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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Dezentrales Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung

Der Lan­desver­band Bran­den­burg der Vere­ini­gung der Ver­fol­gten des Naziregimes – Bund der Antifaschistin­nen und Antifaschis­ten, kurz VVN-BdA, ruft zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschis­mus am 8. Mai 2020 zu einem dezen­tralen Gedenken und Erin­nern auf. Durch die COVID-19- Pan­demie kön­nen in diesem Jahr keine Befreiungs­feier­lichkeit­en und keine zen­tralen Ver­anstal­tun­gen stat­tfind­en. Die Ord­nungs­maß­nah­men und Sicher­heitsvorkehrun­gen im Kon­text von COVID-19 schränken damit nicht nur das gesellschaftliche Leben ein, son­dern auch die antifaschis­tis­che und erin­nerungspoli­tis­che Arbeit an diesem für uns so wichti­gen Jahrestag.

Trotz­dem wollen wir, mit großer Rück­sicht um die Gesund­heit unser­er Mitglieder*innen und antifaschis­tis­chen Fre­unde, den 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschis­mus würdig und ehren­voll im Sinne der Befreier*innen, der Roten Armee, sowie der Opfer und Ver­fol­gten des Nation­al­sozial­is­mus gestalten.
Im ganzen Land Bran­den­burg befind­en sich eine Vielzahl an Erin­nerungsstät­ten zur Befreiung oder an die Opfer und Ver­fol­gten des Faschis­mus. Diese lokalen, kleinen und dezen­tralen Gedenkstät­ten, wie Denkmäler, Fried­höfe, Ehren­haine, Gedenksteine, Gräber oder Gedenk­tafeln, wollen wir mit eur­er Unter­stützung in den Fokus des antifaschis­tis­chen Gedenkens setzen.

Wir rufen daher alle Brandenburger*innen auf, in der Zeit um den 8. Mai 2020, dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschis­mus, indi­vidu­ell und unter Ein­hal­tung der notwendi­gen medi­zinis­chen Bes­tim­mungen und Sicher­heitsvorkehrun­gen, an den ver­schiede­nen Erin­nerungsstät­ten im Land Bran­den­burg Blu­men und Kränze niederzule­gen und dies per Fotos zu doku­men­tieren. Wir wollen, dass durch die Vielzahl von Blu­men an den zahlre­ichen Erin­nerungsstät­ten im Land Bran­den­burg der Appell des „Nie wieder Krieg und Faschis­mus“ trotz des Fehlens von klas­sis­chen Gedenkver­anstal­tun­gen mehr als deut­lich wird.

Sendet uns die Fotos mit kurzen Hin­weisen oder Bericht­en aus den ver­schiede­nen Orten zwecks Veröf­fentlichung an die unten­ste­hende E‑Mail‑, Post‑, Face­book- oder Twit­ter-Adresse. Zudem ver­weisen wir auf unser dig­i­tales Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai ab 16 Uhr per Livestream (www.freiland-potsdam.de).

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

75 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus

Abbil­dung 1:* “Hier begin­nt das ver­fluchte Deutsch­land” . Solche
Schilder stellte die Rote Armee auf, als 1945 deutsches Ter­ri­to­ri­um
erre­icht wurde [1]
Wie sollte der Utopia e.V. — ein ehre­namtlich­er, von jun­gen Men­schen getra­gen­er, klein­er Vere­in — anlässlich der 75-jähri­gen Befreiung von der Vorherrschaft der Nationalsozialist*innen in Frank­furt (Oder) diese Pressemit­teilung begin­nen? Als erstes mit einem kurzen „Danke! Спасибо! Thank You! Mer­ci!“ an die Alli­ierten und Wider­ständi­gen, die vor 75 Jahren am 23. April zur Befreiung Frank­furts und des heuti­gen Słu­bices beige­tra­gen haben. Denn die Nieder­lage des deutschen Faschis­mus war unsere Befreiung!

Ein „Danke“ jedoch wird nicht genü­gen, um Geschehenes zu ver­ste­hen, damit es sich nicht wieder­holt! Auch die Fra­gen: „Was, wie und warum war der Nation­al­sozial­is­mus, der Ver­nich­tungskrieg oder der Holo­caust?“ kön­nen wir nicht alleine beant­worten, aber wir kön­nen Impulse setzen!

Denn auch 75 Jahre nach­dem die Vorherrschaft deutsch­er Faschist*innen und ihrer Kol­lab­o­ra­teure endete, sind ihr Gedankengut und ihre Struk­turen keineswegs verschwunden:

Seit 2016 ver­dop­pelte sich die Anzahl der mit Schuss­waf­fen aus­gerüsteten Recht­sex­tremen [2]. Der NSU, eine Gruppe die offiziell 10 Men­schen ermordete und 43 Mor­dan­schläge verübte [3], ent­tarnte sich teil­weise selb­st. Ob auf der Insel Utøya oder in Städten wie Christchurch, Hanau und Halle — die Anschläge von extrem Recht­en häufen sich. Im Jahr 2019 wur­den in der Bun­desre­pub­lik 120 Angriffe auf Asy­lun­terkün­fte verübt und 1.620 Angriffe auf Geflüchtete reg­istri­ert [4]. Jüngst wurde im Land­kreis Oder-Spree ein Waf­fen­lager mit nation­al­sozial­is­tis­chen Devo­tion­alien aus­ge­hoben [5]. Unsere Stadt, Frank­furt (Oder), entwick­elte sich zu einem Knoten­punkt der inter­na­tionalen, neon­azis­tis­chen Ter­ro­ror­gan­i­sa­tion „Com­bat 18“ [6]. In Libbenichen zeigten erst let­zten Monat während ein­er „Reichs-Par­ty“ Jugendliche den Hit­ler­gruß [7]. Ein „NR-Zonen“-Graffito diente als Platzhal­ter für Hak­enkreuze und verblieb mehrere Monate am Kau­fland im Zen­trum[8]. Mit­tler­weile wer­den (gar) von par­la­men­tarischen Kräften die Leis­tun­gen von deutschen Sol­dat­en in zwei Weltkriegen hon­ori­ert und eine „erin­nerungspoli­tis­che Wende um 180 Grad“ [9] gefordert.

