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Die stille “Schule der Neonazis”

Sie tra­gen keine Springer­stiefel, son­dern eher weiße Kniestrümpfe. Sie
lär­men und poltern nicht, son­dern ver­hal­ten sich leise und unauf­fäl­lig. Sie
hören keine Neon­azi-Musik, son­dern beschäfti­gen sich zum Beispiel mit
Friedrich Schiller — oder mit Gen­er­al Luden­dorff und sein­er Frau.

Der Ver­fas­sungss­chutz in Bran­den­burg zählt den Vere­in “Bund für
Got­terken­nt­nis (Luden­dorff)” zu den Recht­sex­trem­is­ten im Land. In Kirchmöser
fall­en die Luden­dorf­fer vor allem dadurch auf, dass sie einen
herun­tergekomme­nen Bauern­hof in der Grän­ert­straße her­richt­en lassen und das
Anwe­sen von Jahr zu Jahr schön­er aussieht.

Die Zeitschrift “Stern” zählte dieses “Haus Märkische Hei­de” allerdings
unlängst in Zusam­men­hang mit einem Bericht über die NPD zu den “Schulen der
Neon­azis” in Deutsch­land. “Heim­lich, still und leise kaufen
Recht­sex­trem­is­ten Immo­bilien auf, die sie deutsch­landweit zu Bil­dungs- und
Train­ingszen­tren umbauen”, schrieb die bekan­nte Illus­tri­erte und führte den
Hof in Kirch­mös­er sowie 19 weit­ere Häuser auf. Der Verfassungsschutz
bestätigt dem Stadtkuri­er die Einschätzung.

“Der bere­its 1937 gegrün­dete Vere­in mit Sitz im bay­erischen Tutzing
propagiert ras­sis­tis­ches und anti­semi­tis­ches Gedankengut”, berichtet
Wolf­gang Brandt, stel­lvertre­tender Sprech­er des Innenministeriums.

Die Mit­glieder berufen sich auf die Weltan­schau­ungslehren der 1966
ver­stor­be­nen Mathilde Luden­dorff, der Ehe­frau des Gen­er­als Erich von
Luden­dorff, der zeitweise Hitlers Weg­be­gleit­er war und 1937 ein
Staats­be­gräb­nis erhielt.

Die Res­o­nanz der “Luden­dorf­fer” inner­halb der bundesweiten
recht­sex­trem­istis­chen Szene schätzt der Ver­fas­sungss­chutz als “äußerst
ger­ing” ein. Brandt: “Der Bund für Got­terken­nt­nis, der schon seit längerem
an Über­al­terung lei­det, kon­nte in der Region keinen Nach­wuchs für seine
krude ras­sis­tis­che Weltan­schau­ung rekrutieren.”

Im Früh­jahr 2002 hat­te der Vere­in das Haus in der Grän­ert­straße 15 für den
Tagungs­be­trieb geöffnet. Die Aktiv­itäten im “Haus Märkische Heide”
beschränken sich auf interne Ver­anstal­tun­gen der Vere­ins­mit­glieder, die fast
alle außer­halb Bran­den­burgs ihren Wohn­sitz haben. Kon­tak­te zu anderen
recht­sex­trem­istis­chen Grup­pierun­gen im Land wur­den dem Verfassungsschutz
nicht bekan­nt. Ziel des Vere­ins ist es, in Kirch­mös­er Sem­i­nare, Tagun­gen und
Freizeit­en für die Mit­glieder und den Dun­stkreis anzubieten.

Das Vorder­haus ist seit etwa drei Jahren fer­tig. Gegen­wär­tig wird an dem
Verbindungs­ge­bäude gear­beit­et, dem ehe­ma­li­gen Schweinestall. Dort entstehen
Ferien­z­im­mer für Vere­ins­mit­glieder und Sym­pa­thisan­ten. Der hin­tere Längsbau
soll anschließend zum Tanz- und Ver­anstal­tungssaal aus­ge­baut werden.

Die Luden­dorff-Ken­ner­in Antje Ger­lach rech­net den Vere­in der “braunen
Eso­terik” zu. Wolf­gang Benz, Leit­er des Zen­trums für
Anti­semitismus-Forschung an der Freien Uni­ver­sität Berlin, nen­nt die
Schriften der nach dem Krieg als “Hauptschuldige” eingestuften Mathilde
Luden­dorff anti­semi­tisch und den Vere­in “recht­sradikal”.

Die Luden­dorf­fer möcht­en dem Stadtkuri­er keine Auskun­ft geben, teilt ihr
Mit­glied Friedrich Bad­ing mit. Die MAZ möge erst ein­mal die Stellungnahme
abdruck­en, die er vor drei Jahren nach der ersten Berichterstattung
ein­gere­icht habe.

Die MAZ hält das seit­en­lange Elab­o­rat für verzicht­bar. Denn die Sicht der
Luden­dorf­fer ist bekan­nt: Der 1937 gegrün­dete und aus dem Vorläufer
“Deutschvolk” her­vorge­gan­gene Vere­in beze­ich­net sich als
“Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaft, die die philosophis­chen Erken­nt­nisse Mathilde
Luden­dorffs (1877–1966) ver­tritt und Inter­essierten zugänglich macht. Die
Frau wurde 1950 in die Gruppe der Hauptschuldigen ein­ge­ord­net, die
Spruchkam­mer bescheinigte ihr eine “außeror­dentliche Begün­s­ti­gung des
Nazismus”.

Der Vor­sitzende Gun­ther Duda beze­ich­nete die Ein­schätzung des
Ver­fas­sungss­chutzes als falsch, dass der Bund ras­sis­tisch und antisemitisch
sei. Denn der Bund lehne jede Art von Ras­sev­er­got­tung eben­so ab wie “einen
religiös-jüdisch-ortho­dox­en Auserwähltheitsanspruch”.

