INFORIOT — Als der brandenburgische Verfassungsschutzbericht für 2012 veröffentlicht wurde, glaubten einige Leute ihren Augen nicht. Wie auch schon im VS-Bericht des Nachbarbundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, führten auch die Kollegen aus Brandenburg ihre Strategie fort, Punkbands zu kriminalisieren und in einen relativierenden Zusammenhang mit Nazirockbands zu stellen. Wir führten ein Interview mit einer der betroffenen Bands aus diesem Jahr: “Auf Bewährung” (aus Mecklenburg-Vorpommern) werden vom Verfassungsschutz Brandenburg als “Hassmusik mit linksextremistischen Bezügen” diffamiert.
Inforiot: Erzählt doch mal kurz worum es in eurer Band „Auf Bewährung“ geht und was ihr so macht!?
Auf Bewährung (AB): Auf Bewährung ist eine Punkrockband, wir vereinen also Rockmusik, mit kritischer Punk-Attitüde — oder andersrum. Wir machen seit etwa 2006 Musik zusammen, im “großen Stil” aber erst seit 2009/2010. In der Zeit haben wir zwei Alben und eine EP rausgebracht und grob geschätze 120 Konzerte in kleinen Clubs, auf Soli-Basis für linke und alternative Projekte, auf Festivals und in Wohnzimmern gespielt.
Inforiot: Eure Kollegen von Feine Sahne Fischfilet (FSF) stehen ja auch seit zwei Jahren im Verfassungsschutzbericht, allerdings in Mecklenburg-Vorpommern. Warum seid ihr im Brandenburgischen gelandet?
AB: Ehrlich gesagt, sind wir auch verwundert, eher in Brandenburg, als in Mecklenburg-Vorpommern vom VS ins Visier genommen worden zu sein. Vielleicht hatte der VS-MV alle Hände mit FSF zu tun, so dass wir nicht mal als Randerscheinung wahrgenommen wurden.
Vielleicht liegt es auch daran, dass wir schon immer das Augenmerk darauf gelegt haben, durch und mit unserer Musik “raus” beziehungsweise weg von dort zu kommen, wo wir aufgewachsen sind. Im Verfassungsschutzbericht Brandenburg sind wir wegen unseres vier Jahre alten Songs “1312 (Hass wie noch nie)” gelandet, ein Song, der sich in guter alter plakativ-kritischer Deutschpunkmanier gegen Polizei und Staat richtet. Offenbar muss da jemand von den Damen und Herren des Verfassungsschutzes mal auf einem unserer Konzerte gewesen sein.
Inforiot: Da ihr ja aus Facebook seid, wie auf eurer Internet-Seite steht, wollt ihr da überhaupt als Band aus Mecklenburg-Vorpommern wahrgenommen werden?
AB: Als wir neulich auf einem sympathischen Festival von einer noch sympathischeren Person als “Auf Bewährung — Punkrock aus Facebook” angekündigt wurden, haben wir das dankend übernommen.
Wir identifizieren uns nicht mit unserer Heimat, warum sollten wir es nicht einfach auf die Spitze treiben, indem wir uns lieber mit unserer aller Hassliebe Facebook einlassen. Hehe!
Inforiot: Wie habt ihr von eurer Nennung im VS-Bericht erfahren?
AB: Ich bin neulich aufgewacht und hatte eine SMS von einem Bekannten aus einer brandenburgischen Band mit dem Link zum Auszug auf dem Handy. Alleine hätten wir das wohl gar nicht rausgefunden. Konnte ja auch niemand mit rechnen.
Inforiot: Hat das für euch ähnliche Konsequenzen nach sich gezogen wie bei FSF — Konzertabsagen und so weiter? Was denkt ihr? Bei kleineren und weniger medienwirksamen Bands, wie euch, kann das doch auch schon mal zum Problem werden.
AB: Das Problem sehen wir auch. Deswegen versuchen wir eine größtmögliche Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, zumal die Vorwürfe an uns ja noch absurder sind, als die, die FSF entgegengebracht werden.
Eben grade bei Konzerten die nicht in alternativen Einrichtungen stattfinden, könnte es problematisch werden, wenn wir auf einmal von einer harmlosen Punk-Band zu Verfassungsfeinden gemacht und stigmatisiert werden.
Inforiot: Wie seht ihr denn den Vorwurf der euch unterstellt wird? Ihr seid ja auf eurem Blog da schon kurz drauf eingegangen. Auffällig ist auch, dass über Nazibands, die ja nun wirklich menschenverachtende Texte haben, in dem VS-Bericht nicht viel gesagt wird. Soll hier ein Gefährdungspotential aufgebaut werden, was es so nicht gibt?