Genau­so wie die Ideen, Sym­bole, und Struk­tur des Nation­al­sozial­is­mus nicht ein­fach 1945 ende­ten, taucht­en die Nationalsozialist*innen nicht erst 1933 auf. Bere­its am 26. Mai 1929 begann die SA durch Frank­furt zu marschieren [10] und schon 1927 war in ein­er Kneipe zu hören:

Die nation­al­sozial­is­tis­che Bewe­gung ist entschlossen alles daran zu set­zen, um das deutsche Volk von Juden- und Marx­is­ten­herrschaft zu befreien. Die Nation­al­sozial­is­ten wer­den die Besten unter ihre Fahne sam­meln und einen erbit­terten Kampf gegen die inneren Feinde der Nation führen“. [11]

Auch heute sind in Frank­furter Kneipen solche Aus­sagen nicht ausgeschlossen.

Im Som­mer 1932 wurde dann der Ter­ror der Nazis in Frank­furt immer zügel­los­er. Am Abend des1. Juli kam es zu einem Über­fall auf Antifaschist*innen. Am 4. Juli, in der heuti­gen Rathenaus­traße, schossen Nazis über 100 Mal auf Arbeiter*innenwohnungen. Und am 5. Juli durften sie dann unge­hin­dert durch unsere Stadt marschieren. Die 17
Vollzugspolizist*innen, die vor der faschis­tis­chen Gefahr und dieser Demon­stra­tion warn­ten, wur­den daraufhin festgenom­men [12].

So spricht auch die drama­tis­che Entwick­lung der Wahlergeb­nisse Bände. Lag die NSDAP bei der Reich­stagswahl 1928 in Frank­furt erst bei 330 Stim­men, erhielt sie bei der Kom­mu­nal­wahl 1929 bere­its 2.400 Stim­men und wenige Jahre später, bei der Machtüber­nahme Hitlers im März 1933, eine absolute Mehrheit. Diese Machtüber­nahme führte in ihrer Kon­se­quenz zu unzäh­li­gen furcht­baren Schick­salen, auch in Frank­furt (Oder).

So zum Beispiel auch für Marie und Adolf Köhn, deren Stolper­steine in der Großen Oder­straße 46 liegen. Adolf Köhn wurde von Faschist*innen während der Reich­sprogrom­nacht ver­haftet, einen Monat lang im Konzen­tra­tionslager Sach­sen­hausen inhaftiert und vier Jahre später, wahrschein­lich mit sein­er Frau, ins Warschauer Ghet­to deportiert. Über ihr weit­eres Schick­sal ist nichts bekannt.

In der Großen Schar­rn­straße 32 liegen zwei weit­ere Stolper­steine — die von Marie und Bruno Friedlän­der. Ihre Kinder schafften es auf einen Kinder­trans­port und beka­men Asyl in Schot­t­land und Aus­tralien. Marie und Bruno erhiel­ten keine Zuflucht und wur­den am 02. April 1942 in das Warschauer Ghet­to deportiert, wo sie am 05. April anka­men. Das weit­ere Schick­sal der Fam­i­lie ist auch hier nicht bekannt.

Bis zum let­zten Tag des Nazi-Regimes ließ die Gewalt und Bru­tal­ität nicht nach. Selb­st der Nieder­lage ins Auge sehend, wurde Frank­furt (Oder) am 26. Jan­u­ar 1945, einen Tag vor der Befreiung von Auschwitz, noch zu ein­er Fes­tung erk­lärt. Am Tag des 30. Jan­u­ars in Swiecko (im dama­li­gen Schwetig) mussten 1.600 Gefan­gene des Frank­furter Gestapo-Arbeit­serziehungslagers zum soge­nan­nten „Todes­marsch“ antreten. 70 nicht marschfähige Men­schen wur­den direkt in Kranken­barack­en ver­bran­nt und ermordet. In der Nacht auf den 31. Jan­u­ar erschossen in Słon­sk (im dama­li­gen Son­nen­burg) Ange­hörige der SS und Gestapo 800 Inhaftierte des dor­ti­gen Zuchthaus­es [13]. Selb­st in der Nieder­lage waren die Nationalsozialist*innen nicht davon abzubrin­gen ihr Mor­den einzustellen.

So schwor im Feb­ru­ar 1945 Joseph Goebbels Frank­furt ein let­ztes Mal auf die Ide­olo­gie von “Blut und Boden“ ein, nach­dem er am 31.Oktober 1929 erst­mals in der Stadt davon gesprochen hat­te. Frank­furt, das ein Zen­trum für den Ein­satz und die Ver­wal­tung von Zwangsarbeiter*innen, Deportierten und Inhaftierten war, war gar Haupt­stadt des Gaus Mark Bran­den­burg. Unzäh­lige Wag­gons mit Men­schen wur­den ohne nen­nenswerten Wider­stand deportiert. Unzäh­lige Ton­nen Kriegs­ma­te­r­i­al fuhren unge­hin­dert durch unsere Stadt.

Der Krieg endete für Frank­furt (Oder) am 23. April 1945, als belarus­sis­che Ein­heit­en der Roten Armee „die fast men­schen­leere, keinen Wider­stand leis­tende, über­all bren­nende Stadt“ [14] befre­it­en, bis dann in der Nacht am 8. auf den 9. Mai die Wehrma­cht gän­zlich kapit­ulierte und die Hege­monie des Faschis­mus gebrochen war.

Auch wenn ein Großteil der Deutschen diesen Tag als Nieder­lage emp­fand — vielle­icht sog­ar heute noch so empfind­et: Der Sieg der Alli­ierten bedeutete das Ende der nation­al­sozial­is­tis­chen Vorherrschaft, des Krieges in Europa und des Holo­caustes und ist für uns ein Grund zum fröh­lichen Tanz. Deshalb sagen wir immer wieder fre­und­schaftlich: „Спасибо! Thank You! Mer­ci! Danke!“.

Als Kul­tur- und Bil­dungsträger der offe­nen Kinder- und Jugend­hil­fe sagen wir auch ernst: „Nie wieder!“

Und um diesen Ernst zu begreifen; um den Impuls des Erin­nerns und Gedenkens nicht bei dieser Mit­teilung zu belassen, organ­isiert der Utopia e.V. im let­zten Drit­tel diesen Jahres eine Gedenkstät­ten­fahrt für Jugendliche und junge Erwach­sene zu den ehe­ma­li­gen Konzen­tra­tions- und Ver­nich­tungslagern von Auschwitz, mit demokratisch-par­tizipa­torisch­er Vor- und Nachbereitung:

Denn die Forderung, dass Auschwitz nicht noch ein­mal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglich­er anderen voran, dass [wir] wed­er glaube[n], sie begrün­den zu müssen noch zu sollen. […] Sie zu begrün­den hätte etwas Unge­heuer­lich­es angesichts des Unge­heuer­lichen, das sich zutrug“ [15].