Das Auftreten der Recht­sex­trem­is­ten in Kirch­mös­er behat Ortsbürgermeister
Mag­nus Hoff­mann (Pro Kirch­mös­er) als solide und anständig erlebt. An dieser
Gruppe stört sich nach sein­er Ken­nt­nis nie­mand im Ort.

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Die Heimat wird wiederentdeckt

POTSDAM Der Begriff “Heimat” löst unter­schiedliche Assozi­a­tio­nen aus:
Pio­nier­lieder oder Jodelfilme der 50er-Jahre. Häu­fig bekommt die “Heimat”
einen neg­a­tiv­en Beik­lang — wenn sie in der kru­den Rhetorik rechtsextremer
Het­zer auf­taucht. Doch jet­zt soll der Begriff “Heimat” wieder positiv
beset­zt wer­den. Das ist zumin­d­est Ziel des Pro­jek­ts “Zeit­sprünge”, das
gestern von Bil­dungsmin­is­ter Hol­ger Rup­precht (SPD) in Pots­dam vorgestellt
wurde.

“Zeit­sprünge” fächert sich in 26 Unter­pro­jek­te auf. Ab dem kommenden
Mittwoch wer­den jew­eils zehn bis 20 Jugendliche im Alter zwis­chen zwölf und
18 Jahren die Geschichte ihrer Heima­torte erforschen. Sie wer­den in Kirchen
oder Gemein­de­häusern recher­chieren und mit Zeitzeu­gen sprechen — und so
unter anderem dem jüdis­chen Leben in Zossen oder dem christlichen Widerstand
in Brandenburg/Havel zur Zeit des Nation­al­sozial­is­mus nachspüren.

Ins­ge­samt 40 000 Euro ste­hen für die “Zeit­sprünge” zur Ver­fü­gung, jeweils
zur Hälfte gedeckt durch die Staatskan­zlei und die Stiftung Demokratische
Jugend. Die Stiftung set­zt das Pro­jekt zusam­men mit dem Landesjugendring
Bran­den­burg um und ver­fol­gt ein ehrgeiziges Ziel: Die Abwan­derung junger
Men­schen aus Bran­den­burg soll durch die Stärkung ihrer Heimatbindung
eingedämmt werden.

“Es ist nicht alt­modisch, in Zeit­en, in denen die Wirtschaft von jungen
Men­schen größt­mögliche Mobil­ität ein­fordert, ein Heimat­ge­fühl stärken zu
wollen”, vertei­digt Bil­dungsmin­is­ter Rup­precht das “Zeitsprünge”-Projekt. Er
habe Ver­ständ­nis dafür, wenn Jugendliche auf Arbeit­splatz­suche Brandenburg
ver­lassen. “Ich möchte aber nicht, dass junge Bran­den­burg­er ihre Heimat
generell aus ihren Zukun­ft­splä­nen ausklam­mern”, ergänzt der Min­is­ter. Die
“Zeitsprünge”-Initiative fördere den Dia­log zwis­chen den Men­schen ger­ade in
ländlichen Gebi­eten und sorge so für eine bessere Stim­mung. Auch dadurch
könne eine stärkere Bindung an die Heimat entstehen.

Das sieht Andreas Pautzke genau­so. Der Geschäfts­führer der Stiftung
Demokratis­che Jugend gibt allerd­ings zu, dass sich der Erfolg vergleichbarer
Pro­jek­te auf Bun­de­sebene schw­er bele­gen lässt. Es gibt keine gesicherten
Erken­nt­nisse, ob die Steigerung des Heimat­ge­fühls bei jun­gen Men­schen auch
zu einem Abwan­derungsrück­gang führt.

Mess­bar bleibt so allen­falls die Stim­mung vor Ort: “Die Dor­fju­gend war
begeis­tert, als sie zum ersten Mal ihren selb­st gepressten Apfelsaft
pro­biert hat”, sagt Clau­dia Gün­ther von der Naturschutzju­gend. Sie wird im
Rah­men der “Zeit­sprünge” ein schon begonnenes Pro­jekt weit­er­führen — die
Wieder­bele­bung ein­er Schloss­gärt­nerei im uck­er­märkischen Gerswalde.

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Gesundes Integrationsklima

Der Aus­län­der­beirat hat eine neue Vor­sitzende. Hala Kindel­berg­er wurde zur
Nach­fol­gerin von Yoham-Pan­ton Kengum gewählt, der aus per­sön­lichen Gründen
die Arbeit im Beirat niedergelegt hat.

Kindel­berg­er lebt seit zehn Jahren in Pots­dam, ist ver­heiratet und hat zwei
Kinder. Sie hat Psy­cholo­gie und Sozi­olo­gie in ihrer Heimat studiert, in
Deutsch­land das Diplom für Sozi­olo­gie gemacht und bere­it­et jet­zt ihre
Pro­mo­tion vor. Als wis­senschaftliche Mitar­bei­t­erin ist sie an der
Fach­hochschule Pots­dam tätig. Die Liebe wars, die die Ägypterin (“Wir sagen
nicht unser Alter” — lacht) hier­her ver­schla­gen hat. Ihr Mann ist gebürtiger
Pots­damer und war Mitte der 90er Jahre zum Prak­tikum in Ägypten, wo sich
bei­de in ein­er amerikanis­chen Com­put­er­fir­ma ken­nen gel­ernt haben. Heute ist
er Geschäfts­führer der Berlin-Bran­den­bur­gis­chen Auslandsgesellschaft.

