Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Woidke,
sehr geehrter Herr stellvertretender Ministerpräsident Görke,
voraussichtlich am 17. Juni 2016 steht im Bundesrat die Zustimmung zum Gesetz über die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als «sichere Herkunftsstaaten» (Bundestagsdrucksache 18/8039) im Sinne des § 29a AsylG auf der Tagesordnung. Wir richten den dringenden Appell an Sie, mit den vier Stimmen des Landes Brandenburg der erneuten Ausweitung der Liste der «sicheren Herkunftsstaaten» die Zustimmung zu verweigern. Diese Einstufung eines Staates hat für Asylsuchende aus diesen Ländern gravierende Konsequenzen.
Ursprünglich sah das Konzept der «sicheren Herkunftsstaaten» lediglich vor, dass von vornherein angenommen wurde, dass Asylanträge von Personen aus diesen Staaten prinzipiell unbegründet seien und dass dies im Einzelfall von den Betroffenen widerlegt werden müsse. Diese Grundannahme führte in vielen Fällen dazu, dass Asylverfahren oft nach nur oberflächlicher Prüfung sehr schnell als «offensichtlich unbegründet» abgelehnt wurden.
Doch neben diesen gravierenden Einschränkungen im Asylrecht wurde auch das Aufenthaltsrecht in den letzten Monaten um viele weitere Vorschriften ergänzt, die dazu führen, dass Personen aus als «sicher» bezeichneten Staaten hier einer ganzen Reihe von zusätzlichen Sanktionen und Ausgrenzungen ausgesetzt sind:
Asylsuchende aus «sicheren Herkunftsstaaten» müssen für die gesamte Dauer des Asylverfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben und nach einer Ablehnung auch bis zur Ausreise – das heißt, eine Verteilung in die Landkreise und die kreisfreien Städte findet nicht mehr statt. Dadurch soll verhindert werden, dass sie sich hier integrieren können, denn dies wird als Hindernis für eine reibungslose Abschiebung angesehen. Als Nebeneffekt bedeutet dies auch, dass sie für den gesamten Zeitraum des Aufenthalts in der Bundesrepublik einer Sachleistungsverpflegung unterliegen, da in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Großteil der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf diese Weise geleistet wird.
Auch bleibt die Residenzpflicht, die in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren hatte und für andere Asylsuchende nur noch in den ersten drei Monaten besteht, für diese Gruppe weiterhin zeitlich unbegrenzt in Kraft. Zusätzlich zu der allgemeinen Strafbewehrung von bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe sieht das Gesetz seit dem Asylpaket II vor, dass auch ein simpler Residenzpflichtverstoß dazu führen kann, das das Asylverfahren ganz ohne inhaltliche Prüfung eingestellt wird, wenn Betroffene in einer «besonderen Aufnahmeeinrichtung» untergebracht sind. Die Möglichkeit, solche «besonderen Aufnahmeeinrichtungen» zu schaffen, wurde den Ländern ebenfalls durch das Asylpaket II eingeräumt.
Schlussendlich kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schon direkt bei der Ablehnung eines Asylantrags ein Wiedereinreiseverbot aussprechen, eine Sanktion, die ansonsten nur im Fall einer Abschiebung oder Ausweisung erfolgt, nicht jedoch durch die simple Tatsache, dass jemand im Asylverfahren abgelehnt wurde. Sämtliche hier angesprochenen Sanktionen und Ausgrenzungsmechanismen sind seit dem Sommer 2015 oder später in das Gesetz aufgenommen worden, also seit es die Diskussion über die Einstufung der Staaten des West-Balkans als «sichere Herkunftsstaaten» gab. Damals wurde die Büchse der Pandora geöffnet, jetzt gilt es, zumindest den menschenrechtlichen und integrationspolitischen Schaden nicht noch größer werden zu lassen.
Doch auch abgesehen von prinzipiellen Erwägungen in Bezug auf das Konzept der «sicheren Herkunftsstaaten» steht die Menschenrechtslage in allen drei Staaten einer Einstufung als «sichere Herkunftsstaaten» diametral entgegen. Amnesty International führt in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Algerien, Marokko und Tunesien aus, warum Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen, aber auch der fehlende Schutz vor sexualisierter Gewalt und das Verbot gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte eklatant gegen die Einstufung als «sicherer Herkunftsstaat» sprechen (vgl. http://www.amnesty.de/files/Amnesty-Stellungsnahme-Innenausschuss-April2016.pdf).
Aber auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung selbst weist auf erhebliche Defizite im Justizsystem hin:
In Bezug auf Algerien heißt es dort etwa: «Die Rechte der Beschuldigten im Prozess werden nicht immer beachtet. Die Gerichte üben in der Regel keine wirksame Kontrolle staatlichen Handelns aus. Die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern ist in der Praxis nicht immer gewährleistet. Geltende Gesetze und Vorschriften werden nicht immer einheitlich und flächendeckend angewandt. (…) Den Bürgerinnen und Bürgern fehlt nach wie vor das Vertrauen in die Justiz, sie sehen vor allem in politisch relevanten Strafverfahren Handlungsbedarf. Nach belastbarer Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und Journalisten nimmt die Exekutive in solchen Fällen unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen des Gerichts» (BT-DS 18/8039 , S. 10). Zu Tunesien spricht der Gesetzentwurf selbst von extralegalen Tötungen in Haft und Fällen von Folter: «Tunesische und internationale Medien sowie spezialisierte Nichtregierungsorganisationen, wie die Organisation Mondiale contre la Torture (OMCT) oder die Organisation contra la Torture en Tunisie (OCTT), berichten kontinuierlich über Einzelfälle von Folter, insbesondere in der Polizeihaft, unmenschliche Behandlung in den Haftanstalten, die nicht europäischen Standards entsprechen, sowie Bestrebungen, rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten. Bislang sei es jedoch in keinem einzigen Fall gelungen, eine Verurteilung von Amtspersonen oder ehemaligen Amtspersonen wegen Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu erreichen» (BT-DS 18/8039, S. 15).
Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates für das Land Brandenburg, schon aus dem Gesetzentwurf selbst geht also hervor, dass sich die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als «sichere Herkunftsstaaten» nicht rechtfertigen lässt. Das Bundesverfassungsgericht hat für eine solche Einstufung gemäß § 29 a AsylG hohe Hürden errichtet: «Für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat muss Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen» (BVerfGE 94, 115). Das Konzept der «sicheren Herkunftsstaaten» darf nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht angewandt werden, «wenn ein Staat bei genereller Betrachtung überhaupt zu politischer Verfolgung greift, sei diese auch (zur Zeit) auf eine oder einige Personen- oder Bevölkerungsgruppen begrenzt. Tut er dies, erscheint auch für die übrige Bevölkerung nicht mehr generell gewährleistet, dass sie nicht auch Opfer asylrechtlich erheblicher Maßnahmen wird» (BverfGE 94, 115, Rn. 71). Werden die Kriterien des BVerfG auf die Menschenrechtssituation in Algerien, Marokko und Tunesien angewandt, so führt insbesondere die Verfolgung Homosexueller in allen drei Staaten dazu, dass die Staaten nicht in die Liste der «sicheren Herkunftsstaaten» gem. § 29a AsylG aufgenommen werden dürfen.
Wir appellieren daher – auch im Namen der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen, der Flüchtlingsinitiativen und Beratungsstellen – an Sie, den Flüchtlingsschutz nicht weiter auszuhöhlen und der Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als «sichere Herkunftsstaaten» aus verfassungsrechtlichen Gründen Ihre Zustimmung zu verweigern.
Mit freundlichen Grüßen
Flüchtlingsrat Brandenburg
Autor: Jess
Am 29. Februar 2016 hat Innenminister Schröter das Ersuchen der Härtefallkommission für ein Bleiberecht der Familie Novakovic abgelehnt. Vor dreieinhalb Jahren reiste das Ehepaar Novakovic mit ihren drei Kindern nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Als Roma sind die Kinder in Serbien in der Schule immer wieder massiv angefeindet und angegriffen worden. Auch nach wiederholten Interventionen der Eltern hat die Familie von Verantwortlichen jahrelang keinen Schutz oder Hilfe erfahren. In der Folge konnten die Kinder die Schule nicht mehr besuchen. Um eine Zukunft für die Kinder ohne Gewalt und Diskriminierung zu finden, floh die Familie nach Deutschland.
Der neunjährige Kristijan ist der jüngste der drei Geschwister. Er ist wegen seiner traumatisierenden Erfahrungen seit über einem Jahr in jugendpsychiatrischer Behandlung. Sollte die Familie abgeschoben werden, wird er die dringend notwendige Behandlung aller Voraussicht nach nicht fortsetzen können. Roma werden in Serbien grundlegende soziale Rechte verwehrt, viele leben weit unter dem Existenzminimum. Den Novakovics droht bei Rückkehr unmittelbar die Obdachlosigkeit. Die Kinder würden wieder dem gleichen Umfeld und Bedingungen ausgesetzt sein, die sie bereits vor ihrer Flucht nach Deutschland aus der Schule getrieben haben. Das Recht auf Bildung, auf geistige Entwicklung und eine “normale” Kindheit in einem sicheren Umfeld wären ihnen verwehrt.
Die UN-Kinderrechtskonvention – von der Bundesrepublik im Jahr 2010 ratifiziert — bestimmt, dass Kinder nicht als Anhängsel ihrer Eltern behandelt werden dürfen, sondern eigene Menschenrechte haben. Sie
verpflichtet Behörden, bei jeder Entscheidung den Vorrang des Kindeswohls zu garantieren. Zum Weltkindertag im September letzten Jahres stellte das Deutsche Institut für Menschenrechte unmissverständlich klar, dass staatlichen Behörden auf Bundes- , Landes- und kommunaler Ebene zur Beachtung der Kinderrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet sind und dass diese Rechte für
alle Minderjährigen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem aufenthaltsrechtlichen Status oder dem ihrer Eltern gelten.
Die psychische Situation der Geschwister Novakovic hat sich in den Jahren ihres Aufenthalts in Brandenburg stabilisiert und sie haben begonnen Wurzeln zu schlagen. Die Familie hat inzwischen viele
UnterstützerInnen, gute FreundInnen und NachbarInnen gefunden. Beide Eltern arbeiten geringfügig. Frau Novakovic spricht fünf Sprachen und unterstützt ehrenamtlich andere Flüchtlinge als Dolmetscherin und Integrationslotsin. In Forst sind die Kinder bestens in der Schule integriert. Sie gehen motiviert, gerne und regelmäßig zur Schule, so dass eine Lehrerin in einem der vielen Unterstützungsaufrufe schrieb: “Soll ihnen das alles wieder genommen werden? Wie lange kann ein Kind eine ’solche Kindheit’ noch verkraften?”
In diesem Sinne sind zahlreiche Schreiben von LehrerInnen, NachbarInnen, Kirchenmitgliedern, der Arbeitgeberin, SozialarbeiterInnen und Menschen aus Initiativen und Verbänden verfasst worden. Alle appellierten an die Regierung, der Familie ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren, denn in Forst und Umgebung werden sie als Vorbild für soziale Integration angesehen.
