Wer das Glück hat, in einer einigermaßen bezahlbaren Wohnung zu  leben, muss täglich damit rechnen, dass entweder der Verkauf des Hauses  und/oder Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen drohen, worauf in der  Regel wieder Mietsteigerungen folgen. Wer sich dem widersetzt, muss  damit rechnen, dass der Vermieter alle legalen und illegalen Hebel in  Bewegung setzt, um das „Verwertungshindernis“ Alt-Mieter_in aus der  Wohnung zu bekommen.
Es gibt zu wenig Wohnungen in Potsdam und mensch muss froh sein wenn  man eine hat. Aus Angst die Wohnung zu verlieren trauen sich viele  Menschen nicht, sich gegen Mieterhöhungen, schimmelnde Wohnungen und den  Terror der Vermieter zu wehren.
Immer mehr Menschen verlassen deshalb aus ökonomischen Gründen die  Stadt und ziehen dorthin, wo es – noch – billiger ist. Doch die Flucht  vor den hohen Mieten hat oft nur kurzzeitig Erfolg. Überall im Großraum  Berlin steigen die Mieten. Und weil kaum noch sozialer Wohnungsbau  stattfindet, mangelt es in allen Ballungsgebieten an bezahlbaren  Wohnraum.
Zwei Demonstrationszüge aus Babelsberg/Zentrum Ost und Potsdam-West kommend, werden sich in der Innenstadt vereinigen und ein deutliches Zeichen gegen hohe Mieten und Wohnungsnot setzen.
Die Nachfrage nach Wohnungen in Potsdam steigt seit zwölf  Jahren. Davon profitieren die großen Immobilienfirmen, ob privat oder  städtisch. Für uns gilt: immer mehr vom eigenen Einkommen für die  Wohnung abdrücken, in kleinere Wohnungen ziehen, am Ende sogar Potsdam  verlassen – in der Hoffnung, woanders noch was bezahlbares zu finden.
 Und während sich unser Denken mehr und mehr um die Frage dreht „Wie  lange kann ich mir meine Wohnung noch leisten?“, bauen sich Stadt und  Preußenfreaks Schlösser und gestalten die Stadt mit öffentlichen Geldern   zu einem barock – militaristischen Freiluftmuseum um.
Die Gewoba – berühmt-berüchtigte Mietmafia
Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (Gewoba) tritt seit einiger  Zeit lieber als „Pro Potsdam“ auf. Vermutlich um sich die Leute vom  Leibe zu halten, die glauben, „gemeinnützig“ hätte was mit niedrigen  Mieten zu tun. Das städtische Immobilienunternehmen ist die größte  Vermieterin in Potsdam. Wer nun denkt, super, da hat die Stadt ja ein  feines Instrument in der Hand, um sozial regulierend in den  Wohnungsmarkt einzugreifen, hat zwar einen nachvollziehbaren Gedanken  und eine auf der Hand liegende Idee – die aber nichts mit der Potsdamer  Realität zu tun haben. Stattdessen gehört die Gewoba zu den großen  Miettreibern der Stadt, bedacht aus den Wohnungen möglichst hohe Profite  zu ziehen. Das Leitbild dahinter heißt „Unternehmen Stadt“: In den  80ern Jahren, im Osten 10 Jahre später, gab es einen Paradigmenwechsel:   die Kommunen sollten nun nicht mehr der allgemeinen Daseinsfürsorge  dienen, sondern sich zueinander in Standort – Konkurrenz setzen und  wirtschaftlich kalkulieren. Der „Gewinner“ kann dann „seiner“  Bevölkerung auch mal ein schönes Schwimmbad bauen, oder ein paar Almosen  verteilen.
Verdeckte Obdachlosigkeit und Sofahopping
Die verdeckte, nicht sichtbare Wohnungslosigkeit, gerade von jungen  Menschen, hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Da bleibt mensch  gezwungenermaßen bei den Eltern wohnen oder kriecht für einige Zeit bei  Freund_innen unter – Sofahopping wird das mittlerweile genannt.   Besonders schlechte Chancen, sich eine eigene Wohnung und damit ein  eigenes Leben aufzubauen, haben arbeitslose Menschen unter 25 Jahren,  denn das Jobcenter bezahlt diesen nur in Ausnahmefällen die Kosten der  Unterkunft. So werden sie über die Bedarfsgemeinschaft auf Gedeih und  Verderb an die Eltern gefesselt.
