Können sie jetzt einpacken? Verurteilte NPD Funktionäre Dave Trick und Pierre B., am 29. August 2015 während einer Parteiveranstaltung in Wittstock/Dosse
Das Amtsgericht Neuruppin verurteilte heute zwei Funktionäre der NPD zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurden. Den Angeklagten Dave Trick und Pierre B. wurde vorgeworfen am 19. Mai 2014 einen Wahlhelfer der Linkspartei angriffen zu haben. Der Betroffene wurde damals zu Boden geworfen und mit Schlägen malträtiert. Wenige Tage später wurde Dave Trick als Kandidat der NPD in die Stadtverordnetenversammlung von Neuruppin gewählt. Dieses Mandat hat der 28 Jährige bis heute inne. Pierre B. trat in der Vergangenheit mehrfach als Anmelder von neonazistischen Versammlungen sowie als Redner auf derartigen Veranstaltungen in Erscheinung. Im Jahr 2010 war er zudem Ersatzdelegierter für den Landesparteitag der NPD. Physischer Kommunalwahlkampf Stolzer NPD Mann Dave Trick, hier während einer Parteiveranstaltung am 19. April 2014 in Gransee (Landkreis Oberhavel)
Zur Tatzeit waren beide Angeklagte gerade damit beschäftigt abgehängte Wahlplakate der NPD in der Bechliner Chaussee wieder aufzuhängen, als der betroffene Zeuge zufällig mit dem Fahrrad vorbeifahren wollte. Der später Geschädigte war als Wahlhelfer der Partei DIE.LINKE unterwegs und verteilte deren Werbezeitungen. Als der Betroffene die beiden Neonazis passieren wollte, soll ihn der Angeklagte Dave Trick zunächst vom Fahrrad gestoßen haben. Anschließend soll sich der NPD Mann auf sein Opfer heraufgesetzt und es zusätzlich geschlagen haben. Der Mitangeklagte Pierre B. soll zudem auf den Kopf des Betroffenen eingetreten haben. Wenig glaubhaft war hingegen die bereits im Vorfeld des Prozesses von der NPD thematisierte Schutzbehauptung, dass beide Angeklagten zuvor von dem Linken bespuckt und beleidigt wurden. Schuld erwiesen Pierre B. als Redner während einer NPD Versammlung am 29. August 2015 in Wusterhausen/Dosse
Nach einem äußerst langwierigen Prozess war das Gericht allerdings von der Täterschaft der beiden Angeklagten überzeugt. Es verurteilteDave Trick wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung sowie zur Zahlung einer Geldstrafe von 500,00 €. Der in Nauen (Landkreis Havelland) wohnhafte Pierre B. wurde wegen Körperverletzung zu acht Monaten auf Bewährung und ebenfalls zur Zahlung einer Geldstrafe von 500,00 € verurteilt. Bei B. kam strafverschärfend dazu, dass er bereits strafrechtlich in Erscheinung trat. Am 11. Dezember 2008 soll er Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet und 2011 eine Straftat vorgetäuscht haben. Beide Delikte zogen Geldstrafen nachsich.
Der Abgeordnete Gerd Wollenzien hat sich heute aus der Linksfraktion in der Stadtverordnetenversammlung Rathenow zurückgezogen. Er kam damit einem Ausschlussverfahren der Fraktion zuvor. Teilnahme bei BraMM-Demo?
BraMM-Demo am 26. Januar 2015 in Brandenburg an der Havel: Auch die “Identitäre Bewegung” beteiligt sich
Wollenzien war zuvor vorgeworfen wurden, sich an einer Demonstration der von den extrem rechten REPUBLIKANERn initiierten und PEGIDA-nahen Vereinigung „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ (BraMM) beteiligt zu haben. Er soll dabei eine Flagge der ebenfalls extrem rechten „Identitären Bewegung“ geschwungen haben. Mehrere Personen wollen den Fahnenträger auf Fotos als Gerd Wollenzien identifiziert haben. Er selber bestreitet dies jedoch bisher. Tatsächlich war der Fahnenträger während der BraMM-Demo – übrigens entgegen dem Versammlungsgesetz –vermummt und für Außenstehende nur schwer identifizierbar. Vermummter Träger der “Identitären”-Fahne. Ist dies der Rathenower Stadtverordnete Gerd Wollenzien?