Als Mit­glied ist Hala Kindel­berg­er seit dem Jahr 2000 mit der Arbeit des
Aus­län­der­beirates ver­traut. “Es ist eine wichtige Arbeit und ich habe die
Wahl zur Vor­sitzen­den gern angenom­men”, sagte sie gestern. Der ehrenamtliche
Beirat hat neun Mit­glieder aus sechs Natio­nen. “Unsere vier Deutschen sind
Gold wert”, so Kindel­berg­er. Der Beirat sei ein poli­tis­ches Gremi­um, aber
auch “eine gute Adresse für Aus­län­der, die hier Anschluss suchen”. Generell,
sagt sie, herrsche in Pots­dam ein “gutes Inte­gra­tionskli­ma”. Es sei sogar
“viel gesün­der als in den alten Län­dern”. Neben Ros­tock habe nur noch
Pots­dam als Stadt in den neuen Län­dern einen Beirat mit eigener
Geschäftsstelle und bezahlter Mitarbeiterin.

“Wir wollen einen bre­it­en Dia­log zwis­chen den Kul­turen und Reli­gio­nen. Auch
die Jüdis­che Gemeinde kann sich unser­er Unter­stützung für den Bau der
Syn­a­goge sich­er sein”, so Kindel­berg­er. Der Beirat, dem Kindel­berg­er zu noch
mehr Öffentlichkeit ver­helfen will, unter­stützt bei Behör­dengän­gen und
Arztbe­suchen, küm­mert sich um Deutschkurse für Schulkinder, hilft
Asyl­be­wer­bern, schlichtet bei Wohn- und Arbeit­skon­flik­ten, organ­isiert Feste
und gibt prak­tis­che Lebenshilfe.

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Neonazi freigesprochen

Über­fall in Rathenow bleibt ungesühnt

Das Amts­gericht Rathenow hat am 20. Sep­tem­ber den 25-jähri­gen Neon­azi Math­ias M. vom Vor­wurf der gefährlichen Kör­per­ver­let­zung freige­sprochen. Die Staat­san­waltschaft hat­te ihm vorge­wor­fen, in der Nacht zum 23. August 2004 zusam­men mit drei nicht ermit­tel­ten Tätern ver­mummt und mit Totschlägern bewaffnet eine Gruppe Link­er in einem Auto über­fall­en und einen der Insassen schw­er zusam­mengeschla­gen zu haben.

Nach der fast fün­f­stündi­gen Beweisauf­nahme stand für die Staat­san­waltschaft und für die Neben­klage fest: Math­ias M. ist als Täter iden­ti­fiziert, er war am Über­fall beteiligt. Das legte nicht nur seine Gesin­nung nahe — bei ein­er Haus­durch­suchung waren Klei­dungsstücke mit der Auf­schrift “B & H” (für die ver­botene Neon­azi-Grup­pierung “Blood and Hon­our”) und ein Gum­miknüp­pel gefun­den wor­den, M.´s Teil­nahme an Nazi-Demon­stra­tio­nen war in Fotos fest­ge­hal­ten wor­den — M. selb­st gab zu, dass er mit seinem Wagen, einem dun­klen VW-Kom­bi, in jen­er Nacht durch Rathenow fuhr. Allerd­ings will er, wie er in sein­er Ein­las­sung angab, nicht in der Nähe des Angriffs auf den Wagen des Antifaschis­ten Flo­ri­an E. gewe­sen sein; er selb­st sei von Unbekan­nten ver­fol­gt wor­den. Eine Behaup­tung, die durch keine weit­eren Beweise unter­mauert wurde und nach Ansicht von Staat­san­waltschaft und Neben­klage eine Schutzbe­haup­tung darstellte.

Fest ste­ht also, dass er den Wagen fuhr, den zwei Zeu­gen, die beim Über­fall ver­let­zt wur­den, ein­deutig am Kennze­ichen iden­ti­fizieren kon­nten. Außer­dem hat­te Flo­ri­an E. ihn direkt iden­ti­fiziert, als M., mit einem Teleskop­schlag­stock bewaffnet, bis auf Arm­länge an Flo­ri­an herangestürmt kam. Durch die Löch­er der Has­s­maske kon­nte Flo­ri­an Augen und Mund­par­tie von M. wieder­erken­nen, den er vom Sehen kan­nte. Wenige Tage später lief M. während eines Fußball­spiels dicht an Flo­ri­an vorbei.

Richter Ligi­er sah die Sache anders, selb­st die Wieder­erken­nung des Kennze­ichens zog er in Zweifel. Das Erin­nerungsver­mö­gen der Zeu­gen sei getrübt, ihre Wahrnehmung sei gestört gewe­sen. Der Richter zog als Begrün­dung einige Wider­sprüche und Erin­nerungslück­en der Zeu­gen her­an, die nach Auf­fas­sung der Neben­klage jedoch aufk­lärt wur­den. Björn S., der als einziger im Wagen blieb und, während die anderen flüchteten, von mehreren Ver­mummten mit Met­allschlagstöck­en gegen Kopf und Oberkör­p­er geschla­gen wurde, stand unter Schock, als die Polizei ihn in der­sel­ben Nacht ver­nahm. Bei der polizeilichen Vernehmung hat­te er sich zusam­men­gereimt, dass Flo­ri­ans Auto von einem vor ihnen fahren­den PKW aus­ge­bremst wor­den sei, vor Gericht war er sich sich­er, dass ein Wagen hin­ter ihnen Lichthupe gegeben hätte, so dass Flo­ri­an dachte, an seinem Wagen sei etwas nicht in Ord­nung, und arg­los ausstieg, um nachzuse­hen. Der plöt­zliche Über­fall der bewaffneten Ver­mummten löste bei Flo­ri­an eine Schreck­sekunde aus, die ihn erstar­ren ließ, bei Björn einen Tun­nel­blick, er achtete nur auf die Waf­fen und das Kennze­ichen, alles andere war neben­säch­lich. Warum die ein­deutige Iden­ti­fika­tion des Auto­kennze­ichens durch die Konzen­tra­tion aufs Wesentliche beein­trächtigt gewe­sen sei, das wird das Geheim­nis des Richters bleiben.