Und so fordern wir auch andere Akteur*innen oder bish­er nicht-Aktive dazu auf, sich am Engage­ment gegen faschis­toide Bewe­gun­gen und Ideen in Frank­furt (Oder) zu beteili­gen und zu organ­isieren – die Gründe sind bekan­nt und wir wer­den über weit­ere Ter­mine berichten.

Eure Freund*innen und Assozi­ierten des Utopia e.V.

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Virtuelles Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung

Dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus in Pots­dam-Babels­berg am 24.April kann in diesem Jahr auf­grund der Covid-19-Pan­demie und ihrer daraus resul­tieren­den Beschränkun­gen und Sicher­heits­maß­nah­men nicht in adäquater und würdi­ger Weise gedacht und erin­nert wer­den. Im Voraus geplante Ver­anstal­tun­gen der Geschichtswerk­statt Rotes Nowawes zur Befreiung von Babels­berg, wie zum Beispiel eine Rad­tour zu authen­tis­chen Orten, mussten wir schw­eren Bedauerns ein­stellen. Weil jedoch dieses Jubiläum nicht nur wichtig im Kon­text der all­ge­meinen poli­tis­chen Lage zu sehen ist – in ein­er Zeit, wo Ras­sis­mus, Nation­al­is­mus und Pop­ulis­mus wieder salon­fähig sind – son­dern auch im Kon­text der lokalen Geschichte in einem Stadt­teil, der als Indus­tri­e­s­tandort stark durch die Arbeiter*innenbewegung geprägt wurde und die let­z­tendlich einen großen Anteil daran hat­te, dass Babels­berg ohne wesentliche Kämpfe und Opfer befre­it wer­den kon­nte, möcht­en wir diese Son­der­web­seite der Öffentlichkeit präsentieren.

Unter der Webadresse https://1945.rotes-nowawes.de wollen wir mit­tels ein­er dig­i­tal­en Rund­tour auf his­torisch inter­es­sante Orte in Babels­berg aufmerk­sam machen. Zu den aktuellen Fotos gibt es je eine Kurzbeschrei­bung. Des Weit­eren wollen wir der Öffentlichkeit ver­schiedene Doku­mente und Mate­ri­alien bere­it­stellen, die im Zusam­men­hang mit der Befreiung von Babels­berg, aber auch dem Neuan­fang in dieser Stadt ste­hen. Wir sind uns bewusst, dass die aus­gewählten Quellen und die Lit­er­atur, hier vor allem die Erin­nerungs­berichte, eine gewisse poli­tis­che Fär­bung aus der Zeit der DDR bein­hal­ten und deswe­gen immer im zeit­geschichtlichen Kon­text gele­sen wer­den müssen.

Nichts desto trotz sind vor allem die his­torischen Doku­mente nicht zu ver­fälschen und ste­hen in ihrer Echtheit. Zudem doku­men­tieren sie die Zeit­geschichte jenes Momentes, der für viele Unsicher­heit und Ungewis­sheit brachte, aber an einem Indus­tri­e­s­tandort wie Babels­berg – dem ehe­ma­li­gen Roten Nowawes – mit sein­er großen Arbeiter*innenschaft und den tausenden Zwangsarbeiter*innen, auch Befreiung und Erlösung.

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Law & Order

Gedenkkundgebung für Sven Beuter

Am Don­ner­stag den 20.02.2020 find­et um 19 Uhr in der Havel­straße 13 an der Gedenkplat­te eine Kundge­bung für den von einem Neon­azi ermorde­ten Punk Sven Beuter statt.

Sven Beuter wurde am 15.02.1996 von Sascha L. ange­grif­f­en und erlag am 20.02.1996 den Fol­gen des bru­tal­en Angriffs. Sascha L. ist, so erschreck­end es sein mag, nach wie vor Neon­azi und im Bran­den­burg­er Stadt­bild präsent. Oft ist er an sein­er Klei­dung zu erken­nen, die deut­lich aufzeigt, dass L. nach wie vor das faschis­tis­che Gedankengut nicht abgelegt hat, son­dern es offen zur Schau trägt. Auf der Klei­dung ste­ht z.B. “Hass Made in Ger­many”, “Fresst keinen Dön­er” oder “Aryan”. Zulet­zt provozierte L. beim Gedenken 2015 mit weit­eren Neon­azis und zeigte seinen Hohn gegenüber dem getöteten Sven Beuter.

Wer glaubt, dass solche Tat­en der Ver­gan­gen­heit ange­hören, der irrt. Der Anschlag in Halle oder das Atten­tat auf Wal­ter Lübcke zeigen, dass sich zwar der Täter­ty­pus geän­dert hat, aber nicht die mor­dende faschis­tis­che Ide­olo­gie dahin­ter. Es ist nach wie vor wichtig, an die Opfer solch­er grausamen Tat­en zu erin­nern, ihnen zu gedenken und zu mahnen.

Daher kommt am Don­ner­stag den 20. Feb­ru­ar um 19 Uhr in die Havel­straße 13 zur Gedenkplat­te um Sven Beuter zu gedenken.

Nie­mand ist vergessen. Nichts ist vergeben.

Antifa Jugend Brandenburg/Havel, linksjugend[solid] Brb/Havel und das Alter­na­tive Schul­bünd­nis Brandenburg

Weit­ere Infor­ma­tio­nen zum Opfer find­et ihr unter fol­gen­den Link: Hier

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Kundgebung zum Jahrestag des Beschlusses

Freude über geplante Auf­nahme von Geflüchteten – Mah­nung zur umfassenden Kehrtwende bei Ausländerbehörde

Die Ini­tia­tive See­brücke Pots­dam bege­ht mit der heuti­gen Kundge­bung um 14:30 Uhr am Rathaus Pots­dam vor der let­zten diesjähri­gen Sitzung der Stadtverord­neten­ver­samm­lung den Jahrestag des Beschlusses „SICHERER HAFEN“ mit Anlass zur Freude und zur Mah­nung zugleich.

