Eisenhüttenstadt wirkt an diesem früheren Samstagnachmittag etwas verschlafen. Nur wenige Menschen bewegen sich in den, für heutige Verhältnisse, zu groß dimensionierten Straßenzügen, deren Antlitz den Architekturstil der 1950er bis 1970er Jahre widerspiegelt. Patinierte Fassaden dominieren das Ensemble. Lediglich das Rathaus, das Friedrich Wolf Theater und einige wenige weitere Gebäude strahlen in neuem Glanz, neben vergilbten und bröckelnden Fassaden.
In der Stadt patrouilliert viel Polizei. An allen Knotenpunkten vom Eisenhüttenkombinat bis zur Bahnhaltestelle im alten Ortsteil Fürstenberg ist sie präsent. Jedoch scheint heute weniger die viel diskutierte „Grenzkriminalität“ der Hintergrund der Maßnahme zu sein, als denn zwei konträre Veranstaltungen, die für den früheren Nachmittag angemeldet wurden. Ein neonazistischer Aufmarsch und eine Gegenkundgebung.
Für 14.00 Uhr hatte ein Neonazi eine Demonstration unter dem Motto „Ausländerstopp – für die Zukunft deutscher Familien“ am Rande des Zentralen Platzes, vor dem Eisenhüttenstädter Rathaus, angemeldet. Das Bündnis „Hütte stellt sich quer“ hielt auf demselben Platz, jedoch zentrierter, mit einer angemeldeten Kundgebung unter dem Motto: „Gegen Rassismus – für ein weltoffenes Eisenhüttenstadt“ dagegen. Letzt genanntes war bereits sogar seit 13.00 Uhr vor Ort. Ein Lautsprecherwagen war aufgebaut worden und ungefähr 100 Menschen bekannten sich mit Schildern und Transparenten zu einem weltoffenen und bunten Eisenhüttenstadt.
Hütte stellt sich quer
Selbstverständlich nutzte das Bündnis, ein Netzwerk aus Schulen, Jugendclubs, Vereinen, Parteien und anderen politischen Initiativen, auch die Zeit sich, um seine Entstehung, Entwicklung und Engagement darzustellen. Ein Sprecher von „Hütte stellt sich quer“, betonte, dass er früher immer das Gefühl hatte, das Eisenhüttenstadt tolerant sei. Dieser Eindruck hielt bis vor drei Jahren. Zu diesem Zeitpunkt nahm die Hetze gegen Asylsuchende im Internet immer weiter zu. Daraufhin haben er und andere Menschen begonnen, sich als Bündnis „Hütte stellt sich quer“ zu finden und zu vernetzen. Dabei sehen sie ihr Hauptaugenmerk übrigens nicht nur auf Recherche und Aufklärung zum Thema Migration, sondern eben auch in der konkreten Kontaktsuche zu Asylsuchenden, so ein weiterer Sprecher vom Bündnis „Hütte stellt sich quer“. Es wurden Hilfsgüter verteilt und eine Begegnungsstätte etabliert.
Lobende Worte erhielt das Bündnis deshalb vom regionalen Bundestagsabgeordneten Martin Patzelt (CDU). Er unterstütze die Initiative, weil sie Mut mache. Schließlich gäbe es auch gar keine andere Alternative, als ein friedliches Zusammenleben aller Menschen. Deshalb sei es, so Patzelt, auch wichtig teilen zu lernen, um dadurch die Welt gerechter zu gestalten.
Die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré (DIE.LINKE) lobte anschließend ebenfalls noch einmal das Bündnis und betonte, auf den heutigen Anlass bezogen, dass wo immer Neonazis in Brandenburg aufmarschieren auch immer mit Protest zurechnen ist.
Die militante Rechte marschiert auf
Währenddessen trafen immer mehr Neonazis am ihrerseits angemeldeten Sammelpunkt ein. Insgesamt wurden es ungefähr 100. Die meisten stammten aus dem gesamten Land Brandenburg, vor allem aus den Kreisen Ostprignitz-Ruppin, Havelland, Brandenburg an der Havel, Potsdam-Mittelmark, Potsdam, Teltow-Fläming, Oder-Spree und Frankfurt (Oder). Vereinzelt waren aber auch Neonazis aus Berlin und Bayern angereist.
Die neonazistische Kleinpartei „Der dritte Weg“, die hauptsächlich im Süden der Republik beheimatet ist, hatte im Vorfeld für den Aufmarsch geworben. Allerdings scheint sich nur ein Teil der angereisten Personen offen mit dieser Organisation zu identifizieren. Ein Großteil der Veranstaltungsteilnehmer_innen ist u.a. als Funktionäre der NPD bekannt. Mit Pascal Stolle, André Schär, Manuela Kokott und Burkhard Sahner waren so gar Kommunalpolitiker der nationaldemokratischen Partei anwesend. Die NPD Potsdam-Mittelmark zeigte zudem mit eigenem Banner und Parteifahne Präsenz. Des Weiteren waren Vertreter_innen der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ und Sympathisanten der Initiative „Wittstock sagt nein zur Asylpolitik“ anwesend.
Maik Eminger aus Grabow (Landkreis Potsdam-Mittelmark) , Anmelder der Veranstaltung, trat anschließend in den Vordergrund, ordnet die Reihen und dirigierte die Banner- und Fahnenträger, so dass sie die richtige Propagandapose bildeten. Anschließend eröffnet Manuel Schmidt aus Kloster Lehnin (ebenfalls Landkreis Potsdam-Mittelmark) mit einem Einleitungsmonolog die Veranstaltung.
Unmittelbar danach ist aber wieder Maik Eminger, Bruder eines in München angeklagten mutmaßlichen NSU Mitäters, am Mikrophon und erklärt, dass er hier als Einzelperson stehe bzw. keine Partei symbolisiere und für keine Organisation rede. Eine sehr bescheidene Auskunft. Es drängt sich nämlich eher der Eindruck auf, dass er eine führende Figur der militanten Rechten ist und seine Jünger hier versammelt hat. Und die haben sich zurzeit auf das Thema Asyl eingeschossen. Sinn und Zweck der von Eminger angemeldeten Versammlung sei deshalb, so seine Worte, in erster Linie ein Zeichen dagegen zu setzen. Denn hier in Eisenhüttenstadt befindet sich die Zentrale Aufnahmestelle für Asylsuchende in Brandenburg, dem ersten Anlaufpunkt für Menschen, denen in Brandenburg aufgrund von Krieg, Verfolgung und Folter Asyl gewährt wird.
Doch dies spielt für Eminger keine Rolle. Die Bilder, die er in seinem Redebeitrag entwirft, sind von tiefem Rassismus und von „Blut und Boden“ Ideologie geprägt. Letztendlich geht es ihm nicht darum, nur bestimmten Menschen Asyl zu gewähren, wie es „besorgte Bürger_innen“ oder die „PEGIDA“ in den zahlreichen Veranstaltungen der letzten Zeit landauf und landab predigen, sondern niemanden.
Ähnlich argumentiert auch der Bad Belziger Stadtverordnete Pascal Stolle (NPD), der offenbar seit seiner letzten öffentlichen Rede einen Rhetorikkurs besucht hat. In flüssigen und klar verständlichen Sätzen echauffiert er sich vor allem über die „rote Bande“, die im Eisenhüttenstädter Rathaus sitze und sich erdreistet in der Stadt ein Krankenhaus für Asylsuchende zu planen. Zwar ist eigentlich das Land Brandenburg der Bauherr der Klinik, aber Stolle ist ja auch ohnehin kein Mensch, der es mit der Wahrheit so genau nimmt. Für ihn steht fest, dass „Asylanten“ sowieso nur „Krankheiten“ bringen und schon deshalb hier nicht hergehören.