Der Mann mit der „Identitären“-Fahne war allerdings in Begleitung von Wollenziens Sohn Norman unterwegs. Und dieser ist regional mittlerweile kein unbeschriebenes Blatt mehr. Norman W. wurde unlängst vom Polizeidienst in Berlin suspendiert, weil er auf der selben BraMM-Demo ein Schild mit der Aufschrift: „Antirassismus, weltoffen, bunt, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid – Europa den Europäern“ getragen hatte. Zuvor war er wegen anderer rechtsradikaler Vorfälle in der Polizei aufgefallen. Darüber hinaus gehört Norman W. dem Kreisvorstand der havelländischen AfD an. Umstrittener Abgeordneter Stadtverordneter Gerd Wollenzien (mit Deutschland-Fahne in der Hand) bei einer Kundgebung des flüchtlingsfeindlichen und rechtsoffenen “Bürgerbündnisses Havelland” am 27. Oktober 2015
Anders als sein Sohn Norman war Gerd Wollenzien bisher parteilos, trat aber seit Jahren auf einer Liste für die Partei DIE.LINKE an. Allerdings war er dort zuletzt auch nicht unumstritten. Am 27. April 2014 stimmte Gerd Wollenzien im Kreistag Havelland, in dem er damals ebenfalls für die Linkspartei saß, beispielsweise gegen den Bau einer Unterkunft für Asylsuchende in Rathenow. Wollenzien sowie ein NPD Kreisrat waren damals übrigens die einzigen Abgeordneten, welche die Unterbringung ablehnten. Seit dem 27. Oktober 2015 nahm Gerd Wollenzien zudem an mehreren flüchtlingsfeindlichen und rechtsoffenen Versammlungen des so genannten „Bürgerbündnisses Havelland“ teil. Er trug dabei mehrfach eine große schwarz-rot-goldene Deutschland-Fahne.
Michel Müller während einer NPD Kundgebung am 31. Oktober 2015 in Brandenburg an der Havel. Damals verurteilte er gewaltverherrlichende Slogans der Gegendemonstrant_innen. Heute stand Müller selber wegen einer Gewalttat vor Gericht.
Am Vormittag musste sich der Rathenower NPD Stadtrat Michel Müller vor dem Amtsgericht Rathenow wegen des Tatvorwurfes der Körperverletzung verantworten. Die ihm zur Last gelegte Straftat erfolgte, nach bisherigen Erkenntnissen, allerdings außerhalb seiner politischen Betätigung. Detailliert wird Müller vorgeworfen, am späten Abend des 7. Dezember 2014 in einem Restaurant in Rathenow, grundlos auf den Zeugen T. losgegangen zu sein und ihn dabei erheblich verletzt zu haben. Gewalttat nach Zechtour
Dies räumte der Angeklagte in einer von seinem Rechtsanwalt verlesenen Erklärung im Wesentlichen auch ein, eine genaue Erinnerung an die Tat stritt er allerdings, auf Grund eines angeblich hohen Alkoholpegels, aber ab. Daraufhin bat der Richter um eine detaillierte Angabe zum Alkoholkonsumam Tattag. Der Angeklagte Müller gab an, am Vormittag des 7. Dezember 2014 gemeinsam mit vier oder fünf weiteren Personen, an die genaue Anzahl könne er sich nicht erinnern, nach Berlin zu einem Fußballspiel des BFC Dynamo, gefahren zu sein. Auf dem Weg dorthin habe er bereits mit seinem Bekannten P. eine 1,5 Liter Flasche Wodka- Cola- Gemisch getrunken. Er gab an, für diese erste Mischung ungefähr 600ml Wodka verwendet zu haben. Auf die Frage, wo genau in Berlin dieses Spiel stattgefunden habe, sagte Müller, er könne sich nicht genau daran erinnern, er sei seinen Freunden nur hinterher gelaufen. Weiter gab Müller zu Protokoll, dass das Spiel bis ca. 15 Uhr ging. Auf dem Weg zur U- oder S- Bahn, da war er sich auch nicht mehr ganz sicher, haben er und sein Begleiter P. in einem Supermarkt eine weitere Flasche Wodka gekauft und diese auf dem Weg zum Spandauer Weihnachtsmarkt