Am 05.12.2018 beschloss die Stadtverord­neten­ver­samm­lung sieben Maß­nah­men¹, um die Lan­deshaupt­stadt Pots­dam zum „Sicheren Hafen“ für geflüchtete Men­schen zu machen. Der Beschluss war Start­punkt für die Lan­deshaupt­stadt Pots­dam, sich bun­desweit für eine zusät­zliche Auf­nahme von geflüchteten Men­schen aus der Seenotret­tung über den bish­eri­gen Verteilungss­chlüs­sel hin­aus zu engagieren. Wir sind in freudi­ger Hoff­nung, dass nun gemäß neuesten Mel­dun­gen² die ersten geflüchteten Men­schen aus der Seenotret­tung nach Pots­dam kom­men sollen.

Unter maßge­blich­er Beteili­gung des Ober­bürg­er­meis­ters Mike Schu­bert und des Ver­wal­tungs­bere­ichs Par­tizipa­tion und Tol­er­antes Pots­dam unter Leitung von Frau Dr. Ursu­la Löbel wurde das bun­desweite Bünd­nis „Städte Sicher­er Häfen“ vor einem hal­ben Jahr gegründet.

Pots­dam ist damit sowohl ausstrahlen­des Vor­bild für eine men­schen­fre­undliche Auf­nah­me­poli­tik für viele Kom­munen als auch eine zen­trale Akteurin für die Migra­tionspoli­tik in Deutsch­land. Wir freuen uns mit der Stadtver­wal­tung über die Nominierung der Lan­deshaupt­stadt als Organ­isatorin des Bünd­niss­es „Städte Sicher­er Häfen“ für den diesjähri­gen „Inno­va­tion in Pol­i­tics Award“³.

Jedoch bringt die zen­trale Rolle im Bünd­nis „Städte Sicher­er Häfen“ eine beson­dere Ver­ant­wor­tung mit sich, die die Frage nach den Bedin­gun­gen eines Sicheren Hafens in der eige­nen Kom­mune stellt. Wir fordern die Stadt Pots­dam auf, den Beschluss „SICHERER HAFEN“ in all seinen sieben Punk­ten kon­se­quent und zeit­nah zu erfüllen. Beson­ders ist die Verbesserung der Bedin­gun­gen in der Aus­län­der­be­hörde wichtig. Nur so kann unsere Stadt ein wirk­lich sicher­er Hafen für Men­schen sein, wenn die Aus­län­der­be­hörde Inte­gra­tionschan­cen fördert statt sie zu blockieren.

Nach jahre­lan­gen Debat­ten über fehlende Umset­zun­gen des Inte­gra­tionskonzeptes und regelmäßi­gen Bericht­en über Missstände in der Aus­län­der­be­hörde fordern wir eine umfassende Kehrtwende der Aus­län­der­be­hörde zu ein­er echt­en Willkom­mens­be­hörde⁴, in deren Mit­telpunkt der Beschluss „SICHERER HAFEN“ ste­ht, näm­lich „alle Möglichkeit­en auszuschöpfen, um Geflüchteten in Pots­dam dauer­hafte legale Aufen­thalts- und Lebensper­spek­tiv­en zu schaffen“.

Unter Beteili­gung der See­brücke Pots­dam Ini­tia­tive wur­den in ein­er Arbeits­gruppe des Bünd­niss­es Pots­dam! Beken­nt Farbe Hand­lungsempfehlun­gen aus­gear­beit­et, die nun mit konkreten Maß­nah­men und Zeit­plä­nen unter­füt­tert wer­den müssen, um die über­fäl­lige Kehrtwende in der Aus­län­der­be­hörde ein­leit­en zu können.

Wir als See­brücke Pots­dam wer­den die Lan­deshaupt­stadt auf den Weg zum Sicheren Hafen vor Ort und bun­desweit weit­er­hin tatkräftig unterstützen!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration Law & Order

Sozialamt Märkisch-Oderland

Am 2.12.2019 haben vor dem Sozialamt Märkisch-Oder­land in Vier­lin­den mehr als 50 Men­schen demon­stri­ert. Sie forderten die Gesund­heit­skarte für Geflüchtete von Anfang an und die Über­weisung ihrer Sozialleis­tun­gen auf ein Kon­to. Märkisch-Oder­land ist der einzige Land­kreis in Bran­den­burg, der diese inhu­mane Prax­is bis jet­zt aufrecht erhält.

Der Protest wurde getra­gen von Betrof­fe­nen und Per­so­n­en aus Selb­stor­gan­i­sa­tio­nen, Willkom­mensini­ta­tiv­en sowie weit­eren Grup­pen aus Bran­den­burg und Berlin. Geschmückt mit einem großen Ban­ner „Equal rights for all peo­ple – also in MOL!“ und „Stop police bru­tal­i­ty!!!“ war ein Protest-Bus aus Bran­den­burg vor Ort. Geflüchteten berichteten über ihre Lebenssi­t­u­a­tion, es wurde gemein­sam getanzt und gegessen.

Medi­en­bericht­en zufolge, lenk­te der Land­kreis bei Ausstel­lung der Gesund­heit­skarte bere­its ein. Der anwe­sende Vize­landrat Friede­mann Han­ke (CDU) rechne mit ein­er entsprechen­den Entschei­dung der Lan­desregierung bis Jahre­sende. Geldüber­weisun­gen würde es weit­er­hin nicht geben, um den Aufen­thalt­sort von Geflüchteten kon­trol­lieren und bess­er mit der Polizei kooperieren zu kön­nen. Während der Vize­landrat vor der Presse vom Funk­tion­ieren sein­er Behör­den­prax­is spricht, kommt es im Sozialamt zu einem weit­eren Vor­fall. Die Polizei nimmt einen Mann gewalt­sam in Gewahrsam.

Schön, dass wir bei der Gesund­heit­skarte mit unserem Protest erfol­gre­ich waren. Jet­zt müssen wir mit der Geld­karte weit­er machen. Die Bedin­gun­gen für uns Geflüchtete hier in MOL sind ein­fach unmen­schlich, da muss sich noch vieles ändern. Vor allem müssen die Schika­nen aufhören.“ So ein Bewohn­er der Gemein­schaft­sun­terkun­ft Müncheberg, der die Aktion mit vor­bere­it­et hatte.

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Antifaschismus Law & Order

Neonazi-Konzert fand in Roddan statt

In Rod­dan (Land­kreis Prig­nitz) führten Neon­azis im Geheimen ein Konz­ert durch. Grund: ein Lie­der­ma­ch­er mit indiziert­er Musik trat auf. Das Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um erfuhr davon erst hin­ter­her, wie es jet­zt auf par­la­men­tarische Anfrage von Land­tagsab­ge­ord­neten mitteilte.