Anschließend formiert sich die neonazistische Kundgebung zu einem Demonstrationszug und marschiert, zum Teil auf dem Gehweg, entlang der Lindenallee zum Friedrich Wolf Theater, wo eine Zwischenkundgebung geplant ist. Dort angekommen, wird ebenfalls eine propagandistisch wirkende Pose eingenommen. Die kommt allerdings nicht so zur Geltung, denn zuvor hatte offenbar die SPD und die IG Metall Plakate mit der Aufschrift „Nazis einen Vogel zeigen“ und „Vorsicht Falle“, auf dem ein in einer Mausefalle gefangenes Hakenkreuz abgebildet ist, angebracht.
Trotzdem verstehen es die Neonazis die Szenerie zu dominieren, da auch bei dieser Zwischenkundgebung geschulte Redner auftreten, die abermals gegen alles vermeintlich Nichtdeutsche hetzen. So beispielsweise der aus München angereiste Karl Heinz Statzberger (Der III. Weg) , welcher offen die Ansicht vertritt, dass weder der Islam, noch das Judentum zu Deutschland gehört. Davon ist er sogar so überzeugt, dass er mit weiteren Neonazis am 9. November 2003 einen Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München plante und deswegen rechtskräftig als Mitglied einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurde.
Soweit ist die Vereinigung „Initiative Zukunft statt Überfremdung“, hinter der sich die „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“ verbergen anscheinend aber noch nicht. Doch für deren Sprecher Pierre Boddin, der im nächsten Redebeitrag für den sogenannten „Tag der Deutschen Zukunft“ am 6. Juni 2015 in Neuruppin warb, steht auch fest, dass „nicht mehr viel Zeit bleibt, um das Ruder noch einmal rum zu reißen“. „Jedoch“, so Boddin weiter, „zu spät für den Erhalt seiner Art und die Zukunft unserer Kinder zu kämpfen“ sei es nie. Als „Mut machendes Beispiel“ hierfür nannte er die Tumulte in der Stadtverordnetenversammlung von Nauen (Landkreis Havelland), bei denen auch er zugegen war. Dort hatten Neonazis und „besorgte“ Bürger_innen versucht die Abstimmung über den Verkauf einer Brachfläche für den Bau eines neuen Asylbewerberheims und damit die Einrichtung einer solchen Unterkunft an sich zu verhindern.
Anschließend wurde eine „Gedenkzeremonie“ für die „von Ausländern ermordeten Deutschen“ zelebriert und dann zum Rathaus zurückmarschiert, wo Maik Eminger, nach einer Schweigeminute und der anschließenden Skandierung eines „dreifachen Frei, Sozial, National“, die Veranstaltung beendete.
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Autor: Shaun
Daniel Herzog ist sauer. Als Anmelder des heutigen Gedenkspaziergangs für den im Jahr 1996 von Neonazis getöteten Brandenburger Punk Sven Beuter habe er extra in einem Vorabgespräch bei der Polizei darauf bestanden, das die eingesetzten Beamt_innen auf Personen des neonazistischen Milieus achten und diese dann von der Strecke verweisen. Doch es kam anders. In der Grabenstraße, kurz vor dem Ende des Gedenkspaziergangs, postierten sich fünf Neonazis in dessen unmittelbarer Nähe und versuchten durch Posen und verbale Beschimpfungen die Teilnehmer_innen des vorbeiziehenden Aufzuges zu provozieren. Übrigens nicht irgendwelche Neonazis, es war der Mann, der den Tod von Sven Beuter vor 19 Jahren hauptsächlich zu verantworten hatte und seine jüngeren Gesinnungsgenoss_innen, die dort standen und über den Gedenkspaziergang feixten. Ein klares Symbol des Verunglimpfens Verstorbener. Trotzdem verhielt sich die anwesende Polizei recht passiv. Den Beamt_innen vor Ort seien die Neonazis nicht bekannt gewesen und vorab informiert worden waren sie angeblich auch nicht. Es dauerte so erst eine Weile bis die fünf Provokateure in Richtung Brandenburg-Neustadt weggeschickt worden.
Erst dann konnte der Spaziergang ordnungsgemäß bis zur Abschlusskundgebung durchgeführt werden.
Gedenkspaziergang: Erinnerung an markanten Orten
Zum Gedenkspaziergang aufgerufen hatten u.a. ein „Bund Brandenburger Querulanten — BBQ“ und die AG Antifa [BRB]. DIE.LINKE meldete die Demonstration an und stellte den Lautsprecherwagen. Etwa 50 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil.
Das Konzept des Gedenkspaziergangs war von den Veranstalter_innen so angelegt, dass an verschiedenen Punkten in der Stadt an Sven Beuter erinnert wurde. Den Startpunkt bildete das Mietshaus in der Mühlentorstraße 13, in dem er zuletzt wohnte. Hier wurde auch der erste Redebeitrag gehalten, in dem kurz auf die bekannten Fakten aus dem Leben von Sven Beuter eingegangen wurde. In der Mühlentorstraße 13 soll sich Sven Beuter auch am Abend des 15. Februar 1996 mit Freunden getroffen, Fernseh geguckt und Bier getrunken haben. Irgendwann war dann das Bier alle und Beuter, der Punk Rocker, machte sich auf neue Getränke zu holen. Angst schien er keine gehabt zu haben, obwohl er bereits 1993 und 1994 von Neonazis überfallen wurde und bleibende Verletzungen davon trug. Beuter ging alleine, vermutlich auf einer ähnlichen Route, wie der heutige Gedenkspaziergang, zunächst durch die Altstadt, dann über die zu dieser Zeit in Umbau befindliche Jahrtausendbrücke und schließlich in die Grabenstraße. Dort traf er dann, genau wie der Gedenkspaziergang heute, auf die Person oder Personen, die ihn dort zunächst brutal zusammengeschlugen und traten. Anschließend packte der Haupttäter den bereits nicht mehr wehrfähigen Sven Beuter und schleifte ihn 50m hinter sich her, bis in die Havelstraße, wo er weiter malträtiert wurde. Erst hier konnten Augenzeugen erst eingreifen und den Täter überwältigten. Für Sven Beuter kam die Hilfe jedoch zu spät. Zwar konnte er noch in das städtische Klinikum überführt werden, erlag jedoch nach fünf Tagen, am 20. Februar 1996, seinen schweren Verletzungen. Zu diesem Zeitpunkt war Beuter, der am 12. Dezember 1972 geboren wurde, noch nicht einmal 24 Jahre alt.
Täter bleibt unverbesserlicher Nazi
Obwohl es Indizien für weitere Mittäter gab, wurde allein der aus Kloster Lehnin OT Damsdorf stammende Neonazi Sascha Lücke der Tat überführt. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten wegen Totschlags verurteilt, die er seit zehn Jahren abgesessen hat. Vom neonazistischen Milieu löste er sich jedoch nie. Im Gegenteil, erst im Januar und Februar 2015 lief er bei vier Aufzügen der bis vor kurzem von den rechtskonservativen REPUBLIKANERn gesteuerten Initiative „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ (BraMM) in Brandenburg an der Havel mit. Lücke erschien stets im selben Dress: kahlrasiert und mit weinrotem Kapuzenpullover, der mit den weißen Aufschriften: „Aryan Hope“, „Hass – Made in Germany“ und „Fresst keine Döner“ sowie dem Symbol eines Eisernen Kreuzes und der Zahl 88, einem Szenecode für „Heil Hitler“, bedruckt war. Bei der ersten Veranstaltung der BraMM am 26. Januar 2015 wurde er zu dem kurzzeitig in Gewahrsam genommen, weil er einen verboten Gruß gezeigt haben soll. Heute störte er nun den Gedenkspaziergang.