Die Härtefallkommission war im November 2015 zu dem sehr deutlichen Ergebnis gekommen, dass im Falle der Familie Novakovic dringende humanitäre und persönliche Gründe vorliegen, die – insbesondere im
Interesse der Kinder – die weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erforderlich machen. Innenminister Schröter setzte sich darüber hinweg und entschied gegen das Ersuchen der Kommission.
“Mit seiner Entscheidung sendet Innenminister Schröter ein fatales Signal in die Gesellschaft und an all diejenigen, die sich für die Aufnahme und Integration von Familie Novakovic und anderer Flüchtlinge vor Ort engagieren. Die Entscheidung ist ein Affront gegen die Bemühungen der Menschen in Forst, Familie Novakovic in ihrer Mitte aufzunehmen und sie missachtet das Kindeswohl der betroffenen Kinder” sagte Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung und den Innenminister auf, der Familie Novakovic ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren und sie nicht aus dem Kreis ihrer neuen FreundInnen und NachbarInnen zu reißen. Die Kinder dürfen nicht aus der Schule und ihrem gewohnten Umfeld genommen und nach Serbien ins Elend abgeschoben werden, wo sie wieder Diskriminierung und Anfeindungen ausgesetzt wären und ihnen das Recht auf Bildung und Entwicklung verwehrt bliebe.
+++ Linksextremismus-Vorwürfe seitens einzelner Stadtverordneter
+++ Spaltung emanzipatorischer Kräfte darf nicht zugelassen werden
+++ Offener Brief als Antwort gegen Vorwürfe von Verein und Bündnis verfasst
Die Stadtverordneten Jürgen Maresch (parteilos, ehem. Die Linke) und Wolfgang Bialas (CDU) haben in der Stadtverordnetenversammlung Linksextremismus-Vorwürfe gegen den Verein für ein
multikulturelles Europa e. V. sowie gegen das Bündnis Cottbus Nazifrei! vorgebracht. Der Verein sah sich daraufhin gezwungen, den Antrag für eine jahrelang gezahlte Unterstützung vom
Jugendamt zurück zu ziehen. Maresch fordert des Weiteren die Stadt dazu auf, die Zusammenarbeit mit dem Bündnis Cottbus Nazifrei! aufzugeben. Beide Initiativen sollen sich vom
„Linksextremismus“ distanzieren, um Sanktionen zu vermeiden. „Wir haben jahrelang eine finanzielle Unterstützung für unsere vielfältigen Projekte seitens des Jugendamtes erhalten. Durch
die Vorwürfe können wir diese Projekte nur noch schwer verwirklichen“, so Maria Schneider vom Multikulti-Verein.
Das Bündnis Cottbus Nazifrei! und der Verein arbeiten eng zusammen und sind für die alternative Jugendkultur in Cottbus unverzichtbar. Im Bezug auf die Arbeit gegen faschistische Strukturen
konnte in Cottbus schon viel erreicht werden. Die Proteste am 15. Februar sind dafür beispielhaft. Die gute Zusammenarbeit mit dem Aktionsbündnis Cottbuser Aufbruch und der Stadt ist zudem ein
landesweites Vorzeigeprojekt. „‘Cottbus bekennt Farbe’ sollte auch weiterhin wegweisend im Kampf gegen Neonazis und rassistische Hetze sein. Wir sind froh, dass in Cottbus eben keine
Sächsischen Verhältnisse herrschen“, meint Luise Meyer von Cottbus Nazifrei!
Besonders in der aktuellen Situation einer erstarkenden Rechten in Deutschland ist es wichtig, diese Zusammenarbeit nicht zu gefährden. Alle demokratischen Kräfte müssen im Kampf gegen Organisationen wie Pegida, die AfD und vermeintlich „besorgte und heimatverbundene Bürgerbewegungen“ zusammen halten und ihre rassistische Hetze sowie Rückwärtsgewandtheit entkräften und aufdecken.
Anlagen:
Offener Brief
Hintergrundtext zur Entstehung des Offenen Briefs
Weitere Informationen:
www.cottbus-nazifrei.info // fb/cottbus-stellt-sich-quer
www.zelle79.blogspot.de/
Am heutigen Mittwoch fand ein weiterer unsäglich rassistischer Pogida-Aufmarsch, wieder angemeldet vom rastlosen Christian Müller, am Potsdamer Hauptbahnhof statt. Auch wenn im Vorfeld wieder diverse Gerüchte und Aussagen wie „Wenn die Gutmenschen ein weiteres Asylheim am Schlaatz bauen, werde ich dieses abfackeln und zwar mit Insassen!!!“ kursierten, schien es insgesamt, als wäre an alllen Fronten Routine in die wöchentlichen Aufmärsche gekehrt.
Noch vor Beginn der Pogida-Demonstration führte eine antifaschistische Demonstration von Alt-Nowawes über die Lotte-Pulewka-Straße zum Hauptbahnhof. Unter dem Motto „Nu Pogodi, Pogida“ liefen 250 Menschen in Richtung des Neonazi-Aufmarsches, nicht zuletzt, um diesen zu verhindern. Außerdem stellten sich bei den angemeldeten Kundgebungen “Refugees Welcome” auf der langen Brücke und einer Veranstaltung des Bündnisses “Potsdam bekennt Farbe” etwa 500 Menschen dem Irrsinn entgegen.
Als Veranstalter Christian Müller seine Versammlung eröffnen wollte, kam es zu einer Störung der Veranstaltung durch eine lärmende Kiste, die am Auftaktort auf einem Fahrrad angebracht war. Die Polizei brauchte mehr als zehn Minuten unterhaltsamer Bemühungen und einen Bolzenschneider, um den Kasten erfolgreich in Gewahrsam nehmen zu können. Die Neonazis entfernten sich unterdessen um hundert Meter und brachten dort ihre Propaganda unter die anwesenden knapp 50 Pogida-Anhänger_innen. Der Dresdner Pogida-“Stargast” Jens Lorek erstattete nach eigenen Aussagen später Anzeige gegen die Polizei, da diese die Pläne des Fahrrades nicht schon vorher durchschaut hatte.
