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Oranienburg: “Abendspaziergang” driftet in die Verschwörungstheorien ab

INFORIOT Erneut marschierten Neon­azis und Rassist_innen durch Oranien­burg. Bei dem neun­ten sog. “Abendspazier­gang” nah­men am gestri­gen Fre­itag etwa 250–300 Demonstrant_innen teil. Ent­ge­gen der Behaup­tung von “Nein zum Heim in Oranien­burg” stieg die Zahl der Demon­stri­eren­den nicht exor­bi­tant an son­dern blieb nahezu kon­stant, obwohl der Ter­min auf einen Fre­itag ver­schoben wurde. Ein Dutzend Antifaschist_innen ver­sucht­en auf die Route zu gelan­gen, wur­den jedoch durch die Polizei daran gehindert.

Spitze der Demonstration. Bild: Sören Kohlhuber
Spitze der Demon­stra­tion. Bild: Sören Kohlhuber

NPD dominiert die Organisation
Bei der gestri­gen Demon­stra­tion zeigte sich wieder ein Mal deut­lich, dass die sog. “Abendspaziergänge” durch die örtliche NPD ges­teuert und aus­gerichtet wer­den. Bere­its zum Beginn der Demon­stra­tion verteilte der Vel­tener NPD-Stadtverord­nete Robert Wolin­s­ki Ban­ner und Schilder an die Teil­nehmenden. Auch das NPD-Ban­ner “Asyl­be­trug macht uns arm” war wieder auf der Demon­stra­tion vertreten. Auf der Auf­tak­tkundge­bung kündigte der Anmelder Car­lo-Eik Christopeit an, dass neben Tee auch “freie Lek­türe” ange­boten wird. Bei diesen “freie Lek­türe” han­delte es sich um die Zeitung “Deutsche Stimme”, die durch den NPD-Bun­desvor­stand her­aus­gegeben wird. Robert Wolin­s­ki verteilte die “Deutsche Stimme” auf der Auf­tak­tkundge­bung und drum herum. Das mut­maßliche JN-Mit­glied Mar­tin Ulbrecht sprach wieder auf der Demonstration.
Die Ord­nertätigkeit­en wur­den eben­falls weitest­ge­hend von NPD- und NPD-nah­nen Aktivis­ten über­nom­men, darunter Robert Weg­n­er und Maik Neu­ber. Neu­ber hat bere­its in Vel­ten die “Abendspaziergänge” am 6. Novem­ber 2015 und am 7. Jan­u­ar 2016 angemeldet. Bei der let­zten Demon­stra­tion in Vel­ten nah­men etwa 300 Rassist_innen und Neon­azis teil. Außer­dem ist Neu­ber Ober­feuer­wehrmann bei der “Frei­willige Feuer­wehr Mar­witz 1909 e.V.”. Seine Parteizuge­hörigkeit bzw. Gesin­nung soll der Feuer­wehr in Mar­witz schon länger bekan­nt sein.
Asylfeindliches Banner bei der Demonstration in Oranienburg. Foto: Sören Kohlhuber
Asylfeindlich­es Ban­ner bei der Demon­stra­tion in Oranien­burg. Foto: Sören Kohlhuber

Mit Ver­schwörungs­the­o­rien gegen Geflüchtete
Die Reden zeugten erneut von flüchtlings­feindlich­er Het­ze, antimus­lim­is­chem Ras­sis­mus, Anti­semitismus und krud­er Ver­schwörungs­the­o­rien. Der erste Red­ner, der sich unter den Namen “Sven” vorgestellt hat, sprach von ein­er “laufend­en Umvolkung” und ein­er “gelenk­ten Inva­sion” von sog. Flüchtlingsströ­men, der einen ange­blichen “Bevölkerungsaus­tausch” vorantreiben würde. Ange­blich wer­den Moscheen auch in den ländlichen Gebi­eten entste­hen und die “moslemis­che Kul­tur” (Fehler im Orig­i­nal) soll die Deutsche ver­drän­gen. Eine der­ar­tige Rhetorik gle­icht der Losung des sog. “Volk­stodes”, die viele neon­azis­tis­che Grup­pen propagieren. Nach Ansicht des Red­ners soll eine “schle­ichende Auflö­sung der deutschen Eth­nie dro­hen”, auch so soll die “ganze Flüchtlings­geschichte auf ein­er Lüge aufge­baut sein”. In einem Atemzug erk­lärte er Geflüchtete zu Tätern, “die bei uns die Chance wit­tern ihre krim­inellen Machen­schaften bess­er und erfol­gre­ich­er zu betreiben”.
Redner "Sven" bei der Auftaktkundgebung. Bild: Sören Kohlhuber.
Red­ner “Sven” bei der Auf­tak­tkundge­bung. Bild: Sören Kohlhuber.

Im weit­eren Ver­lauf sein­er Rede driftete er ab in krude Ver­schwörungs­the­o­rien. So soll die “Massen­e­m­i­gra­tion eine der Auswirkun­gen der Schaf­fung der soge­nan­nten Neuen Wel­tord­nung (NWO)” sein, so “Sven”. Die NWO wird in ver­schiede­nen Ver­schwörungs­the­o­rien beschrieben als ein geheimes Bestreben der Eliten, bzw. der USA, um eine autoritäre, supra­na­tionale Wel­tregierung zu schaf­fen. Im ras­sis­tis­chen Duk­tus kon­stru­ierte der Red­ner “Sven”, dass die NWO mit den ange­blichen Zus­trom von Geflüchteten die Sou­veränität der Staat­en negieren, Nation­al­staat­en auflösen und die Regierun­gen abschaf­fen wür­den und eine Auflö­sung “der Völk­er als homo­gene Eth­nien” forcieren. Die “homo­ge­nen Eth­nien” sollen den ange­blichen Plä­nen der NWO im Weg ste­hen, die “deutschen Nation­alvölk­er” sollen sich daher gegen die Bestre­bun­gen wehren. Zum Schluss rief er zu einem “zivilen Unge­hor­sam” und einem “Gen­er­al­streik nach Artikel 20 Absatz 4”, die gle­ichen Forderun­gen, die auf den recht­en Mon­tagsaufmärschen in Berlin, bei Bärgi­da, geäußert werden.
Verzweifelt um “friedlich­es” Bild bemüht
Zu Beginn der Demon­stra­tion wies Robert Wolin­s­ki die Teil­nehmenden an in Auf­stel­lung zu gehen, wobei er expliz­it Frauen vorschick­te, um ein eher “harm­loseres” Bild der Demon­stra­tionsspitze zu zeich­nen. Nicht nur er war bemüht um ein friedlicheres Bild der Demon­stra­tion. Auch der Anmelder Car­lo-Eik Christopeit wies die Demonstrant_innen an sich ruhig zu ver­hal­ten und sich nicht provozieren zu lassen, nach­dem es bei der let­zten Demon­stra­tion mehrere Über­griffe von sog. “Abendspaziergän­gerIn­nen” auf Gegendemonstrant_innen gab. Den­noch pöbelte ein Teil der Demon­stra­tion in Höhe der Fis­ch­er­straße gegen die Gegenkundge­bung der Linksju­gend [’sol­id] Ober­hav­el, die sich auf dem Park­platz vor Ross­mann ver­sam­melt hatten.
Näch­ste Demon­stra­tion mit promi­nen­tem Islamhasser
Zu Beginn der Demon­stra­tion verkün­dete der Anmelder Car­lo-Eik Christopeit den Ter­min der näch­ste Demon­stra­tion an. Am 26. Feb­ru­ar soll der zehnte “Abendspazier­gang” vor dem Schloss in Oranien­burg stat­tfind­en. Als Red­ner kündigte er den Islamhas­s­er Michael Mannheimer an. Hin­ter dem Pseu­do­nym “Michael Mannheimer” ste­ht der rechte Blog­ger Karl-Michael Merkle, der als Autor und Ref­er­ent für den recht­spop­ulis­tis­chen Blog “Polit­i­cal­ly Incor­rect” (PI) tätig ist und als Red­ner bei diversen PEGI­DA-Ablegern im süd­deutschen Raum geladen war. Merkle soll die virtuelle Pranger­seite “Nürn­berg 2.0” betreiben. “Nürn­berg 2.0” ver­ste­ht sich laut Eige­nangabe als “Erfas­sungsstelle zur Doku­men­ta­tion der sys­tem­a­tis­chen und rechtswidri­gen Islamisierung Deutsch­lands” und der “grundge­set­zfeindlichen Ent­demokratisierung, der Entrech­tung des Bürg­ers und der Straftat­en link­er Faschis­ten zur Unter­drück­ung des Volkes”. Auf der Seite wer­den Namen von Journalist_innen, Politiker_innen und Künstler_innen veröf­fentlicht, die durch ein “Tri­bunal” bestraft wer­den sollen. Unter seinem Pseu­do­nym hat Merkle dort und auf seinen Blog zu “bewaffneten Wider­stand” gegen die ange­bliche “Islamisierung Deutsch­lands” aufgerufen.
Zudem ergriff Chris­t­ian Müller aus Saar­mund das Mikrophon am Ende der Ver­anstal­tung und warb für den Auf­marsch am 11. Jan­u­ar in Pots­dam. Er stellte sich als Anmelder der Demon­stra­tion in Pots­dam vor und gab an, dass der Berlin­er PEGI­DA-Ableger, Bärgi­da, sich eben­falls den Auf­marsch, der gegen 20 Uhr auf dem Bass­in­platz begin­nen soll, anschließen würde. Das Bünd­nis “Pots­dam beken­nt Farbe” meldete eine Gegen­ver­ansaltung am Alten Markt an. Weit­ere Proteste sollen folgen.
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Antifaschismus

Chronologie neonazistischer und rassistischer Aktivitäten in Brandenburg an der Havel im Jahr 2015