Stilles Erinnern an Gedenkplakette
Trotz dieser Provokation, ließen sich die Teilnehmer_innen des Spaziergangs ihr Gedenken nicht kaputt machen, wie ein Sprecher der AG Antifa [BRB] via Lautsprecherwagen betonte. Nach einem abschließenden Redebeitrag folgte dann eine Kranzniederlegung an der Gedenkplakette für Sven Beuter sowie eine Schweigeminute. Anschließend hatte jeder Mensch die Möglichkeit persönlich dem Toten zu gedenken. Einige verneigten sich, andere stifteten Kerzen und manche stellten symbolisch eine leere Flasche als Erinnerung ab. Punk Rocker haben manchmal sonderbare Ausdrucksformen, doch „Sven hätte es auch so gemacht“, meinen sie nur.
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Nach ihrem mittlerweile vierten Montagsspaziergang in der Stadt Brandenburg wollen die „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ am kommenden Montag, offenbar vorerst nicht mehr in der Havelstadt marschieren. Nach sinkenden Teilnehmer_innenzahlen von anfangs 150, dann 100, 80 und heute schließlich nur 70, scheint die „Luft raus zu sein“. Zumindest im Westen Brandenburgs.
Stattdessen hat BraMM angekündigt an den nächsten beiden Montagen in Ostbrandenburg, genauer gesagt in Fürstenwalde/Spree (Landkreis Oder-Spree) weiter zu demonstrieren. Und noch etwas ist neu: Der führende Kopf der BraMM, Heiko Müller, bis zum 13. Februar 2015 Chef der rechtskonservativen REPUBLIKANER in Brandenburg, hat im Socialmedia angekündigt, alle Parteiämter niederzulegen. Dennoch, „der Kampf für mehr politische Gerechtigkeit und mehr Demokratie“ gehe „im Sinne unserer Heimat Deutschland (…) weiter“ und würde von ihm „intensiviert“ werden, so Müller. Offenbar will er versuchen „BraMM“ in die weiten Flächen Brandenburgs auszudehnen.
In wie fern dies gelingen könnte, bleibt unklar, ebenso wen Müller letztendlich erreichen möchte. Die Anzahl der mitlaufenden, augenscheinlichen Bürger_innen nahm stetig ab. Am heutigen Abend liefen sogar nur ungefähr zehn Personen aus dem bürgerlichen Spektrum mit. Stattdessen zogen die Abendspaziergänge immer mehr Neonazis an. Heute waren es, einschließlich Mitläufern und weiblichen Anhang, ungefähr 60 Personen, also die deutliche Mehrheit der Versammlungsteilnehmer_innen. Ein Teil der Neonazis kam aus Brandenburg an der Havel, andere waren aus dem Havelland und Potsdam-Mittelmark zugereist.
Die Gegendemonstrant_innen sammelten sich heute übrigens wieder auf dem Neustädtischen Markt und bekannten sich zu einem „bunten und weltoffenen Brandenburg an der Havel“. An dieser Veranstaltung nahmen ungefähr 200 Menschen teil.
Weitere, vor allem verbale Protestbekundungen fanden zudem am westlichen Rand des Neustädtischen Marktes, direkt gegenüber der Auftaktkundgebung, statt.
Der Versuch junger Antifa-Aktist_innen eine Spontan- oder Eilanmeldung direkt an der Demonstrationsroute durchzuführen scheiterte hingegen. Trotz gut verstehbarer Bekundung eines Sprechers der Antifas eine Kundgebung sofort und eiligst anzumelden, wurde dieser Bitte durch die eingesetzten Beamt_innen nicht entsprochen. Stattdessen wurden die Antifa-Aktist_innen aufgefordert, sich von der Demonstrationsroute zu entfernen.
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Eine öffentliche Stadtverordnetenversammlung ist am frühen Donnerstagabend völlig eskaliert. Dutzende Sympathisanten der Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“ hatten durch die permanente Unterbrechung der Sitzung und das Skandieren von ausländerfeindlichen Parolen die Räumung des Publikumsbereich im Sitzungssaal provoziert. Außerhalb des Gebäudes sammelten zudem NPD Funktionäre, die auch ein Banner der „Nein zum Heim“ Kampagne mit sich führten, sowie Sympathisanten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ weitere Personen um sich und versuchten die Stadtverordnetenversammlung von draußen, durch das Schlagen gegen die Scheiben sowie das Rufen von Losungen zu stören.
Ausgangssituation
Hintergrund des Tumults war die geplante Abstimmung der Stadtverordneten zum Verkauf eines Grundstückes am Nauener Waldemardamm an den Landkreis Havelland, damit dieser dort eine Unterkunft für Asylsuchende bauen kann.
Eine erste Abstimmung zu dem Fall war bereits am 26. Januar 2015 gescheitert, da einige Abgeordnete das Vorgehen der Stadt als intransparent kritisierten. Anschließend wurde ein neuer Termin auf den heutigen Tag verlegt.
Allerdings fand die heutige Sitzung, nicht wie sonst üblich, im Rathaus statt, sondern wurde aufgrund des erheblichen öffentlichen Interesses in den Evangelischen Gemeindesaal in der Hamburger Straße verlegt.
Außerdem lud der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Hartmut Siegelbert (SPD), die Bürgerinitiativen „Nein zum Heim in Nauen“ und „Zukunft Nauen“ bzw. deren Sprecher ein, um in einer geplanten Bürgersprechstunde mit ihnen in Dialog zu treten. Diese Initiativen hatten ihr kommen im Vorfeld ohnehin durch eine massive Plakataktion am vergangenen Samstag angekündigt. Allerdings war offenbar niemand aus der Stadt auf eine so rege Anteilnahme von Bürger_innen vorbereitet. Lediglich 150 Personen konnten deshalb nur, neben den Stadtverordneten, hereingelassen werden. Die übrigen 50 Bürger_innen blieben vor der Tür und versammelten sich dann vor der Fensterfront des Sitzungssaales.
Ablauf der Sitzung
Dann begann die eigentliche Stadtverordnetenversammlung mit der Einleitungsrede des Bürgermeister Detlef Fleischmann (SPD). Da der Stadt im Hinblick auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück für den Bau einer Unterkunft für Asylsuchende Intransparenz vorgeworfen wurde, erläuterte Fleischmann den bisherigen Entscheidungsprozess sehr detailliert. Seinen Angaben zu Folge habe die Stadt Nauen weder Wohnraum noch geeignete Gebäude für die Unterbringung von Asylbewerber_innen. Deshalb wurden alle in Frage kommenden Liegenschaften hinsichtlich der Pro- und Kontrakriterien geprüft. Dabei handelt es sich um insgesamt 16 Grundstücke: u.a. der Sägewerksplatz, das ehemalige Gaswerk, der Bahnhofsvorplatz, der Goetheweg, die Oranienburger Straße, Am Bahndamm, der Waldemardamm, der Lietzowplatz, das Gewerbegebiet Nauen-Ost, zum Kirchberg (im OT Berge), die Gäertnerei (im OT Groß Behnitz), in Quermathen (im OT Groß Behnitz), der Brennereiweg (im OT Ribbeck), die Brieselanger Straße (in der Waldsiedlung) sowie der Falkenberg (ebenfalls Waldsiedlung).