Neben dem bereits bekannten Sebastiano Graziani war die Verschwörungsszene heute mit Jens Lorek prominent vertreten. Lorek erlangte zweifelhafte Berühmtheit, weil er Mitte der 2000er von Aliens entführte Menschen anwaltlich betreute. In der Neonaziszene ist er eher bekannt, weil er als Anmelder von Aufmärschen in Freital und Heidenau in Aktion trat. Antifaschist_innen, wiederum, dürften Jens Lorek kennen, weil er lächerliche “statistische Methoden” anwandte, um die Teilnehmer_innenzahl von Pegida festzustellen.
Ihr kurzer 400 Meter Marsch führte Pogida über die Lange Brücke zum Stadtschloss. Dort hielt Sebastiano Graziani dann eine seiner ewiglich währenden Reden. In dieser beklagte er wie üblich den Bevölkerungsaustausch in Deutschland durch die Geflüchteten, den im 2. Weltkrieg an den Deutschen begangenen “Bombenholocaust” und verstieg sich zudem in einem wirr-rassistischen Vergleich der Situation in Mazedonien, (wo Refugees seit langer Zeit unter menschenverachtenden Bedingungen festsitzen) mit der Belagerung von Konstantinopel (durch das Osmanische Reich im Jahr 1453). Damit war die Spitze des völkisch-rassistischen Eisberges aber noch lange nicht erreicht: Graziani wünschte sich, dass statt syrischen Geflüchteten Wolgadeutsche aufgenommen würden (Historischer Fakt: “Deutsch” sind die “Wolgadeutschen” weil sie vor 1768 im Deutschen Reich lebten, danach zogen sie ins Russische Reich).
Der einzige Lichtblick war hier die Ausdauer der Gegendemonstrant_innen, die die Reden fast restlos übertönten.
Nachdem dieses Elend überstanden war, zog der Aufmarsch über seine kümmerliche Strecke wieder zurück, sie riefen neben dem üblichen “Wir sind das Volk” auch „Hasta la vista antifascista“ und „Linksfaschisten in die Kisten“.
Am Ausgangsort wieder angekommen, nutzte der Aufmarsch-Anmelder Christian Müller die Gelegenheit, munter Gerüchte unter seine Anhänger_innen zu streuen. Er berichtete, dass ihm berichtet wurde, dass ein Taxifahrer berichtet habe, dass es “neulich” am Rewemarkt im Schlaatz zu einer Vergewaltigung gekommen sei. Vor dem Markt hätten “betrunkene Ausländer” gestanden. Er wisse nicht, ob es einen Zusammenhang gäbe, habe aber Angst vor dem Frühling und dem Sommer, weil er sich frage, was dann mit “unseren” Frauen und Kindern passiere. Die Antifa müsse dumm sein und werde außerdem vom Staat bezahlt — das habe neulich ein Antifa-Aussteiger bei dem Bärgida-Aufmarsch berichtet.
Danach verstreuten sich die Pogidas, unter denen sich Gäste aus diversen Ecken Ostdeutschland befanden — so den Vorankündigungen Glauben geschenkt werden will.
Für die nächste Woche plant der Pogida-Müller (der ankündigte, erstmal weiter machen zu wollen) wohl eine Strecke in Babelsberg.
Dann vielleicht mit 40 Leuten, die Woche darauf mit 30, dann…
Selbst wenn Podiga sich abschafft, heißt das nicht, dass irgendetwas besser ist!
Nur wenige Kilometer von Potsdam gibt es Städte, wie Rathenow und Nauen, in denen das Ausmaß an rassistischer Moblilisierung schon lange unerträglich ist.
Noch ein paar Kilometer weiter sterben Menschen an Europas Außengrenzen, die vor beispiellosen Menschenrechtsverletzungen und Krieg fliehen.
Anfang März hat der Landkreis Elbe-Elster mehrere Geflüchtete aus Finsterwalde in einer Sammelabschiebung nach Polen abgeschoben. Darunter befanden sich auch Betroffene eines rechten Angriffes, der am am 12.Dezember 2015 in Finsterwalde stattfand. Sechs Kriegsflüchtlinge aus Tschetschenien waren auf dem Weg zu ihrer Gemeinschaftsunterkunft aus einem vorbeifahrenden Auto beschossen worden. Die polizeilichen Ermittlungen zu dem Fall dauern noch an.
„Wir verurteilen die Abschiebung von Betroffenen rechter Gewalt durch die Ausländerbehörde des Landkreis Elbe-Elster. Hierdurch wird den Betroffenen von rassistisch motivierten Gewaltstraftaten die Möglichkeit genommen, ihre Opfer- und Zeugenschutzrechte wahrzunehmen und zum Beispiel eine Heilbehandlung zu erhalten“, so Martin Vesely von der Gewaltopferberatung des Vereins Opferperspektive e.V.
Das Sozialamt des Landkreises verweigerte den traumatisierten Kriegsflüchtlingen bis Februar 2016 eine psychologische Unterstützung. Nachdem nun das Sozialamt zusicherte, eine psychologische
Mindestversorgung der Betroffenen erneut zu prüfen, wurden mindestens zwei der Betroffenen kurzerhand durch die Ausländerbehörde abgeschoben.