Im Jahr 2015 nah­men neon­azis­tis­che und ras­sis­tis­che Aktiv­itäten in Bran­den­burg an der Hav­el zu. Es gab ins­ge­samt fünf Demon­stra­tio­nen, zwei Kundge­bun­gen und sechs­mal wurde das Ver­wen­den von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen zur Anzeige gebracht. Des Weit­eren nah­men bei vier Infor­ma­tionsver­anstal­tun­gen zu geplanten Geflüchtete­nun­terkün­ften Neon­azis teil. Sie ver­hiel­ten sich jedoch immer auf­fäl­lig ruhig. Während eines Gedenkspazier­ganges am 21. Feb­ru­ar für den ermorde­ten Sven Beuter, provozierten fünf Neon­azis, unter ihnen der verurteilte Totschläger Beuters, die Teil­nehmenden. Des Weit­eren gab es drei zur Anzeige gebrachte und nach­weis­lich ras­sis­tisch motivierte Über­griffe auf Geflüchtete. Es gab noch min­destens zwei weit­ere Über­griffe, bei denen Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund Opfer waren, ob es sich hier­bei um ras­sis­tisch motivierte Angriffe han­delt ist noch nicht abschließend gek­lärt. Hinzu kom­men drei Ver­hand­lun­gen gegen Neon­azis am Amts­gericht der Havelstadt.
Ins­ge­samt wur­den im Laufe des Jahres drei ras­sis­tis­che Face­book­seit­en gegrün­det: »Nein zum Heim in Kirch­mös­er«, »Nein zum Heim in Bran­den­burg« und »Bran­den­burg sagt NEIN zur aktuellen Flüchtlingspolitik«.
Im ver­gan­genen Jahr rück­te auch wieder der »Hof Märkische Hei­de«, er befind­et sich im Besitz des »Bun­des für Got­terken­nt­nis«, in den Fokus, denn dieser warb öffentlich für ein Sem­i­nar­woch­enende im März. Hier­bei wur­den krude Ver­schwörungs­the­o­rien und Geschicht­sre­vi­sion­is­mus ver­bre­it­et. Nach eigen­er Aus­sage find­en dort jew­eils im Früh­jahr und im Herb­st Sem­i­nar­woch­enen­den statt.
Im Fol­gen­den wer­den einige Akteure und ihre Aktio­nen in der Havel­stadt näher beleuchtet.
BraMM und Frei­heitliche Liga
Die Bran­den­burg­er für Mei­n­ungs­frei­heit und Mitbes­tim­mung (BraMM) sind eine Grup­pierung, die sich die Ziele der PEGI­DA-Bewe­gung zu eigen machte und sie auf das Land Bran­den­burg zu über­tra­gen ver­sucht. Bevor sie ihren ersten selb­stor­gan­isierten »Spazier­gang« durch­führten, nah­men sie mit einem Hochtrans­par­ent mit der Auf­schrift »Bran­den­burg­er für Mei­n­ungs­frei­heit und Mitbes­tim­mung« an den Mon­tags­demon­stra­tio­nen in Dres­den im Jahr 2014 teil.
Zu Beginn des Jahres 2015 begann das Organ­i­sa­tion­steam der BraMM mit der Mobil­isierung für einen »Spazier­gang« am 26. Jan­u­ar in der Havel­stadt. Sie ver­sam­melten sich an der Ecke Steinstraße/Hauptstraße. Nach ein­er Kundge­bung vor cir­ca 150 Per­so­n­en set­zten sie sich in Bewe­gung. Die Route führt ein­mal durch die Ste­in­straße und endete auf dem Trauer­berg mit ein­er kleinen Abschlusskundge­bung. An den drei darauf­fol­gen­den Mon­ta­gen organ­isierte die BraMM weit­ere »Spaziergänge«. Die Teilnehmer_innenzahlen nah­men dabei kon­tinuier­lich ab, sodass bei der vierten Ver­anstal­tung nur noch cir­ca 70 Per­so­n­en teil­nah­men. Im Anschluss ver­anstal­teten die Organisator_innen in anderen Städten weit­ere »Spaziergänge« mit unter­schiedlichem Erfolg. Am 01. Juni wurde ein weit­er­er »Spazier­gang« in der Havel­stadt, dies­mal nicht im Zen­trum son­dern im Stadt­teil Gör­den, angemeldet. Dem Aufruf fol­gen nur cir­ca 20 Per­so­n­en. Am sich anschließen­den »Spazier­gang« nahm nur noch die Hälfte dieser teil. Sei­ther ist die BraMM in der Havel­stadt nicht mehr aktiv.
Der Organ­i­sa­tion­skreis set­zt sich primär aus Mit­gliedern und Sympahtisant_innen der Partei »Die Repub­likan­er« zusam­men. Der Lan­desvor­sitzende Heiko Müller trat nach dem Bekan­ntwer­den sein­er parteipoli­tis­chen Aktiv­itäten aus der Partei aus und wid­mete sich nun auss­chließlich der BraMM. Die Spaziergänge zogen neben ras­sis­tis­chen Bürger_innen zahlre­iche Neon­azis aus Bran­den­burg an der Hav­el und den umliegen­den Land­kreisen an. Sie stell­ten zwis­chen 25 % bis 50 % der Teilnehmer_innen. Es nah­men Per­so­n­en aus fol­gen­den neon­azis­tis­chen Grup­pierun­gen teil: NPD, III. Weg und Ein Licht für Deutsch­land. Lediglich die let­zt­ge­nan­nte Grup­pierung viel durch ein eigenes Trans­par­ent und Schilder auf, die andern bei­den hiel­ten sich mit ihren Parteiem­ble­men zurück. Diese Tak­tik ist bei zahlre­ichen asylfeindlichen Demon­stra­tio­nen im Land Bran­den­burg zu beobacht­en: Neon­azis­tis­che Grup­pierun­gen stellen oft­mals Tech­nik, Ordner_innen und Redner_innen, die sich häu­fig als Anwohner_innen insze­nieren, und dominieren so verdeckt die Kundge­bun­gen und Demonstrationen.
Obwohl die BraMM mit­tler­weile offizieller PEGI­DA-Ableger im Land Bran­den­burg ist, wurde sie von der PEGI­DA-fre­undlichen Alter­na­tive für Deutsch­land bei ein­er Kundge­bung am 23. Sep­tem­ber in Pots­dam nicht her­zlich emp­fan­gen. So wurde auf der BraMM-Face­bookpräsenz geschrieben, dass die BraMM-Mit­glieder vom Ver­anstal­ter nur geduldet wur­den, bis sie das BraMM-Ban­ner entroll­ten (Der Post wurde mit­tler­weile gelöscht, die Bilder sind jedoch noch online, eine Bild­schirmkopie vom Post existiert). Das AfD Land­tagsmit­glied Stef­fen Königer ver­suchte das Ban­ner zu verdeck­ten und fordert die BraMM-Mit­glieder auf es wieder einzurollen und bekräftigte dies, in dem er über die Laut­sprecher­an­lage verkün­den ließ das man sich »gegen eine Vere­in­nah­mung der Demon­stra­tion durch bei­de Seite (gemeint sind »Linke, Grüne und die üblichen Antifan­ten«)« ver­wehre. Damit ord­nete Königer die BraMM als rechts von der AfD ste­hend ein. Ein Schul­ter­schluss zwis­chen BraMM und AfD scheint somit vor­erst nicht realistisch.
Neben der Grün­dung der BraMM, grün­dete der gle­iche Per­so­n­enkreis noch die Frei­heitliche Liga. Am 19. Juni 2015 postete diese auf ihrer Face­bookpräsenz ein Bild mit dem Text: »Die Ein­tra­gung im Vere­in­sreg­is­ter ist nun endlich geschafft und die Frei­heitliche Liga kann ihre Arbeit aufnehmen!«. Neben dem Per­so­n­enkreis ist auch der poli­tis­che Inhalt der gle­iche, denn auf der Web­site der Frei­heitlichen Liga wird sich auf die »Grundgedanken der BraMM-PEGI­DA« bezo­gen. Vor­sitzen­der ist Heiko Müller, stel­lvertre­tender Vor­sitzen­der Patrick Holler, weit­ere Beisitzer sind Detlef Stamm, Peter Klee­mann und Andreas Jahnke. Alle fünf Män­ner fan­den sich vor der Grün­dung der Frei­heitlichen Liga auf zahlre­ichen Bildern der Face­bookpräsenz der Partei »Die Repub­likan­er Bran­den­burg«. Ob sie nun alle Mit­glieder waren, kann nicht sich­er gek­lärt wer­den. Peter Klee­mann wird auf der Inter­net­seite der Partei immer noch als Beisitzer des Lan­desvor­standes genannt.
Bei­de Labels ver­fü­gen jew­eils über eine Inter­net­seite und eine Face­bookpräsenz, wobei die primäre Aktiv­ität bei der Face­book­seite liegt. Während auf der Seite der Frei­heitlichen Liga haupt­säch­lich Bilder von Infor­ma­tionsver­anstal­tun­gen und Stammtis­chen zu find­en sind, find­en sich auf der BraMM-Seite wahl­los Onlinezeitungsar­tikel die neg­a­tiv über Geflüchtete bericht­en. Hinzu kom­men die Aufrufe zu ihren Demonstrationen.
Zusam­men­fassend lässt sich sagen, dass die Partei »Die Repub­likan­er« die Zeichen der Zeit erkan­nt hat, näm­lich das die Partei in der Bedeu­tungslosigkeit versinkt und soge­nan­nte Bürg­er­be­we­gun­gen auf dem Vor­marsch sind. Aus diesem Grund her­aus grün­de­ten sie, beziehungsweise Per­so­n­en aus dem Parteium­feld, die BraMM und die Frei­heitliche Liga um weit­er­hin poli­tisch wirken zu kön­nen. Während das BraMM-Label primär für Demon­stra­tio­nen und Kundge­bun­gen benutzt wird, wird das der Frei­heitlichen Liga für die Bewer­bung von Infor­ma­tions- und Bil­dungsver­anstal­tun­gen ver­wen­det. Bei­de Labels schließen sich jedoch nicht aus, sodass bei den Demon­stra­tio­nen auch das Ban­ner der Frei­heitlichen Liga auf­taucht und umge­dreht. Zwar schaf­fen sie es immer wieder mehrere hun­dert Leute zu ihren Demon­stra­tio­nen zu bewe­gen, ein wirk­lich­es poli­tis­ches Ziel, beispiel­sweise ein Hinar­beit­en auf Man­date in poli­tis­chen Par­la­menten ist bish­er nicht zu erkennen.
Der III. Weg
Am 18. April führte der III. Weg unter anderem in der Havel­stadt eine Kundge­bung durch. An diesem Tag verkün­de­ten Parteim­it­glieder die Grün­dung des Ver­ban­des »Potsdam/Mittelmark«. In den darauf­fol­gen­den Monat­en taucht­en wieder­holt Aufk­le­ber und Plakate der Partei im Stadt­ge­bi­et auf. Zusät­zlich wer­den in unregelmäßi­gen Abstän­den Fly­er in Briefkästen gesteckt. Sowohl Fly­er als auch Plakate konzen­tri­eren sich hier­bei im Bere­ich der Innen­stadt. Einige Neon­azis aus der Havel­stadt nehmen regelmäßig an Kundge­bun­gen des III. Weges im ganzen Land Bran­den­burg Teil und tra­gen dabei T‑Shirts der Kle­in­st­partei. Auch reis­ten einige Neon­azis aus der Havel­stadt am 01. Mai zur Demon­stra­tion nach Saalfeld, bei der es zu Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen den Neon­azis und der Polizei, als auch zu Über­grif­f­en auf Antifaschist_innen, kam. Min­destens drei Neon­azis aus Bran­den­burg an der Hav­el nah­men am Som­mer­fest der Partei in der Uck­er­mark teil, es macht somit den Anschein, dass ver­sucht wird die lokalen Neon­azis für die Partei zu wer­ben und zu inte­gri­eren. Dies bleibt auch vom Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutz nicht unbe­merkt, denn dieser machte bei einem Mit­glied der Partei, das in Bran­den­burg an der Hav­el wohnt, einen soge­nan­nten Anquatschver­such, der, laut der Inter­net­präsenz des III. Weges, erfol­g­los blieb.