Geheimes Konz­ert

Eine typ­is­che Dor­f­gast­stätte im ländlichen Raum mit klein­er Bühne auf hal­ber Höhe und Holzvertäfelung in natür­lichem braun, an der Wand eine überdi­men­sion­ale schwarz-weiß-rote Fahne und davor sitzend ein Musik­er mit Gitarre. Auf seinem Telegram-Kanal ver­bre­it­ete der neon­azis­tis­che Lie­der­ma­ch­er „Fyl­gien“ als erster die Bilder seines Konz­ertes im Nor­den Bran­den­burgs. Dazu noch ein paar Schnapp­schüsse, die den Musik­er mit mut­maßlichen Fans zeigte (Redak­tioneller Hin­weis: alle Fotos liegen als Screen­shots vor). Doch zu erken­nen geben wollte sich sein Anhang anscheinend nicht. Alle Gesichter waren unken­ntlich gemacht – offen­bar aus Grün­den. Denn offiziell angemeldet war die Ver­samm­lung, wie das Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um auf eine par­la­men­tarischen Anfrage der Land­tagsab­ge­ord­neten Andrea Johlige und Thomas Dom­res (bei­de LINKE) zu erken­nen gab, nicht.

Auftritt Lie­der­ma­ch­er mit indiziert­er Musik

Lie­der­ma­ch­er Sebas­t­ian D mal ohne Gitarre: Als Sprech­er während ein­er extrem recht­en Demon­stra­tion in Tem­plin (2019)

Grund für die Geheimhal­tung dürfte übri­gens eben jen­er Auftritt des Lie­der­ma­ch­ers „Fyl­gien“ gewe­sen sein. Denn Sebas­t­ian D aus Tem­plin (Uck­er­mark), so dessen bürg­er­lich­er Name, spielt indizierte Musik. Dabei han­delt es sich um Liedgut, welch­es wegen seines jugendge­fährden­den Charak­ters nicht in der Öffentlichkeit vor­ge­tra­gen wer­den darf. Ds veröf­fentlichte Eigen­pro­duk­tion: „Mein Glaube heißt Deutsch­land“ war bere­its 2011 von ein­er Indizierung durch die Bun­de­sprüf­stelle für jugendge­fährdende Medi­en (BPjM) betrof­fen. Im Milieu erfreut er sich jedoch – möglicher­weise ger­ade wegen der­ar­ti­gen Liedgutes – bester Beliebtheit. So verge­ht kaum ein Woch­enende an dem D nicht irgend­wo in einem neon­azis­tis­chen Club­haus in Deutsch­land auftritt. Am 14. Sep­tem­ber 2019 war dies nun der Saal in der kleinen Gemeinde Rod­dan, ein Ort­steil von Legde/Quitzöbel in der Nähe der Stadt Havel­berg. Dort trat D gemein­sam mit Maik S aus Magde­burg, welch­er im Milieu unter dem Pseu­do­nym „Eid­streu“ fir­miert, sowie der For­ma­tion „Her­munduren“ aus dem Raum Eisenach/Schmalkalden (Thürin­gen) auf.

Tre­f­fen mil­i­tan­ter Neonazis

Die „Freien Kräfte Prig­nitz“ während eines Auf­marsch in Wittstock/Dosse (2015)

Anlass des Konz­ertes war – so wird es aus einem Konz­ert­fly­er ersichtlich – die Jahres­feier der „Freien Kräfte Prig­nitz“ (FKP), ein vere­in­sähn­lich­er Zusam­men­schluss mil­i­tan­ter Neon­azis aus den Städten Wit­ten­berge und Lenzen. „Alle Per­so­n­en, welche der Grup­pierung FKP zugerech­net wer­den, sind polizeilich bekan­nt“, schreibt das Innen­min­is­teri­um in sein­er Antwort auf die par­la­men­tarische Anfrage der LINKE-Abge­ord­neten zu Konz­ert und Ver­anstal­ter. „Ein Großteil der Per­so­n­en“ sei zu dem als „poli­tisch rechtsmo­tivierte Straftäter (PMK – rechts -) erfasst“. Allerd­ings wür­den diese Tat­en nicht in direk­tem Zusam­men­hang mit dem Label „Freie Kräfte Prig­nitz“ beste­hen. Unter diesem Namen betäti­gen sich die ihm zuge­ord­neten Neon­azis fast „nur“ als Aktivis­ten im vor­poli­tis­chen Raum, beispiel­sweise als Teil­nehmende von Aufzü­gen. Erst­mals gaben sich die „Freien Kräfte Prig­nitz“, laut Innen­min­is­teri­um, während ein­er Demon­stra­tion am 14.01.2014 in Magde­burg zu erken­nen. Die Gruppe sei gut ver­net­zt, habe Kon­tak­te nach Sach­sen-Anhalt und Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Darüber wird unter dem Label „Freie Kräfte Prig­nitz“ eine Face­book-Seite betrieben, auf der „Ver­anstal­tung­sh­in­weise gegeben, Kom­mentare und Bilder zu eige­nen Aktio­nen gepostet sowie Berichte über Aktio­nen ander­er recht­sex­trem­istis­ch­er Grup­pierun­gen und Parteien geteilt“ werden.

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Antifaschismus Law & Order

SS Treuelied auf Gedenkkranz

In Rathenow wurde vor Kurzem ein ehe­ma­liger Naziskin-Anführer zu Grabe getra­gen. Der mehrfach verurteilte Mann war ein­er schw­eren Krankheit erlegen. Seine ein­sti­gen Kam­er­aden kon­dolierten mit dem SS Treuelied.

Ver­ab­schiedung im Geiste der SS 

„Wenn alle Brüder schweigen“ – die „alten Fre­unde“ erin­nerten mit ein­er Zeile aus dem „SS Treuelied“

Etliche grüne Kränze lagen auf einem Ron­del für Urnenbestat­tun­gen auf dem Städtis­chen Fried­hof in Rathenow. „Wenn alle Brüder schweigen“ ist mit gold­en­er Schrift auf ein­er schwarzen Trauer­schleife zu lesen – ein ungewöhn­lich­es Geleit zur let­zten Ruhe. Es ist eine Zeile aus dem Lied „wenn alle untreu wer­den“, welch­es in der Zeit des Nation­al­sozial­is­mus als “SS Treuelied” Ver­wen­dung fand. Im SS Lieder­buch kam es deshalb gle­ich hin­ter dem „Horst Wes­sel Lied“ und dem „Lied der Deutschen“. Der Ver­stor­bene, dem dessen „alte Fre­unde“ auf diese Art und Weise gedacht­en, war Mario Knud­sen, ein­er der Köpfe der neon­azis­tis­chen Szene in Rathenow. Er starb im Okto­ber 2019 nach langer schw­er­er Krankheit.