Als geeignetsten hatte die Stadt dann den Standort Waldemardamm 20 ausgewählt.
Bei seiner Ausführung wird der Bürgermeister immer wieder vom Publikum unterbrochen. Ein vernünftiges referieren ist kaum noch möglich, doch Fleischmann macht weiter. Er wirkt hilflos, versucht beschwichtigend auf die Provokateure im Publikum einzugehen. Doch die haben anscheinend gar kein Interesse an einem vernünftigen und sachlichen Sitzungsablauf. Draußen vor dem Fenster ist die dort postierte Menge ebenfalls unruhig. Angestimmt vom Neuruppiner Stadtverordneten Dave Trick (NPD) und dem ehemaligen Nauener Stadtrat Maik Schneider (NPD) sowie Sympathisanten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ werden dort nun Parolen, wie „Nein zum Asylantenheim“ und ähnliches skandiert. Dazu schlagen die draußen befindlichen Personen im Takt ihrer Losungen mit den Fäusten gegen die Fensterfront, so dass diese droht aus der Verankerung zu fallen. Maik Schneider zeigt zu dem ein Banner mit der Aufschrift: „Asylbetrug ist kein Menschenrecht – Nein zum Heim“.
Nur mit Mühe kann Detlef Fleischmann dann seinen Vortrag kurzzeitig fortsetzen. Als er aber von seiner Idee einer gelebten Willkommenskultur spricht, wird er wiederum vom Publikum in unfleglicher Weise unterbrochen.
Anschließend versuchte der Havelländische Landrat Burkhard Schröder (SPD) seinen Redebeitrag zu halten. Doch auch er hat mit dem ungemütlichen Nauener Publikum zu kämpfen. Selbst als Schröder erklärt kein „Gutmensch“ zu sein und hier – im Hinblick auf die Aufnahme von Flüchtlingen – nur seine Pflicht zu tut, lässt ihn keiner ausreden. Immer wieder wird dazwischen geredet. Schröder will nun mit den positiven Erfahrungen im Landkreis Havelland punkten, als er wieder unterbrochen wird: „Alle Einrichtungen…“. „…werden abgefackelt“, murmelt eine Bürgerin vor sich hin. „…machen keine Probleme“, beendet der Landrat seinen Satz.
Schließlich geht die Versammlung nun direkt in eine Bürgersprechstunde über, bei der zunächst der Bürger Dennis Naumann von der Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“ das Wort ergreift. Er weiß, dass er die Mehrheit, der im Saal sitzenden Bürger_innen, hinter sich hat und zeichnet ein sehr dramatisches Bild. Schule, Kindergarten, Wohngebiet, Kleingartenanlage, Garagen – alles wäre angeblich zu Nahe an der künftigen Unterkunft für Asylsuchende. Das Grundstück sei damit untragbar für das Umfeld und schaffe nur „soziale Brennpunkte“. Kräftiger Applaus hallt durch den Saal. Die Stimmung ist angespannt, das emotionale Hoch der Heimgegner_innen ist deutlich zu spüren.
Der Bürger Heiko Kürchner, ebenfalls von der Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“, versucht anschließend daran anzuknüpfen und die heutige ausführliche Information der Stadt zum Heim als den Erfolg seiner Initiative darzustellen. Wiederum wird applaudiert. Dann wird Kürchner frech und versucht den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung gegen den Bürgermeister auszuspielen. Beide versuchen sich dann auch noch zu rechtfertigen und geben kein gutes Bild als Entscheidungsträger ab.
Schließlich wird die Veranstaltung völlig zur Farce als ein junger Mann das Mikrofon ergreift und fragt: was ihm die Asylbewerber_innen eigentlich brächten. „Die kriegen Begrüßungsgeld und fahren alle Mercedes“, glaubt er zu wissen. Nun werden alle Klischees bedient, ein Mann raunt im Publikum, dass die Flüchtlinge nur Krankheiten bringen, eine Bürgerin beschwert sich, dass sie andern die Arbeit wegnehmen würden.
Diesem und ähnlichen „Argumenten“ will eine junge Frau begegnen, die sich zwischenzeitlich das Mikrofon geschnappt hat. „Asylsuchende bekommen gar keine Arbeitserlaubnis“, versucht sie der aufgewühlten Sympathisantin zu entgegnen. Doch die Bürgerin reagiert ablehnend, will sich nicht belehren lassen. Stattdessen wird nun die junge Frau heftig verbal attackiert. Außerdem werden nun auch im Saal lauthals Parolen, wie „Ausländer raus“ oder „Wir wollen kein Asylantenheim“, gegrölt.
Dann hat auch der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung die Nase voll und ordnet an den Sitzungssaal für die Öffentlichkeit zu räumen. Doch auch hier mangelt es an Durchsetzungsfähigkeit. Erst nach langem überreden, erst durch den Wachschutz, dann durch zwei Polizeibeamt_innen und schließlich dem Bürgermeister selber, sind die letzten Sympathisanten der Bürgerinitiative bereit den Saal zu verlassen.
Sie gesellen sich zu den anderen Personen, welche die ganze Zeit über draußen waren und immer noch vor der Fensterfront stehen. Abermals werden Parolen gebrüllt.
Erst als die Polizei Verstärkung erhält, gelingt es die Störer zu zerstreuen. Als erstes wurde dabei der mutmaßliche Rädelsführer Maik Schneider des Grundstückes verwiesen. Dann folgten die restlichen Störer, darunter auch Dave Trick und weitere Neonazis aus den „Freien Kräften“.
Sie sammelten sich noch kurz vor dem Tor und pöbelten gegen Journalist_innen, bis sie schließlich verschwanden.
Stadtverordnetenversammlung stimmt für Grundstücksverkauf
Die Stadtverordneten tagten inzwischen unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter. Bei der Abstimmung über den Verkauf des Grundstücks für die künftige Asylsuchendenunterkunft an den Landkreis sprachen sich schließlich 13 Abgeordnete dafür aus, zehn enthielten sich, ein Abgeordneter stimmte dagegen.
Die NPD ist übrigens mit ihrem Abgeordneten Erik Brüning in der Nauener Stadtverordnetenversammlung vertreten.
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Unter dem Motto „Oberhavel für alle – Oranienburg ist anders. Weltoffen. Bunt!“ demonstrierten heute 200 Menschen in Oranienburg (Landkreis Oberhavel) für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in der Stadt sowie eine vielfältige Willkommenskultur. Zu der Veranstaltung aufgerufen hatte ein überparteiliches Bündnis aus Parteien, wie SPD, die Grünen und DIE.LINKE, und Initiativen, wie dem „Toleranten Brandenburg“ und „Willkommen in Oberhavel“. Die Demonstration richtete sich auch gegen den zeitgleich stattfindenden, dritten „Abendspaziergang“ von Asylgegner_innen, Hooligans, Neonazis und Rassist_innen. An diesem beteiligten sich heute ungefähr 200 Personen.
