Imbiss am S‑Bahnhof Zepernick
bereits seit längerem Angriffsziel von Neonazis. Betreiber und Beschäftigte
müssten unter einer “permanenten Bedrohung” arbeiten. Der Bahnhof wird den
Angaben zufolge seit Jahren von Neonazis als Treffpunkt genutzt. Wiederholt
seien dort auch Ausländer überfallen worden.
Der Verein Opferperspektive hat seit dem Jahr 2000 mehr als 30 rassistisch
motivierte Brandanschläge auf ausländische Imbisse in Brandenburg gezählt.
Wegen einer Serie von Anschlägen auf türkische und vietnamesische Imbisse im
Havelland zwischen Nauen und Berlin wurde eine Gruppe von zwölf
rechtsradikalen Jugendlichen Anfang März wegen Bildung einer terroristischen
Vereinigung zu Bewährungs- und Haftstrafen verurteilt. Ihr Anführer erhielt
eine Jugendstrafe von viereinhalb Jahren.
Brandanschlag auf türkischen Imbiß in Zepernick
(BM) Bernau — In Brandenburg ist erneut ein rechtsextremer Brandanschlag auf
einen türkischen Imbiß verübt worden. In der Nacht zum Sonntag wurde ein
Bistro in Zepernick (Barnim) mit mehr als 20 Hakenkreuzen und rechten
Parolen beschmiert, bestätigte die Polizei gestern. Der Versuch, einen
Brandsatz zu zünden, sei fehlgeschlagen. Das Polizeipräsidium in Frankfurt
(Oder) habe die Ermittlungen übernommen.
Nach Angaben der Bistro-Betreiber ist der Imbiß am S‑Bahnhof Zepernick
bereits seit längerem Angriffsziel von Neonazis. Betreiber und Beschäftigte
müßten unter einer “permanenten Bedrohung” arbeiten. Der Bahnhof wird den
Angaben zufolge seit Jahren von Neonazis als Treffpunkt genutzt.
Brandanschlag auf Imbiss
(MOZ) Zepernick — Unbekannte Rechte verübten am Wochenende einen Brandanschlag
auf den City-Grill in Zepernick. Sie warfen eine mit Benzin gefüllte Flasche
in ein Schaufenster, beschmierten den Imbiss mit Hakenkreuzen, SS-Runen und
Schimpfwörtern. An weiteren Häuserwänden, auf Geh- und Radwegen wurden
teilweise bis zu drei Meter große Hakenkreuze gesprüht. Gegen die Täter wird
seit Sonntag mit Hochdruck ermittelt. Das als Staatsschutz bezeichnete 2.
Kommissariat des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder) hat die Untersuchungen
aufgenommen.
Ibrahim Damar, Mitarbeiter im türkischen Imbiss City-Grill, kann nicht
fassen, was sich in der Nacht zum Sonntag in Zepernick ereignete. Die
Betroffenheit steht ihm ins Gesicht geschrieben, angesichts der
zersplitterten Scheibe, links neben der Eingangstür. Dort schlug die von den
vermutlich rechtsextremen Gesinnungstätern geworfene Brandflasche ein.
Glücklicherweise kam es nicht zum Brand. Noch am Sonntagmorgen beseitigte
die Mitarbeiter des Bistros die Hakenkreuze und Schimpfwörter, die auf
Scheiben und Tischen mit roter Farbe aufgesprüht waren. Überall im
Verkaufsraum lagen Glassplitter, die vorbereiteten Salate wanderten in den
Müll. “So einen Angriff hat es hier noch nie gegeben. Ich verstehe mich mit
den jungen Leuten, die hier essen und trinken, es gab noch nie Probleme”,
wiederholt Damar immer wieder.