Der Fall zeige, so die Auf­fas­sung der Neben­klagev­ertreterin Antje Kla­mann, wie die Jus­tiz mit zweier­lei Maß messe: während die Staat­san­waltschaft Pots­dam gegen fünf Antifaschis­ten wegen ver­sucht­en Mordes ermit­telt, weil ein Teleskop­schlag­stock gegen einen Neon­azi einge­set­zt wor­den sei, ermit­telte dieselbe Staat­san­waltschaft im Fall des Angriffs in Rathenow nur wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung und ver­säumte selb­st, die Blut­spuren an bei der Haus­durch­suchung gefun­de­nen Klei­dungsstück­en von M. mit denen des Opfers ver­gle­ichen zu lassen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Staat­san­waltschaft gegen das Urteil Beru­fung ein­legt und die Sache vors Landgericht in Pots­dam kommt. Wenn nicht, und das sei hier angekündigt, wird die Neben­klage Revi­sion ein­le­gen, wofür die Neben­kläger Geld brauchen. Denn eins ist sich­er: das Urteil ist inakzept­abel, es ist inakzept­abel, dass Neon­azis, die solcher­art organ­isierte und bewaffnete Über­fälle in ihrem Reper­toire haben, weit­er­hin frei herumlaufen.

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Kneipenrauswurf mit Molotow-Cocktails gerächt

Prozess­be­ginn am Landgericht Potsdam

Am Fre­itag, den 23. Sep­tem­ber 2005, begin­nt um 10 Uhr am Landgericht Pots­dam, Saal 015, ein Prozess gegen drei Män­ner wg. ver­sucht­en Mordes. Die 19‑, 23‑, und 41-Jähri­gen sind angeklagt, am 30. Dezem­ber 2004 Molo­tow-Cock­tails hergestellt und einen Brand­satz durch die Fen­ster­scheibe ein­er Gast­stätte in Werder gewor­fen zu haben, in der sich zu jen­em Zeit­punkt mehrere Gäste aufhiel­ten. Zwei der Angeklagten sind bere­its vorbe­straft wegen ras­sis­tis­ch­er Belei­di­gun­gen bzw. des Ver­wen­dens ver­fas­sungswidriger Kennzeichen.

Fahret­tin A., der Betreiber des City-Cafes in Werder, und seine Angestell­ten Hay­dar A. und Nikat T. hat­ten die Gäste aus der Gast­stätte gewor­fen, nach­dem diese die übri­gen Besuch­er belästigt hat­ten. Bere­its während des Rauswurfs sollen die späteren Brand­s­tifter ras­sis­tis­che Bemerkun­gen gegenüber den türkischen Män­nern geäußert und mit dem Spruch “Ich schieß dir eine Kugel in den Kopf” gedro­ht haben.

Eine halbe Stunde später wurde die Feier­stim­mung im City-Cafe durch einen laut­en Knall und lodernde Stich­flam­men jäh unter­brochen. Aus Rache für ihren Rauswurf hat­ten die drei Män­ner Molo­tow-Cock­tails hergestellt und gegen die Fen­ster der Gast­stätte gewor­fen. Das Feuer kon­nte jedoch schnell gelöscht wer­den. Nur zwei Gäste erlit­ten leichte Ver­let­zun­gen. Einen Tag später klebte an der neu einge­set­zten Scheibe ein Aufk­le­ber der NPD.

Neun Monate nach dem Vor­fall kri­tisiert Herr Fahret­tin A., dass eine Geste der Sol­i­dar­ität seit­ens der Kom­mune bis heute aus­ge­blieben ist. Auch das Ver­hal­ten der Polizei löst bei Fahret­tin A. Unver­ständ­nis aus. Im August 2005 wur­den Herr A. und seine Angestell­ten zur Polizei vorge­laden, um sich ein­er erken­nungs­di­en­stlichen Behand­lung zu unterziehen. Zur Durch­führung dieser Maß­nahme wurde Herr A. mit einem Streifen­wa­gen von sein­er Gast­stätte abge­holt und zur näch­sten Polizei­wache gebracht. “Wir wur­den wie Beschuldigte behan­delt” kri­tisiert Fahret­tin A. kopf­schüt­tel­nd die in seinen Augen krim­i­nal­isierende Maß­nahme. Fahret­tin A. und seine Angestell­ten sind zur Überzeu­gung gelangt, dass der Vor­fall nicht mehr als isolierte Tat betra­chtet wer­den könne, son­dern das gesellschaftliche Kli­ma berück­sichtigt wer­den müsse. Fahret­tin A.. Hay­dar A. und Nikat T. wer­den dem Prozess als Neben­kläger beiwohnen.

Weit­ere Ver­hand­lung­ster­mine: 05.10., 10.10., 12.10., 17.10., 19.10., 24.10., 26.10., 02.11.

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Körperverletzung nicht nachgewiesen

RATHENOW Vom Vor­wurf der gefährlichen Kör­per­ver­let­zung ist Matthias M. gestern vor dem Amts­gericht Rathenow freige­sprochen wor­den. Laut Anklage soll der 25-jährige Rathenow­er im ver­gan­genen Jahr an einem Über­griff auf vier linke Jugendliche beteiligt gewe­sen sein, bei dem ein­er schw­er ver­let­zt wurde.

Die Zeu­gen Flo­ri­an E. und Björn Sch. schilderten vor Gericht, wie sie am 24. August 2004 gegen 1 Uhr auf der Bam­mer Land­straße in Höhe der Bushal­testelle ange­grif­f­en wur­den. “Das Auto hin­ter mir gab Lichthupe”, erin­nert sich der Fahrer Flo­ri­an E., “da hielt ich an, weil ich dachte, dass etwas mit dem Aus­puff wäre.” Dann habe der jet­zt 19-Jährige gese­hen, dass die Per­so­n­en aus dem anderen Fahrzeug aus­gestiegen waren und auf ihn zuka­men. Mit zwei anderen Jugendlichen sei er daraufhin geflüchtet.