Ins­ge­samt ist die Partei in der Havel­stadt nur mäßig aktiv. Die Aktivist_innen vor Ort beschränken sich auf die Teil­nahme an Kundge­bun­gen und Demon­stra­tio­nen. Eigene Ver­anstal­tun­gen wer­den nicht organ­isiert. Es scheint an ein­er lokalen Führungs­fig­ur zu fehlen. Der Ein­fluss inner­halb der lokalen Szene scheint auch nur ger­ing zu sein, denn die Aktivist_innen nehmen an allen neon­azis­tis­chen Ver­anstal­tun­gen in der Havel­stadt teil, egal ob BraMM, NPD oder der III. Weg diese organ­isiert. Auch übernehmen die Neon­azis aus der Havel­stadt vor­erst keine wichti­gen Auf­gaben (Ordner_in, Redner_in). Die Fly­erverteilak­tion wer­den entwed­er aus Werder/Havel oder aus dem Raum Bad Belzig ges­teuert, wo es jew­eils sehr aktive Mit­glieder der Partei gibt, welche regelmäßig durch ihre Teil­nahme an Kundge­bun­gen und Demon­stra­tio­nen, sowie Fly­er verteilen auf­fall­en. Der III. Weg scheint auf­grund sein­er starken Ori­en­tierung am Nation­al­sozial­is­mus, der hohen Aggres­siv­ität bei Kundge­bun­gen und Demon­stra­tio­nen und des engen Kam­er­ad­schafts­geist, der durch eigene T‑Shirts, Jack­en, etc. man­i­festiert wird, für die lokale Szene am inter­es­san­testen zu sein.
Die NPD
Die NPD ver­liert auch in Bran­den­burg an der Hav­el nach und nach an Ein­fluss. Ein aktiv­er Stadtver­band existiert nicht und alle Aktio­nen inner­halb der Stadt wer­den primär vom Kreisver­band Hav­el-Nuthe koor­diniert. Dieser organ­isierte gemein­sam mit dem Stadtver­band Bad Belzig am 29. Okto­ber eine Kundge­bung auf dem Neustädtis­chen Markt. Ins­ge­samt haben an dieser 29 Men­schen teilgenom­men. Aus der Havel­stadt kamen unge­fähr zehn Per­so­n­en. Unter diesen waren auch Neon­azis, die wieder­holt beim Verteilen von Fly­ern des III. Weges beobachtet wur­den. Seit der Kundge­bung im Okto­ber find­en sich ver­mehrt Aufk­le­ber in der Innenstadt.
Auch bei der NPD fällt auf, dass sie keine feste Struk­tur in der Havel­stadt besitzen, stattdessen wer­den die Aktio­nen von außer­halb ges­teuert. Des Weit­eren nah­men zahlre­iche NPD-Aktivist_in­nen bei den Demon­stra­tio­nen der BraMM in der Havel­stadt teil, jedoch ohne die Ver­wen­dung von Partei­wer­bung. Sie ist auf poli­tis­ch­er Ebene in Bran­den­burg an der Hav­el von sehr geringer Bedeutung.
AfD
In der Havel­stadt existiert ein Parteibüro der AfD, welche mit drei Per­so­n­en in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung vertreten ist. Nach­dem Skan­dal um den ehe­ma­li­gen Kreisver­bandsvor­sitzen­den ist dieser zurück­ge­treten und sei­ther ist es extrem ruhig um die AfD gewor­den. Von den BraMM-Spaziergän­gen nah­men sie Abstand und woll­ten diese nach eige­nen Aus­sagen erst ein­mal beobacht­en. Auf­grund der Tat­sache, dass sie bei keinem der Spaziergänge teil­nah­men, ist davon auszuge­hen, dass sie sich nicht mit den Zie­len der BraMM iden­ti­fizieren oder sie die hohe Neon­azipräsenz, die deut­lich medi­al the­ma­tisiert wurde, abschreck­te. Als ein weit­er­er Grund kann das AfD-Land­tagsmit­glied Stef­fen Königer ange­führt wer­den, dessen Parteibüro sich in der Havel­stadt befind­et. Der gemäßigte Königer ver­lor vor kurzem bei dem Lan­desparteitag die Wahl zum Stel­lvertreter der Landespartei.
Die lokale AfD gilt es zwar weit­er­hin im Fokus zu behal­ten, momen­tan konzen­tri­ert sich diese jedoch primär auf ihr poli­tis­ches Wirken in der SVV, wo sich kaum Platz für die typ­is­chen Parolen der AfD find­en, son­dern die Abge­ord­neten mit der realen Poli­tik kon­fron­tiert werden.
»Nein zum Heim in…«
Am 27. August, einen Tag bevor die Geflüchteten­no­tun­terkun­ft im Stadt­teil Kirch­mös­er bezo­gen wer­den sollte, ist die Face­bookpräsenz »Nein zum Heim in Kirch­mös­er« gegrün­det wor­den. Diese kann mit­tler­weile 219 Klicks auf sich vere­inen. Dass die Seite nicht von Per­so­n­en aus Bran­den­burg an der Hav­el oder Kirch­mös­er betrieben wird, lässt unter anderem das Titel­bild ver­muten. Es zeigt das Ort­sein­gangss­child des Bran­den­burg­er Stadt­teils. Bei der Eingabe des Wortes »Kirch­mös­er« bei Google, find­et sich auf Seite 3 ein iden­tis­ches Bild, es gehört zu einem Artikel des »SPD-Unter­bezirks Bran­den­burg an der Hav­el« vom 26.06.2007. Schon im Jahr 2014 war zu beobacht­en, dass über­all dort »Nein zum Heim in …«-Seit­en auf­taucht­en, wo es neue Geflüchtete­nun­terkün­fte geben sollte. Häu­fig hat­ten und haben diese ein sich stark ähnel­ndes Ausse­hen, sodass die Ver­mu­tung nahe liegt, dass sie gezielt von ein­er Per­so­n­en­gruppe gegrün­det wur­den. Dafür spricht aus das Posten von zahlre­ichen asylkri­tis­chen Artikeln, die keinen Bezug zum eigentlichen Ort der Seite haben. Diese ist auch auf den Face­book­seit­en zu Bran­den­burg und Kirch­mös­er zu beobachten.
Am 01. Okto­ber wird die Seite »Nein zum Heim in Bran­den­burg« gegrün­det. Sie wurde bish­er von 220 Per­so­n­en geliked. Inhaltlich ist sie nahezu iden­tisch mit der Seite »Nein zum Heim in Kirchmöser«.
Bei »Bran­den­burg sagt NEIN zur aktuellen Flüchtlingspoli­tik« han­delt es sich eben­falls um eine Face­book­seite mit Bezug zur Havel­stadt. Dies kann auf­grund des Titel­bildes, welch­es das Stadt­wap­pen zeigt, ver­mutet wer­den. Sie wurde bish­er von 282 Per­so­n­en geliked und am 30. Sep­tem­ber gegrün­det. Auf dieser wer­den, ähn­lich den bei­den anderen Seit­en, zahlre­iche asylkri­tis­che Beiträge von diversen Inter­net­seit­en und Medi­en­por­tal­en geteilt.
Bis auf einige sel­tene Kom­mentare, scheinen die drei Seit­en lediglich der Ver­linkung von asylkri­tis­chen Tex­ten zu dienen. Aufrufe zu Demon­stra­tio­nen und Kundge­bun­gen wer­den ab und zu, jedoch nicht regelmäßig, geteilt. Ob hin­ter den Seit­en jew­eils die gle­ichen Per­so­n­en ste­hen, bleibt zweifel­haft. Die nahezu zeit­gle­ichen Posts auf den Seit­en von »Nein zum Heim in Kirch­mös­er« und »Nein zum Heim in Bran­den­burg« sprechen jedoch dafür, dass sich hin­ter diesen die gle­iche Per­son oder Per­so­n­en­gruppe verbirgt.
Alle drei Seit­en haben nur einen sehr gerin­gen Ein­fluss in Bran­den­burg an der Hav­el, dies liegt zum einen an den Post­ings, welche sich auf die ganze Bun­desre­pub­lik beziehen und anderen an fehlen­den eige­nen Analy­sen und Stel­lung­nah­men sowie Aktiv­itäten auf der Straße.
Faz­it und Ausblick
Alle größeren Aktiv­itäten wer­den in der Havel­stadt von Grup­pierun­gen außer­halb der Stadt organ­isiert. Zwar nehmen regelmäßig lokale Neon­azis und Rassist_innen an diesen teil, eine aktive Mitar­beit ist jedoch nicht zu beobacht­en. Bei der Betra­ch­tung der die Stadt umgeben­den Land­kreise Pots­dam-Mit­tel­mark und Havel­land, fällt auf, dass ger­ade da NPD (Havel­land/Pots­dam-Mit­tel­mark) und der III. Weg (Pots­dam-Mit­tel­mark) beson­ders stark sind. Dort verteilen sie regelmäßig Fly­er und die NPD sitzt in den lokalen Parlamenten.
Ins­ge­samt kann die neon­azis­tis­che Szene in der Havel­stadt auf zehn bis fün­fzehn Per­so­n­en geschätzt wer­den. Sie wird durch vornehm­lich junge Män­ner dominiert die sich um den verurteil­ten Totschläger Sascha L. grup­pieren, denn wo er auf­taucht, find­en sich die Jung­neon­azis häu­fig auch. Gle­ichzeit­ig hat L. immer noch Kon­takt zu anderen Neon­azis, welche seit den 1990er Jahren aktiv sind oder mit ihm im Knast saßen. L. sorgt immer wieder für Pro­voka­tio­nen, so marschierte er schon im Jahr 2012 bei ein­er NPD-Demon­stra­tion unter Zeigen des Vic­to­ry-Zeichens mit. Während des ersten BraMM-Spazier­gangs wur­den seine Per­son­alien aufgenom­men, weil er den Küh­nen­gruß zeigt, mit­tler­weile wurde er dafür auch verurteilt. Des Weit­eren provozierte er mit weit­eren Neon­azis bei einem Gedenksparzier­gang in Erin­nerung des von ihm ermorde­ten Sven Beuter.
Eine Bedro­hung durch Neon­azis und Rassist_innen ist in der Havel­stadt gegeben, dafür sprechen die zahlre­ichen Kundge­bun­gen und Spaziergänge, der Bran­dan­schlag auf eine geplant, noch nicht bewohnte Notun­terkun­ft für Geflüchtete sowie die Über­griffe und der All­t­agsras­sis­mus gegenüber diesen. Aus diesen Grün­den her­aus ist es wichtig, weit­er kon­tinuier­liche antifaschis­tis­che Arbeit zu leisten.
Neon­azis­tis­che Aktiv­itäten in Bran­den­burg an der Hav­el im Jahr 2015
Demon­stra­tio­nen, Kundge­bun­gen, Über­griffe, Gerichtsverhandlungen