Base­ballschläger­jahre

Knud­sen und seine „alten Fre­unde“ gal­ten in den 1990er Jahren als Bürg­er­schreck. Mit Glatze, Bomber­jacke, Base­ballschlägern und Springer­stiefeln macht­en sie Rathenow unsich­er. „Skins verun­sich­ern Rathenow – muss eine Bürg­er­wehr gegrün­det wer­den?“, betitelte die Märkische All­ge­meine Zeitung im Früh­jahr 1991 u.a. das Treiben der Gruppe. Zu ihren Opfern gehörten Ange­hörige der sow­jetis­chen Gar­ni­son, aus­ländis­che Ver­tragsar­beit­er, Geflüchtete, Ange­hörige link­er Sub­kul­turen, aber auch ganz nor­male Bürg­er. Wie etwa im Jan­u­ar 1991, als Knud­sen, sein Kumpan Sandy A und weit­ere Nazi-Skins in Prem­nitz zwei Ehep­aare, welche ger­ade von ein­er Faschingspar­ty kamen, mit Gegen­stän­den attack­ierten und bru­tal zusam­men­schlu­gen. Eine Blutsspur zog sich durch die Region. Mehrfach saß Knud­sen vor Gericht, zulet­zt im Novem­ber 1998. Er und Sandy A hat­ten im Früh­jahr 1997 zwei junge Män­ner – nach einem Stre­it in ein­er Frie­sack­er Diskothek – bru­tal zusam­mengeschla­gen. Nach sechs rel­a­tiv „milden“ Urteilen, darunter eine Bewährungsstrafe für den zuvor erwäh­n­ten Über­fall in Prem­nitz, wurde Knud­sen schließlich zu ein­er Frei­heitsstrafe von einem Jahr und neun Monat­en ohne Bewährung verurteilt.

Der „Fre­un­deskreis Rathenow“ gedenkt in den Far­ben: schwarz-weiß-rot.

Erst in den 2000er Jahren beruhigte sich die Sit­u­a­tion schein­bar. Knud­sen führte anscheind ein bürg­er­lich­es Fam­i­lien­leben, wurde Vater ein­er Tochter. Doch dies war offen­bar nur Fas­sade. Im April 2005 war Knud­sen von Maß­nah­men des Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­ums bei der Auflö­sung der Kam­er­ad­schaft “Hauptvolk” betrof­fen. Damals wur­den die Woh­nun­gen von ins­ge­samt 39 Mit­gliedern dieser vere­in­sähn­lichen Struk­tur durch­sucht und die Organ­i­sa­tion offiziell aufgelöst. Die Tätigkeit und der Zweck des “Hauptvolkes” richtete sich u.a. gegen die ver­fas­sungsmäßige Grun­dord­nung und lief Strafge­set­zen zuwider, so das Innen­min­is­teri­um. Im Kam­er­ad­schaft­srund­brief Heft 1 waren u.a. die Abze­ichen von 20 Divi­sio­nen der Waf­fen SS abge­bildet. Das “Hauptvolk” sah sich als Elitege­mein­schaft und in der Tra­di­tion vor­ge­nan­nter NS Organ­i­sa­tion. Knud­sens langjähriger Kumpan Sandy A war eben­falls in der Kam­er­ad­schaft aktiv. Dieser galt sog­ar als deren Kopf. Die Web­site der Organ­i­sa­tion war auf A’s Namen angemeldet. Ein Trauerkranz des “Hauptvolkes” war bei Knud­sens Beerdi­gung jedoch nicht zu find­en – offen­bar wegen des Ver­botes der Kam­er­ad­schaft. Stattdessen legte ein “Fre­un­deskreis Rathenow” einen in schwarz-weiß-rot gehal­te­nen Kranz mit der Auf­schrift: “Im Leben uns treu, im Tode an unser­er Seite” sowie das Grabgesteck mit eben jen­er Zeile aus dem SS Treuelied nieder. Später bedank­te sich Knud­sens Fam­i­lie bei seinen “treuen Kumpels”, sowie im Beson­deren bei “Sandy A”.

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Spendenaufruf

Seit 10 Jahren berät die Antidiskri­m­inierungs­ber­atung des Vere­ins Opfer­per­spek­tive über­all in Bran­den­burg Men­schen, die ras­sis­tis­che Diskri­m­inierun­gen erlebt haben. An uns wen­den sich zum Beispiel Fam­i­lien, die wegen eines aus­ländisch klin­gen­den Namens bei der Woh­nungssuche benachteiligt wer­den; Frauen, die bei der Job­suche abgelehnt wer­den, weil sie ein Kopf­tuch tra­gen; Eltern, deren Kinder in der Schule aus­ge­gren­zt wer­den; junge Men­schen, denen der Ein­tritt in eine Diskothek oder die Mit­glied­schaft in einem Fit­nessstu­dio ver­weigert wird, weil sie Schwarz sind.

In den let­zten drei Jahren wurde unsere Arbeit etwa zur Hälfte mit Geldern des Pro­gramms Demokratie leben! finanziert. Diese Gelder wer­den uns ab Beginn des kom­menden Jahres nicht mehr zur Ver­fü­gung ste­hen. Unser Antrag auf weit­ere Förderung durch den Bund wurde abgelehnt. Wir bemühen uns derzeit um eine alter­na­tive Finanzierung, diese ist jedoch davon abhängig, dass die Opfer­per­spek­tive einen Eigenan­teil von min­destens 12.180 EUR erbringt. Um diesen Betrag aufzubrin­gen, benöti­gen wir Ihre Unter­stützung. Jed­er Betrag hil­ft uns weiter!

Mehr Infor­ma­tio­nen zu unser­er Arbeit: https://www.antidiskriminierungsberatung-brandenburg.de/ https://www.opferperspektive.de/

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Gedenkveranstaltungen zum Gedenken an die Novemberpogrome

In diesem Jahr gab es erst­ma­lig zwei Gedenkver­anstal­tun­gen, um an die Schreck­en der Novem­ber­pogrome zu erinnern.