Der jet­zt 27-jährige Björn Sch. sei allein im Auto sitzen geblieben. Er habe gese­hen, wie drei ver­mummte Per­so­n­en mit einem Totschläger sowie Base­ballschlägern auf das Fahrzeug zu ran­nten. Dann sollen sie die Scheiben des Wagens eingeschla­gen haben. Auch Björn Sch. erlitt mehrere Platzwun­den, unter anderem am Kopf und musste ärztlich behan­delt wer­den. Bei der Polizei gab er später das Auto­kennze­ichen des Angeklagten zu Protokoll.

Der Angeklagte selb­st sagte vor Gericht aus, dass er zur Tatzeit nicht am Tatort gewe­sen sei. Vielmehr sei er gegen 24 Uhr von Mögelin nach Rathenow und durch die Stadt gefahren. Dort habe er am Märkischen Platz gese­hen, wie zwei Per­so­n­en Wahlplakate besprüht­en, die sich später als DVU-Schilder erwiesen.

Laut Matthias M. sind die bei­den Per­so­n­en auf sein Fahrzeug zuger­an­nt, woraufhin er beschle­u­nigt habe. Bald sei ein ander­er Wagen hin­ter ihm gewe­sen, der mehrere Über­holver­suche machte und Lichthupe gab. “Da habe ich mich bedrängt gefühlt”, so der Angeklagte, “deshalb bin ich bis nach Tanger­münde gefahren.” Dann habe er gewen­det und sei über Umwege nach Hause gefahren. Dort sei er gegen 2 Uhr angekom­men, genau erin­nern könne er sich nicht.

Am Tag nach der Tat hat­te die Polizei in dessen Fahrzeug einen Schlag­stock gefun­den, wie das Gericht mit­teilte. Wegen der dün­nen Beweis­lage hat­te der Richter die Eröff­nung des Ver­fahrens zunächst abgelehnt. Die Staat­san­waltschaft legte dage­gen Beschw­erde ein.

Nach Angaben der Beratungsstelle für Opfer recht­sex­tremer Gewalt sollen die Täter aus dem Umfeld der ver­bote­nen neon­azis­tis­chen Kam­er­ad­schaft “Hauptvolk” aus Rathenow stammen.

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Neuruppin: Abschiebung ausgesetzt

NEURUPPIN Der Land­kreis hat die Abschiebung der kur­dis­chen Fam­i­lie Kut­lu, die seit 1996 mit ihren vier Söh­nen in Neu­rup­pin lebt, vor­erst aus­ge­set­zt. Lan­drat Chris­t­ian Gilde fol­gt damit ein­er Bitte des Pots­damer Ver­wal­tungs­gericht­es. Dort liegt ein Eilantrag des Anwaltes der Fam­i­lie Kut­lu vor. Anwalt Rolf Stah­mann ver­weist darauf, dass der Kreis einen Para­grafen des Aufen­thalts­ge­set­zes falsch auslegt.

Das glaubt Lan­drat Gilde zwar nicht. Doch räumte der Ver­wal­tungschef gestern bei ein­er Kundge­bung vor der Aus­län­der­be­hörde erst­mals ein, dass dur­chaus unter­schiedliche Inter­pre­ta­tio­nen der Para­grafen möglich seien. “Das Gesetz gilt erst seit Jan­u­ar und es gibt noch kein­er­lei Rechtssprechung dazu”, sagte Gilde zu den rund 100 Demon­stran­ten. Diese hat­ten sich gegen 14 Uhr mit Trans­par­enten, Trillerpfeifen und laut­stark­er Musik von der Fußgänger­zone in der Karl-Marx-Straße aus auf den Weg zur Aus­län­der­be­hörde gemacht. Zu den Demon­stran­ten gehörten sowohl Fam­i­lien­vater Celal Kut­lu und sein Sohn Muhit­tin (20) als auch Mar­lies Grun­st, Aus­län­der­beauf­tragte des Kreis­es. Grun­st wertete die Demon­stra­tion als “gutes Zeichen für Neu­rup­pin”. Die Neu­rup­pin­er CDU-Frau Ross­wi­eta Funk ging noch einen Schritt weit­er und forderte vom Kreis eine “Entschei­dung mit Herz”.

“Bei öffentlichem Inter­esse kann eine Abschiebung aus­ge­set­zt wer­den”, sagte Peter Lenz. Der pri­vate Arbeitsver­mit­tler und CDU-Mann ver­wies auf die 2600 Unter­schriften, die bere­its gegen die Abschiebung der Fam­i­lie gesam­melt wur­den. Das seien knapp zehn Prozent der Neu­rup­pin­er Bevölkerung. “Die Fam­i­lie arbeit­et, ist fleißig, die Kinder gehen zur Schule. Wir soll­ten es uns leis­ten kön­nen, Flüchtlinge aufzunehmen”, stimmte Dorothea Scho­risch (78) zu und griff eben­falls zum Stift. Scho­risch weiß, wovon sie redet. “Ich komme aus Danzig und bin auch eine Herge­zo­gene.” Nur dass das bere­its gut 50 Jahre zurückliegt.

“Ich würde alles machen, um eine Aus­bil­dung zu bekom­men”, betonte Muhit­tin Kut­lu. Der zweitäl­teste Sohn der Kut­lus, der gern Maler oder Lack­ier­er wer­den würde, sieht aber kaum eine Chance für sich. “Wer bildet jeman­den aus, der wom­öglich bald abgeschoben wird?”

Unzufrieden war eben­falls Ron­ny Kretschmar vom über­parteilichen Unter­stützerkreis. “Der Lan­drat ver­steckt sich hin­ter dem Gericht. Dabei hätte er den Entschei­dungsspiel­raum, das Bleiberecht der Fam­i­lie Kut­lu aus human­itären Grün­den zu verlängern.”

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Die Zukunft der Vergangenheit

Infoabend

Ref­er­ent: Michael Sturm, wis­senschaftlich­er Mitar­beit­er an der Uni­ver­sität Leipzig

Organ­i­sa­tion: Utopia e.V.

