Potsdam – Mit einem Programm der Deeskalation und verstärkter Polizeipräsenz will die Landeshauptstadt der zunehmenden Gewalt zwischen rechten und linken Gruppierungen begegnen. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte gestern nach einer Sondersitzung des Beirats für Toleranz und Demokratie in Potsdam: „Die Entwicklung erfüllt uns mit großer Sorge.“ Es dürfe nicht zugelassen werden, „dass die gewaltsamen Auseinandersetzungen eskalieren“.
Anlass des gestrigen Treffens ist die laut Jakobs „besorgniserregende Eskalation“ von politisch motivierter Gewalt zwischen Jugendlichen in der Stadt. So hatten in der Neujahrsnacht 2003 rechte Schläger das alternative Projekt Chamäleon in der Hermann-Elflein-Straße überfallen. Ein Rechtsradikaler war wegen des Überfalls vor zwei Wochen zu einem Jahr und zwei Monaten Haft und ein zweiter zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt worden.
In der vergangenen Woche wurden dann vier Jugendliche aus der linken Szene Potsdams wegen versuchten Mordes verhaftet. Sie sollen laut Staatsanwaltschaft vor dem „Café Heider“ einen 16-Jährigen aus der rechten Szene brutal niedergeschlagen, mehrfach mit einem so genannten Totschläger (einem Teleskopschlagstock) auf den Kopf geschlagen und mit Füßen getreten haben. Nach einem weiteren Tatbeteiligten wird noch gesucht. Die Täter sollen zum Umfeld des Chamäleon gehören.
Die Mitglieder des Beirats für die Umsetzung des Lokalen Aktionsplanes für Toleranz und Demokratie hätten vereinbart, „entsprechend ihren Möglichkeiten deeskalierend zu wirken und Einfluss auf die an den Konflikten Beteiligten zu nehmen“, hieß es gestern in einer Erklärung. Dazu gehöre auch ein „verstärkter und frühzeitiger Austausch von Informationen“. Dem Beirat gehören unter anderem Vertreter der Politik, des Ausländerbeirates, der Kirchen, der Gewerkschaft, von Vereinen und Verbänden an.
Jakobs betonte, dass in Potsdam eine rechte Szene existiere, die auch von Berlin aus Unterstützung erhalte. Dennoch dürfe auch keine Gewalt von linken Tätern akzeptiert werden. „Selbstjustiz ist nicht das richtige Mittel gegen Rechts.“
Nach Erkenntnissen von Polizei und Verfassungsschutz, sind sowohl rechte als auch linke Gruppen in Potsdam zunehmend gewaltbereit. Beide Gruppen seien eng mit der jeweiligen Szene vernetzt. „Die können sich leicht in kürzester Zeit verstärken und 40 bis 50 Leute aus ihrer Szene als Verstärkung herbeiholen“, so ein Experte gegenüber PNN. Als zahlenmäßig größer und gewaltbereiter gilt beim Verfassungsschutz die rechte Szene Potsdams.
Seit dem Vorfall in der Vorwoche sind in Potsdam – vor allem an Wochenenden – verstärkt Polizisten unterwegs. „Wir haben viel mehr Leute im Einsatz – teils verdeckt, teils uniformiert“, hieß es gestern bei der Polizei. So werden besonders die Brennpunkte wie etwa die Hermann-Elflein-Straße und die Problemkieze überwacht.