Auch in anderer Hinsicht ist der Vorgang skandalös: Durch die Abschiebung fehlen nun wichtige Zeugen in einem laufenden Ermittlungsverfahren. Der Landkreis schützt somit im Endeffekt
rassistische Gewalttäter vor Strafverfolgung. Dies steht im eindeutigen Widerspruch zu sämtlichen Versprechungen aus der Politik, rechte Straftaten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verfolgen.
„Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass viele Strafverfahren eingestellt werden oder mit einem Freispruch für die Täter_innen enden, wenn die Zeug_innen für Aussagen fehlen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Landkreis eine Abschiebung forcierte, nachdem die Betroffenen sich Hilfe suchend an unsere Beratungsstelle wandten. Es ist unerträglich, dass den Betroffenen nun die Möglichkeit einer psychologischen Aufarbeitung des Angriffs in Finsterwalde genommen wird.“ erklärt Martin Vesely von der Opferperspektive weiter.
++ Rechts motivierte Angriffe im Vergleich zu 2014 nahezu verdoppelt ++ Dramatischer Anstieg rassistischer Gewalt ++ 146 Angriffe an Geflüchtetenunterkünften, darunter 45 Brandanschläge ++
Im Jahr 2015 stieg die Zahl politisch rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalttaten erneut deutlich an. In den ostdeutschen Bundesländern und Berlin haben sich die Angriffe von 782 auf 1468 nahezu verdoppelt. Mit Nordrhein-Westfalen legt erstmalig auch ein westdeutsches Bundesland unabhängige Zahlen zur Angriffssituation vor. 279 rechtsmotivierte Angriffe wurden in dem bevölkerungsreichsten Bundesland gezählt, 1747 sind es damit in der Summe. Mindestens 2237 Personen wurden 2015 in den sieben Bundesländern verletzt und massiv bedroht.
Birgit Rheims von der Opferberatung Rheinland sagt: /„Nach wie vor geht der flächendeckende Ausbau spezialisierter und unabhängiger Opferberatungsstellen in den westdeutschen Bundesländern zu langsam voran. Die Beratungseinrichtungen verfügen nicht über ausreichende Ressourcen, um ein professionelles Monitoring anbieten zu können. Wie wichtig das jedoch ist, zeigen die erstmalig für NRW vorgelegten Zahlen, bei denen von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.“
Bei 1056 Angriffen, d.h. 60 % der erfassten Fälle, spielen rassistische Tatmotive eine zentrale Rolle. Die Gewalt richtete sich insbesondere gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte. Sachsen geriet dabei mit Ausschreitungen, wie in Freital, Dresden und Heidenau, immer wieder in die bundesweiten und zum Teil internationalen Schlagzeilen. Auch in allen anderen Bundesländern nahmen rassistische Angriffe zu.
Andrea Hübler, von der Opferberatung der RAA Sachsen: „Für Geflüchtete gibt es keine sicheren Orte in Deutschland. Anhaltende rassistische Proteste gegen sie und ihre Unterkünfte, die Aufmärsche von Pegida und ihren Ablegern in nahezu allen Bundesländern, tragen dazu maßgeblich bei. Gleichzeitig werden Geflüchtete in der gesellschaftlichen Debatte als „Krise“ und nicht als Schutzsuchende darstellt.“
Das Gewaltpotential ist gefährlich angestiegen. Zunehmend wurden Waffen, Sprengstoffe und Brandsätze eingesetzt. Täter_innen nahmen häufiger tödliche Verletzungen in Kauf. Insgesamt 146 gewaltsame Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte (bewohnte und unbewohnte; zentrale und dezentrale) zählten die Beratungsstellen in den ostdeutschen Bundesländern, Berlin und NRW. Dabei handelte es sich u.a. um 45 (versuchte) Brandstiftungen, 39 (versuchte) gefährliche Körperverletzungen, z.B. durch Steinwürfe, Pyrotechnik bzw. Sprengstoff. Besonders viele Angriffe auf bzw. im Umfeld von Geflüchtetenunterkünften wurden in Sachsen (74) und NRW (54) registriert, gefolgt von Berlin (39). Auch Helfer_innen und Menschen die mit der Unterbringung von Geflüchteten befasst sind, Journalist_innen und Politiker_innen rückten 2015 in den Fokus, wurden massiv bedroht und angegriffen. Insgesamt 465 Angriffe (26%) gegen politische Gegner_innen verzeichneten die Beratungsstellen, darunter 47 Attacken gegen Journalist_innen, die meistens im Umfeld von Demonstrationen stattfanden. Ein solches Ausmaß an Gewalt gegen diese Betroffenengruppe ist neu, denn in den vergangenen Jahren richteten sich gerade einmal halb so viele Angriffe gegen sie.
Dimension rechter Gewalt
Die unabhängigen Beratungsstellen verzeichnen in Ostdeutschland und Berlin für das Jahr 2015 einen Anstieg der rechten Gewalttaten um ca. 90 Prozent (zu NRW liegen für 2014 keine Vergleichszahlen vor). In Sachsen wurden mit 477 Fällen die meisten Angriffe gezählt (2014: 257, 85 % mehr als in 2014). In Berlin wurden 320 Angriffe registriert (2014: 179 Angriffe, + 79 %), in NRW 279, in Sachsen-Anhalt 217 Angriffe (2014: 120, + 80 %), in Brandenburg 203 (2014: 93, + 118 %), in Mecklenburg-Vorpommern 130 Angriffe (2014: 84, + 53 %) und in Thüringen 121 Angriffe (2014: 58, + 109 %). In allen Bundesländern, in denen bereits 2014 Angriffe dokumentiert wurden, stieg die Zahl deutlich an. 2015 fanden in Ostdeutschland, Berlin und NRW pro Tag im Durchschnitt 4,8 politisch rechts motivierte Gewalttaten statt. Zum überwiegenden Teil handelte es sich dabei um (versuchte) Körperverletzungsdelikte: 10 schwere, 608 gefährliche und 613 einfache Körperverletzungen.