(Die Quel­lenangabe beziehen sich nicht auss­chließlich auf Artikel, son­dern auf Fotos, welche zahlre­iche Journalist_innen online frei zur Ver­fü­gung stellen.)
25. Jan­u­ar
In der Nacht vom 24. zum 25. Tram­peln Unbekan­nte drei Hak­enkreuze, zweimal den Schriftzug »Hitler« und ein­mal »Adolf« in den Schnee. Der Tatort find­et sich unweit des Über­gangswohn­heims für Geflüchtete Men­schen in der Flämingstraße.
(Meet­ing­point Bran­den­burg, 25. Jan­u­ar 2015)
26. Jan­u­ar
150 Per­so­n­en, darunter zahlre­iche organ­isierte Neon­azis aus der Havel­stadt und der Umge­bung, nehmen an einem soge­nan­nten Spazier­gang der »Bran­den­burg­er für Mei­n­ungs­frei­heit und Mitbes­tim­mung« (BraMM) teil. Etliche Neon­azis stam­men aus der Havel­stadt, ein­er von ihnen war als Ord­ner tätig. Der Totschläger des von Sven Beuter, der beken­nende Neon­azi Sascha L. wurde kurzzeit­ig ver­haftet, da er einen ver­bote­nen Gruß gezeigt hat.
(Press­eser­vice Rathenow, 26. Jan­u­ar 2015; MAZ, 27. Jan­u­ar 2015; AG Antifa, 29. Jan­u­ar 2015; MAZ 31. Jan­u­ar 2015)
02. Feb­ru­ar
Cir­ca 100 Per­so­n­en nehmen an einem Spazier­gang der BraMM teil. Unter den Teilnehmer_innen befind­en sich cir­ca 40 Neon­azis. Etliche von diesen stam­men aus Bran­den­burg an der Havel.
(Press­eser­vice Rathenow, 02. Feb­ru­ar 2015; AG Antifa, 03. Feb­ru­ar 2015; MAZ 04. Feb­ru­ar 2015)
05. Feb­ru­ar
Bei ein­er Infor­ma­tionsver­anstal­tung der SPD zum The­ma Geflüchtete in der Havel­stadt nimmt min­destens ein Neon­azi teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
09. Feb­ru­ar
Cir­ca 80 Per­so­n­en fol­gen dem BraMM-Aufruf zu einem drit­ten Spazier­gang. Der Anteil der Neon­azis wächst auf 50 Per­so­n­en, unter ihnen zahlre­iche Men­schen aus Bran­den­burg an der Havel.
(Press­eser­vice Rathenow, 09. Feb­ru­ar 2015; AG Antifa, 22. Feb­ru­ar 2015; MAZ 10. Feb­ru­ar 2015)
16. Feb­ru­ar
70 Per­so­n­en nehmen an einem Spazier­gang der BraMM teil. 50 bis 60 Teil­nehmende sind dem neon­azis­tis­chen Spek­trum zuzurech­nen, darunter zahlre­iche Per­so­n­en aus der Havelstadt.
(Press­eser­vice Rathenow, 16. Feb­ru­ar 2015¸ AG Antifa, 17. Feb­ru­ar 2015)
20. Feb­ru­ar
Während eines antifaschis­tis­chen Gedenkspazier­gangs zu Erin­nerung an den ermorde­ten Sven Beuter provozieren fünf Neon­azis, darunter der Totschläger von Beuter Sascha L., die Teilnehmenden.
(Press­eser­vice Rathenow, 20. Feb­ru­ar 2015; AG Antifa, 22. Feb­ru­ar 2015)
21. Feb­ru­ar
Bei ein­er Kundge­bung der neon­azis­tis­chen Partei der »III. Weg« in Eisen­hüt­ten­stadt, nehmen zwei in Bran­den­burg an der Hav­el wohn­hafte Neon­azis und der Totschläger Sascha L. teil.
(Press­eser­vice Rathenow, 21. Feb­ru­ar 2015; MAZ, 23. Feb­ru­ar 2015)
09. März
Am Abend wird ein Keni­an­er in der Straßen­bahn belei­digt und, nach­dem er an der Hal­testelle in der Nähe der Gör­den­brücke aus­gestiegen ist, ins Gesicht geschlagen.
(MAZ, 10. März 2015)
14. März
Bei ein­er NPD-Kundge­bung in Nauen nimmt ein in Bran­den­burg an der Hav­el wohnen­der Kad­er der Freien Kräfte Neu­rup­pin und Osthavel­land (FKN) gemein­sam mit sein­er Fre­undin teil.
(Press­eser­vice Rathenow, 14. März 2015)
14.–15. März
Am Sam­stag und Son­ntag führt der »Hof Märkische Hei­de«, er befind­et sich im Besitz des »Bun­des für Got­terken­nt­nis«, ein Sem­i­nar­woch­enende durch.
(AG Antifa, 15. März 2015; MAZ, 19. März 2015)
25. März
Eine Parteim­it­glied des neon­azis­tis­chen »III. Wegs« wurde vom Ver­fas­sungss­chutz Bran­den­burg ange­sprochen und sollte für eine zukün­ftige Zusam­me­nar­beit gewor­ben werden.
(Antifa Jugend Brandenburg)
28. März
Ein in der Havel­stadt wohn­hafter Neon­azi und Kad­er von FKN nimmt an ein­er Demon­stra­tion in Wittstock/Dosse teil. Begleit­et wird er dabei von sein­er neon­azis­tis­chen Freundin.
(Press­eser­vice Rathenow, 28. März 2015)
28. März
Ein Neon­azi aus Frankfurt/Oder wird zu drei Jahren Gefäng­nis verurteilt. Während eines Fußball­spiels der WM 2014 skandierte er im Audi­max der Fach­hochschule wieder­holt neon­azis­tis­che Parolen. Ein Zuschauer ver­suchte dies zu unterbinden. Nach­dem Spiel wurde er von dem Neon­azi bru­tal zusammengeschlagen.
(MAZ, 29. März 2015)
14. April
Ein betrunk­en­er 43 Jahre alter Neon­azi ruf am Haupt­bahn­hof wieder­holt »Sieg Heil«. Des Weit­eren zer­schlug er zwei Bier­flaschen auf dem Boden. Der Mann ist wegen ähn­lich­er Delik­te schon vorbe­straft. Die Polizei ermit­telt wegen des Ver­wen­dens von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organisationen.
(MAZ, 15. April 2015)
18. April
Bei Kundge­bun­gen des neon­azis­tis­chen »III. Wegs« in Werder/Havel und Bran­den­burg an der Hav­el nehmen unteran­derem fünf Neon­azis aus Bran­den­burg an der Hav­el teil. Unter den Teil­nehmenden ist auch der Totschläger Sascha L. Sie erhal­ten auf der Kundge­bung Fly­er, welche sie am 19. April im Bere­ich der Bahn­hofsvorstadt und der Neustadt verteilen.
(Press­eser­vice Rathenow, 18. April 2015; AG Antifa, 20. April 2015)
19. April
Zwei bekan­nte Neon­azis verteilen Fly­er des neon­azis­tis­chen »III. Wegs« in der Bahn­hofsvorstadt und in der Innenstadt.
(Antifa Jugend Brandenburg)
25. April
Bei einem ras­sis­tis­chen Auf­marsch in Frankfurt/Oder nimmt unter anderem der Totschläger Sascha L. teil.
(Press­eser­vice Rathenow, 25. April 2015)
01. Mai
Bei der 1. Mai-Demon­stra­tion des neon­azis­tis­chen »III. Wegs« in Saalfeld nehmen der Totschläger Sascha L. und min­destens zwei weit­ere Neon­azis aus Bran­den­burg an der Hav­el teil.
(Antifa)
11. Mai
Der in Bran­den­burg an der Hav­el wohn­hafte Kad­er der Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland wird wegen Land­friedens­bruch zu ein­er Haft­strafe von vier Monat­en verurteilt. Diese ist auf zwei Jahre Bewährung aus­ge­set­zt. Am 12. Okto­ber 2013 stachelte er in Viereck cir­ca 100 Neon­azis auf, eine Polizeikette zu durch­brechen und die Beamt_innen mit Flaschen und Steinen zu attack­ieren. Bei dem Ver­such, wur­den mehre Polizist_innen ver­let­zt. Der Beschuldigte hat Rechtsmit­tel ein­gelegt, das Ver­fahren ist fol­glich noch nicht abgeschlossen.
(Gegenrede.info, 12. Mai 2015; MAZ, 12. Mai 2015; MOZ, 19. Mai 2015)
15. Mai
Ein in Bran­den­burg an der Hav­el wohn­hafter Kad­er der Freien Kräfte Neu­rup­pin und Osthavel­land nimmt gemein­sam mit sein­er Fre­undin an ein­er ras­sis­tis­chen Demon­stra­tion in Nauen teil. Er fungiert sowohl als Ord­ner und Redner.
(Press­eser­vice Rathenow, 15. Mai 2015)
01. Juni
Die BraMM ruft zu einem weit­eren Spazier­gang auf. An diesem nehmen nur noch 20 Per­so­n­en teil, unter ihnen min­destens vier Neon­azis aus der Havel­stadt und der Totschläger Sascha L.
(Press­eser­vice Rathenow, 01. Juni 2015; AG Antifa, 02. Juni 2015)
05. Juni
Eine junge Frau wird auf­grund ihrer sex­uellen Ori­en­tierung von einem Mann bedro­ht. Er belei­digt sie und ver­sucht sie zu schla­gen. Dies kann sie abwehren.
(Opfer­per­spek­tive)
06. Juni
Min­destens drei Neon­azis aus der Havel­stadt, darunter ein Kad­er der Freien Kräfte Neu­rup­pin und Osthavel­land und seine Fre­undin, nehmen an der Demon­stra­tion »Tag der deutschen Zukun­ft« in Neu­rup­pin teil. Der Kad­er ist unter anderem als Red­ner tätig.
(Press­eser­vice Rathenow, 06. Juni 2015)
26. Juni
Ein in Bran­den­burg an der Hav­el wohn­hafter Kad­er der Freien Kräfte Neu­rup­pin und Osthavel­land nimmt an ein­er neon­azis­tis­chen Kundge­bung in Wittstock/Dosse teil. Er ist hier als »Anti-Antifa«-Fotograf und Red­ner tätig.
(Press­eser­vice Rathenow, 26. Juni 2015)
30. Juni
Der Totschläger Sascha L. wird wegen des Zeigens des »Küh­nen­grußes« zu ein­er Frei­heitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und zu ein­er Geld­strafe von 300 € verurteilt.
(Press­eser­vice Rathenow, 30. Juni 2015; MAZ, 02. Juli 2015)
01. Juli
Während ein­er antifaschis­tis­chen Gedenkkundge­bung in Neu­rup­pin provozieren cir­ca 20 Neon­azis. Unter diesen befind­et sich ein in der Havel­stadt wohnen­der Kad­er der Freien Kräfte Neu­rup­pin und Osthavel­land und seine Fre­undin. Er ist hier als »Anti-Antifa«-Fotograf tätig.
(Press­eser­vice Rathenow, 01. Juli 2015)
06. Juli
Vor dem Amts­gericht in der Havel­stadt wird gegen den ehe­ma­li­gen NPD-Abge­ord­neten und jet­ziges Parteim­it­glied des neon­azis­tis­chen »III. Weges« wegen des Ver­wen­dens von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen ver­han­delt. Der Angeklagte wird zu ein­er Geld­strafe von 900 € verurteilt.
(Press­eser­vice Rathenow, 06. Juli 2015; MAZ 15. Juli 2015)
10. Juli
Ein in der Havel­stadt wohnen­der Kad­er der Freien Kräfte Neu­rup­pin und Osthavel­land und seine Fre­undin nehmen an ein­er Kundge­bung der NPD und Freien Kräfte in Nauen teil. Der Kad­er ist als Red­ner, die Fre­undin als Fah­nen­hal­terin aktiv.
(Press­eser­vice Rathenow, 10. Juli 2015)
24. Juli
Nach­dem ein Mann einen 29-jähri­gen Tune­si­er ras­sis­tisch und sex­uell diskri­m­inierend belei­digt, schlägt er auf ihn ein.
(Polizei)
01. August
Bei Kundge­bun­gen des neon­azis­tis­chen »III. Weges« in Dams­dorf und Zossen nehmen min­destens drei Neon­azis aus der Havel­stadt und der Totschläger Sascha L. teil.
(Press­eser­vice Rathenow, 01. August 2015)
06. August
Als Polizist_innen in einem Streifen­wa­gen die Hal­testelle »Fouqès­traße« passieren, hob ein wartender Mann den Arm zum »Küh­nen­gruß«. Die Beamt_innen nah­men die Per­son­alien des 26-Jähri­gen Bran­den­burg­ers auf und erstat­ten Anzeige. Die Kripo ermit­telt wegen des Ver­wen­dens von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organisationen.
(Polizei, 26. August 2015)
09. August
Min­destens drei Neon­azis aus Bran­den­burg an der Hav­el nehmen an dem Som­mer­fest des neon­azis­tis­chen »III. Weges« in der Uck­er­mark teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
14. August
Im Veilchen­weg skandierte eine Gruppe von Per­so­n­en strafrechtlich rel­e­vante neon­azis­tis­che Parolen. Polizeibeamte nah­men die Per­son­alien auf und erstat­teten Anzeigen.
(Polizei, 14. August 2015)
24. August
Bei ein­er Ver­samm­lung zu ein­er geplanten Notun­terkun­ft für Geflüchtete im Stadt­teil Kirch­mös­er, nimmt min­destens ein Neon­azi teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
27. August
Im Laufe des Tages wird die Face­book­seite »Nein zum Heim in Kirch­mös­er« gegründet.
(Antifa Jugend Brandenburg)
29. August
In der Nacht vom 28. zum 29. August pöbeln zwei Män­ner vor der Notun­terkun­ft in Kirch­mös­er. Die her­beigerufene Polizei kann die Täter nicht ergreifen.
(Antifa Jugend Brandenburg)
29. August
Ein in der Havel­stadt wohnen­der Kad­er der Freien Kräfte Neu­rup­pin und Osthavel­land und seine Fre­undin nehmen an Kundge­bun­gen der NPD in Wusterhausen/Dosse, Wittstock/Dosse und Rheins­berg teil. Der Kad­er ist als »Anti-Antifa«-Fotograf und Red­ner, die Fre­undin als Ban­ner­hal­terin aktiv.
(Press­eser­vice Rathenow, 29. August 2015)
12. Sep­tem­ber
Bei ein­er Kundge­bung der NPD in Bad Belzig nimmt min­destens ein Neon­azi aus der Havel­stadt teil.
(Press­eser­vice Rathenow, 12. Sep­tem­ber 2015)
16. Sep­tem­ber
Bei ein­er Bürger_innenversammlung im Stadt­teil Hohen­stück­en nimmt min­destens ein Neon­azi aus der Havel­stadt teil. The­ma­tisch ging es bei der Ver­anstal­tung um die Errich­tung ein­er Notun­terkun­ft für Geflüchtete.
(Antifa Jugend Brandenburg)
28. Sep­tem­ber
Die Frei­heitliche Liga führt einen Info-Stammtisch in der Havel­stadt durch.
(Antifa Jugend Brandenburg)
30. Sep­tem­ber
Im Laufe des Tages wird die Face­book­seite »Bran­den­burg sagt NEIN zur aktuellen Flüchtlingspoli­tik« gegründet.
(Antifa Jugend Brandenburg)
01. Okto­ber
Im Laufe des Tages wird die Face­book­seite »Nein zum Heim in Bran­den­burg« gegründet.
(Antifa Jugend Brandenburg)
12. Okto­ber
Bei ein­er Ver­anstal­tung zur Errich­tung ein­er Notun­terkun­ft auf dem Gelände der Regat­tas­trecke nimmt min­destens ein Neon­azi teil
(Antifa Jugend Brandenburg)
31. Okto­ber
Die NPD führt mit 29 Per­so­n­en eine Kundge­bung auf dem Park­platz am Neustädtis­chen Markt durch. Unter diesen waren min­destens sieben Per­so­n­en aus der Havelstadt.
(Press­eser­vice Rathenow, 31. Okto­ber 2015)
01. Novem­ber
Der Totschläger Sascha L. nimmt an ein­er asylfeindlichen Demon­stra­tion in Frankfurt/Oder teil. Er trägt das Ban­ner der neon­azis­tis­chen Organ­i­sa­tion »Ein Licht für Deutschland«.
(Presse­di­enst Frankfurt/Oder, 01. Novem­ber 2015)
13. Novem­ber
Ein Jour­nal­ist des Stadtkanals Bran­den­burg wird Auf­grund sein­er Berichter­stat­tung über eine asylkri­tis­che Kundge­bung in Rathenow eingeschüchtert.
(Antifa Jugend Brandenburg)
21. Novem­ber
An ein­er Neon­azidemon­stra­tion in Rema­gen, Rhein­land-Pfalz, nimmt ein in der Havel­stadt wohnen­der Kad­er der Freien Kräfte Neu­rup­pin und Osthavel­land mit sein­er Fre­undin teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
23. Novem­ber
Der AfD-Land­tagsab­ge­ord­nete Stef­fen Königer nimmt an einem »Zukun­fts­di­a­log« zum The­men­bere­ich der Geflüchtete­nun­ter­stützung teil.
(Antifa Jugend Brandenburg)
27. Novem­ber
Auf eine geplante Notun­terkun­ft wird in der Nacht vom 26. auf den 27. Novem­ber ein Bran­dan­schlag verübt.
(MAZ, 27. Novem­ber 2015)

