Potsdam- Ob der antifaschistische Erfolg von Dresden und der daraus resultierende Frust bei den Nazis sich auf die lokalen Aktivitäten der Potsdamer Neonaziszene auswirken werden bleibt abzuwarten.
Unsere Prognose fällt hier eher nüchtern aus. So waren die Potsdamer Neonazis sowohl im Vorfeld des 13.02.2010 als auch danach nicht untätig.
Bereits im Januar stand wieder der alljährliche Naziaufmarsch in Magdeburg auf dem Programm. An diesem nahm auch eine Gruppe von ca. 10 Potsdamer Neonazis, sowohl aus dem Umfeld der „Alternativen Jugend Potsdam“ (AJP) als auch der „Freien Kräfte Potsdam“ (FKP), teil.
Der Dreistigkeiten Höhepunkt
Am 07.02.2010 besuchten Neonazis der „FKP“ und der „AJP“ die Gedenkstätte des Konzentrationslager Sachsenhausen. Dazu finden sich Berichte auf den Internetseiten beider Gruppen. In diesen setzen sie sich auf revisionistische Art und Weise mit ihrem Besuch auseinander. Ebenso wird auf der Homepage der „FKP“ auf der einen Seite die Schuldfrage andiskutiert, welche natürlich nicht ohne rassistisches Beispiel auskommt, auf der anderen Seite wird jedoch versucht, Schuld zu relativieren, indem Opferzahlen in Frage gestellt werden.
Dieser Besuch soll in einer Reihe von Besichtigungen stehen. So besuchten bereits vom 26.06. — 28.06.09 mehrere Potsdamer Neonazis die polnischen Städte Wroc?aw, Katowice sowie das Konzentrationslager Auschwitz und schrieben einen Bericht welchen sie auf der Internetseite der „AJP“ veröffentlichten. In diesem Text greifen sie immer wieder revisionistische Thesen auf und versuchen die Morde an Millionen europäischen Jüd_innen zu relativieren. So stellen sie den ganzen Text über immer wieder die Faktenlage in Zweifel und meinen auch am Ende, das Ihr Besuch Zweifel „die wir zuvor hegten nicht beheben konnte“. Ebenso drücken sie Ihre Solidarität mit inhaftierten Revisionist_innen aus.
Die Nazis halten sich bei beiden Berichten mit ihren Thesen offensichtlich sehr zurück, um nicht strafrechtlich belangt zu werden.
Klar wird, dass es ihnen nicht um eine historische Auseinandersetzung geht, sondern lediglich um eine Verhöhnung der Opfer.
Mit dieser Ignoranz gegenüber den Überlebenden und sonstigen Zeitzeug_innen sowie der Geständnisse der von ihnen gehuldigten Mörder_innen erreichen sie den Gipfel der Geschichtsverdrehung. Die Identifikation mit Mörder_innen und die Leugnung oder Minderung der Opferzahlen kann hier wohl kaum als „wahrheitssuchend“ bezeichnet werden.
In diesem Sinne bedeutet unser Kampf gegen Nazis auch Kampf gegen das Vergessen oder Relativieren von Gräueltaten wie der Shoa, Aufdecken von Leugnung und Geschichtsrevisionismus und Verhindern derartiger Propaganda.
Dresden – „Totale Niederlage“
In der Nacht vom 11. auf den 12.02.2010 besprühten Neonazis der „AJP“ eine Mauer an der Bundesstraße 2 großflächig mit einer, auf die Bombardierung Dresdens im zweiten Weltkrieg bezogenen, geschichtsrevisionistischen Parole und veröffentlichten diese Aktion am nächsten Tag auf ihrer Internetseite.
„[…] machten wir uns in den frühen Morgenstunden des 12. Februars auf den Weg […] einen ca. 30 Meter langen Schriftzug zu malen, so dass die Pendler die dort entlang fahren an das Verbrechen von Dresden erinnert werden.“
Wieder einmal war es aktiven Antifaschist_innen zu verdanken, dass diese Parole noch am selben Tag verschwand.
Thematisch ähnlich ausgerichtet wie in Magdeburg, sollte der „Trauermarsch“ in Dresden jedoch ein Großereignis werden, welches für die bundesdeutsche Neonaziszene eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat. Doch dank breiten antifaschistischen Protesten und einem gut organisierten Blockadekonzept gelang dieser den Nazis dieses Jahr nicht. Ihr Aufmarsch durch Dresden konnte verhindert werden. So mussten sich auch die aus Potsdam angereisten Neonazis frustriert wieder auf den Heimweg machen.
Die „FKP“ stellten fünf Tage nach dem verhinderten Aufmarsch in Dresden einen Bericht auf ihre Homepage, nach welchem sie am 14.02.2010 zusammen mit der „AJP“ eine Gedenkaktion am Alten Markt durchgeführt hatten.
„Nach der totalen Niederlage […] in Dresden, war es für uns eine Selbstverständlichkeit die Gedenkwoche für Dresden, um einige Tage zu verlängern […] Anlässlich dessen führten wir noch von Sonntag den 14.02. bis zum darauf folgendem Mittwoch weiter Gedenkaktionen […] durch.“
Ein ähnlicher Bericht erschien bereits am 14.02.2010 auf der Internetseite der „AJP“. Auch sie berichteten von einer Aktion am Alten Markt in der Potsdamer Innenstadt. Hierbei hatten sie ihren eigenen Angaben zufolge Kerzen angezündet und eine Schweigeminute für die „[…] durch den alliierten Massenmord vor 65 Jahren in Dresden getöteten Deutschen.“
abgehalten, während sie sich dabei fotografierten.
Von weiteren Aktionen in diesem Zusammenhang ist bis jetzt nichts bekannt.
Im Rahmen der Trauermärsche und der damit zusammenhängenden Propaganda-Aktionen wird ein Bild der ausgelieferten deutschen Opfer projiziert, welches im Kriegsrahmen jedoch unter keinen Umständen mit der systematischen Vernichtung von Millionen Menschen durch die Nationalsozialist_innen vergleichbar ist, dieses rechtfertigt oder relativiert. Dieses Umdeuten von deutscher Historie zeugt von einem falschen Geschichtsbewusstsein sowie einem Mangel an kritischem Denken. Es ist für uns politisch inakzeptabel.
SA-Truppführer zum Helden verklärt
Am 23.02.2010 jährte sich der Todestag von Horst Wessel. Dieser wurde schon in seinem Todesjahr 1930 zum Helden stilisiert und gilt bis heute unter den Nazis als Märtyrer und nationalsozialistischer „Idealist bis in die letzte Faser seines Herzens“. Deshalb gibt es jährlich bundesweit zu seinem Todestag Aktionen.
Dabei wird wieder deutlich, dass Nazis nicht ohne Führungspersönlichkeiten und Heldengedenken auskommen. Hierarchische Strukturen und Orientierung an gewalttätigen Vorbildern widersprechen einmal mehr dem von ihnen propagierten „Weg für Freiheit und Gerechtigkeit“.
Auch in Potsdam hat dies bereits traurige Tradition. Schon vor zwei Jahren berichteten wir über diese Aktionen, welche sich in Potsdam bis in das Jahr 2006 zurückverfolgen lassen und sich bereits damals mit den Neonazis der „FKP“ in Verbindung bringen ließen.
Dieses Jahr waren in der Nacht zum 23.02. wieder zahlreiche Schablonensprühereien mit dem Konterfei von Horst Wessel und weitere größere Parolen in Fahrland, Marquardt, Waldstadt, Rehbrücke und am Stern zu finden.
Aktivität auch bei der NPD
Seit neuestem produziert die Potsdamer NPD Flugblätter mit dem Namen „Potsdamer Fackel“. Hierbei geht es darum Hetze gegen Migrant_innen und Forderungen im Rahmen aktuell politischer Themen bürgernah zu vermitteln. Alle in der öffentlichen Presse auftauchenden Themen werden irgendwie erwähnt, um ein möglichst breites Meinungsspektrum anzusprechen ohne dabei jedoch Lösungen oder Alternativen anzubieten. Frauen werden auf die Rolle der Mutter reduziert und die einzige Ursache all der nicht erfüllten Forderungen sind natürlich die Flüchtlinge. Über Diskriminierung nicht hinausgehend, sollen diese verkürzten Denkmuster dann auch noch bei den regelmäßig stattfindenden Stammtischen diskutiert werden.
Auf nach Neuruppin!
Momentan mobilisieren die „FKP“ und die NPD Potsdam zu einem Neonaziaufmarsch am 27.03.2010 nach Neuruppin. Hier haben die „Freie Kräfte Neuruppin“ ab 12 Uhr eine Demonstration unter dem Motto „Nationaler Sozialismus statt Kapitalfaschismus!“ angemeldet. Hierbei offenbart schon die gewählte Parole, dass die Begrenzung auf Deutsche und die unzureichende Auseinandersetzung mit den Begriffen Faschismus und Kapitalismus stattfindet.
Ihr Startp
unkt wird voraussichtlich das Rheinsberger Tor in Neuruppin sein.
Da zwischen den Neonazis in Neuruppin und Potsdam guter Kontakt besteht, ist es nicht verwunderlich, dass letztere für den Aufmarsch in Neuruppin die Werbetrommel rühren und am besagten Tag höchstwahrscheinlich auch vor Ort sein werden.
Lasst uns deshalb am 27. März nach Neuruppin fahren, um uns gemeinsam den Nazis entgegen zu stellen!
Lasst uns auch 2010 den Nazis weiterhin ihre Aktionen vermiesen und eigene Aktzente setzen!
In diesem Sinne Antifa heißt Angriff!