Rassismus als häufigstes Tatmotiv
Die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten stieg im Vergleich zu 2014 wie auch die Gesamtzahl rechtsmotivierter Gewalttaten um 90 % (ohne NRW) an. In den ostdeutschen Bundesländern, Berlin und NRW waren 1056 der Angriffe rassistisch motiviert, 465 Angriffe richteten sich gegen Menschen, die von den Täter_innen als politische Gegner_innen angesehen wurden, darunter 47 gegen Journalist_innen und 71 Angriffe gegen nicht-rechte und alternative Personen. 57 Gewalttaten richteten sich gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung/Identität, in 43 Fällen war Antisemitismus das Motiv und in 18 Fällen Sozialdarwinismus. Zudem registrierten die Beratungsstellen 4 politisch rechts motivierte Angriffe gegen Menschen mit einer Behinderung.
Eine Sprecherin des Verbandes der Beratungsstellen kommentiert: „Ein großer Teil der rechtsmotivierten Angriffe 2015 stand im Zusammenhang mit dem Thema Asyl. Sei es, dass sich Attacken gegen die Geflüchteten selbst oder gegen deren Unterkünfte richteten, sei es, dass Unterstützer_innen, Antirassist_innen oder Politiker_innen und Journalist_innen ins Visier der Täter gerieten. Die zugespitzte, teils offen rassistisch geführte Debatte um die Aufnahme von Geflüchteten lässt ein Klima entstehen, in dem Rassisten und Neonazis in ihrem Handeln bestärkt werden. Unzählige Demonstrationen und Kundgebungen bundesweit, Facebookgruppen, Pegida und AfD heizen die Stimmung an.“
Zum internationalen Frauentag fordern wir gemeinsam mit den Flüchtlingsfrauen: Frauen und Kinder raus aus den Heimen, Lagern und Massenunterkünften*
Wir fordern die Unterbringung von geflüchteten Frauen in Wohnungen, um ihren Schutz sowie den Schutz ihrer Kinder zu gewährleisten.
Die Frauen, die in den lagerähnlichen Unterkünften in Stolpe-Süd untergebracht sind, sehen sich ständig mit sexueller Belästigung, Alkoholismus, Aggressionen und Drohungen durch andere männliche
Mitbewohner konfrontiert. „Solche Übergriffe passieren auch auf deutschen Straßen und insbesondere in deutschen Haushalten. Aber in einer Sammelunterkunft, die eine Zwangswohnform ist, treten sie
konzentrierter und vermehrt auf. Denn dort haben Menschen kaum Rückzugsmöglichkeiten und sind häufig extremen Alltagssituationen, Enge und Stress ausgesetzt“, berichten Mitglieder der Initiative Women in Exile. Darüber hinaus kritisieren die Frauen (die Bedrohung durch das Sicherheitspersonal und) die ständige Kontrolle ihrer An- und Abwesenheit in den Heimen, durch die sie ein Leben wie auf der Abschieberampe führen.
Trotz Anzeigenerstattung und Hilfegesuch bei Wachpersonal und Sozialarbeiter_innen gibt es bisher kein Konzept zum Schutz von Frauen und Kindern in den Gemeinschaftsunterkünften. Betroffene Frauen fühlen sich nicht ausreichend vor den Tätern geschützt, sodass den Schritt zur Polizei in Zukunft nur wenige wagen werden. Die europäische Richtlinie zur Unterbringung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen und die Kinderkonventionen der UNO sind in der BRD als Gesetz anerkannt. Doch auf den Appell von Frauen aus den Gemeinschaftsunterkünften sowie der
Initiative Willkommen in Oberhavel an die Kreisverwaltung, für eine Unterbringung in abgeschlossenen Wohnungen, ist diese nicht einmal bereit, sich auf einen Kompromiss in Form einer Unterbringung in einem gesonderten Haus für Frauen auf dem Gelände in Stolpe-Süd einzulassen. Die Argumentation, nach der die wohnliche „Durchmischung“ in den Heimen „beruhigend und ausgleichend“ auf die Männer einwirke, ist angesichts der Realität zynisch und geht nur zu Lasten der Frauen.
Heute möchten wir im Rahmen des Frauenfrühstücks im Nachbarschaftstreff in Stolpe-Süd anlässlich des Weltfrauentags unsere Solidarität mit den Flüchtlingsfrauen ausdrücken. Die Logik der Verwaltung, Frauen in den Gemeinschaftsunterkünften als Puffer zwischen Männern zu platzieren, zeigt, wie wenig Frauenrechten Beachtung geschenkt wird.
*Gemeinsam fordern wir von den Verantwortlichen in Stadt und Land und in den städtischen Wohnungsbaugesellschaften die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum und den (Wieder)einstieg in den Bau von Sozialwohnungen. Auch in Hennigsdorf fehlt es an preiswerten Wohnungen. *Von der mangelhaften Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sind wir alle betroffen.
Wir unterstützen die Forderungen der Flüchtlingsfrauen sowie der Initiative Women in Exile, die im Rahmen einer Tour zu verschiedenen Asylheimen einen Halt beim Hennigsdorfer Frauenfrühstück einlegten: Frauen und Kinder müssen raus aus den Lagern und benötigen zu ihrem Schutz dezentrale, zentrumsnahe Unterbringung in Wohnungen.