Datum: 02.10.2005

Uhrzeit: 20 Uhr

Im Buch­laden Sputnik

Mit der Geschichte wurde schon immer Poli­tik gemacht. Während die „alte“
Bun­desre­pub­lik ihre Dis­tanz zur NS-Ver­gan­gen­heit im Ver­schweigen und der Integration
der Täter suchte, spielte die rot-grüne Geschicht­spoli­tik seit 1998 auf einer
anderen Klaviatur: Ger­ade weil man aus der Geschichte gel­ernt und diese
aufgear­beit­et habe, müsse Deutsch­land nun wieder “Ver­ant­wor­tung“ in der Welt
übernehmen. So diente im Früh­jahr 1999 der Ver­weis auf Auschwitz zur Legitimation
des Koso­vo-Krieges. Die ange­blich erfol­gre­ich vol­l­zo­gene „Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung“
avanciert zu einem der zen­tralen Ref­eren­zpunk­te für das neue deutsche
Selb­st­be­wusst­sein. Diese Entwick­lung spiegelte sich nicht zulet­zt in den offiziellen
erin­nerungs- und geschicht­spoli­tis­chen Insze­nierun­gen im Kon­text des 8. Mai wider. 

Daneben gewin­nen seit eini­gen Jahren Diskurse an Bedeu­tung, die die Deutschen zu den
eigentlichen Opfern des Zweit­en Weltkrieges stil­isieren. Ob im Bombenkrieg oder
durch Flucht und Vertrei­bung: gelit­ten haben auch – und vor allem – die Deutschen,
so lautet die Botschaft zahllos­er Pub­lika­tio­nen, Fernse­hdoku­men­ta­tio­nen und
Politikerreden.

Der Vor­trag zieht zum einen eine kri­tis­che Bilanz der geschicht­spoli­tis­chen Umbrüche
der ver­gan­genen Jahre. Zum anderen sollen mögliche Entwick­lungslin­ien künftiger
Erin­nerungskul­turen skizziert werden.

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Bündnis MadstoP protestiert beim Amtsgericht

Pots­dam - Am heuti­gen 20. Sep­tem­ber 2005 sitzt die Pots­damer Antifaschistin Julia S. seit einem vier­tel Jahr in Unter­suchung­shaft. Vorge­wor­fen wird Ihr und weit­eren vier Pots­damer Linken ein Mord­ver­such an einem Neon­azi. Ist schon dieser Vor­wurf unhalt­bar, so ist die Begrün­dung für das Aufrechter­hal­ten der Unter­suchung­shaft – die da lautet, dass Flucht­ge­fahr beste­he, weil Julia S. über kein gefes­tigtes soziales Umfeld ver­füge – von ekla­tan­ter Real­itätsver­leug­nung gekennze­ich­net. Um auf diesen Skan­dal aufmerk­sam zu machen und die sofor­tige Freilas­sung der jun­gen Frau zu fordern, über­gaben heute Mit­glieder des Pots­damer Bünd­niss­es der zuständi­gen Rich­terin am Amts­gericht Schilling eine Erk­lärung, in der sie sich mit Julia S. sol­i­darisieren und ihre sofor­tige Freilas­sung fordern. Gle­ichzeit­ig nah­men zum wieder­holten Male Fre­undIn­nen von Julia den Weg zur JVA Duben auf sich, um den Kon­takt, der durch lange Post­laufzeit­en und sel­tene Besuch­ster­mine sehr erschw­ert wird, aufrechtzuer­hal­ten. Mit­glieder des Bünd­niss­es Mad­stoP erk­lärten: „Julia ist uns bekan­nt, als engagierte Antifaschistin, die fest in zivilge­sellschaftlichen Insti­tu­tio­nen in Pots­dam einge­bun­den ist und sich in offen­er Jugend- und Kul­tur­ar­beit engagiert. Sie hat viele Fre­undIn­nen, zu denen wir uns auch zählen. Zu behaupten, dass Flucht­ge­fahr beste­he, weil sie keinen fes­ten Arbeit­splatz hat, ist skan­dalös. Mit dieser Begrün­dung kann nahezu 5 Mil­lio­nen Deutschen abge­sprochen wer­den, über ein sta­biles soziales Umfeld zu ver­fü­gen. Aber vielle­icht ist das ja mit­tler­weile Kon­sens bei Staat­san­waltschaft und Gericht.“ Mad­stoP kündigte auch an, in näch­ster Zeit ver­stärkt für die Freilas­sung Julias agieren zu wollen. „Wir wer­den nicht zulassen, dass ein Jus­tizskan­dal ver­tuscht wird, in dem die zuständi­gen Stellen Julia im Knast ‚vergessen’.“

Erk­lärung des Bünd­nis MadstoP

„Frei­heit für Julia – Schluss mit der Krim­i­nal­isierung von AntifaschistInnen!“

Anlässlich der nun seit drei Monat­en andauern­den Inhaftierung unser­er Fre­undin Julia ver­ab­schiedete das Pots­damer Bünd­nis Mad­stoP fol­gende Erklärung: 

Vom 17.–19. Juni disku­tierten in Pots­dam fast 100 Men­schen auf ein­er Tagung der Lagerge­mein­schaft Ravensbrück/Freundeskreis e. V. die Per­spek­tiv­en antifaschis­tis­ch­er Gedenkpoli­tik. An diesem Woch­enende zeigte sich, dass Wider­stand gegen faschis­tis­che Gewalt in Pots­dam derzeit von beson­der­er Aktu­al­ität ist.