Doch offensichtlich haben die dreisten Täter kein Interesse am friedlichen
Nebeneinander der verschiedenen Nationalitäten und Kulturen. So stellt sich
für Roland Kamenz, Pressesprecher des Franfurter Polizeipräsidiums,
überhaupt die Frage, ob die Täter nur provozieren wollten oder ob sie
“ideologisch von verfestigtem rechten Gedankengut” beherrscht werden? “Wir
ermitteln mit Hochdruck, dieser Fall hat hohe Brisanz. Ein Brandanschlag und
Hakenkreuze sind kein Kavaliersdelikt”, versichert Kamenz.
Prenzlau — Einem suspendierten Beamten des Landeskriminalamtes aus Potsdam
wird seit gestern vor dem Amtsgericht Prenzlau vorgeworfen, in Boitzenburg
(Uckermark) und in Nürnberg auf öffentlichen Plätzen im Juni 1998 und im
Herbst 2002 den Hitlergruß gezeigt zu haben. Als Beweis wurden
beschlagnahmte Fotos aus einem privaten Album angeführt. Der Angeklagte ließ
sich zu Beginn der Hauptverhandlung wegen gesundheitlicher Probleme
entschuldigen. Sein Verteidiger teilte mit, daß sein Mandant ohnehin keine
Aussagen zum Vorwurf machen werde.
Opferhilfe bangt um Fortbestand
(MAZ)POTSDAM Die Beratungsstellen für Opfer von Gewalttaten stehen vor Existenz
bedrohenden Einschnitten. Dem Verein Opferhilfe, der sechs Beratungsstellen
im Land unterhält, droht sogar das Aus. Im April müssten Kündigungen für
Mitarbeiter und Mietverträge ausgesprochen werden, wenn bis zum 1. Juli kein
Geld da ist, sagte gestern der Vereinsvorsitzende Matthias Beutke in
Potsdam.
Derzeit lebt die Opferhilfe laut Justizministerium von einer
Abschlagszahlung für das erste Quartal aus Lottomitteln in Höhe von 43 700
Euro. Im Haushaltsentwurf war bisher kein Geld für die Opferberatung
vorgesehen. Das trifft den Verein, die sich vornehmlich um Opfer von
Gewaltdelikten kümmert, im gleichen Maß wie die Opferperspektive, die sich
Opfern rechtsextremer Gewalt annimmt. Wie berichtet droht auch der
Opferperspektive ohne Landesförderung das Aus.
Die Regierungsfraktionen von SPD und CDU haben sich inzwischen auf einen
Änderungsantrag zum Haushaltsentwurf geeinigt. Für das “Projektfeld
Opferberatung und Täter-Opfer-Ausgleich” sollen im Justizministerium 45 000
Euro bereit gestellt werden. Dafür werden Mittel im Bereich Übersetzer für
Gerichte und Haftanstalten gestrichen. Die Summe liegt jedoch weit unter den
bisherigen Zuwendungen. Die Opferperspektive wurde 2004 mit 30 000 Euro
unterstützt, bekam aber zugleich 200 000 Euro aus Berlin. Die Bundesmittel
sind an eine Kofinanzierung gebunden.
Der Verein Opferhilfe bekam vom Justizministerium im vergangenen Jahr 180
000 Euro. Das Geld deckt 90 Prozent der Ausgaben des Vereins, der sechs
Halbtagskräfte in der Beratung beschäftigt.
Über die Verteilung der 45 000 Euro an die verschiedenen Organisationen der
Opferberatung hat man sich im Justizministerium noch keine Gedanken gemacht.
“So lange der Bär nicht erlegt ist, wird das Fell nicht verteilt”, sagte
Ministeriumssprecher Thomas Melzer angesichts des nicht beschlossenen
Haushalts. Ob durch weitere Umschichtungen oder Lottomittel mehr Geld zur
Verfügung gestellt werden kann, ließ Melzer offen. Mit Lottomitteln könnte
sich aber möglicherweise auch das Sozialministerium an der Opferberatung
beteiligen.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Petke, bezeichnet die
nun geplante Zuwendung als “Verbesserung”. Immerhin seien im
Justizministerium alle freiwilligen Leistungen gestrichen worden. Sowohl im
Haushalt 2004 und als auch im Etatentwurf 2005/2006 habe es keine Titel für
die Opferberatung gegeben.