getrunken. In Spandau angekommen, liefen Müller und P. ihre „üblichen Stationen“ ab. Zuerst gönnten sie sich mehrere Becher Feuerzangenbowle, er schätzt 2- 3 Stück. Dann gingen sie in den nächsten Supermarkt, um sich eine weitere Flasche Wodka zu kaufen und diesen dann mit Glühwein zu mischen. Müller erzählte weiter, dass die Gruppe dann mit dem letzten Zug nach Rathenow gefahren sein. Zuvor habe man sich aber am Bahnhof vor der Abfahrt noch eine Flasche Wodka gekauft. In Rathenow angekommen, sollte die Zechtour dann in einem Restaurant am Schwedendamm weitergehen. Müller gab an, dass er nicht mehr wüsste, wie sie dort hingekommen sind. Jedoch sei er sich sicher, dass ihn jemand gefahren haben muss, da der Weg zu Fuß sehr weit sein. Müller wüsste aber nicht mehr ob sie mit einem Taxi gefahren sind. Daraufhin hakte der Richter ein und fragte, ob er sich wirklich sicher sei, dass er Gedächtnislücken habe. Müller bejahte dies. Er könne sich auch nicht mehr daran erinnern, ob er am Schwedendamm weiter getrunken hätte. Laut einer Zeugenaussage wurde Müller aber mit Bier in der Hand gesehen. Anschließend fuhr der Angeklagte mit seiner Einlassung fort. Müller erzählte, dass er seinen Freund B. mit dem später Geschädigten stehen sah. Beide sollen sich über eine gemeinsame Ex-Freundin unterhalten haben. Müller stellte sich dazu. Er gab an, dass eine angespannte Stimmung herrschte. Kurz nachdem Müller hinzukam, verließ B. die Runde. Der Angeklagte glaubt sich diesbezüglich zu erinnern, dass es nun eine „Rangelei“ mit dem Betroffenen T. gegeben hatte und er dann irgendwann auf ihm lag. Auch hier betonte Müller, das ihm das Geschehene angeblich wahnsinnig Leid täte, „eigentlich.“ Korrigierte sich dann aber in „nicht eigentlich, es tut mir leid.“ Weiterhin sagte er, dass es „ein Rumgefuchtel beiderseits gegeben haben soll, „aber nicht wie ein Boxkampf.“ „Das ich ihn an den Armen festgehalten habe, ich kann‘s nicht genau sagen […] klingt merkwürdig, aber ich weiß nur noch, dass mich mein Nachbar nach Hause gefahren hat“, so der Angeklagte weiter. Abschließend bekräftigte Müller, nach der Tat mit dem Betroffenen T., welchen er nach eigener Aussage zuvor nicht gekannt haben will, Kontakt aufgenommen zu haben. Der Angeklagte soll sich entschuldigt und Schadensersatz angeboten haben. Betroffener mit Gesichts- und Oberkörperverletzungen
Nach der Einlassung des Angeklagten kam auch der Betroffene als Zeuge zu Wort. T. gab an Müller bis zum Tatzeitpunkt nicht gekannt zu haben. Auch er berichtete zunächst von dem Gespräch mit B. und das der Angeklagte später dazu kam. Dann ging B. und die Situation eskalierte. Müller soll dann ohne ersichtlichen Grund zu geschlagen haben. Den ersten Schlag konnte der Betroffene T. aber abwehren. Der zweite soll ihn dann so ins Gesicht getroffen haben, dass er stürzte. Müller drehte sich dann um und soll wohl wieder die Absicht gehabt haben in das Restaurant zu gehen. Als dem Angeklagten aber gewahr wurde, dass sein Opfer wieder versuchte auf zustehen, stürzte er sich erneut auf den Betroffenen und schlug weiter auf ihn ein. Der Konflikt wurde erst durch das Eingreifen eines Bekannten von T. und einer Kellnerin aufgelöst. Der Betroffene gab an, durch die gewalttätigen Handlungen des Angeklagten erheblich verletzt worden zu sein. Er sagte aus, dass Müller ihm die Querfortsätze 2- 4 gebrochen, eine Rippenprellung erlitten sowie mehrere Verletzungen im Gesicht zugefügt habe.