Neonazis gedenken öffentlich SA-Sturmbannführer — Utopia e.V. ruft zu Entschlossenheit im Kampf gegen Rechts auf
Am Abend des 23. Februar fanden sich in unmittelbarer Nähe des Sitzes des antifaschistischen und antirassistischen Vereins Utopia ein an einer Hauswand angebrachtes Bild von Horst Wessel sowie ein Grablicht und ein Trauerblumenstrauß. Horst Wessel, dessen Todestag sich am 23. Februar jährte, war eine Symbolfigur des Nationalsozialismus wird bis heute in neonazistischen Kreisen verehrt.
Der Utopia e.V. deutet dieses „Gedenken“ als erneute Provokation der rechten Szene in Frankfurt (Oder), die im Zuge der bundesweiten rassistischen Mobilisierung auch in der Oderstadt seit über einem Jahr einen Aufschwung erfährt. Neonazis und Rassist*innen treten mit ihrer Hetze nicht nur unverhohlen auf inzwischen regelmäßig stattfindenden rechten Veranstaltungen öffentlich auf, sondern etablieren sich auch zunehmend im Frankfurter Stadtbild.
Die krude Ehrung des SA-Sturmführers Wessel zeigt, in welcher Tradition sich die Frankfurter Neonaziszene gern sehen möchte; Wessel verkörperte eine rassistische Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen, extremen Nationalismus sowie die Überzeugung, durch brutale und alltägliche Gewalt den öffentlichen Raum schrittweise unterwerfen zu können.
Die propagandistische Aktion der Neonazis macht deutlich, dass das Engagement des Utopia e.V. sowie aller anderen demokratischen und antifaschistischen Akteure weiterhin notwendig ist. Rechten Tendenzen gilt es sich entschlossen entgegenzustellen; neonazistische Propaganda darf nicht unwidersprochen bleiben. Erst am 20. Februar protestierten über 250 Menschen gegen einen rechten Aufmarsch in der Stadt – ein Zeichen dafür, dass die Frankfurter Zivilgesellschaft und Politik Menschenverachtung und Hass nicht ohne weiteres hinnimmt.
Utopia e.V.
Dies ist die # 1 in der Serie „Wer steckt dahinter?“ 1 der antifaschistischen recherchegruppe frankfurt (oder).
Andy Köbke, Jahrgang 1991, ist seit Mitte der 2000er Jahre in Neonazi-Kreisen in Frankfurt (Oder) aktiv. Bereits im Alter von 15 Jahren beteiligte er sich an der Beschmutzung des Synagogengedenksteins auf dem Frankfurter Brunnenplatz. 2 Mit drei weiteren Angeklagten wurde er wegen Volksverhetzung, Störung der Totenruhe und des öffentlichen Friedens zu einer mehrmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. 3 Seit mindestens Januar 2007 nimmt Köbke an Demonstrationen der extremen Rechten teil. Er hat nicht sich nur in der Region an Demonstrationen beteiligt, sondern ist auch in anderen Teilen Brandenburgs, wie bei dem „Heldengedenken“ in Halbe im Jahr 2007, aktiv dabei gewesen.

Eine politische Heimat fand er als Teil der neonazistischen FCV-Hooligans, die bis zur erneuten Umbenennung des regional erfolgreichsten Fussballvereins, regelmäßig dessen Spiele besuchten.4 Hier war er an mehreren Angriffen auf linksalternative Fangruppierungen, beteiligt. 5 Die „FCV-Ultras“, wie sie sich gern selbst sahen, sehnten sich nach alten Erfolgen in der DDR-Oberliga und leisteten ihren Support stets in den alten Farben des FC Vorwärts. Vielmehr noch fielen sie dabei jedoch durch die Verherrlichung des Nationalsozialismus und aggressiven Antisemitismus auf.6 Aktuell gehört er zum Umfeld der neonazistischen Gruppierung „Terrorcrew – Kameradschaft Kommando Werwolf“(KSKW), die vornehmlich illegale Konzerte extrem rechter Bands organisiert. 7
Seit im Jahr 2015 die rassistischen Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“8 gegründet wurde, ist er regelmäßiger Teilnehmer ihrer Aufmärsche und Kundgebungen und trat am Rande der Veranstaltungen mehrfach gewaltbereit auf. Dass seine ‘rechte Karriere’ seit mittlerweile fast zehn Jahren andauert, ist ein Zeichen dafür, wie fest verankert sein menschenverachtendes Weltbild ist.

(Quelle: Facebookprofil von Andy Köbke)
Auf seinem Facebookprofil offenbart er auch sein sexistisches und frauenverachtendes Gedankengut. Dort posiert Köbke mit einem T‑Shirt, auf dem eine eindeutige orale Vergewaltigungsszene einer Frau dargestellt ist. 9 Das Bild kann hier auf einer separaten Seite eingesehen werden. Wir wollen unseren Leser*innen damit die Entscheidung, ob sie sich diese Widerlichkeit zumuten wollen, selbst überlassen. In Zeiten, in denen sich der deutsche „Herrenmensch“ aufmacht, die Rechte der deutschen weißen Frau zu verteidigen, wirkt dieses Bild entlarvend.10
Sein Blick auf die Welt spiegelt sich in den „Gefällt-mir“-Angaben 11 auf seinem Facebookprofil wieder. Die Gruppe „Bier, Fussball und Titten“ 12 kann hier exemplarisch gelten für seine Vorstellung von Freizeitgestaltung und der Rolle von Frauen in ihr.