Gedenken am ehe­ma­li­gen jüdis­chen Altenheim in Babelsberg

Bei ein­er Ver­anstal­tung am Vor­mit­tag wurde an einem authen­tis­chen Ort der Shoa, dem ehe­ma­li­gen jüdis­chen Altenheim in der Spitzweg­gasse 2a, gedacht. Von hier aus gin­gen 1943 die let­zten Trans­porte aus Pots­dam in die Ver­nich­tungslager. In den Rede­beiträ­gen wurde auf die Enteig­nun­gen in Neu-Babels­berg einge­gan­gen und welche Orte seit 1933 von NS-Verbänden
beset­zt und bewohnt wor­den sind. Anschließend wur­den von ca. 30 Men­schen am Gedenkstein Blu­men und Kränze niedergelegt, sowie mit ein­er Schweigeminute der Novem­ber­pogrome gedacht.

Gedenken am OdF Mahnmal

Um 19 Uhr trafen sich unge­fähr 200 Leute am Denkmal für die Opfer des Faschis­mus am Platz der Ein­heit. In mehreren Beiträ­gen wurde an die Geschehnisse der  Novem­ber­pogrome erin­nert und ein Gedicht von Hali­na Biren­baum ver­lesen. Ein Rede­beitrag von der Emanzi­pa­torischen Antifa Pots­dam kennze­ich­nete die lange Tra­di­tion von Anti­semitismus, auch vor 1933, in Deutsch­land und dass dieser bis heute tief in der Gesellschaft ver­ankert ist.
Dazu  sagt Lisa Redlich von der EAP „Gedenken ist nicht nur das
Erin­nern an  ein bes­timmes Ereigniss oder an eine bestimmte
Begeben­heit. Es ist auch  wichtig zu betra­cht­en wie es zu dem Ereig­nis gekom­men ist und dann daraus auch die Schlüsse auf das hier und heute zu ziehen“ Den Rede­beitrag find­en sie weit­er unten in der kom­plet­ten Länge.

Respekt- und würde­los­es Ver­hal­ten der Polizei Brandenburg 

Dass die Polizei Bran­den­burg jegliche Würde ver­loren hat, zeigte sich gestern mal wieder. Ein Gedenken von Opfer­ver­bän­den und
Antifaschisten*innen zu stören, in dem sie einen Verantwortlichen
wollen, ist ein Skan­dal und zeigt, dass sie jegliches
Geschichtsver­ständ­nis ver­mis­sen lassen. In Bran­den­burg müssen
Gedenkver­anstal­tun­gen nicht angemeldet wer­den, weshalb ihre Nach­frage wie eine Pro­voka­tion und Schikane wirkte.

Fotos unter: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/49040300236/in/album-72157711714431958/

Rede­beitrag der EAP:

Heute ste­hen wir wieder hier am Mah­n­mal für die Opfer des Faschismus.
Jedes Jahr müssen wir erneut fest­stellen, wie wichtig eine aktive
Gedenkkul­tur ist und wie wichtig es ist aus dem Gedenken Rückschlüsse auf das hier und heute zu ziehen! Vor exakt einem Monat, dem 9.10.2019 kam es zu einem neon­azis­tis­chen Angriff auf eine Syn­a­goge in Halle.
Dabei star­ben zwei Men­schen. Der Angriff, der am jüdis­chen Feiertag Jom Kip­pur stat­tfand, zielte klar gegen Jüdin­nen und Juden.

Der 9.11. ist ein Datum von her­aus­ra­gen­der Bedeu­tung. Vor 81 Jahren wur­den Syn­a­gogen und Geschäfte jüdis­ch­er Men­schen zer­stört, Men­schen wur­den ver­haftet und ermordet. Auch hier direkt hin­ter uns wurde die Syn­a­goge geplün­dert und aus­ger­aubt. Keine 100 Meter weit­er links wurde das Geschäft von Abra­ham Kall­mannsohn in der Schw­ert­fegerstraße 1 geplün­dert und er wurde im KZ Sach­sen­hausen interniert. An diese Gräueltat­en zu erin­nern ist die Ver­ant­wor­tung der­er wir uns heute annehmen müssen. Erin­nern heißt nicht vergessen.

Der 9.11.1938 war Test­lauf und Start­punkt für die spätere sys­tem­a­tis­che Ver­nich­tung durch Massen­er­schießun­gen in Osteu­ropa und Ver­ga­sun­gen in den Konzen­tra­tionslagern. Nach dem 9.11.1938 war klar, dass gegen anti­semi­tis­che Het­ze und Gewalt­tat­en aus der deutschen Bevölkerung nicht  mit Wider­stand zu rech­nen war – ganz im Gegenteil!
Die Aneig­nung von und Auseinan­der­set­zung mit der Geschichte muss bis in unsere Gegen­wart hinein­re­ichen! Auch wenn Deutsch­land 1945 besiegt wurde, ist der Anti­semitismus in  großen Teilen der Gesellschaft verblieben und erneuert sich unen­twegt. Alleine im let­zten Jahr gab es 1.799 doku­men­tierte anti­semi­tis­che Angriffe. Das sind 5 anti­semi­tis­che Angriffe am Tag!

Dieser mod­erne Anti­semitismus hat eine lange Tra­di­tion in Deutsch­land. Schon Jahrzehnte bevor die Nationalsozialist*innen die Macht in die Hände gelegt beka­men. So kam es beispiel­sweise schon 1916, mit­ten im ersten Weltkrieg, zu soge­nan­nten „Juden­zäh­lun­gen“ in der Reich­swehr. Mit  dieser Zäh­lung sollte gek­lärt wer­den, ob Juden ihre soge­nan­nten „vater­ländis­chen“ Pflicht­en in aus­re­ichen­der Zahl erfüll­ten. Die Ergeb­nisse dieser staat­sof­fiziellen Unter­suchung wur­den nicht an die
große Glocke gehangen, denn von den 500.000 deutschen Juden diente 1/5 in der Reich­swehr. Die für „Kaiser und Vater­land“ kämpfend­en Juden erhofften sich durch ihren Kampfein­satz die volle Gle­ich­berech­ti­gung und  Anerken­nung der deutschen Gesellschaft zu erkämpfen. Aber noch nicht ein­mal unter Ein­satz ihres Lebens war ihnen dies möglich. Sie gal­ten weit­er­hin als Pro­jek­tions­fläche. Alle Auswüchse und Missstände des sich
etablieren­den Kap­i­tal­is­mus wur­den mit ihnen iden­ti­fiziert und somit per­son­al­isiert. Ein Umstand, der aus der kapitalistischen
Waren­pro­duk­tion und dem ihr notwendi­gen falschen All­t­ags­be­wusst­sein erwächst. Dabei war für die Anti­semiten uner­he­blich, was Juden in der Real­ität tat­en oder wer sie waren. Denn, wie Adorno so tre­f­fend for­mulierte: „Der Anti­semitismus ist das Gerücht über den Juden.“