Die 1996 gegründete Opferhilfe betreute im vergangenen Jahr in Potsdam,
Cottbus, Senftenberg, Brandenburg/Havel, Frankfurt (Oder) und Neuruppin rund
400 Ratsuchende.
Land kürzt Geld für Opferhife: Beratungsstellen vor dem Aus
(Tagesspiegel)Potsdam — Ab Juli könnte das Hilfsangebot für Kriminalitätsopfer in
Brandenburg deutlich eingeschränkt werden. Der Verein Opferhilfe Land
Brandenburg müsste dann seine sechs Beratungsstellen schließen — falls der
aktuelle Haushaltsentwurf des Justizministeriums bestätigt wird. Dies
erklärte gestern der Vereinsvorsitzende Matthias Beutke. “Erste Kündigungen
müssen wir wohl schon im April aussprechen”, sagte Beutke. Bisher bekam die
Opferhilfe 90 Prozent ihrer Mittel aus dem Justizministerium, nun ist sie
durch die vorgesehene komplette Streichung des Haushaltstitels
“Opferhilfe/Täter-Opfer-Ausgleich” von 150 000 Euro in ihrer Existenz
bedroht. “Wir leben nur von unseren Reserven, seit die Förderung im Februar
ausgelaufen ist”, sagte Beutke.
Im Justizministerium ist die Situation bekannt. “Wir zahlen zunächst einen
Abschlag von 43 000 Euro aus Lottomitteln”, sagte Sprecher Thomas Melzer.
Außerdem habe sich kürzlich die Regierungskoalition im Rechtsausschuss des
Landtags auf einen Entwurf geeinigt, wonach die Mittel für die Opferhilfe
wieder auf ihre ursprüngliche Höhe gesetzt werden sollten. Darüber werde
jedoch noch entschieden. “Bis dahin sind uns die Hände gebunden”, sagte
Melzer. Die Gelder seien weggefallen, weil im Haushaltsgesetz alle
freiwilligen Landesaufgaben gestrichen worden seien. “Wir schätzen die
Arbeit des Vereins sehr”, sagte Melzer.
Der Verein Opferhilfe wurde 1996 gegründet und besitzt Zweigstellen in
Potsdam, Brandenburg/Havel, Cottbus, Senftenberg, Frankfurt (Oder) und
Neuruppin. 2004 wurden rund 400 Opfer von Gewalt, sexuellem Missbrauch und
rassistischen Übergriffen über längere Zeit kostenlos beraten und
unterstützt.
ZIEGENHALS. Die umstrittene Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals südöstlich
von Berlin steht vor dem Aus. Der zuständige Landkreis Dahme-Spreewald hat
dem Grundstückseigentümer nun eine Abrissgenehmigung für das Gebäude der
Gedenkstätte erteilt — unter bestimmten Auflagen. “Der Abriss wird
genehmigt, weil es dem Eigentümer wirtschaftlich nicht zuzumuten war, weiter
für den Erhalt der Anlage aufzukommen”, sagte eine Sprecherin des
Landkreises am Dienstag der Berliner Zeitung. Diese Einschränkung des
Denkmalschutzes gilt erst seit In-Kraft-Treten eines neuen Landesgesetzes im
Sommer vergangenen Jahres. “Der Eigentümer muss aber die Ausstellung über
Thälmann einlagern oder umsetzen sowie den Denkmalwert dokumentieren”, sagte
die Sprecherin des Landkreises weiter.