Kontroverse Diskussion zu Abendspaziergängen
Die „Abendspaziergänge“ werden mittlerweile auch von den regionalen Medien kritisch hinterfragt. Nico Scuteri vom Mobilen Beratungsteam für Gemeinwesenberatung, ein Experte für Rechtsextremismus im Landkreis Oberhavel, hatte in einem Interview mit der MAZ darauf hingewiesen, dass diese Veranstaltungen klar als „rechtsextrem“ zu werten sind, da NPD und JN Funktionäre nicht einfach nur mitlaufen, sondern auch an der Logistik der Versammlung beteiligt sind, in dem sie Lautsprecherwagen, Ordner und Redner_innen stellen. Dem Widersprach allerdings unlängst der Veltener Stadtverordnete Robert Wollinski (NPD). Nach seinen Erkenntnissen, war die JN überhaupt nicht und einige NPD Mitglieder nur als Mitläufer aktiv. Jedoch ist die Seriosität solcher Aussagen höchst zweifelhaft. Da selbst der politisch zuvor noch nicht aufgefallene Anmelder der Abendspaziergänge, Carlo-Eik Christopeit, zugab von einem bekannten JN Sympathisanten bei der Anmeldung beraten worden zu sein. Dieser soll im Übrigen beim zweiten Abendspaziergang auch als Redner aufgetreten sein. Wollinskis Widerspruch ist somit als Desinformation zu Werten, um die Anbiederung der extremen Rechten an die bürgerliche Mitte der Gesellschaft zu verschleiern.
Auch aktuell setzt sich diese Verschleierungstaktik fort. So rief die Bürgerinitiative „Nein zum Heim in Oranienburg“, einer mit der NPD verwobenen Socialmedia-Kampagne, anstatt der Parteiorganisation zur Teilnahme am heutigen „Abendspaziergang“ auf.
Wieder Neonazis im Gefolge
Insofern ist es wenig verwunderlich das auch wieder mehrere Neonazis am Aufzug teilnahmen, darunter die NPD Stadtverordneten Robert Wollinski aus Velten und Detlef Appel aus Oranienburg. Weiterhin wurden auch Aktivist_innen aus dem Oranienburger JN Spektrum erkannt. Deutlich geringer war hingegen die Anzahl auswärtiger Neonazis. Von diesen wurde nur Einzelpersonen aus dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin und Berlin erkannt.
Statt der offensichtlichen Vereinnahmung durch das neonazistische Milieu kristallisiert sich immer mehr eine verschworene Gemeinschaft von Asylgegner_innen, Hooligans, Neonazis und Rassist_innen heraus, die sich unter bürgerlichem Antlitz auf das Thema Asyl eingeschossen hat.
Alle Redebeiträge gingen in diese Richtung. Manche gaben einen objektiv-kritischen Blick vor, andere beinhalteten ausschließlich dumpfe Polemik gegen Flüchtlinge und Asylsuchende. Von den sieben Reden waren aber lediglich zwei Beiträge rhetorisch bemerkenswert, in denen unterschwellig auch neonazistische Ideologie transportiert wurde. Diese Reden hatten völkische und revisionistische Züge. Besonders bemerkenswert war diesbezüglich der Redebeitrag einer jungen Frau, die zunächst betonte nach 1945 geboren zu sein und nichts mit Konzentrationslagern zu tun zu haben, um dann vehement ein Ende der aus ihrer Sicht damit verbundenen so genannten „Schuldkultur“ zu fordern. Und das in einer Stadt in eines der ersten Konzentrationslager Nazideutschlands errichtet wurde.
Oberhavel Nazifrei besetzt Route
Zwar konnte der „Abendspaziergang“ auch ein drittes mal relativ ungestört durch Oranienburg ziehen, jedoch sorgte das Bündnis „Oberhavel Nazifrei“ dafür, dass dies nicht auf der sonst üblichen Route geschah. Die „Abendspaziergänger_innen“ hatten schlechtweg vergessen ihre Veranstaltung rechtzeitig anzumelden, so dass die Befürworter_innen einer Willkommenskultur ihnen bei der Anmeldung einer Demonstration zuvor kommen konnten. Der obligatorische „Abendspaziergang“ in der Innenstadt fiel somit aus. Stattdessen mussten die Teilnehmer_innen dieser Versammlung eine recht unattraktive Strecke, quasi einmal rund um die Bahnhaltestelle herum, nehmen.
Kleine Zwischenfälle am Rande
Sichtlich gefrostet konnten sich dabei auch wieder einige aggressive Demonstranten des „Abendspaziergangs“ nicht beherrschen und versuchten Pressevertreter_innen anzugreifen. Die Polizei verhinderte dies, gab aber auch den Hinweis an die Presse sich auf Distanz zur Demonstration zu halten, da sonst die Sicherheit nicht garantiert werden könne.
Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich in unmittelbarer Nähe der Willkommensdemo, dort versuchte ein junger Mann durch das Zeigen des „Hitlergrußes“ zu provozieren. Gegen ihn wird jetzt wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.
weitere Fotos: hier und hier
Anlässlich einer Demonstration der von den rechtskonservativen REPUBLIKANERn (REP) gelenkten Initiative der „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ (BraMM) in Brandenburg an der Havel kam es wieder zu Protesten und Protestaktionen.
Vielfältige Proteste/Sitzblockade in der Jacobstraße
An einer Gegenkundgebung auf dem Neustädtischen Markt beteiligten sich ungefähr 200 Menschen, unter ihnen die Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg an der Havel, Dietlind Tiemann (CDU).
Gegenüber dem Startpunkt des BraMM-Aufzuges versammelten sich außerdem ungefähr 50 Linksalternative um ihren Unmut über diese Veranstaltung in Hör- und Sichtweite kundzutun. Allerdings wurde dies durch die Polizei de facto verhindert. Die Beamt_innen postierten mehrere Transportfahrzeuge und Bereitschaftspolizeieinheiten zwischen BraMM-Demo und Gegendemonstrant_innen, so dass ein Protest auf Augenhöhe so nicht möglich war. Ein Teil der Protestierer_innen mussten zu dem diesen Bereich auf Anordnung verlassen, darunter auch eine Gruppe junger Leute, die sich als Araber verkleidet hatten um vermeintliche Islamisierungsängste zu persiflieren.
In der Jacobstraße scheiterte zudem der Versuch einer Blockade des BraMM-Aufzuges. Als sich ungefähr zehn Jugendliche dort auf die Straße setzten und sich einhakten, stürmte sofort eine Gruppe der Bereitschaftspolizei auf sie zu. Ohne große Verhandlungen wurde die Blockade umgehend aufgelöst und die Blockierer_innen in eine Seitengasse abgedrängt. Weitere direkte Aktionen an der Strecke gab es nicht.
Lediglich am Startpunkt des BraMM-Aufzuges versammelte sich noch einmal die Koordinierungsgruppe für Toleranz und Demokratie in Brandenburg an der Havel, um den Antreteplatz unter dem Motto „BraMM aus der Stadt fegen“ symbolisch zu kehren.
BraMM stagniert/Neonazis dominieren
Tatsächlich werden die Teilnehmer_innen des BraMM-Aufzuges immer weniger. Waren es am 26. Januar 2015 immerhin 150 und am 2. Februar 2015 noch 100 Personen, sank die Zahl heute weiter auf ungefähr 80, darunter insgesamt höchstens 30 „Bürger_innen“, die Brandenburgs REPUBLIKANER Chef Heiko Müller mobilisieren konnte.
Die Mehrheit der Veranstaltungsteilnehmer_innen (ungefähr 50) wurden als Sympathisant_innen des neonazistischen Milieu aus Brandenburg an der Havel, Bad Belzig, Premnitz, Rathenow und Potsdam erkannt.
Die NPD war durch ihren mittelmärkischen Kreistagsabgeordneten André Schär vertreten, die neonazistische Bewegung „Ein Licht für Deutschland“ durch ein Banner und mehrere Plakate. Aus Potsdam war zudem der Sänger der Naziskinband „Preussenstolz“, Patrick D., angereist und aus Brandenburg an der Havel durfte Totschläger Sascha Lücke nicht fehlen.