Mit wem Köbke politisch sympathisiert, bleibt den Betrachter*innen mit Blick auf die genannten Angaben bei Facebook auch nicht verborgen. Seine Vorlieben reichen von Freien Kameradschaftsstrukturen und rechten Hooligan-Gruppierungen, über rassistische Initiativen bis hin zu den extrem rechten Parteien „Der III. Weg“ und NPD.13



Quellen
1 Vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Wer steckt dahinter?“,
https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/category/wer-steckt-dahinter/
2 Vgl. Uwe Rada: „Synagogen-Gedenkstein geschändet“, die tageszeitung (taz), 11.11.2006,
http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2006/11/11/a0069
3 Vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Gedenksteinschändung endet vor Gericht.“, in: „recherche output #2“, 2007. Online zu finden unter:
https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2007/03/01/gedenksteinschaendung-endet-vor-gericht/
4 Der 1. FC Frankfurt hieß in der Zeit des Bestehens der Gruppierung (ca 2006 – 2012) Frankfurter FC Viktoria 91 die Gruppe bezog sich aber positiv auf dessen Vorgänger, den erfolgreichen DDR-Oberligisten FC Vorwärts Frankfurt. Seit der Umbenennung des Vereins in 1. FC Frankfurt tritt die Gruppe nicht mehr als solche in Erscheinung. Es sind nur noch vereinzelt Personen aus dem Umfeld bei Spielen zu sehen.
5 Vgl. beispielsweise antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Es hat sich nichts geändert – Landespokalspiel SV Babelsberg 03 vs. FFC Viktoria“, 18.11.2011,
https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2011/11/18/es-hat-sich-nichts-geaendert-landespokalspiel-sv-babelsberg-03-vs-ffc-viktoria/
6 Vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Freunde, die niemand haben will.“, in: „recherche output #1“, 2006. Online zu finden unter: https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2006/10/01/freunde-die-niemand-haben-will/ Vgl. darüber hinaus antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Rechte Frankfurter Ultras aktiv wie nie“, in: „recherche output #3“, 2007. Online zu finden unter:
https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2007/10/02/rechte-frankfurter-ultras-aktiv-wie-nie/ sowie zahlreiche Artikel zum Thema unter https://recherchegruppeffo.noblogs.org/
7 Vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Watch out for the Werwolf!“, 02.06.2013,
https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2013/06/02/watch-out-for-the-werwolf/
8 Vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Der Aufstand der Ekelhaften“, 06.02.2015, https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2015/02/06/der-aufstand-der-ekelhaften/ sowie ‘Frankfurt (Oder) wehrt sich’ mit dem ‘III. Weg’“, 21.05.2015, https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2015/05/21/frankfurt-oder-wehrt-sich-mit-dem-iii-weg/ und „’Frankfurt/Oder wehrt sich’ IV. Akt – inhaltsleerer und aggressiver“, 13.08.2015, https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2015/08/13/frankfurtoder-wehrt-sich-iv-akt-inhaltsleerer-und-aggressiver/ .
9 Vgl. „Andy Kalöbke” auf Facebook, Beitrag von Andy Köbke vom 20.07.2015 um 21:27
10 Vgl. Amadeu Antonio Stiftung – Fachstelle Gender und Rechtsextremismus in Kooperation mit Netz gegen Nazis (Hrsg.): „Das Bild des ‘übergriffigen Fremden’ – warum ist es ein Mythos? Wenn mit Lügen über sexualisierte Gewalt Hass geschürt wird“, Berlin 2016.
11 Vgl. „Andy Kalöbke“, „Gefällt-mir“-Angaben von Andy Köbke auf Facebook
12 Ebd. und die Gruppe „Bier, Fussball und Titten“,
13 Vgl. ebd.
INFORIOT Die antifaschistische Recherchegruppe aus Frankfurt/Oder hat eine neue, überarbeitete Internetseite. Diese ist zu erreichen über die Adresse: recherchegruppeffo.noblogs.org. Die Gruppe selbst teilt mit:
Liebe Leser*innen,
nachdem auf unserer alten Seite wegen technischer Probleme in den letzten 1 1/2 Jahren nichts passiert ist, starten wir nun mit einer neuen und überabreiteten Version. Im Zuge der rassistischen Mobilisierungen ist im letzten Jahr in Frankfurt (Oder) und Umland einiges geschehen. Mit insgesamt sechs Versammlungen im Jahr 2015 machten Rassist*innen im “freundlichen Frankfurt” von sich reden. Auf facebook organisierte sich der rassistisch eingestellte Teil der Frankfurter Bevölkerung in Gruppen wie “Frankfurt/Oder wehrt sich”. Im Zuge der lokalen rassistischen Mobilisierungen traten sowohl altbekannte Gesichter wie Svem Lemke oder Björn Brusak mehrfach in Erscheinung. Aber auch bisher eher unbachtete Protagonist*innen wie das Neonazipärchen Franziska und Peer Koss machten von sich reden.
Mit Hilfe unserer neuen Seite wollen wir euch in Zukunft noch besser und übersichtlicher über die extreme Rechte in in der Region informieren. Ihr findet hier alle Inhalte, die ihr auf unserer alten Seite auch gefunden habt. Auch die Texte, die wir aufgrund der technischen Probleme nicht auf unserer alten Seite veröffentlicht hatten. Ganz frisch ist der Text “#1 | Andy Köbke – Eine klassische Frankfurter Neonazikarriere“. Es soll der erste Text unser neuen Serie “Wer steckt dahinter?” sein, in der wir euch monatlich Akteure der extremen Rechten vorstellen, die sich hinter den Strukturen in Frankfurt (Oder) und dem Umland verbergen. Wie gewohnt stehen euch unsere Chronologie zu rechten Vorfällen, das Projekt “AfD-Watch” und unsere Veröffentlichungen zur Verfügung.
Mit der neuen Seite werdet ihr euch in Zukunft über rechte Umtriebe in der Region auf dem Laufenden halten können. Faschist*innen, Nazis und Rassist*innen können sicher sein, dass wir ihnen auf die Finger schauen.
Eure antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder)