Vom 16.–18.4.2008 wollen sich die Innenminister und ‑senatoren der
Bundesländer zur 186. Innenministerkonferenz in Bad Saarow treffen, doch
ihnen wird das Verlassen des ihnen zugewiesenen Bundeslandes für diesen
Zeitraum nicht gestattet! Die Innenminister sind verpflichtet, für das
Verlassen der ihnen zugewiesenen Bundesländer bei den jeweils
zuständigen Flüchtlingsräten eine Verlassenserlaubnis zu beantragen. Eine
solche Erlaubnis wird nicht erteilt.
Begründung: Die wiederholte mangelnde Mitwirkung an der Änderung des
Asylverfahrensgesetzes in Bezug auf die so genannten Residenzpflicht (§
56–58 AsylverfG — Räumliche Beschränkung).
Diese Ablehnung stellt keine unbillige Härte da, da der Reisegrund nicht im
öffentlichen Interesse der Asylsuchenden, Geduldeten und
Flüchtlingsorganisationen liegt. Seit Jahren fordern diese die Streichung der
Residenzpflicht aus dem Asylverfahrensgesetz. Der einzig akzeptable
Grund zur Erteilung einer Verlassenserlaubnis währe demnach die
Beschäftigung mit dieser Thematik im Rahmen einer
Innenministerkonferenz zum Zwecke der Abschaffung der Residenzpflicht.
Die von den Innenministern und ‑senatoren in den letzten Jahren
begangenen sträflichen Taten im Rahmen der Ausländer- und Asylpolitik
sind als vorsätzlich anzusehen und beeinträchtigen erheblich die Interessen
im Zusammenleben von Flüchtlingen und Asylsuchenden mit der hiesigen
Bevölkerung.
Sollten sie zukünftig durch ihr Verhalten durch wiederholte Zuwiderhandlung
gegen die Regelung der Flüchtlinge und FlüchtlingsunterstützerInnen
verstoßen, und damit bestätigen, dass sie offensichtlich nicht gewillt sind,
sich an die Rechtsordnung zu halten, machen wir sie hiermit darauf
aufmerksam, dass die Ausweisung aus generalpräventiven Gründen
erforderlich ist. Es ist nicht hinzunehmen, dass Innenminister oder -
senatoren regelmäßig sträfliche Taten im Bundesgebiet begehen. Bei
diesem ersten Vergehen gegen die Regelung der Flüchtlinge und
FlüchtlingsunterstützerInnen sehen wir zunächst von einer
Ausweisung ab, verpflichten sie aber zur Belehrung der Ableistung von 40
Stunden gemeinnütziger Arbeit in einer abgelegenen Flüchtlingsunterkunft.
Mittwoch, den 16.4.2008, wird der Flüchtlingsrat Brandenburg in Bad
Saarow gemeinsam mit weiteren Organisationen und Initiativen die
Einhaltung des Verbots kontrollieren.
Was bedeutet die so genannte Residenzpflicht für Asylsuchende und
Geduldete? Kontakt und Informationen beim Flüchtlingsrat Brandenburg:
0331 — 714 499, info@fluechtlingsrat-brandenburg.de, 0171 — 366 80 22
sowie auf der folgenden Seite!
gez. Judith Gleitze und Vera Everhartz für den Flüchtlingsrat Brandenburg
Die Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete
Wir möchten in einer Gesellschaft leben, in der elementare Grundrechte für
alle Menschen gelten, auch für die, die einen begrenzten Aufenthaltsstatus
haben. Dazu gehört allgemein die Freizügigkeit, und speziell die Möglichkeit
der Pflege sozialer und politischer Kontakte über enge Landkreisgrenzen
hinaus. Die Wahrnehmung dieser elementaren Grundrechte werden für
Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge durch die räumliche Beschränkung
der Aufenthaltsgestattung auf den Wirkungsbereich der zuständigen
Ausländerbehörde stark eingeschränkt oder ganz verhindert, und in jedem
Fall der behördlichen Kontrolle unterworfen. Eine solche Beschränkung über
Jahre verstößt gegen die Würde der Menschen und sollte in einer
freiheitlichen Gesellschaft nicht existieren.
Isolation
Zu der gesellschaftlichen Isolation durch Arbeitsverbot und
Heimunterbringung kommt die Isolation von Landsleuten, Verwandten und
Bekannten in anderen Landkreisen, Berlin oder weiteren Bundesländern
hinzu.
Extreme Abhängigkeit
Die Pflege elementarer sozialer Kontakte ist abhängig von der guten
Beziehung zu den Beamten der Ausländerbehörde oder von ihrer
Stimmung. Freie Arztwahl ist ausgeschlossen, ebenso oftmals
Therapiemöglichkeiten und die Wahrnehmung politischer Rechte. Es ist
nicht möglich, sich mit anderen Betroffenen zu treffen, auszutauschen und
zu organisieren. Dienstleistungen außerhalb des Landkreises können nur in
behördlich akzeptierten Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden.
Für Opfer rassistischer Gewalt bedeutet die Tatsache, dass sie nicht vom
Ort des Übergriffs wegziehen können, eine zusätzliche Traumatisierung.
Kriminalisierung
Aufgrund der Wahrnehmung einfacher Bürgerrechte, z.B. Treffen mit
Verwandten, Freunden oder die Teilnahme an Veranstaltungen werden
Asylsuchende und Geduldete kriminalisiert. Sie begehen eine Straftat, die
nur AusländerInnen begehen können. Diese Straffälligkeit in dem
Zusammenhang führt zum Ausschluss von Bleiberechts- oder
Härtefallregelungen.
Förderung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
Die Residenzpflicht hat Personenkontrollen zur Folge, deren einzige
Grundlage als Verdachtsmoment das fremdländische Aussehen ist. Das
verstärkt sowohl innerhalb der Polizei als auch in der deutschen
Bevölkerung die Stereotype des kriminellen Ausländers.
Dazu kommen die Auswirkungen auf die Kriminalstatistik. Von den
Betroffenen werden die häufigen und offensichtlich selektiv gegen sie
gerichteten Personenkontrollen als Demütigung und Schikane erlebt. Diese
diskriminierenden Kontrollen bieten den Nährboden für rassistisches
Verhalten und Billigung dieses Verhaltens.
Für die NPD, die ebenfalls am 16.4.2008 aufgrund der
Innenministerkonferenz in Bad Saarow demonstriert, ist dies ein dankbarer
Nährboden für die Vertretung ihrer ausländerfeindlichen Ziele!
Warum jetzt?
In den neuen EU-Mindeststandards zur Aufnahme von Asylbewerbern ist
die Residenzpflicht nach deutschen Vorbild und von der BRD-Politik
inspiriert als Kann-Bestimmung aufgenommen worden, der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte hat die Aufenthaltsbeschränkung im
November 2006 für vereinbar mit der €päischen
Menschenrechtskonvention erklärt. Alle juristischen Wege sind nun
ausgeschöpft. Deshalb bleiben nur noch die Proteste gegen diese
Einschränkung der Freizügigkeit neu zu beleben.