Mil­i­tan­ter Recht­sex­trem­is­mus ist im Land Bran­den­burg seit der Wende ein ern­stes Prob­lem. In den ver­gan­genen Jahren gin­gen von Tätern, die aus ihrer nation­al­sozial­is­tis­chen Gesin­nung keinen Hehl macht­en, mas­sive Über­griffe aus. Dabei wurde der Tod der Opfer oft nicht nur bil­li­gend in Kauf genom­men. Ereignisse wie der grausame Mord an Mar­i­nus Sch. in Pot­zlow zeigen, dass die Tötung von Men­schen nicht nur propagiert wird, son­dern dass es auch keine Hem­mungen gibt, diese auszuführen. Der­ar­tige Tat­en sind als trau­rige Höhep­unk­te alltäglich­er faschis­tis­ch­er Gewalt zu betra­cht­en. Die Neon­azis agieren offen­sichtlich im Schutz ein­er Gesellschaft, von der ein großer Teil diese Aktiv­itäten billigt.

Pots­dam erlebte in diesem Jahr rechte Gewalt­tat­en in ein­er ganz beson­deren Inten­sität. Bis heute sind hier mehr als 30 Über­griffe von Neon­azis bekan­nt gewor­den. Her­aus­ra­gend dabei: der Angriff von 15 Neon­azis auf einen Antifaschis­ten und dessen Begleit­er in der Pots­damer Innen­stadt. Auf­grund seines engagierten Auftretens gegen recht­sex­treme Grup­pen ist dieser in der Nazi-Szene bekan­nt und ver­has­st. Bei dem Angriff wurde er mit ein­er Bier­flasche bewusst­los geschla­gen, anschließend ver­suchte ein Nazi auf den Kopf des am Boden liegen­den zu sprin­gen. Seinem Begleit­er wurde mit ein­er zer­schla­ge­nen Bier­flasche das Gesicht zerschnitten.

Grund für diese Gewal­teskala­tion ist die Ver­stärkung, die die neon­azis­tis­che Vere­ini­gung „Anti-Antifa Pots­dam“ durch Berlin­er Neon­azis erhält. Diese sind offen­sichtlich vor dem höheren Repres­sions­druck in Berlin in die Bran­den­burg­er Lan­deshaupt­stadt aus­gewichen. Dort haben sie mit der „Anti-Antifa Pots­dam“ Bünd­nis­part­ner gefun­den, die mit Gewalt und der Veröf­fentlichung von Steck­briefen bekan­nter AntifaschistIn­nen von sich reden machten.

Inten­siviert wurde die Koop­er­a­tion der Pots­damer und Berlin­er Nazis während des soge­nan­nten „Chamäleon-Prozess­es“. Drei Pots­damer Nazis standen im Juni vor Gericht. Ihnen wurde vorge­wor­fen, Sil­vester 2002/2003 aus ein­er Gruppe von 50 Men­schen her­aus einen Bran­dan­schlag gegen das Haus des Jugend- und Kul­turvere­ins Chamäleon e.V. verübt zu haben. Während des Prozess­es über­nah­men Nazis aus Berlin und Pots­dam im wahrsten Sinne die Haus­ge­walt im Pots­damer Amts­gericht. Zeug­in­nen wur­den eingeschüchtert, es kam zu Belei­di­gun­gen, Rem­peleien und Schlä­gen gegen nichtrechte Prozess­be­sucherIn­nen. Eine Schulk­lasse musste am 3. Juni das Amts­gericht ver­lassen, da die Sicher­heit der Schü­lerIn­nen vor den Nazi­at­tack­en nicht gewährleis­tet wer­den kon­nte. Das Haus des Chamäleon e.V. wurde noch ein­mal ver­sucht anzu­greifen, um die dort wohnen­den Zeug­In­nen einzuschüchtern.

Wie reagierten nun in der Stadt Pots­dam Poli­tik­erIn­nen, Insti­tu­tio­nen, Polizei, Jus­tiz etc? Angesichts der Gewalt in der Stadt und angesichts dessen, dass auch die Polizei eingeste­hen musste, von der Sit­u­a­tion über­fordert zu sein, wäre es wichtig gewe­sen, dass sich die soge­nan­nte Zivilge­sellschaft und die öffentlichen Insti­tu­tio­nen vor­be­halt­los mit den Opfer der Über­griffe sol­i­darisiert und gemein­sam eine Strate­gie gegen rechte Gewalt aus­gear­beit­et hät­ten. Doch hierzu ist es nicht gekommen. 

Am 18. Juni nun soll es zu einem Zusam­men­stoß zwis­chen recht­en und linken Jugendlichen gekom­men sein. In der Nähe des ange­blichen Tatortes wurde Julia S. festgenom­men. Diese hat­te im „Chamäleon-Prozess“ wichtige Aus­sagen als Zeu­g­in gemacht. Als öffentlich auftre­tende Antifaschistin ist sie seit langem mit konkreten Gewalt­dro­hun­gen von Neon­azis kon­fron­tiert. Bei dem Zusam­men­stoß soll ein ein­schlägig bekan­nter 17jähriger Neon­azi eine Platzwunde am Kopf davon getra­gen haben. Dies nahm die Staat­san­waltschaft Pots­dam zum Anlass, Julia und vier weit­ere in diesem Zusam­men­hang festgenommene AntifaschistIn­nen wegen ver­sucht­en Mordes anzuk­la­gen! Auf­grund dieser Anklage sitzt sie bis heute in der JVA Luck­au-Duben in Unter­suchung­shaft. Die anderen vier Beschuldigten wur­den auf­grund ihres jugendlichen Alters unter Aufla­gen bzw. gegen Kau­tion auf freien Fuß geset­zt. Zum Ver­gle­ich: Gegen die 15 Neon­azis, die den oben genan­nten Antifaschis­ten und seinen Begleit­er zusam­men­schlu­gen, wur­den vom Amts­gericht Pots­dam lediglich Haft­be­fehle wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung erlassen. 

Mit der Behaup­tung, fünf junge AntifaschistIn­nen hät­ten einen Mord­ver­such an einem Neon­azi began­gen, wer­den die Ver­hält­nisse in Pots­dam und im Land Bran­den­burg auf den Kopf gestellt. Gewalt, Angriffe, Mord­ver­suche, ja Morde, damit sind im Land Bran­den­burg jene Men­schen kon­fron­tiert, denen aus irgen­deinem Grund von Neon­azis das Exis­ten­ten­zrecht abge­sprochen wird. Die Krim­i­nal­isierung jen­er Men­schen, die sich aktiv gegen Neon­azis­mus ein­set­zen, leis­tet neo­faschis­tis­chen Bestre­bun­gen Vorschub. Aktive Gegen­wehr gegen den erstark­enden gewalt­täti­gen Neo­faschis­mus wird so diskred­i­tiert, die Entwick­lung ein­er demokratis­chen Gesellschaft in Bran­den­burg gefährdet.

Wir gehen davon aus, dass alle demokratisch und antifaschis­tisch gesin­nten Men­schen und Organ­i­sa­tio­nen die Forderung unter­stützen: Julia muss raus aus dem Knast, die Ermit­tlun­gen wegen Mord­ver­suchs gegen die fünf Antifas müssen eingestellt wer­den! Dafür
wer­den wir u.a. am 24. Sep­tem­ber demon­stri­eren. Wir hof­fen, dass sich gemein­sam mit uns möglichst viele Pots­damerIn­nen, für die Demokratie und Antifaschis­mus wichtige Werte sind, der von ver­schiede­nen Antifa-Grup­pen organ­isierten Demon­stra­tion anschließen werden.

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Pakt von DVU und NPD zieht beim Wähler nicht

POTSDAM. Sog­ar ein Direk­t­man­dat im Spree­wald woll­ten die Rechtsextremisten
in Bran­den­burg holen, das hat­te die Dres­d­ner NPD-Wahlkampfleitung noch vor
vier Monat­en als Wahlziel aus­gegeben. Gemessen an diesen großspuri­gen Plänen
ist das Bünd­nis von NPD und DVU in Bran­den­burg gescheit­ert: Die
recht­sex­treme NPD, die mit Unter­stützung der DVU zur Bun­destagswahl antrat,
ist hier klar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheit­ert, errang landesweit
lediglich 3,2 Prozent der Stim­men. Allein im Wahlkreis 65 (Elbe-Elster,
Ober­spree­wald-Lausitz II), der direkt an Sach­sen gren­zt, gelang mit 5,0
Prozent der Stim­men ganz knapp der Sprung über die Fünf-Prozent-Marke. Am
stärk­sten wurde die NPD in dem Ort Grö­den (Elbe-Elster) direkt an der
Lan­des­gren­ze gewählt. Dort erre­ichte sie 14,1 Prozent der Stim­men. Die DVU
erre­ichte im Ort bei den Land­tagswahlen 2004 sog­ar 22,4 Prozent.

Zum lan­desweit­en Ver­gle­ich: Die DVU holte bei der Land­tagswahl im
ver­gan­genen Jahr noch lan­desweit 6,1 Prozent der Stim­men. Die NPD hat­te bei
der Bun­destagswahl 2002 allerd­ings nur 1,5 Prozent der Stim­men erreicht.

In keinem Bun­des­land ist der Pakt der Recht­sex­trem­is­ten — nur die NPD
kan­di­dierte zur Bun­destagswahl 2005, dafür tritt die DVU zur Europawahl 2009
an — so weit getrieben wor­den wie in Bran­den­burg, wo die recht­sradikale DVU
seit sechs Jahren im Land­tag sitzt. Der bran­den­bur­gis­che DVU-Landeschef
Sig­mar-Peter Schuldt kan­di­dierte hier sog­ar auf dem ersten Platz der
NPD-Liste. Doch anson­sten erfuhr die NPD wenig Unter­stützung. “Die
finanzielle Last lag alleine bei der NPD”, sagte Schuldt am Montag.
DVU-Bun­de­schef Ger­hard Frey, der reiche Ver­leger nation­al­is­tis­ch­er Blätter,
hielt sich zurück. Während er bei der Land­tagswahl 2004 noch 98 000
DVU-Plakate über­all im Land kleben ließ, plakatierte die NPD vor allem in
regionalen Schw­er­punk­ten — im Oder­land, im Spree­wald, in Ober­hav­el und in
der Stadt Rathenow. Ander­norts fehlten offen­bar die Struk­turen. Anders als
in Sach­sen sind junge, stramm ide­ol­o­gis­che Neon­azis in Bran­den­burg auf
Dis­tanz zur NPD gegan­gen, betiteln diese sog­ar als “Sys­tem­partei”.

Über­läufer zur Linkspartei

Und immer­hin 10 000 bish­erige Rechtswäh­ler sind laut ein­er ser­iösen Umfrage
zur Linkspartei.PDS überge­laufen, offen­bar die klas­sis­chen Protestwähler.
“Vielle­icht hat Edmund Stoiber mit sein­er Äußerung über die Käl­ber so
Unrecht nicht gehabt”, sagte Schuldt, sich in Wäh­lerbeschimp­fung übend.
“Haben diese Men­schen denn vergessen, dass die DDR sie einges­per­rt hatte?”
Auf die Frage, ob er noch ein­mal für die NPD kan­di­dieren würde, wich Schuldt
aus. Er sagte: “Bran­den­burg ist ein DVU-Land.” Andere brandenburgische
DVU-Abge­ord­nete und Mit­glieder äußern sich hin­ter vorge­hal­tener Hand
deut­lich kri­tis­ch­er über die Allianz mit der NPD.

Fraglich ist, wie lange das Bünd­nis zwis­chen NPD und DVU hält. Noch ist
ungek­lärt, ob bei­de Parteien bei den bran­den­bur­gis­chen Kom­mu­nal­wahlen 2008
antreten, denn dann müsste man gegeneinan­der Wahlkampf führen. Schuldt
stellte am Mon­tag klar, dass die DVU auf jeden Fall antreten werde.

Inforiot