Aber auch viele arbeitende Jugendliche können keine Kaution, hohe  Warmmieten oder Genossenschaftsanteile zahlen, da sie nur über ein  geringes (Ausbildungs-)Gehalt verfügen. Und statt ein Wirtschafts- und  Gesellschaftssystem zu kritisieren, dass diesen Jugendlichen wenig  Chancen gibt, wird ihnen oft genug selbst die Schuld gegeben.
Studieren in Potsdam Wohnen in Berlin
Wer an einer der Potsdamer Hochschulen studiert und auch in der Stadt  wohnen will, hat ein Problem. Es gibt nicht genug  Studierendenwohnheime. Und die, die es gibt, werden abgerissen, wie  gerade in Golm geschehen. Die Wohnheime am Neuen Palais sollen zumindest  verkleinert werden – an deren Existenz stört sich die Stiftung  „Preußische Schlösser und Gärten“. Eine eigene Wohnung zu finden, ist  bei Potsdamer Preisen oft illusorisch und selbst WG-Zimmer sind knapp.  Bleibt die Wohnungssuche in Berlin oder im Umland, wo die Mieten noch  billiger sind. Zwei Drittel der Potsdamer Studierenden wohnen, meist  unfreiwillig, außerhalb.
Staudenhof
Der Staudenhof ist in den 70er Jahren als Architekturensemble am  Platz der Einheit errichtet worden.  Er bietet was in dieser Stadt  fehlt: kleine und preiswerte Wohnungen in günstiger Lage.  2009 wurde  beschlossen den Staudenhof abzureißen, steht dieser doch dem  „Wiederaufbau der historischen Innenstadt“ im Weg. „Mitteschön“ und Co.  schreien „weg damit“, dass der Pöbel im unhistorischen Ensemble neben  dem Schloss wohnt, wo hat es das beim alten Fritzen gegeben?  Der  Widerstand der Bewohner_innen des Staudenhofes hat mittlerweile dazu  geführt, dass der Abrissbeschluss „überdacht“ werden soll. Wir sagen:  Der Staudenhof bleibt!
Horrortrip Sanierung
In jeder typischen Potsdamer Mieter_in-Biographie kommt dieses  Ereignis mindestens einmal vor: die Sanierung. Danach hat man zwar  dichte Fenster, eine neue Heizung und abgeschliffene Dielen – muss aber  angestrengt überlegen wie mensch die deutlich gestiegene Miete zusammen  bekommt. Oder  wegziehen, in eine noch unsanierte Wohnung, in der  alsbald der gleiche Zirkus losgeht. Wer dann auf die Idee kommt, sich  gegen die Sanierung zu wehren, um ein übermäßiges Steigen der Miete zu  verhindern, kann sich leicht in einem Horrorfilm wiederfinden.  Zu einer  gewissen Berühmtheit hat es hier der Babelsberger Immobilienunternehmer  Wolfhardt Kirsch (ehemals SPD, jetzt Abgeordneter des Bürgerbündnisses)  gebracht. Dessen Mieter_innen berichten immer wieder von Drohungen und  Einschüchterung. Das Wohnen in einer Sanierungsbaustelle kann zum  Horrortrip geraten. Klos oder ganze Wände werden herausgerissen,  Schlösser ausgetauscht und mitunter häufen sich Wohnungsbrände. Alle  legalen und illegalen Mittel sind manchem_r Vermieter_in Recht um  renitente Mieter_innen los zu werden. Kirsch und Drechsler stehen hier  nur stellvertretend, sie stellen nur die Spitze des Eisberges dar.
Nichts spricht dagegen, Wohnungen zu sanieren. Schöne Wohnungen, warm  und bequem, stehen allen Menschen zu. Doch die Sanierungen die hier  stattfinden, dienen in erster Linie der Profitmaximierung und finden  ohne jede Beteiligung der betroffenen Bewohner_innen statt.
Wir bleiben alle!
Die Potsdamer Hausbesetzerbewegung hat immer wieder die politische  Frage nach erschwinglichem Wohnraum auf den Tisch gebracht. Denn wo  Wohnungen und Häuser besetzt werden können, kann niemand unbezahlbare  Mieten verlangen. Auch wenn 2011 das letzte besetzte Haus in Potsdam  legalisiert wurde, bleibt die Erfahrung, dass uns  nur gemeinsame,  solidarische Kämpfe weiterbringen. Immer wieder mussten und müssen  Projekte, die der Potsdamer Preußenseligkeit oder dem kapitalistischen  Verwertungszwang im Wege stehen, um ihre Existenz kämpfen. Aktuell muss  die „Wagenhausburg“ auf Hermannswerder verschwinden, um dort Stadtvillen  für das  „gehobene Wohnen“ zu errichten.
Vier Hausprojekten, die von der Gewoba ihre Häuser gepachtet haben,  in die die Gewoba nie auch nur einen Cent gesteckt hat, soll die Pacht  drastisch erhöht werden. Das Wohn- und Kulturprojekt „Archiv“ schleppt  sich immer noch von Jahresvertrag zu Jahresvertrag, während es von der  Verwaltung mit Auflagen drangsaliert wird, die jahrzehntelange  Investitionen erfordern.   Und immer noch fehlt eine verbindliche Zusage  der Stadt, dass das Kulturprojekt La Datscha zwischen Babelsberg und  Zentrum Ost nicht angetastet wird.
Die Situation ist also ernst. Aber: wenn wir nie kämpfen gelernt hätten, dann wären wir heute schon lange nicht mehr hier!
Es reicht!
Diese Beispiele ließen sich noch endlos fortführen. Wenn man nicht  selbst betroffen ist, dann kennt man zumindest aus dem eigenen  Bekanntenkreis genug Beispiele. Doch bei alldem handelt es sich nicht um  eine schicksalhafte Entwicklung, die wir hinzunehmen und zu erdulden  haben.
Seit die Bewohner_innen des Staudenhofs den Kampf um den Erhalt ihres  Wohnraums aufgenommen haben und verstärkt durch die Hausbesetzung in  der Stiftstraße am 26. Dezember 2011 entsteht in Potsdam eine Bewegung,  die sich gegen das oben beschriebene Elend wehrt.  Gewoba-Mieter_innen  und von Kirsch aus ihren Wohnungen gemobbte Menschen,  Staudenhofbewohner_innen und ehemalige Hausbesetzer_innen, alte und  junge, in Potsdam geborene und Zugezogene finden sich zusammen, um für  ein menschenwürdiges Potsdam zu kämpfen, in dem Wohnungen der  Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses und nicht der  Profitmaximierung dienen. Mit Bürger_inneninitiativen, Demonstrationen,  Hausbesetzungen, öffentlichen Diskussionen und vielem mehr fordern wir  die Möglichkeit ein, in dieser Stadt wohnen und leben zu können.
 Und weil es diese Probleme nicht nur in Potsdam, sondern auch – in  unterschiedlichen Formen – in Hamburg, Berlin und Dresden gibt, entsteht  unter dem Motto „Recht auf Stadt“ eine Bewegung, die sich gegen die  ökonomische Verwertungslogik und die daraus resultierende Wohnungsnot  wendet.
Unsere Ausgangslagen sind zwar unterschiedliche, das Grundproblem ist für alle gleich.
 Es ist notwendig, dass wir uns als Betroffene in den Häusern und Wohngebieten zusammenschließen und dort wehren.
Weil wir alle vor den gleichen Problemen stehen, wollen wir unsere  Wut über Wohnungsnot, hohe Mieten und Vermieterterror, unsere  Forderungen nach einem lebenswerten Potsdam, gemeinsam mit einer großen,  lauten, bunten Demonstration auf die Straße tragen.