Fotos: hier
Während in der Stadtverordnetenversammlung der Kleinstadt Nauen (Landkreis Havelland) noch kontrovers über einen Standort einer Unterkunft für ungefähr 250 Asylsuchende diskutiert wird, haben jetzt offenbar auch Unbekannte die Initiative ergriffen und sich ebenfalls zum Thema positioniert. Im Gegensatz zum schwarze-Peter-Spiel der Abgeordneten, um den geeignetsten Platz, scheinen diese Personen hingegen eine fundamentale Ablehnung zur Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu propagieren. Nach einer ersten Banneraktion gegen geplante Unterkünfte am 28. Januar 2015, die auch auf der Internetseite der neonazistischen Vereinigung „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ Erwähnung fand, folgten gestern und heute früh weitere gleichartige Aktionen. Am Freitagmorgen war an einem leerstehenden Wohnhaus in der Dammstraße Ecke Hertefelder Straße ein Laken mit der Aufschrift: „Nauen sagt Nein zum Asylantenheim!“ aufgetaucht und am heutigen morgen eines mit der Aufschrift: „Nein Nein Nein zum Asylantenheim“, an der Bahnunterführung B273 (Graf Arco Straße). Beide Banner wurden inzwischen von Passant_innen entfernt, dokumentiert und der Polizei übergeben. Weiterhin waren heute Morgen u.a. in der Dammstraße, in der Gartenstraße, in der Neue Str sowie schwerpunktmäßig im Wohngebiet Karl Bernau Ring / am Bredower Weg / Feldstraße / Kreuztaler Straße / Waldemardamm dutzende A3-Papier-Plakate mit der Aufschrift „Nein zum Heim“ aufgetaucht. Der Waldemardamm 20 gilt übrigens als der wahrscheinlichste Standort des geplanten Asylbewerberheimes. Hierzu will die Stadt, nach einer Abstimmungsverschiebung bei der letzten Stadtverordnetenversammlung am 26. Januar 2015, nun am 12. Februar 2015 Fakten schaffen. Entsprechend waren die genannten A3-Plakate formuliert. „Ganz Nauen“ solle, nach dem Willen einer „Bürgeriniative Nauen“, nun dort erscheinen, um das Heim zu verhindern.
„Zukunft Nauen“
Der plötzlich recht drastische Widerstand kommt überraschend. Bereits am 17. November 2014 wurde die Unterbringung von Asylsuchenden in Nauen erörtert. Die Sitzung im Kreishaus wurde öffentlich beworben, Interessenten seitens eines „besorgten“ Bürgertums gab es jedoch keine. Auch nicht von der neuen Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“, welche nun die angeblich spärliche Informierung zum Asylheim anprangert. In einem am 4. Februar 2015 veröffentlichten Positionspapier wird zudem mit den üblichen Vorurteilen gegen derartige Unterkünfte gespielt. Das Heim liege zu nahe an einer Schule, einer Kita und einem Wohngebiet. Zudem befänden sich Garagen und eine Kleingartensparte in der Nähe.
Welches Bild über Asylsuchende wird hier entwickelt? Die üblichen Stereotype: alles Diebe und Kriminelle. Da darf natürlich auch nicht der Hinweis fehlen, dass in einem Asylbewerberheim „Menschen aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen mit komplett verschiedenen Weltanschauungen … unweigerlich aufeinander“ treffen. Als ob dies ein Indiz für kriminelles Verhalten wäre. Der bittere Beigeschmack des Rassismus ist offensichtlich.
Hinter „Zukunft Nauen“ soll übrigens der Nauener Heiko K. stecken. Dieser ist auch Administrator der Socialmedia-Präsenz der „Nauener Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA Nauen). Ansonsten ist nur recht wenig über ihn bekannt.
„Nein zum Heim in Nauen“
Eine typische NPD Kreation scheint hingegen die Socialmedia-Präsenz „Nein zum Heim in Nauen“ zu sein. Diese ist seit November 2014 online und wird seit dem fortlaufend aktualisiert. In der Regel werden einerseits Presseberichte, andererseits aber auch Artikel und Statements der neurechten Zeitschrift „Junge Freiheit“, der NPD Initiative „Nein zum Heim in Bad Belzig“ oder der NPD selber geteilt. Am 27. Januar 2015 veröffentliche „Nein zum Heim in Nauen“ einen Artikel über eine Zusammenkunft der Nauener Stadtverordnetenversammlung am 26. Januar 2015, der etwas später, am 2. Februar 2015, auch 1:1 auf der Socialmedia-Präsenz der „NPD Havel Nuthe“ als Bericht des Stadtverordneten Erik Brüning (NPD) publiziert wurde. In diesem wurde sich einmal mehr über eine angeblich „mangelnde Informationspolitik“ beschwert. Des weiteren wurde darüber berichtet, dass es zu einer „lautstarken Diskussion zwischen Einwohnern und Bürgermeister“ gekommen sei und „der Saal kurz vor der Räumung durch die Polizei“ stand. Des Weiteren, so „Nein zum Heim in Nauen“, soll „die komplette Fraktion“ von „Bauern- und frischer Wind für Nauen“ sich ablehnend gegenüber des Heimneubaus gezeigt haben, ebenso wie einige Mitglieder von SPD und CDU. Dies trifft allerdings, laut MAZ, zumindest zu letzt genannter Behauptung so nicht zu. Grundsätzlich wurde zunächst erst einmal betont, dass gegen die Aufnahme von Asylsuchenden nichts spricht. Lediglich der Standort, neben einem von der Stadt ausgewiesenen sozialen Brennpunkt, einem Plattenbauviertel am Rande Nauens, mache den ablehnenden Abgeordneten sorgen.
Doch genau auf diese Karte wollem jetzt offenbar auch die „Bürgerinitiativen“ setzen, indem Sympathisant_innen heute an nahezu jedem Hauseingang in diesem Gebiet Plakate, mit dem Aufruf sich am 12. Februar 2015 zur Stadtverordnetenversammlung einzufinden und das Heim zu verhindern, anbrachten.
Fotos: hier
Eine Kundgebung der neonazistischen Initiative „Zukunft statt Überfremdung“ sorgte am vergangenen Sonntag für Unruhe in der osthavelländischen Kleinstadt Friesack (Landkreis Havelland) bzw. im regionalen Socialmedia. Passanten war die Veranstaltung aufgefallen und alsbald wurde sich über Sinn und Unsinn der Versammlung u.a. in der öffentlichen Pinnwand eines lokalen DJs ausgetauscht. Wirkliche Fakten lieferten aber erst die mutmaßlichen Veranstalter_innen selbst. Auf einem Twitter-Account wurde ein Bild hochgeladen, auf dem zehn Personen zu erkennen sind, die u.a. zwei Banner halten. Auf diesen steht u.a. mit großen Buchstaben „AUSLÄNDER UND ASYLANTEN RAUS“, wobei vor den beiden Substantiven – offenbar aus rechtlichen Gründen – jeweils noch in kleinerer Schrift: „kriminelle“ und „Schein“ hinzugefügt wurde.
Aktion der „Freien Kräfte“
Hinter den Bannern stehen bekannte Neonazis aus Neuruppin (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) und Ketzin/Havel (Landkreis Havelland), die den so genannten „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ zu zuordnen sind. Auch der Neuruppiner Stadtverordnete der NPD, Dave Trick, war wieder mit dabei. Dass die Personen auf dem Twitter-Foto zu erkennen sind, war offenbar nicht beabsichtigt, denn auf einer anderen Internetseite war dieselbe Aufnahme mit unkenntlich gemachten Gesichtern zu sehen.
Trotz der gescheiterten Anonymisierung in der Auswertung, gelang es den Veranstalter_innen jedoch wenigstens am Veranstaltungstag relativ unerkannt zu bleiben. Zumindest verbuchten sie es später als Erfolg, dass kein „Gegenprotest“ stattfand. Ein Umstand der allerdings weniger einer vermeintlichen kritiklosen Hinnahme derartiger Versammlungen geschuldet ist, als denn einer bewussten Verschleierung solcher Veranstaltungen.
Bewusstes Versteckspiel
Weder die Versammlungsveranstalter_innen hatten im Vorfeld die Öffentlichkeit über die Kundgebung in Kenntnis gesetzt, noch die Versammlungsbehörde. Eine Praxis, die sich in Brandenburg mittlerweile fest etabliert hat. So fanden am Sonntag in Wusterhausen/Dosse (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) sowie am Samstag in Wittstock/Dosse (Landkreis Ostprignitz-Ruppin), Ludwigsfelde (Landkreis Teltow-Fläming), Blankenfelde (Landkreis Teltow-Fläming) und Königs Wusterhausen (Landkreis Dahme-Spreewald) weitere öffentliche Neonazikleinveranstaltungen statt, die zuvor nicht bekannt waren, jedoch anschließend von Versammlungsteilnehmer_innen im Internet, ungeachtet ihrer tatsächlichen Wirkung, als große Propagandaerfolge gefeiert werden.
Schürung von Ausländerhass
In Friesack, wie auch in Wusterhausen/Dosse, spielt dabei jedoch nicht nur die richtige Propagandapose eine Rolle, sondern eben auch das Verbreiten konkreter Hetze gegen Ausländer_innen, insbesondere gegen Asylsuchende. In beiden Orten stellen nämlich die jeweils zuständigen Landkreise seit 2014 Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbewerber_innen zur Verfügung, was insbesondere die „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ erzürnt. Zumindest ist es vor allem diese Vereinigung, deren Sympathisanten die Bürgerversammlungen wahrnehmen, sich anschließend dazu im Internet abfällig äußern oder eben an den Orten Aktionen durchführen.
Neben Friesack und Wusterhausen/Dosse ist seit neuestem offenbar auch die Kleinstadt Nauen (Landkreis Havelland) in den Fokus der Neuruppiner Neonazis gerückt. Dort sollen ebenfalls Unterkünfte für Asylsuchende entstehen. Über erste Gegenaktionen wurde bereits ausführlich auf der Internetseite der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ berichtet.
In Brandenburg an der Havel versammelten sich wiederum mehrere hundert Menschen auf dem Neustädtischen Markt um gegen die ebenfalls dort angemeldete Veranstaltung der „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ (BraMM) zu protestieren. Am Aufzug der von den rechtskonservativen REPUBLIKANERn (REP) gelenkten Initiative beteiligten sich an diesem Montag ungefähr 100 Menschen, 50 weniger als bei ersten Veranstaltung am 26. Januar 2015. Trotz Aufruf der Veranstalter, von der „BraMM“-Demo fern zu bleiben, nahmen auch wieder 40 Neonazis teil.
Sächsische PEGIDA bleibt auf Distanz
Ungeachtet der offensichtlichen Imitierung der Dresdener Montagsdemonstrationen des vergangenen Jahres in Brandenburg an der Havel bleibt der Verein „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) weiterhin auf Distanz zu ihrem Brandenburger Ableger. Die deutliche Einflussnahme einer Partei entspräche nicht den Vorstellungen der Veranstalter_innen der Märsche in Dresden. BraMM zeigte sich davon jedoch relativ unbeeindruckt, verzichtete stattdessen bei der Bewerbung ihrer heutigen Versammlung auf den Namenszusatz „PEGIDA“. Als Mobilisierungshilfe dürfte der Namen ohnehin nicht mehr benötigt werden, seit dem das sächsische Original durch Rücktritte und Spaltungsprozesse schwächelt.
Nährboden der extremen Rechten
Während die Sprachrohre der „frustrierten“ und nur um ihre „Meinung“ bemühten „Bürger_innen“ von der PEGIDA Führungsspitze also mehr oder weniger allein gelassen werden, sind die organisierten Parteien und Vereinigungen der extremen Rechten offenbar nun bestrebt das bestellte Feld zu ernten. Doch selbst die „REPUBLIKANER mit ihrem Landesvorsitzenden Heiko Müller sowie ihrem Jugendbeauftragten Andreas Jahnke als Hauptaushängeschilder der „BraMM“, dürften aufgrund der lokalen Personalschwäche der Partei und ihres geringen Einflusses in derzeitigen rechtskonservativen Parteienlandschaft nicht unbedingt die Hauptprofiteure ihrer eigenen Veranstaltung sein. Denn längst bilden Funktionäre und Sympathisant_innen der NPD und so genannter „freier Kräfte“ einen zahlenmäßigen nicht unerheblichen Anteil an der Brandenburger Demo. Die größten Neonazigruppen stammen dabei aus Brandenburg an der Havel, Bad Belzig, Rathenow und Premnitz. Von den bekannten NPD Funktionären, marschierten wieder die Abgeordneten André Schär und Pascal Stolle mit. Ebenfalls mit dabei war auch wieder Totschläger Sascha Lücke, der erst am letzten Montag einen verboten Gruß gezeigt haben soll. Ansonsten waren eher Neonazis aus der „zweiten Reihe“ anwesend, die in der Vergangenheit vor allem durch Gewalt- und Propagandadelikte auffielen. Auch heute bekannten sich diese Personen wieder recht offen zu ihrer Gesinnung. Eine Begleiterin von Sascha Lücke trug beispielsweise einen Pullover mit der Aufschrift: „NSBM – Töten für W.o.t.a.n.“ (NSBM steht für „National Socialist Black Metal“) und Martin K. aus Rathenow eine Mütze mit dem Slogan „Blod & Ära“ (die schwedische Aussprache für die verbotene Organisation „Blood & Honour“ bzw. der deutschen Inschrift „Blut und Ehre“ im HJ-Fahrtenmesser).
Immerhin war „BraMM“ durch eine zuvor auf ihrer Socialmedia-Präsenz verbreitete Erklärung bemüht im Vorfeld solche Personen von der Teilnahme an der Demo abzuraten, auch wurde ein einzelnes Schild mit einer schwarz-weiß-roten Fahne nicht im Aufzug zugelassen, jedoch im Hinblick auf die immer noch große Anzahl an Verstößen gegen die eigenen Auflagen blieben die Veranstalter gegenüber dem Neonaziblock wenig durchsetzungsfähig.
Pro Integration jetzt doch gegen Flüchtlinge?
Neben den üblichen Verdächtigen, die größtenteils bereits am vergangenen Montag, bei der ersten „BraMM“-Demo mitgelaufen sind, nahm heute auch eine bemerkenswerte Person, Regina R. aus Rathenow, teil. R. ist Mitglied der Rathenower „Bürgerinitiative Pro Integration – Contra Massenunterkünfte“, die im vergangenen Jahr vor allem durch Unterschriftenaktionen gegen das damals geplante, jüngst gebaute und inzwischen fertiggestellte Asylheim am Grünauer Weg in Rathenow, von sich reden machte. Angeblich ginge es der Bürgerinitiative, bei der auch zwei CDU Stadtverordnete mitmachen, hauptsächlich um eine Verhinderung von Containerunterkünften. Vorgeblich natürlich aus edlen Gründen, wie einer Verbesserung der Integration durch die alternative Anmietung von Wohnen. Allerdings haftete „Pro Integration“ schon immer der Geruch der Fadenscheinigkeit und – zumindest in bezug auf die Unterschriftenaktion – die Kooperation mit dem neonazistischen Milieu an, was diese jedoch vehement bestritten. Heute zeigte R., eine der bekanntesten Gesichter der Bürgerinitiative, sich jedoch ganz ungeniert auf der „BraMM“-Demo, wohlgemerkt einer Initiative der rechtskonservativen REPUBLIKANER, mit einem Schild und der offensichtlich gegen die derzeitige Asylpolitik gerichteten Aufschrift: „Macht erst mal das eigene Volk satt.“
Proteste lebhafter
Auch heute wurde natürlich auch gegen BraMM protestiert. Ungefähr 300 Menschen, darunter auch die Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU), kamen dazu zunächst auf einem etwas abseits gelegenen Teil des Neustädtischen Marktes zusammen und bekannten sich zu einem „bunten“ und „weltoffenen“ Brandenburg an der Havel.
Anschließend begaben sich ungefähr 200 Menschen in unmittelbarer Nähe der „BraMM“-Auftaktkundgebung und bekannten lautstark ihren Unmut über die Versammlung. Der Redebeitrag von Heiko Müller wurde zudem mit Pfiffen übertönt.
Trotzdem will „BraMM“ offenbar weitermachen und hat für den nächsten Montag eine weitere Demonstration angekündigt.
Fotos: hier
In Brandenburg an der Havel protestierten am frühen Abend mehrere hundert Menschen auf dem Neustädtischen Markt gegen eine „Demo für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung im Sinne der Pegida-Bewegung“ der von den REPUBLIKANERn (REP) gelenkten Initiative „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ (BraMM). An dieser beteiligten sich wiederum ungefähr 150 Personen, hauptsächlich Hooligans, Neonazis und Rassist_innen, die sich in Hör- und Sichtweite der Gegendemonstrant_innen versammelten und von dort über die Steinstraße zum Trauerberg zogen.
BraMM imitiert PEGIDA
Die seit 2014 bekannte Initiative „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ zeigte sich erstmals auf den Versammlungen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) in Dresden. Dort trat sie unter anderem am 22. Dezember 2014 mit einem eigenen Hochbanner auf. Seit Ende des vergangenen Jahres ist BraMM nun bestrebt das PEGIDA Konzept der Montagsaufzüge nach Brandenburg zu tragen. Der heutige Aufmarsch sollte in diesem Sinne den Anfang bilden. Allerdings ist die BraMM selbst im eigenen Lager nicht unumstritten, denn die Mutterorganisation PEGIDA hat sich inzwischen von ihrem Brandenburger Ableger distanziert. Die „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ seien nämlich keine Interessengemeinschaft von Bürger_innen, sondern eine Schöpfung einer politischen Partei, den REPUBLIKANERn. Der Brandenburger Vorsitzende der REPs, Heiko Müller aus Ludwigsfelde, wird als Verantwortlicher der Internetseite von BraMM benannt, nahm heute Abend die Funktion des Versammlungsleiters während des Aufmarsches war und hielt mehrere Redebeiträge.
BraMM und die extreme Rechte
Des Weiteren ist das Hauptthema der „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ nicht die angebliche „Islamisierung des Abendlandes“, sondern der Protest gegen eine vermeintlich zu lockere Asylpolitik. In einem 13 Punkte Papier fordert die Initiative deshalb u.a. die Verschärfung des Asylrechtes bzw. die konsequente Anwendung der geltenden Rechtsnormen. Und auch den Asylsuchenden, deren Asylstatus in der Bundesrepublik anerkannt wurde, soll das Leben offenbar so schwer wie möglich gemacht werden, geht es nach Punkt 10 der BraMM-Forderungen: „(…)gegen die weitere Förderung der deutsche Sozial- und Integrationsindustrie“.
Insofern sind deutliche Anknüpfungspunkte zu Positionen der extremen Rechten erkennbar. Nicht um sonst, wurde die heutige Veranstaltung in Brandenburg an der Havel auch sowohl auf der Internetseite der REPUBLIKANER, als auch in der Chronik der Socialmedia-Auftritte des NPD Kreisverbandes Havel-Nuthe sowie der „NPD Potsdam-Mittelmark“ beworben.
Insofern muss deshalb auch die Initiativenbezeichnung „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ in Frage gestellt werden. Diese suggeriert nämlich das „Meinungsfreiheit“ und „Mitbestimmung“, trotz ausdrücklicher Garantie durch das Grundgesetz, in der Bundesrepublik bisher nicht verwirklicht wurden. Wäre dies der Fall, wäre eine Versammlung oder Meinungskundgabe der „BraMM“ jedoch heute nicht möglich gewesen. Deshalb bleibt die berechtigte Frage, an welche Art der „Meinungsfreiheit“ die Initiative überhaupt interessiert ist. Etwa an Äußerungen, die momentan den Straftatsbestand der Volksverhetzung erfüllen?
Ebenso muss hinterfragt werden, welches Publikum die „BraMM“ erreichen will. Unter den 150 Teilnehmer_innen befanden sich größere Neonaziabordnungen aus Brandenburg an der Havel, dem Havelland, Potsdam, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Ostprignitz-Ruppin.
Die NPD war mit mehreren Kreistagsabgeordneten und Stadtverordneten, darunter Michel Müller aus Rathenow sowie André Schär und Pascal Stolle aus Bad Belzig vertreten.
Aus Grabow war Maik Eminger, Drahtzieher der „Freien Kräfte“ in Potsdam-Mittelmark angereist.
Aus Brandenburg an der Havel nahm der verurteilte Totschläger Sascha Lücke teil. Lücke hatte übrigens während der Versammlung einen verbotenen Gruß gezeigt und wurde daraufhin kurzzeitig von der Polizei in Gewahrsam genommen worden.
Auch einige Ordner_innen sind als Mitglieder der militanten Neonaziszene bekannt, beispielsweise Patrick H. Der Glatzkopf gilt als Sympathisant der „Freien Kräfte Brandenburg/Havel“ und trug deren Banner bei mehreren Neonaziaufmärschen. Heute trug er eine gelbe Ordnerweste und sicherte den BraMM-Marsch.
Dazu kamen rechte Hooligans des BFC Dynamo und des FC Stahl Brandenburg. Selbst die „Identitäre Bewegung“ zeigte heut Abend Flagge.
Offiziell kritisch beäugt werden die Konkurrenten um die Wählergunst im bürgerlich konservativen Lager hingegen von der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Diese argumentiert ähnlich wie PEGIDA und lehnte die Versammlung in Brandenburg an der Havel bereits im Vorfeld deshalb ab, weil eine politische Partei dazu aufgerufen hatte. Jedoch nahm der Stellvertretende Vorsitzende der AfD Havelland, Norman Wollenzien, auch aktiv an der BraMM-Demo teil. Er hielt dabei ein Schild mit der Aufschrift: „Antirassismus, Weltoffenheit, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid – Europa den Europäern“ in der Hand. Verständlich das die AfD trotz aller Kritik an der Demo so auch nicht an den Protesten gegen BraMM teilnehmen wollte.
Proteste gegen BraMM
Die Proteste gegen die heutige Veranstaltung der BraMM wurden eher von den großen Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in der so genannten „Koordinierungsgruppe für Demokratie und Toleranz“ vertreten sind, getragen. Zu einer von dieser Gruppe unter dem Motto „Für ein buntes und weltoffenes Brandenburg an der Havel“ veranstalteten Gegendemonstration kamen ungefähr 500 Menschen, darunter auch Bildungsminister Günter Baaske (SPD) und Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU).
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