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Antifaschismus

Rathenow?: Flüchtlingsunterkunft ausgespäht – Jugendliche Asylsuchende im Visier des „Bürgerbündnisses“

In Rathenow ste­ht am kom­menden Dien­stag die näch­ste Ver­samm­lung des recht­sof­fe­nen „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ an. Es wird mit­tler­weile die sech­ste Großver­anstal­tung dieser Vere­ini­gung in der havel­ländis­chen Kreist­stadt sein. Um die 500 Per­so­n­en wer­den dazu erwartet – für den größten kon­tinuier­lich aktiv­en PEGI­DA-ähn­lichen Aufzug im Land Bran­den­burg. Das sich diese Ver­samm­lung von sel­ber „totläuft“ scheint momen­tan noch Illu­sion, zumal aktuelle Ereignisse immer wieder ras­sis­tisch gefärbte Debat­ten befeuern. Das „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ hat mit­tler­weile gel­ernt wie es seine Mitläufer_innen ansprechen muss. Näm­lich durch tägliche Schauergeschicht­en über ver­meintliche krim­inelle Flüchtlinge und Täter_innen mit aus­ländis­ch­er Abstam­mung . Das dabei nur äußerst wenig zwis­chen der schutz­suchen­den Mehrheit der in der Bun­desre­pub­lik ank­om­menden Men­schen und einzel­nen Aus­nah­men dif­feren­ziert wird, scheint beab­sichtigt. Für viele Sympathisant_innen des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ sind Asyl­suchende ohne­hin nur „faule Wirtschafts­flüchtlinge“ oder „Geld fressendes Pack“. Entsprechend arg­wöh­nisch wer­den neu ank­om­mende Men­schen von eini­gen nicht sehr gast­fre­undl­lichen Havel­län­dern beäugt.
Unterkun­ft in Sem­lin ausgespäht
Screenshot Buergerbuendnis 1 Screenshot Buergerbuendnis 2
Gestern machte beispiel­sweise eine „besorgte Bürg­erin“ beim „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ Mel­dung, dass in ein­er Ferien­wohn­lage im Rathenow­er Ort­steil Sem­lin Flüchtlinge unterge­bracht wer­den sollen. Sofort war dieser Hin­weis ein Topthe­ma in einem sozialen Net­zw­erk. Das „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ zeigte sich brüskiert. Der Land­kreis Havel­land hat­te sich offen­bar „erdreis­tet“ Men­schen ohne Rück­sprache mit dem „Volk“ unterzubrin­gen. Ein „Hans S.“, der auf seinem Social­me­dia-Pro­fil mit NPD Slo­gans wirbt, fühlte sich dabei beson­ders „über­gan­gen“. „Solch Frech­heit darf man sich eigentlich nicht gefall­en lassen und eine Eil­ver­samm­lung, wie ger­ade in Ein­siedel) anmelden. Diese Fachkräfte soll­ten von Anfang an merken, dass sie nicht willkom­men sind“, so S. in einem Kom­men­tar. Als „inter­essiert­er Men­sch“, der weniger Tage zuvor bere­its eine andere Flüchtling­sun­terkun­ft in Rathenow fotografiert und davon ein Bild mit der Auf­schrift: „Rathenow sagt: nein zum Heim“ auf der Seite des „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ veröf­fentlicht hat­te, fühlte er sich offen­bar erneut berufen eine Unterkun­ft für Asyl­suchende aus der „Nähe“ zu betra­cht­en. Wenig später waren mehrere Fotos der Unter­bringung inkl. dem Slo­gan „Nein zum Heim“ sowie einem kleinen Aufk­lärungs­bericht auf der Seite des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ zu find­en. In dem Bericht heißt es u.a. „Auch wenn dort ger­ade noch nicht viel passiert, sollte man, mein­er Mei­n­ung nach, trotz­dem nicht untätig bleiben! Man darf diese geheimen Machen­schaften der etablierten Poli­tik­er und Asyl­prof­i­teure nicht unbeant­wortet lassen! Macht euch auf und leis­tet gegen jene Ver­brechen auf jed­er Ebene passenden & kreatives Wider­stand! Nein zum Heim! – Wed­er in Rathenow, noch in Sem­lin oder ander­swo!“. Eine unver­vohlende Dro­hung, die durch entsprechende Kom­mentare unter weit­eren Artikeln zum The­ma noch ver­stärkt wird. „Direkt davor Ver­samm­lung es reicht echt“, war beispiel­sweise noch ein eher „harm­los­er“ Kom­men­tar. Eine andere Per­son würde, laut eigen­em bekun­den, die Flüchtlinge lieber in einem Sem­lin­er Gewäss­er unter­brin­gen, „der See“ sei „schließlich groß genug“. Das es sich bei den in Sem­lin unterge­bracht­en Men­schen um allein­reisende Jugendliche han­delt scheint dabei nie­man­den zu stören­den, auch nicht das viele Flüchtlingskinder bere­its im Mit­telmeer ertrunk­en sind.
Zunehmende Radikalisierung
Mit der immer wieder beton­ten „Fried­fer­tigkeit“ und „Gewalt­losigkeit“ seit­ens des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ hat dies nur noch wenig zu tun. Im Gegen­teil eine schle­ichende Radikalisierung wird immer deut­lich­er erkennbar, vor allem in der ver­balen Artiku­la­tion im Inter­net als auch auf den Ver­anstal­tun­gen. Ins­beson­dere let­ztere wirken durch die von der Ver­samm­lungsleitung sehr inten­siv gepflegten Feind­bilder von mal zu mal aggres­siv­er. Eine Eskala­tion der Ereignisse in naher Zukun­ft scheint dabei bewusst beab­sichtigt. Dies­bezüglich eben­falls beden­klich scheint auch das seit Dezem­ber 2015 aktive „Bürg­er­bünd­nis Deutsch­land“ zu sein, ein Net­zw­erk das maßge­blich auf Ini­tia­tive des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ gebildet wurde und in dem auch Organ­i­sa­tio­nen mit ein­be­zo­gen sind, die mit dem mil­i­tan­ten Neon­az­im­i­lieu oder ver­bote­nen Vere­ini­gun­gen ver­woben sind.

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Sonstiges

Rathenow: Dem deutschen Mob entgegentreten — Antirassistische Strukturen stärken

Tick­er für den 12.Januar: http://twitter.com/Ticker_rthnw
In ver­schiede­nen Städten Bran­den­burgs tre­f­fen sich, mitunter wöchentlich, ras­sis­tis­che Bürger_innen und Neon­azis um u.a. gegen Geflüchtete zu het­zen. Städte wie Nauen kön­nen get­rost als “Nation­al befre­ite Zone” beze­ich­net werden.
plakatIn Rathenow demon­stri­eren seit Monat­en bis zu 800 deutsche Deutsche, Neon­azis, ras­sis­tis­che Bürger_innen und “besorgte” Anwohner_innen gegen ver­meintlichen Asylmiss­brauch, “Mul­ti­kul­ti”, Migrant_innen und für eine Rückbesin­nung auf das “eigene Volk”. Längst ist Rathenow zum aktuellen Bren­npunkt ras­sis­tis­ch­er Mobil­isierun­gen in Bran­den­burg gewor­den. Grund genug zu inter­ve­nieren und lokale pro­gres­sive Akteure zu unterstützen.
Das „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ und seine Neonazis 
Wie üblich ver­sucht sich auch das Rathenow­er „Bürg­er­bünd­nis“ an einem ser­iösen Auftreten. Seit Beginn der Demon­stra­tio­nen waren und sind jedoch immer wieder bekan­nte und zum Teil wegen mehrfach­er schw­er­er Gewalt­de­lik­te vorbe­strafte Neon­azis als Ordner_innen einge­set­zt, was der Anmelder, Nico Tews, fleißig zu leug­nen ver­sucht. Neben den Neon­azis und Rassist_innen, die diese Demon­stra­tion anmelden, finanzieren und organ­isieren, kom­men auch bis zu 100 Teil­nehmende aus diesem poli­tis­chen Spek­trum, ob nun Neon­azi-Bands (Preußen­stolzsänger Patrick Danz), NPD-Kad­er (Michel Müller) und diverse Grup­pierun­gen wie die „Freien Kräfte Neu­rup­pin /Osthavelland, „PEGIDA Havel­land“, „Der III. Weg“ oder DIE RECHTE.
Wir wis­sen nicht genau, was schlim­mer ist, die mas­sive Beteili­gung von Neon­azis oder die Tat­sache, dass der Großteil dieses offen­sichtlich recht­en Auf­marsches aus “ganz nor­malen Bürger_innen” besteht.
2015.11.24 Rathenow Zivilgesellschaft Kundgebung und Hassaufmarsch Buergerbuendnis (37)
Wach­s­tum­s­ten­den­zen
Schon jet­zt han­delt es sich hier­bei um den größten regelmäßig stat­tfind­en­den ras­sis­tis­chen Auf­marsch in Berlin und Bran­den­burg — Ten­denz steigend! Er strahlt weit über Rathenow hin­aus und mobil­isiert inzwis­chen auch über die Lan­des­gren­zen hin­aus regelmäßig Massen — vom Nazikad­er bis hin zum ganz “nor­malen Bürg­er”, während der Wider­stand bish­er von ver­hält­nis­mäßig weni­gen Schul­tern getra­gen wird. Aus dem Auf­marsch her­aus kommt es immer wieder zu Über­grif­f­en auf Jour­nal­is­ten und Antifaschist_innen und es ist nur eine Frage der Zeit bis diese Gewalt­bere­itschaft sich noch andere Bah­nen sucht.
Es dro­ht eine hege­mo­ni­ale Stel­lung des recht­en Mobs in der Region. Denn Fakt ist, um so länger organ­isierte Neon­azis und “besorgte Bürger_innen” eine gemein­same Wohlfüh­lver­anstal­tung haben, um so mehr Raum bietet sich ein­er per­ma­nen­ten Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung.
Bran­den­burg ist schon jet­zt hin­ter Sach­sen und Meck-Pomm, das Bun­des­land mit den meis­ten recht­en Gewaltdelikten.
Anti­ras­sis­tis­ch­er Widerstand
Wir möcht­en mit euch gemein­sam dieser unerträglichen Sit­u­a­tion vor Ort Ein­halt gebi­eten. Es gilt zu ver­hin­dern, dass säch­sis­che Zustände um sich greifen. Am 12. Jan­u­ar plant das „Bürg­er­bünd­nis“ wieder eine Demon­stra­tion durch Rathenow. Wir wollen die antifaschis­tis­chen und anti­ras­sis­tis­chen Struk­turen vor Ort in ihrem Han­deln bestärken. Unsere Sol­i­dar­ität soll eine prak­tis­che wer­den, um den Men­schen, die seit Monat­en regelmäßig eine Gegenkundge­bung abhal­ten, Mut zu geben und sie zu unterstützen.
Es ist längst über­fäl­lig dem deutschen Mob ent­ge­gen­zutreten — In Rathenow und anderswo!
Demon­stra­tion am 12. Jan­u­ar 2016 um 17.45 Uhr vom Bahn­hof Rathenow
Zugtr­e­ff­punkt Berlin: 15.50 Uhr HBF
Zugtr­e­ff­punkt Pots­dam: 16.20 Uhr HBF
Zugtr­e­ff­punkt Bran­den­burg Hav­el: 16.50 Uhr HBF
Plakat: Hier herun­ter­laden.
Fly­er: Hier herun­ter­laden.
Weit­ere Bilder: Press­eser­vice Rathenow

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Antifaschismus

Neuruppin: Urteile gegen NPD Schläger

2015.08.29 Wittstock NPD Kundgebung
Kön­nen sie jet­zt ein­pack­en? Verurteilte NPD Funk­tionäre Dave Trick und Pierre B., am 29. August 2015 während ein­er Parteiver­anstal­tung in Wittstock/Dosse

Das Amts­gericht Neu­rup­pin verurteilte heute zwei Funk­tionäre der NPD zu mehrmonati­gen Frei­heitsstrafen, die allerd­ings zur Bewährung aus­ge­set­zt wur­den. Den Angeklagten Dave Trick und Pierre B. wurde vorge­wor­fen am 19. Mai 2014 einen Wahlhelfer der Linkspartei angrif­f­en zu haben. Der Betrof­fene wurde damals zu Boden gewor­fen und mit Schlä­gen mal­trätiert. Wenige Tage später wurde Dave Trick als Kan­di­dat der NPD in die Stadtverord­neten­ver­samm­lung von Neu­rup­pin gewählt. Dieses Man­dat hat der 28 Jährige bis heute inne. Pierre B. trat in der Ver­gan­gen­heit mehrfach als Anmelder von neon­azis­tis­chen Ver­samm­lun­gen sowie als Red­ner auf der­ar­ti­gen Ver­anstal­tun­gen in Erschei­n­ung. Im Jahr 2010 war er zudem Ersatzdelegiert­er für den Lan­desparteitag der NPD.
Physis­ch­er Kommunalwahlkampf
Stolzer NPD Mann Dave Trick, hier während einer Parteiveranstaltung am 19. April 2014 in Gransee (Landkreis Oberhavel)
Stolz­er NPD Mann Dave Trick, hier während ein­er Parteiver­anstal­tung am 19. April 2014 in Gransee (Land­kreis Oberhavel)

Zur Tatzeit waren bei­de Angeklagte ger­ade damit beschäftigt abge­hängte Wahlplakate der NPD in der Bech­lin­er Chaussee wieder aufzuhän­gen, als der betrof­fene Zeuge zufäl­lig mit dem Fahrrad vor­beifahren wollte. Der später Geschädigte war als Wahlhelfer der Partei DIE.LINKE unter­wegs und verteilte deren Wer­bezeitun­gen. Als der Betrof­fene die bei­den Neon­azis passieren wollte, soll ihn der Angeklagte Dave Trick zunächst vom Fahrrad gestoßen haben. Anschließend soll sich der NPD Mann auf sein Opfer her­aufge­set­zt und es zusät­zlich geschla­gen haben. Der Mitangeklagte Pierre B. soll zudem auf den Kopf des Betrof­fe­nen einge­treten haben. Wenig glaub­haft war hinge­gen die bere­its im Vor­feld des Prozess­es von der NPD the­ma­tisierte Schutzbe­haup­tung, dass bei­de Angeklagten zuvor von dem Linken bespuckt und belei­digt wurden.
Schuld erwiesen
Pierre B. als Redner während einer NPD Versammlung am 29. August 2015 in Wusterhausen/Dosse
Pierre B. als Red­ner während ein­er NPD Ver­samm­lung am 29. August 2015 in Wusterhausen/Dosse

Nach einem äußerst lang­wieri­gen Prozess war das Gericht allerd­ings von der Täter­schaft der bei­den Angeklagten überzeugt. Es verurteilte­Dave Trick wegen Kör­per­ver­let­zung und Belei­di­gung zu ein­er Frei­heitsstrafe von sieben Monat­en, aus­ge­set­zt zu drei Jahren auf Bewährung sowie zur Zahlung ein­er Geld­strafe von 500,00 €. Der in Nauen (Land­kreis Havel­land) wohn­hafte Pierre B. wurde wegen Kör­per­ver­let­zung zu acht Monat­en auf Bewährung und eben­falls zur Zahlung ein­er Geld­strafe von 500,00 € verurteilt. Bei B. kam strafver­schär­fend dazu, dass er bere­its strafrechtlich in Erschei­n­ung trat. Am 11. Dezem­ber 2008 soll er Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte geleis­tet und 2011 eine Straftat vor­getäuscht haben. Bei­de Delik­te zogen Geld­strafen nachsich.
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Antifaschismus Flucht & Migration