Nach der Beendi­gung des ersten Weltkrieges durch die Kapit­u­la­tion des deutschen Reich­es nahm der Anti­semitismus fol­glich nicht ab. Im Gegen­teil, auch die Auf­stände und Massen­streiks der Jahre 1918 und 1919 wur­den nicht lediglich auf eine kriegsmüde, nach Brot und Frei­heit strebende Bevölkerung zurück­ge­führt, son­dern von Beginn an gal­ten die Urheber*innen als „jüdis­che Bolschewist*innen“. Und entsprechend hart wurde mit ihnen umgegangen.

Liebe Zuhörende, der 9. Novem­ber ist nicht nur der Tag an dem wir der Reich­s­pogrom­nacht mit ihren Schreck­en und grausamen Fol­gen gedenken. Wir gedenken auch der Tausenden Toten die von Freiko­rps ermordet wur­den. Diese Freiko­rps bestanden zumeist aus ehe­ma­li­gen Sol­dat­en, die sich nach der deutschen Nieder­lage zum Schutz eines reak­tionären Deutsch­lands zusam­men schlossen. Sie unter­standen dem dama­li­gen SPD-Vertei­di­gungsmin­is­ter Noske und han­del­ten auf seinen Befehl. So auch als sie in Berlin im März 1919 ein Mas­sak­er an linken Proletarier*innen anrichteten. Damals flo­gen erst­mals Flugzeuge Luftan­griffe und schmis­sen Brand­bomben auf Wohn­vier­tel. Maschi­nengewehre wur­den in
belebten Straßen einge­set­zt. Diese Gewalt über­traf in ihrer Stärke und Durch­schlagskraft die vorher einge­set­zte rev­o­lu­tionäre Gewalt um ein Hun­dert­fach­es. Wur­den während der Novem­ber­rev­o­lu­tion 1918 nur Wenige getötet, fie­len der ent­fes­sel­ten Gewalt der Freiko­rps allein im März 1919 in Berlin 1.200 Men­schen zum Opfer: größ­ten­teils Zivilist*innen. An  diesen Gewal­taus­brüchen waren auch Pots­damer Freiko­rps beteiligt. Zu nen­nen sind hier das Freiko­rps Pots­dam und das Freiko­rps Hülsen, beide
waren in Pots­dam sta­tion­iert. Das Pots­damer Freiko­rps Hülsen ging später  als Teil der 3. Infan­terie Divi­sion in der Wehrma­cht auf und war unter anderem am Über­fall auf Polen im Jahr 1939 beteiligt.

Es dürfte also nie­man­den der Anwe­senden ver­wun­dern, wenn sich die Ange­höri­gen und die Kom­mandieren­den der Pots­damer Freiko­rps oder ander­er Freiko­rps Ver­bände später den Nazis anschlossen oder sog­ar an deren Spitze stellten.

In der Zeit nach Beendi­gung des 1. Weltkrieges und vor der Machtüber­gabe  an die NSDAP fühlten sich auch schon ver­schiedene Täter (es waren und sind ja meist Män­ner) dazu berufen Morde und Mas­sak­er an ver­meintlichen oder realen Gegner*innen zu bege­hen. Damals wie heute han­delt es sich bei den Tätern ange­blich um Einzeltäter. Damals wie heute sind diese Men­schen einge­bun­den in ein poli­tis­ches Umfeld das geprägt ist von Unter­gangsäng­sten und Bedro­hungsszenar­ien. Damit wirre Ideen aber zu Tat­en wer­den, braucht es mehr: Es braucht eine indif­fer­ente oder sich sog­ar pos­i­tiv auf die Tat­en beziehende Bevölkerung und es braucht einen Staat, welch­er die anti­ju­dais­tis­che, die anti­semi­tis­che, die faschis­tis­che oder ras­sis­tis­che Bedro­hung kon­fton­ta­tion­s­los hinnimmt.
Hierzu braucht es weit­er­hin eine Gesellschaft in der die
gesellschaftlichen Beziehun­gen der Men­schen nicht bewusst geregelt sind, sich die Men­schen in freier Konkur­renz als Privateigentümer*innen gegenüber­ste­hen und men­schlich­es Han­deln  lediglich als per­sön­lich­es Fehlver­hal­ten aus­gelegt wird,begründet durch per­sön­liche Überzeu­gung oder Abstam­mung. Die gesellschaftlichen Ver­hält­nisse haben sich seit­dem nie grundle­gend geändert!

Angesichts des im Bran­den­burg­er Land­tag sitzen­den bayrischen Neon­azis Kalb­itz, der bis heute nicht ver­bote­nen rechts-ter­ror­is­tis­chen Organ­i­sa­tion Com­bat 18 oder der wei­thin bekan­nten Unter­stützung (neo)nazistischer Grup­pen durch Teile des deutschen Sicher­heit­sap­pa­rates muss klar sein, dass eine faschis­tis­che Gefahr mit­nicht­en geban­nt ist!

Fakt ist, dass auf die Reich­s­pogrom­nacht jahrzehn­te­lang hin gear­beit­et wurde und es ist wichtig sich nicht nur dieses Datum mit all seinen Schreck­en ins Gedächt­nis zu rufen, son­dern auch die unzäh­li­gen Grausamkeit­en, die den Weg dor­thin geeb­net haben und danach noch fol­gten. Denn nur so ist Ler­nen aus der Geschichte möglich. Nicht indem wir uns an, vom Fluss der Geschichte los­gelöste, sin­guläre Ereignisse erin­nern, son­dern indem wir die Geschichte als von Men­schen gemachte Real­ität anerken­nen, in der viele ver­schiedene Aspek­te zu dem führten dessen wir heute mah­nen wollen.

Gegen jeden Antisemitismus!

Inforiot