Mit dieser Entscheidung könnte ein jahrelanger Streit ein definitives Ende
finden: Denn im Dezember 2002 hatte ein hoher Potsdamer Landesbeamter das 4
650 Quadratmeter große Seegrundstück ersteigert. Der neue Eigentümer,
ausgerechnet Leiter der Oberen Bauaufsicht im Land Brandenburg, wollte die
Thälmann-Gedenkstätte umgehend abreißen und an ihrer statt Privathäuser am
See errichten. Gerichtlich wollte er durchsetzen, dass die
Thälmann-Gedenkstätte keinen Denkmal-Charakter habe. Das wiederum brachte
den Freundeskreis der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte, eine Vereinigung von
ehemaligen SED-Genossen, auf die Barrikaden. “Wir wollen das
antifaschistische Vermächtnis unseres Volkes bewahren”, sagte Heinz Schmidt,
der Vorsitzende des Freundeskreises. Nun besteht das antifaschistische
Vermächtnis derzeit hauptsächlich aus einer Ausstellung über Ernst Thälmann,
die seit 1986 nicht mehr überarbeitet wurde, also immer noch in damals
üblicher DDR-Manier den Arbeiterführer und KPD-Chef namens Teddy verklärt.
Das Seegrundstück ist mit Ernst Thälmann verbunden, weil dort im
Sportlerheim am 7. Februar 1933 die letzte Funktionärstagung der KPD
stattgefunden hatte — bereits in der Illegalität, die Nationalsozialisten
waren schon an der Macht.
Die DDR machte dann aus dem Sportlerheim am See 1953 eine
Thälmann-Gedenkstätte. Das Originalgebäude wurde 1958 abgetragen und durch
einen Neubau ersetzt. Lediglich die historischen Tagungsräume wurden umbaut.
Ein so genannter Ehrenhof mit Thälmann-Büste kam später hinzu. 1979
schließlich wurden die historischen Räume, die Büste sowie ein Boot, mit dem
einige kommunistische Funktionäre zum Tagungsort gekommen sein sollen, in
die Denkmalliste der DDR aufgenommen. Der Besuch des Ortes gehörte zum
Pflichtprogramm der DDR-Jugendorganisationen. Nach der Wende übernahm das
Land Brandenburg den bestehende Denkmalschutz.
Denkmalschützer irritiert
Und die Genossen vom Freundeskreis pflegten ihre Gedenkstätte weiter, bis
der Potsdamer Regierungsbeamte das Areal kaufte, die Schlösser austauschte
und den Thälmann-Verehrern den Zutritt zur Gedenkstätte verweigerte. Es
wurden allerlei Kompromissvorschläge gemacht. Der Bürgermeister von Königs
Wusterhausen wollte die Gedenkstätte in einer kommunalen Stiftung aufgehen
lassen. Und Detlef Karg, der oberste Denkmalschützer, wollte den Ort als
Geschichtsdenkmal erhalten. Denn an diesem Ort könnten das
DDR-Geschichtsbild und der DDR-Antifaschismus exemplarisch erklärt werden.
Auf die Abrissgenehmigung angesprochen reagierte Karg am Dienstag irritiert.
“Unser fachliches Votum hat sich für den Denkmalschutz in Ziegenhals
ausgesprochen”, sagte er. Nun sei der Landkreis offenbar zu einer anderen
Einschätzung gelangt. Der Thälmann-Freundeskreis kündigte für den 17. April
eine Demonstration an. Der Grundstückseigentümer wollte sich gegenüber der
Berliner Zeitung am Dienstag nicht äußern. “Das sind meine
Privatangelegenheiten”, sagte er. Offen bleibt, ob er die kostspieligen
Auflagen akzeptiert.
Eisenhüttenstadt aufrütteln
Eisenhüttenstadt (MOZ) Am Dienstag erhielt die Heinrich-Heine-Realschule als
13. Schule in Brandenburg den Titel “Schule ohne Rassismus — Schule mit
Courage” verliehen. Mit dem Projekt setzen sich Schüler und Lehrer für ein
soziales, solidarisches und friedliches Miteinander und für eine
Gesellschaft ohne Rassismus und Diskriminierung ein. Die
Heinrich-Heine-Schule beteiligt sich als erste Schule Eisenhüttenstadts an
der bundesweiten Aktion, die ein öffentliches Zeichen für den demokratischen
Umgang mit Anderen setzt. Pate des Projekts ist Rainer Barcikowski,
Arbeitsdirektor im EKO.
“Mit dem Titel “Schule ohne Rassismus — Schule mit Courage” sind wir eine
große Verpflichtung eingegangen”, meint Norbert Neumann, Direktor der
Heinrich-Heine-Realschule. Die gelte es jetzt mit Leben zu erfüllen. Am
Dienstag hat er den Titel in Form eines Schildes in Empfang genommen. Nach
Ostern wird es, für alle sichtbar, im Eingangsbereich neben dem Namensschild
der Schule prangen.
Um den Titel tragen zu dürfen, mussten sich mindestens 70 Prozent aller
Schulzugehörigen mit ihrer Unterschrift gegen Intoleranz und Rassismus
wenden. Gesammelt haben diese Unterschriften zwölf Schüler der 8. bis 10.
Klasse, die sich zu einer Initiativgruppe zusammenschlossen und erfolgreich
Überzeugungsarbeit leisteten. 78 Prozent ihrer Mitschüler und Lehrer konnten
sie von der Idee begeistern.
Weitere Bedingung war ein prominenter Pate, der die Projekte der Schule
unterstützt. Den fanden die Jugendliche in EKO-Arbeitsdirektor Rainer
Barcikoski. Der ließ es sich nicht nehmen, gestern Mittag einige Grußworte
an Schüler und Lehrer zu richten. “Unsere Region kann nur leben, wenn wir
uns zur Toleranz verpflichten”, sagte Barcikowski und verwies auf die
Bedeutung, die ausländische Märkte für einheimische Unternehmen wie das EKO
haben. Gleichzeitig sicherte er der Realschule finanzielle Unterstützung
durch das EKO und seine Stiftungen bei der Umsetzung von Projekten zu.
Aktionen, in denen die Schüler für Toleranz und Zivilcourage werben und
Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus setzen, gehören seit über
einem Jahr zum Schulalltag. “Am wichtigsten ist es, den Alltagsrassismus in
den Griff zu bekommen”, meint Schulsozialarbeiterin Ute Ebert. “Auf
körperliche Gewalt wird man schnell aufmerksam, viel schlimmer sind jedoch
die verbalen Angriffe.” Der Ton auf dem Schulhof sei härter geworden. Da
würden Mitschüler schon mal mit “Behindi”, “Spasti” oder “schwule Sau”
betitelt. Formen von Intoleranz, die thematisiert werden müssten. “Wir
versuchen, mit den Schülern ins Gespräch zu kommen, um zu verhindern, dass
so etwas normal wird”, so Ute Ebert.
“Am 16. April wollen wir uns an der Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag
der Befreiung des KZ Sachsenhausen beteiligen”, erzählen Helena Drange und
Vanessa Uthe von der Schüler-Initiativgruppe. Die Schule will sich dort mit
einem Stand präsentieren. Im Mai sollen Überlebende des Konzentrationslagers
zu Gesprächen in den Unterricht eingeladen werden. “Uns war es wichtig ein
Zeichen gegen Rassismus und Intoleranz zu setzen und die Stadt wieder
aufzurütteln”, fasst Ute Ebert zusammen.
Rainer Barcikowski regte nach der Veranstaltung an, die Ortseingangsschilder
mit der Aufschrift “Kein Platz für Rassismus” zu reaktivieren. “Diese
Schilder sind für die Stadt unverzichtbar”, so Barcikowski, der selbst eine
Patenschaft für eines der Schilder übernommen hatte. Die Schilder waren 2000
von der Stadtverwaltung aufgestellt, nach wiederholten Beschädigungen aber
wieder abgenommen und eingelagert worden.