»Which side are you on?«


Wir sind keine Gruppe von erfahre­nen Anti­ra- Aktivist*innen, son­dern trafen uns vor Kurzem im Zuge der »Willkom­mense­uphorie« und merk­ten schnell, dass uns vor lauter »Helfen« die poli­tis­chen Entwick­lun­gen über­roll­ten. Uns wurde klar, dass ohne eine poli­tis­che Debat­te mögliche Analy­sen und Per­spek­tiv­en fehlten. Die brauch(t)en wir aber, da wir plöt­zlich Arbeit­en und Auf­gaben erledigten, die wir mit einem linksradikalen Selb­stver­ständ­nis nicht vere­in­baren konnten.
Deswe­gen luden wir zu einem Kongress ein. Wir woll­ten disku­tieren. Und das vor allem mit den Migrant*innen sel­ber. Wir woll­ten dieser über­he­blichen Per­spek­tive des »Wir helfen euch Armen« ent­fliehen und die ver­gan­genen wie die aktuellen Kämpfe von Migrant*innen, aber auch unsere eige­nen, in den Mit­telpunkt rück­en und nach den Verbindun­gen dazwis­chen fragen.
Let­ztlich waren über den Tag verteilt 100 teils organ­isierte Leute aus Berlin und Bran­den­burg anwe­send. Der Anteil von Migran­tInnen war für unseren Erfahrung­shor­i­zont recht hoch. Inhaltlich bere­it­eten wir The­sen und Work­shops vor, die in zwei Blöck­en über den Tag hin­weg par­al­lel liefen.
Ein­stiegs­the­sen beim Kongress
1. Die Lagerver­wal­tung der „Refugees“ hat zwei Ziele: Selb­st­bes­timmte Mobil­ität von Migrant*innen zu unterbinden, um sie effizient zu reg­istri­eren und zu kat­e­gorisieren. Gle­ichzeit­ig wer­den sie in einen Sta­tus gezwun­gen (Dul­dung), in dem sie selb­st mobil und flex­i­bel jede Arbeit annehmen müssen. Gelingt ihnen das nicht und es fall­en staatliche Kosten an, dro­ht Abschiebung.
2. Vor 25 Jahren gab es bere­its eine Ver­schär­fung der Asylge­set­ze in Deutsch­land. Die dort erprobten Maß­nah­men wur­den 10 Jahre später mit den Hartz-Geset­zen in der Bre­ite umge­set­zt. Was für die dama­li­gen Asylbewerber*innen an Lebens – Arbeits­be­din­gun­gen galt, sollte später für weite Teile der »unteren Beruf­s­grup­pen« (auch viele radikale Linke) gelten.
3. Wed­er gegen die Asyl­recht­sein­schränkun­gen noch gegen die Hartz-Geset­ze gab es erfol­gre­ichen Wider­stand, denn soziale oder beru­fliche Grup­pen kämpften poli­tisch isoliert voneinan­der: Student*innen gegen die Bedin­gun­gen an der Uni, Hausbesetzer*innen in ihren Immo­bilien, die Erzieher*innen & Lehrer*innen in Schule und Kita, die Industriearbeiter*innen in den Fab­riken, die von Hartz IV Drangsalierten mon­tags auf der Straße, der Einzel­han­del im Super­markt, die Bahner*innen auf dem Bahn­hof und die Migrant*innen gegen Res­i­den­zpflicht, Sachgutscheine, Lager­hal­tung und Abschiebungen.
4. Die aktuelle Sit­u­a­tion stellt uns vor eine ähn­liche Entwick­lung mit dem Unter­schied, dass wir es nicht mit bun­des­deutschen, son­dern mit weltweit­en Ver­schär­fun­gen der Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen zu tun haben.
5. Wir müssen aus den let­zten 25 Jahren viel ler­nen. Zwei Dinge ganz beson­ders: Dieser Staat ken­nt nur die kap­i­tal­is­tis­che Logik. Diese zeigt sich über­all: In Waf­fen­ex­porten, Kriegen, unternehmerisch­er Lagerver­wal­tung von Migrant*innen, in den Refor­men des Bil­dungswe­sens und des Arbeits­mark­tes, … Wir müssen uns klar von dieser Logik der Ver­wal­tung und Inwert­set­zung dis­tanzieren. Wir kön­nen nicht als Verwalter*innen für diesen Staat auftreten. Wir kön­nen uns nur auf Augen­höhe begeg­nen, die zunehmende Ver­schlechterung der Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen in den Mit­telpunkt rück­en und wieder gemein­sam kämpfen.
Work­shops
1. »Expe­ri­ences in self-orga­ni­za­tion in Syrian/Kurdistan«
Die »Refugees« sind keine Opfer. Sie sind Sub­jek­te ihrer Geschichte. Die Anschläge in Paris zeigen die Ausweitung des »War on ter­ror« vom Süden in den Nor­den. Lasst uns aus Syrien ler­nen, wie sich in solchen Zeit­en poli­tisch organ­isieren lässt.
2. »Expe­ri­ences in break­ing through the croa­t­ian border«
Die Erfahrun­gen in Pots­dam zeigen, wie schnell wir in staatliche Struk­turen gezo­gen wer­den. Eine anti­s­taatliche Organ­isierung ist nötig. Die Unter­stützung an der kroat­is­chen Gren­ze set­zte sich expliz­it über staatliche Poli­tik hin­weg. Aber hat diese Art von Poli­tik ein Perspektive?
3. »Migrant House occu­pa­tions — a sub­ver­sive answer or institutionalization?«
Haus­be­set­zun­gen eröff­nen meist autonome Räume. Erfahrun­gen aus Ital­ien zeigen jedoch, dass angesichts mas­siv­er Woh­nungsnot diese Räume nicht per se unab­hängig bleiben.
4. »‘Indus­try of wel­fare’ of DRK, Car­i­tas, AWO and Co.«
Viele Leute ver­suchen poli­tis­che Arbeit mit und für »Geflüchtete« zu leis­ten. Prob­lema­tisch ist, dass sie meist gefan­gen sind zwis­chen dem Zwang Geld zu ver­di­enen und der kom­merziellen Ver­wal­tung von »Geflüchteten«. Die poli­tis­che Hand­lungs­fähigkeit in solchen Struk­turen ist stark begren­zt, nicht wenige ver­aus­gaben sich und vereinzeln.
5. »Admin­is­tra­tion of con­cur­rence — ‘Life’ & Work between ‘Dul­dung’ & Deportation«
Lohnar­beit ist für »Geflüchtete« die einzige Chance dem Dul­dungssta­tus zu entkom­men. Andern­falls dro­ht ihnen die Abschiebung. Zu welchen Arbeits­be­din­gun­gen lassen sich die Leute aus­beuten und was hat dies mit den Arbeitsver­hält­nis­sen all­ge­mein zu tun?
6. Inter­re­gion­al Mobi­liza­tion in the Lager
Abschließend stellt sich die fol­gende Frage: Wie lässt sich mit ver­streuten, mehr oder min­der organ­isierten Grup­pen gemein­sam poli­tisch han­deln? Die Lagerver­wal­tung ist ein über­re­gionaler Mech­a­nis­mus, dem wir nur über­re­gion­al begeg­nen können.
Zusam­men­fas­sung des Feed­backs zum Kongress
Der DIY Charak­ter des Kon­gress­es sollte eine Ansage sein. Wir woll­ten ohne Anträge bei irgendwelchen Stiftun­gen auskom­men und auch ver­mei­den, dass wir uns finanziell ein riesiges Gerüst auf­bauen, was uns dann zu bes­timmten For­men zwin­gen kann. Wir woll­ten sagen: »Hey jede*r kann so einen Kongress ins Leben rufen!«
DIY war aber auch eine Notlö­sung. Die Vor­bere­itungs­gruppe blieb sehr klein und die Pots­damer Szene kon­nte trotz ihrer großen Aktiv­ität inner­halb der »Willkom­mense­uphorie« wed­er in die Vor­bere­itung ein­be­zo­gen noch zur Teil­nahme bewegt wer­den. Dies hat zwei Gründe. Die aktiv­en Leute sind mit Arbeit und Ver­ant­wor­tung über­schüt­tet und find­en keine Zeit für eine poli­tis­che Auseinan­der­set­zung. Und unsere Idee die poli­tis­chen Küchen­tis­che zu mobil­isieren, war eine Illu­sion. Wir verzichteten bewusst auf Ein­ladungs­bünd­nisse, die in unseren Augen nur Mar­ket­ing- oder Lip­pen­beken­nt­nisse sind, son­dern sprachen gezielt Wohnge­mein­schaften an. Wir erhoff(t)en uns eine Debat­te unter kri­tis­chen Men­schen und nicht unter Politiker*innen.
Die Über­set­zung während des Kon­gress­es war für uns die größte Her­aus­forderung und hat nur teil­weise geklappt. Wichtig war mehrsprachig einzu­laden und Englisch als Haupt­sprache zu nutzen. Da ger­ade die älteren Brandenburger*innen, zum Teil aber auch Migrant*innen (die die ganze Zeit drangsaliert wer­den Deutsch zu ler­nen) dies nicht gewohnt sind, mussten wir spon­tan auch andere Lösun­gen find­en. Zwei Dinge haben wir dabei gel­ernt: 1. Eine gut vor­bere­it­ete Mod­er­a­tion ist wichtig, die nicht nur einen Blick für den Inhalt, son­dern vor allem für die Leute in der Runde hat. 2. Alle Men­schen soll­ten sich über ihre (nicht) vorhan­de­nen Sprachken­nt­nisse bewusst sein und im Zweifels­fall Freund*innen mit­brin­gen, die mit­tels »stiller« Über­set­zun­gen in Diskus­sio­nen und Work­shops aushelfen können.
Beim Kongress ist sehr deut­lich gewor­den, dass es ein Bedürf­nis zu disku­tieren gibt. Wir waren über­rascht, wie viele Leute bere­its am Sam­stag Mor­gen teil­nah­men. Die Inhalte der Work­shops stießen auf pos­i­tive Res­o­nanz, wobei die ein­gangs gestell­ten The­sen nur teil­weise inhaltlich bear­beit­et wur­den. Dies hat vor­rangig mit dem »Kom­men und Gehen« über den Tag hin­weg zu tun und führte let­ztlich auch zu ein­er Über­forderung im Abschlussplenum. Teil­weise wurde beklagt, dass wir nicht zielo­ri­en­tiert auf­trat­en, son­dern das Tre­f­fen offen for­mulierten. Wir woll­ten keinen großen Kongress mit Per­spek­tive anbi­eten, son­dern einen »Stich ins Wespennest« wagen. Rück­blick­end hät­ten wir es inhaltlich nicht so bre­it fäch­ern müssen. Deswe­gen spitzen wir nun die uns wichti­gen Punk­te zu. Denn es gibt Redebe­darf, es gibt ähn­liche Kon­gresse und es gibt poli­tis­che Entwick­lun­gen, die wir nicht hin­nehmen werden!
Weit­er im Stoff – die »eigene Rolle« hinterfragen
Lager abschaf­fen!
Aus­gangspunkt unser­er Zweifel und Fra­gen waren die spez­i­fis­che Erfahrung und die Beobach­tun­gen, welche wir an unter­schiedlichen Stellen in Pots­dam machen mussten. Hier zeigte sich zuerst inner­halb der haupt­säch­lich von der linken Szene in weni­gen Tagen aufge­baut­en Außen­stelle der Erstauf­nahme, wie schnell wir in staatliche Struk­turen gezo­gen wer­den und uns plöt­zlich in der Rolle der Knas­tauf­se­her wiederfind­en. Kurz darauf bescherte uns die Diskus­sion um die Errich­tung von Leicht­bauhallen auf dem Gelände des alter­na­tiv­en Kul­turzen­trums frei­Land die bit­tere Erken­nt­nis, dass die Stadtver­wal­tung bewusst dieses Gelände gewählt hat, in der nicht unbe­grün­de­ten Hoff­nung, dass sich die dor­ti­gen Aktiv­en als dankenswerte Steigbügelhalter_innen eines repres­siv­en Asyl­sys­tems erweisen wer­den. Ähn­liche Fälle der Unter­bringung in unmit­tel­bar­er Nähe zu linken Zen­tren wur­den auch aus anderen Städten berichtet.
Von Lagern außer­halb Deutsch­lands ver­mit­telte der Work­shop zu Erfahrun­gen an der kroat­is­chen Gren­ze einen Ein­druck. Was als anti­s­taatliche, gren­züber­windende Aktion begann, wurde schnell von soge­nan­nten Sachzwän­gen bes­timmt. Statt poli­tisch frei agieren zu kön­nen, wurde man immer wieder auf eine rein ver­sor­gende Unter­stützung zurück­ge­wor­fen. Zudem ließ sich in den drei vor Ort besucht­en Lagern fol­gen­des Dilem­ma for­mulieren: Während es auf der einen Seite Lager gibt (bspw. Presova/Slowakei), in dem eine chao­tis­che Lage und schlechte hygien­is­che Sit­u­a­tion herrscht, aber die Migrant*innen eine mehr oder weniger uneingeschränk­te Bewe­gungs­frei­heit haben, existieren auf der anderen Seite Lager (bspw. Dobova/Slowenien), in denen eine erstk­las­sige (auch human­itäre) Infra­struk­tur und grundle­gende Ver­sorgung sich­er gestellt ist. Allerd­ings ist dieses Lager kom­plett mil­i­tarisiert und abgeriegelt. Es gibt keine selb­st­bes­timmte Bewe­gungs- und Handlungsfreiheit.
Unab­hängig von den jew­eili­gen Bedin­gun­gen in Lagern und Heimen erweist sich eine poli­tis­che Mobil­isierung in diesen Struk­turen als kaum durch­führbar. Im Work­shop zur inter­re­gionalen Lager­mo­bil­isierung wur­den dies­bezüglich kon­tinuier­liche Anstren­gun­gen und Mis­ser­folge der let­zten Jahre geschildert. Als beson­dere Hin­dernisse wur­den die oft schw­er erre­ich­bare geografis­che Lage, die Zugangsver­weigerung durch die jew­eili­gen Betreiber, die starke Fluk­tu­a­tion der Bewohner*innen sowie deren prekäre Leben­sum­stände benannt.
Als nahe­liegende Alter­na­tive zur Schaf­fung von freiem, kollek­tivem Wohn­raum gab/gibt es in Pots­dam die Idee leer ste­hende Objek­te ein­er sin­nvollen Nutzung zuzuführen. Dafür wollen wir an bere­its gemachte Erfahrun­gen anknüpfen.
Häuser beset­zen!
Nicht nur in Ital­ien und Frankre­ich wer­den seit Jahren wieder Häuser beset­zt, auch in der BRD gibt es wieder Beset­zun­gen. Die Moti­va­tion hier­für ist jedoch sehr unter­schiedlich. Der Nen­ner scheint die Migra­tion zu sein. Uns war es wichtig, aus der jün­geren Ver­gan­gen­heit zu ler­nen, das »Rad nicht neu zu erfind­en« und vor allem nicht bere­its began­gene Fehler zu kopieren. Hier­für haben wir Erfahrun­gen von ital­ienis­chen Haus­be­set­zun­gen gesam­melt und Leute von der Beset­zung in der Ohlauer Straße (Berlin) eingeladen.
Die ital­ienis­chen Erfahrun­gen lassen sich in drei Strän­gen fassen. 1. Die alten beset­zten Struk­turen sind über­fordert oder existieren nicht mehr. Migrant*innen nutzen seit Jahren die Räum­lichkeit­en, pri­vatisieren diese aber gle­ichzeit­ig. 2. Neue Beset­zun­gen wer­den meist von Linken ini­ti­iert und dann für die Migrant*innen geöffnet. Meist geht es hier um die Legalen, die in Ital­ien den kleineren Anteil unter den Migrant*innen aus­machen. Die Häuser sind offiziell beset­zt, wer­den geduldet und ital­ienis­che Vere­ine übernehmen dann im Ein­klang mit dem Staat/der Stadt die »Ver­wal­tung« der Leute. Das heißt, es gibt Geld vom Staat für die Inte­gra­tion der Asyl­suchen­den. Dies aber nur über den Umweg ital­ienis­ch­er Träger. Diesen Job übernehmen meist die Besetzer*innen, also Sprachkurse, Recht­shil­fe, Beratung, etc. Hier­bei kommt es auch zu Über­schnei­dun­gen mit der Mafia, die eben­falls daran ver­di­ent. 3. Es gibt Armuts­be­set­zun­gen, die oft mit erst kür­zlich ver­armten Italiener*innen, denen nichts anders übrig bleibt, gemein­sam stat­tfind­en, wobei es wed­er eine kollek­tive noch eine wirk­liche poli­tis­che Per­spek­tive gibt. Die Häuser sind oft gut ver­wal­tet und wer­den von staatlicher/städtischer Seite geduldet.
Die Schulbe­set­zung in der Ohlauer Straße in Berlin ist drei Jahr her. Im Zuge des Protest­camps auf dem Oranien­platz wurde auf­grund der Wet­ter­lage eine leer­ste­hende Schule beset­zt. Es wurde ein festes Gebäude zum Schlafen gebraucht. Die Schule wurde beset­zt, der Bürg­er­meis­ter wurde angerufen und mit dem Käl­teschutz-Argu­ment kon­fron­tiert. Das hat funk­tion­iert. Es war eine Dop­pelbe­set­zung. Der Haupt­teil der Schule war als Unterkun­ft gedacht, ein kleiner­er Teil, ein Pavil­lon als poli­tis­ch­er Aktion­sraum. Die Idee ist jedoch nicht aufge­gan­gen, da plöt­zlich über 300 woh­nungslose Men­schen meist in Fam­i­lien­zusam­men­schlüssen kamen, die keinen Beitrag zum vorheri­gen (oder nach­fol­gen­den) poli­tis­chen Kampf leis­teten. Das hat alle kom­plett überfordert.
Die Beset­zung war keine rechtliche, son­dern eine poli­tis­che Frage. Ein Jahr lang wollte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Regeln bes­tim­men und ein­führen. Gle­ichzeit­ig hat der Bezirk auf Zus­pitzung und Eskala­tion geset­zt. Das hat funk­tion­iert, es kam zwangsläu­fig zu Stre­it und einem Toten. Im Zuge dessen gab es mehr Secu­ri­ty auf dem Gelände, die die Leute voneinan­der isolierten, vor allem die Aktivist*innen mit deutschem Pass von denen ohne.
Es sollte ein Haus geöffnet und poli­tis­che Grup­pen ein­ge­laden wer­den. Das hat nicht funk­tion­iert. Denn schnell war der Großteil des Haus­es eine Notun­terkun­ft, in der die indi­vidu­ellen Prob­leme der Leute wichtiger waren als die poli­tis­che Dimen­sion, in der sie entste­hen. Let­ztlich haben die Aktivist*innen mit und ohne Migra­tionser­fahrung sehr darunter gelit­ten, weil sie in eine Sit­u­a­tion rutscht­en, die sie nicht mehr unter Kon­trolle hat­ten, aber auch nicht ein­fach aufgeben kon­nten. Ein ähn­lich­es Beispiel des Aus­geliefert­seins an schein­bare Sachzwänge wurde aus Frankre­ich berichtet, wo die Besetzer*innen eines Haus­es, das als Frauen­schutzraum gedacht war, sich let­ztlich unfrei­willig als 24/7‑Einlasskontrolleur*innen wieder­fan­den. Faz­it: Es muss sofort von Anfang an um poli­tis­che Stan­dards gehen. Ein auss­chließlich human­itär­er Anspruch reicht nicht aus! Denn wohin augen­schein­lich »human­itäre« Arbeit ohne poli­tis­chen Anspruch führt, zeigt uns in makabr­er Art und Weise die »Wohlfahrtsin­dus­trie«, die sich derzeit ganz beson­ders an der Ver­wal­tung von Migrant*innen labt.
»Wohlfahrtsin­dus­trie«? Ohne uns!
»Refugees« sind momen­tan ein großes Geschäft: Mil­liar­den Euro fließen in Unter­bringung, Ver­sorgung, Gebäud­ere­ini­gung, Sicher­heits­di­en­ste, Baugewerbe, Ver­wal­tung, Bullen, Aufrüs­tung, Sprachkurse, “Staats-Antifa”, Lehrer*innen, Erzieher*innen, etc.
Viele prof­i­tieren mas­siv von der soge­nan­nten »Flüchtlingskrise«. Viele, nur nicht die Betrof­fe­nen selb­st. Zu den Prof­i­teuren gehören als gemein­nützig eingestufte und pri­vate Träger von »Flüchtlings«unterkünften, z.B. das Diakonis­che Werk, die Arbeit­er­wohlfahrt, die Car­i­tas, das Deutsche Rote Kreuz und andere. Es ist wichtig zu erken­nen, dass es sich hier­bei um Unternehmen han­delt, deren Umsätze in Mil­lio­nen gerech­net wer­den. Jedes einzelne funk­tion­iert mit Hun­dert­tausenden Haup­tamtlichen sowie der Unter­stützung von min­destens eben­so vie­len (meis­tens jedoch mehr) Ehre­namtlichen. Ins­ge­samt arbeit­en für Car­i­tas und Diakonie zusam­men, cir­ca 1 Mil­lion Men­schen. Damit sind sie, nach dem Staat, der zweit­größte Arbeit­ge­ber in Deutsch­land. Dabei schla­gen diese Unternehmen nicht nur aus Frei­willi­gen und Angestell­ten Prof­it, son­dern auch aus den Men­schen, die sie »betreuen«. Solche Ver­bände stellen sich gern als »Wohltäter_innen« dar. Beson­ders aktuell ver­suchen sie als »soziale Versorger_innen« von Migrant_innen zu punkten.
In Bund und Län­dern wer­den derzeit Haushalte über­ar­beit­et, um Geld für die »Bewäl­ti­gung« der soge­nan­nten »Krise« bere­itzustellen. Das Geld wan­dert dann – zumeist über Pauschalen – vom Bund über die Län­der und Kreise zu den Kom­munen. Ver­ant­wortlichkeit­en und Gelder wer­den hin- und hergeschoben bis zur absoluten und schein­bar forcierten Undurch­sichtigkeit. Auch bei der Ver­gabe von öffentlichen Aufträ­gen wird mit­tler­weile auf Auss­chrei­bungs­stan­dards verzichtet. Ein Schelm, wer Vet­tern­wirtschaft unterstellt.
Abge­se­hen von den nur schw­er nachvol­lziehbaren Geld­strö­men fungieren Träger von »Flüchtlings«unterkünften schlicht als ver­längert­er Arm des Staates. Sie erfüllen einen staatlichen Auf­trag, d.h. Lager­hal­tung, Kon­trolle, Repres­sion und Ermöglichung von Abschiebung. Es ist eine Irrtum zu glauben, ein men­schlicher­er Umgang mit den »Geflüchteten« würde daran etwas ändern. Kein*e noch so nette*r Sozialarbeiter*in kann die fehlende Bewe­gungs­frei­heit wett machen oder die Tat­sache kom­pen­sieren, dass Men­schen, die in Deutsch­land als »Geflüchtete« gela­belt wer­den, kaum Rechte haben. Selb­st wenn Men­schen hier im Heim ein paar angenehme Monate haben soll­ten, in Zeit­en von Massen­ab­schiebun­gen ist das nicht von Bedeutung.
Polemisch gesprochen spie­len kom­fort­able Gemein­schaft­sun­terkün­fte mit engagiertem Per­son­al eine noch per­fidere Rolle, denn sie ver­hin­dern im Zweifels­fall, dass sich die Betrof­fe­nen ihrer Ent­mach­tung und Inhaftierung gewahr wer­den und die Kurve kratzen.
Nun ste­hen wir vor ein­er Sit­u­a­tion, in der viele Men­schen, die sich eigentlich linken und linksradikalen Posi­tio­nen verpflichtet fühlen, begin­nen für solche Träger der Wohlfahrtsin­dus­trie zu arbeit­en, in dem Irrglauben, sie täten etwas Gutes.
In diesen Struk­turen ökonomisch abhängig zu arbeit­en, führt zu ein­er krassen Reduk­tion indi­vidu­eller und kollek­tiv­er Handlungsfähigkeit.Ein gle­ich­berechtigtes sol­i­darisches Ver­hält­niss­es der »Betreu­ungsper­son« zu den »zu betreuen­den« Men­schen, in diesem Fall Migrant*innen, ist, struk­turell bed­ingt, nicht möglich.
Neben den ökonomis­chen Vorteilen, welche die staatliche Struk­tur aus den Net­zw­erken von Ehre­namtlichen oder schlecht bezahlten, aber engagierten Angestell­ten zieht, gibt es auch ein großes Inter­esse an dem Wis­sen, das in linken Net­zw­erken und Sup­port­grup­pen vorhan­den ist.
Indem der Staat ehe­mals außer­staatliche oder gar anti­s­taatliche Struk­turen bezuschusst, zum Beispiel durch Pro­jek­t­fonds, und in die regionalen Ver­wal­tungs- oder Bil­dung­spro­gramme ein­bindet, erhält er aus erster Hand Ein­blicke in bes­timmte Zusam­men­hänge, die ihm son­st ver­wehrt bleiben wür­den. Mit der »Staats-Antifa« Ini­tia­tive um das Jahr 2000 wur­den autonome Antifa-Struk­turen ange­grif­f­en und nach­haltig geschwächt. 15 Jahre später haben wir es mit der Neuau­flage dieses Prinzips, sprich mit ein­er »Staats-Antira«-Offensive zu tun.
Die Bild-Zeitung titelt »Refugees Wel­come«, während über Nacht sämtliche Errun­gen­schaften der selb­stor­gan­isierten Kämpfe von Migrant*innen zunichte gemacht wer­den und das repres­sivste Asylge­setz in der Geschichte der BRD ver­ab­schiedet wird. Hun­dert­tausende Frei­willige übernehmen die Erstver­sorgung der Neuank­om­menden und ers­paren den lokalen Behör­den jede Menge Kosten, während die Men­schen von nun an nur entsprechend wirtschaftlich­er Ver­w­ert­barkeit sortiert wer­den sollen. Die Rolle der Sozialarbeiter*innen in diesem Kon­text ist wieder ein­mal Befrieden und Verwertbarmachen.
In der Kon­se­quenz kann die Zielvorstel­lung nur laut­en: Heime und Lager abschaf­fen, Gren­zen öff­nen, Bewe­gungs­frei­heit für alle.
Genau das sind die Forderun­gen, die seit Jahrzehn­ten von selb­stor­gan­isierten Migrant*innengruppen for­muliert wer­den und im gesellschaftlichen Diskurs all­ge­mein, aber auch in inner­linken Debat­ten unge­hört unterge­hen. Viele von uns haben wed­er Ken­nt­nisse über die Selb­stor­gan­i­sa­tion­sstruk­turen noch Kon­tak­te zu Migrant*innen(-gruppen). Demzu­folge muss der erste Schritt auf dem Weg zu einem gemein­samen, sol­i­darischen Agieren jet­zt erst ein­mal die Auseinan­der­set­zung mit den bish­eri­gen migrantis­chen Kämpfen sowie den existieren­den Grup­pen sein.
Wenn sich linke Men­schen trotz­dem entschei­den, in die geschilderte Ver­wal­tungsin­dus­trie einzusteigen, müssen sie sich sowohl der Ver­w­er­tung ihrer Arbeit­skraft und ihres Wis­sens, als auch der möglichen Kon­se­quen­zen für ihre poli­tis­chen Aktiv­itäten bewusst sein. Sozialar­beit ist meis­tens Lohnar­beit zu extrem schlecht­en Bedin­gun­gen, die wiederum zu mis­er­ablen Kon­di­tio­nen in der jew­eili­gen Ein­rich­tung führen. Aus diesem Teufel­skreis kön­nen wir nur aus­brechen, indem die gesamte Logik der staatlichen Flüchtlingsver­wal­tung – und dazu gehört auch die entsprechende Lohnarbeit/Verwertbarmachung des Men­schen – in Frage gestellt wird.
Arbeit ver­weigern!
Hier­bei kom­men wir nicht an der Frage vor­bei: Wie ver­di­ene ich meine Brötchen?
In Vor­bere­itung zu einem Work­shop haben wir Men­schen mit und ohne deutschen Pass zu ihren Möglichkeit­en Geld zu ver­di­enen inter­viewt. Für uns war die These zen­tral: Die Lagerver­wal­tung der »Refugees« hat zwei Ziele: Selb­st­bes­timmte Mobil­ität zu unterbinden, um sie effizient zu reg­istri­eren und zu kat­e­gorisieren. Gle­ichzeit­ig wer­den sie in einen Sta­tus gezwun­gen (Dul­dung), in dem sie selb­st mobil und flex­i­bel jede Arbeit annehmen müssen. Gelingt ihnen das nicht und es fall­en staatliche Kosten an, dro­ht ihnen die Abschiebung.
Wir sprachen länger über das Wech­sel­spiel mit Arbeit­samt und Aus­län­der­be­hörde, welche Arbeitsver­tragszeit­en und Dul­dungszeit­en kop­peln. Teil­weise führt die Bürokratie zu zirkulären Wider­sprüchen, da die Leute ohne Arbeit keine Dul­dung und ohne Dul­dung keine Arbeit bekom­men. Das sind aber nur Ran­der­schei­n­un­gen, konkret geht es darum, dass die Leute alle Jobs annehmen müssen, und die Unternehmen sie jed­erzeit wieder loswer­den kön­nen. Anders als bei Deutschen, die dann ein­fach wieder zum Amt gehen (oft weil sie das Sys­tem auch bess­er ken­nen) sind die Migrant*innen durch ihren Dul­dungssta­tus zur Arbeit gezwun­gen. Ersche­inst du nicht auf Arbeit, wird die Dul­dung nicht verlängert.
Das ist aber nur die eine Seite. Über­raschend und neu waren für uns die Dimen­sio­nen der Ille­gal­ität. Sowohl bei der Reg­istrierung als auch bei der Job­suche. Das ist sicher­lich kein neues Phänomen, aber es drängt sich die Frage auf, die wir auch an uns sel­ber stellen kön­nen. In die Ille­gal­ität zu gehen bedeutet in die völ­lige Vere­inzelung unterzu­tauchen. Eine Tat­sache, die auch Linke, wenn auch auf ein­er anderen Ebene, ken­nen. Wie sollen vere­inzelte Leute kämpfen?
Die Antwort müsste laut­en: Indem sie über ihren All­t­ag über­haupt mal reden!
All­ge­mein glauben die betrof­fe­nen Men­schen, dass sie durch­hal­ten müssen, wenn nötig auch über Jahre, irgend­wann wird es bess­er. Die Deutschen denken dabei oft an Kar­ri­ereleit­ern, Migrant*innen ans schlichte Über­leben und das bedeutet Geld zu verdienen.
Doch dieser Durch­hal­tewil­le ist eine Selb­st­täuschung. Die derzeit­ige Poli­tik von EU und BRD ver­fol­gt keinen vorge­fer­tigten Plan und ist zugle­ich auch kein Ver­sagen gegenüber Krisen­er­schei­n­un­gen. Vielmehr zeigt sich eine Trans­for­ma­tion des poli­tisch-ökonomis­chen Sys­tems, zu der man sich nicht nicht ver­hal­ten kann. Die stat­tfind­en­den Verän­derun­gen drän­gen jede*n von uns zu ein­er klaren Posi­tion­ierung – »Neu­tral­ität« ausgeschlossen.
Es wäre ein guter Zeit­punkt mal wieder gemein­sam nach dem »Oben« und »Unten« zu fra­gen und (ger­ade als Linke) unser Ver­hält­nis zum Staat zu hinterfragen.
Eure Vor­bere­itungs­gruppe »M. Pit­sow« — Jan­u­ar 2016

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Naziaufmarsch in Beeskow verhindert

 
 
„Wir werten den heuti­gen Tag als großen Erfolg. Die Neon­azis kon­nten ihren Hass und ihre rechte Pro­pa­gan­da nicht wie geplant auf die Straße tra­gen“, so Christo­pher Voß, Sprech­er der Ini­tia­tive „Beeskow gegen Ras­sis­mus“. Ins­ge­samt haben sich über 200 Per­so­n­en an den Protesten gegen die ras­sis­tis­che Het­ze beteiligt. Die Teil­nehmenden bilde­ten ein Quer­schnitt der demokratis­chen Zivilge­sellschaft: Geflüchtete, Vertreter_innen von Gew­erkschaften, Kirchen, Parteien, Vere­inen und auch Einzelper­so­n­en aus der Stadtver­wal­tung, wie der Bürg­er­meis­ter Beeskows Frank Stef­fen, waren anwe­send. Zahlre­iche Redner_innen macht­en in ihren Beiträ­gen klar, dass Beeskow sich der Willkom­men­skul­tur für Geflüchtete verpflichtet fühlt. Die Nachricht, dass die Naziroute block­iert sei, wurde auf der Kundge­bung der Ini­tia­tive mit Jubel quittiert.
Die rund 50 Teil­nehmenden der extrem recht­en Ver­samm­lung, unter ihnen maßge­blich Anhänger_innen der Parteien „Der III. Weg“, „Die Rechte“, der „NPD“ und freien Kam­er­ad­schaften, reagierten aggres­siv auf die Block­ade ihrer angemelde­ten Route. So ver­sucht­en die teil­weise ver­mummten Recht­en, gewalt­sam zu den Gegendemonstrant_innen durchzu­drin­gen. Dies wurde von der Polizei vere­it­elt. Auf­grund der antifaschis­tis­chen Block­ade wurde die Ver­samm­lung der Neon­azis beendet.
Die Polizei löste die antifaschis­tis­che Block­ade anschließend auf und stellte die Per­son­alien aller Beteiligten fest. „Wir hal­ten die Fest­stel­lung der Per­son­alien für über­zo­gen. Zivil­er Unge­hor­sam ist ein legit­imes Mit­tel zur Vertei­di­gung ein­er demokratis­chen Gesellschaft“ so Christo­pher Voß.
Obwohl die Teilnehmer_innen der neon­azis­tis­chen Ver­samm­lung gewalt­tätig waren, wurde etwa 30 Per­so­n­en eine spon­tane Kundge­bung auf dem Mark­t­platz gewährt. „Ein Auf­marsch der Neon­azis fand heute nicht statt. Das ist der Ver­di­enst von engagierten Antifaschist_innen. Wir wer­den auch in Zukun­ft Ras­sis­mus und Neon­azis­mus die Stirn bieten. Wir ste­hen für ein offenes und vielfältiges Beeskow“, so weit­er Christo­pher Voß.

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Blockade verhindert Neonaziaufmarsch durch Beeskow

INFORIOT Der erste Auf­marsch im Jahr begann für die Neon­azis in Beeskow mit ein­er großen Pleite. Am let­zten Son­ntag block­ierten Antifaschist_innen die Neon­azidemon­stra­tion. Später hiel­ten sie eine kleinere Kundge­bung am Beeskow­er Mark­t­platz ab. Dabei kam es zu einem Über­griff auf einen Gegendemonstranten.

Blockade in Beeskow lässt Nazis nicht durch die Stadt. Bild: Presseservice Rathenow
Block­ade in Beeskow lässt Nazis nicht durch die Stadt. Bild: Press­eser­vice Rathenow

Brauner Schul­ter­schluss kommt nicht gegen Block­ade an
Unter dem Mot­to “Stopp den Asyl­wahn” hat­te die ras­sis­tis­che Face­book-Ini­tia­tive “Beeskow wehrt sich” für den 3. Jan­u­ar eine Demon­stra­tion durch die Kreis­stadt Beeskow (Oder-Spree) angekündigt. Dem Aufruf fol­gten Neon­azis der Kle­in­st­partei “Der Dritte Weg”, aber auch Vertreter_innen der NPD und der Partei “Die Rechte”. Kurz nach 15 Uhr sollte der Auf­marsch nach ein­er kleinen Ansprache des Anmelders und “Dritte Weg”-Kaders Michael Fis­ch­er vom Bahn­hof Beeskow starten. Dazu kam es jedoch nicht, denn knapp 50 Antifaschist_innen block­ierten in der Bahn­hof­sstraße die Route, die in die Innen­stadt führen sollte. Einige Meter weit­er hiel­ten außer­dem 30 Aktivist_innen vom Bünd­nis “Beeskow gegen Ras­sis­mus” eine Kundge­bung ab.
Der "III.Weg" auf der Auftaktkundgebung der Nazis. Bild: Presseservice Rathenow
Der “III.Weg” auf der Auf­tak­tkundge­bung der Nazis. Bild: Press­eser­vice Rathenow

Auf Grund der Block­ade lösten die Neon­azis ihre Ver­samm­lung nach etwa ein­er hal­ben Stunde am Beeskow­er Bahn­hof auf. Ein Großteil der Demon­stra­tion lief unkon­trol­liert und grölend zur antifaschis­tis­chen Block­ade in der Bahn­hof­sstraße. Es kam zu Pöbeleien. Die Polizei griff jedoch nicht ein. Die Neon­azis ver­sucht­en anschließend auf ver­schiede­nen Wegen in Rich­tung Mark­platz zu gelangen.
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Aggres­sive Kundge­bung auf dem Marktplatz
Gegen 16.30 Uhr hat­ten sich inzwis­chen etwa 30 der zuvor 50 Neon­azis zu ein­er spon­ta­nen Kundge­bung auf den Beeskow­er Mark­t­platz ver­sam­melt. Dort sprach die NPDlerin Manuela Kokott. Kokott nahm kein Blatt vor den Mund und het­zte nicht nur gegen Asyl­suchende, son­dern auch direkt gegen einige Gegendemonstrant_innen, die den Weg zum Mark­t­platz gefun­den hat­ten und ihren Unmut über die ras­sis­tis­chen Aus­fälle der Red­ner­in Kund tat­en. Über das Mikro­fon beschimpfte Kokott einen Gegen­demon­stran­ten und forderte ihn auf, doch “her zu kom­men”. Als sich dieser der Neon­azikundge­bung näherte, wurde er von Kokotts Lebens­ge­fährten Frank Odoy, eben­falls bei der NPD, erst geschubb­st und dann geschla­gen. Weit­ere Naziord­ner strömten in schnelleren Schritt auf den Gegen­demon­stran­ten zu. Die Polizei, die in Beeskow mit ein­er Hun­dertschaft im Ein­satz war, griff nur zöger­lich ein. Der Gegen­demon­strant wurde vom Platz geschickt.
Manuela Kokott auf der späteren Kundgebung auf den Marktplatz. Bild: Presseservice Rathenow
Manuela Kokott auf der späteren Kundge­bung auf den Mark­t­platz. Bild: Press­eser­vice Rathenow

Weit­ere Bilder: hier und hier.
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