AB: Der Song ist aus unserer Sicht nicht nur nicht verfassungsfeindlich, sondern erfüllt auch keinen Straftatbestand, da mehrere Gerichte entschieden haben, ACAB nicht als Beleidigung, werten zu können. Aufrufe zur Gewalt oder zu Straftaten werden in dem Song auch nicht getätigt.Von daher hoffen wir, dass Leute, die sich mit der Thematik auseinandersetzen, zur gleichen Erkenntnis wie wir kommen, nämlich, dass unsere Nennung völlig unsinnig und unbegründet ist, grade im Vergleich zum Abschnitt über die Nazibands des Bundeslandes.
Meine persönliche Meinung ist, dass der VS irgendwie ein Gegengewicht oder eine Legitimierung schaffen will, um die Bedrohung von rechts, die es in Brandenburg, genauso wie in Meck-Pomm, gibt, zu verhamlosen. Da müssen dann auch schonmal Bands aus anderen Bundesländern, wie die Pestpocken (Hessen) oder eben wir herhalten, um ein “linkes Gefährdungspotential” heraufzubeschwören, was nicht zu finden ist… Was grade unsere unsinnige Nennung noch einmal unterstreicht.
Inforiot: Was denkt ihr generell über die Tendenz der Verfassungschutzbehörden gegen antifaschistische und sich als links verortende Bands vorzugehen?
AB: Das gleiche Thema: Extremismustheorie. Verkürzt lässt sich sagen, es wird EINE Bedrohung heraufbeschworen, um eine andere zu rechtfertigen. Es gibt also kein Nazi-Problem, sondern ein “Extremismusproblem”. Das lässt sich medial gut verkaufen, man kann Statistiken gegenüberstellen, die oft absurder nicht sein können — da werden dann Körperverletzungen oder Morde von rechts mit Graffitis an Jobcentern von links gleichgesetzt – beides extremistische Straftaten. Oder in unserem Beispiel: Wir werden mit Bands auf eine Stufe gestellt, die indirekt den Holocaust leugnen. Ich könnte kotzen!
Inforiot: Wollt ihr juristisch gegen eure Nennung im VS-Bericht vorgehen?
AB: Wir beraten uns derzeit mit einem Anwalt, der schon verschiedene Projekte in Mecklenburg-Vorpommern gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht unterstützt hat.
Wenn es geht, werden wir alles dafür tun, um den entsprechenden Absatz des Berichts schwärzen zu lassen.
Inforiot: Warum, denkt ihr, greift sich der VS gerade Bands wie FSF, oder euch heraus, wo es doch in Brandenburg und in der BRD allgemein doch hunderte Bands gibt, die ähnliche Texte haben und noch nie angegriffen wurden? In Mecklenburg-Vorpommern gab es ja den Vorwurf, dass der VS nur im Internet recherchiert und auch oft bei anderen Publikationen abschreibt.
AB: Klar, diese Gedanken haben wir uns auch gemacht. Wir sind im Internet, genauso wie FSF, sehr aktiv. Wir sind “greifbarer” als andere Bands, weil wir bewusst mehr in einer eigen-konstruierten Öffentlichkeit stehen. In unserem Fall ist es einfach noch absurder, denn dort wurde scheinbar falsch abgeschrieben. Im Bericht steht, dass wir 4 Konzerte in Brandenburg gespielt haben, aber es waren nur 3, weil beim Konzert in Neuruppin unsere Karre aufm Weg liegengeblieben ist oder so… Das wäre alles mit ein paar Klicks durch unsere Konzerthistorie herauszufinden gewesen.
Das Lied gibt’s, wie alle Songs von besagtem Album, auch nur noch im Internet, also liegt die Theorie der Internet-Recherche tatsächlich nahe, denn physisch ist die Scheibe seit Jahren ausverkauft und wird wohl auch nicht mehr neu aufgelegt.
Inforiot: Vielen Dank! Wenn euch noch etwas auf dem Herzen liegt, ist hier der richtige Platz um es los zu werden:
AB: Wir danken euch und hoffen, dass der Verfassungsschutz sich mit solchen Aktionen immer weiter selbst ins Lächerliche zieht und auf kurz oder lang selbst demontiert. WIR brauchen keine “Behörde”, die Nazis unterstützt und schlechte Recherche betreibt.