Einige Wochen nach der Tat soll sich der Angeklagte allerdings bei dem Zeugen entschuldigt haben. Müller habe T. diesbezüglich zu Hause aufgesucht. Der Angeklagte hatte den Betroffenen in diesem Rahmen darauf hingewiesen, dass im Falle einer Verhandlung und einer Verurteilung zu Schadensersatz, kein Geld von ihm zu erwarten wäre, da er angeblich selbst nichts besitze. Sollten sie sich aber außergerichtlich einigen bot Müller T. an, die „Sache“ über seine Versicherung laufen zu lassen. Der Betroffene hatte für derartige Vorschläge jedoch kein Verständnis. „Der angebotene Versicherungsbetrug ist nachträglich eine Ohrfeige gewesen und hat die Entschuldigung zunichte gemacht“, so T. heute vor Gericht. Müller saß nun in der Klemme. Sein Rechtsanwalt versuchte daraufhin Widersprüche in T. Aussage herauszuarbeiten. Auf die Frage des Verteidigers, warum T. seinen Mandanten bei der ersten Gegenüberstellung nicht erkannt und identifiziert habe, gab dieser an, bei der Gegenüberstellung aus Angst vor Müller vor einer eindeutigen Benennung des Angeklagten Abstand genommen zu haben. Der Zeuge hatte sich nach der Tat im Internet über Michel Müller kundig gemacht und habe auf Grund dessen Strafregister, welches öffentlich ersichtlich sei, Furcht vor Müller bekommen.
Den Eindruck das Müller während der Tat stark alkoholisiert war hatte T. übrigens nicht. Der Zeuge verneinte, auf Nachfrage des Richters, und gab an, dass er lediglich den Eindruck hatte, dass der Angeklagte leicht angetrunken sei.
Anschließend folgte ein internes Rechtsgespräch zwischen Rechtsanwalt, Richter und Staatsanwalt unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Ein weiterer Zeuge brachte keine neuen Erkenntnisse. Die ebenfalls als Zeugin vorgeladene Kellnerin war nicht erschienen.
Abschließend entschied der Richter, dass der Termin der Hauptverhandlung ausgesetzt wird und ein Sachverständigengutachten erstellt werden soll, um die Frage nach dem minimalen bzw. maximalen Alkoholisierungsgrad des Angeklagten zu treffen. Der neue Verhandlungstermin soll von Amtswegen bekannt gegeben werden und nicht mehr in diesem Jahr stattfinden. Angeklagter einschlägig vorbestraft
Der Angeklagte Müller ist bereits wegen mehrerer Gewaltdelikte und einem Gewaltverbrechen vorbestraft.
Am 29. Juli 1999 wurde er vom Amtsgericht Rathenow zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Diesem Urteil liegt eine Auseinandersetzung mit linken Jugendlichen am letzten Oktoberwochenende 1998 zu Grunde. Der Angeklagte Müller hatte dabei mit einem Motorradhelm auf den dadurch Geschädigten eingeschlagen.
Am 3. Dezember 2002 wurde Michel Müller erneut wegen Gewalttaten verurteilt. Das Landgericht Potsdam verhängte damals eine Gesamtjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, ohne Bewährung, gegen ihn. Müller hatte sich zum einen an einer Hetzjagd gegen pakistanische Asylsuchende beteiligt, die später von unbekannt gebliebenen Täter_innen zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Das Gericht erkannte hierin eine Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Tattag war der 01. Januar 2000. Zum anderen hatte sich Müller an einem Fall brutaler Selbstjustiz beteiligt. Dabei wurde einem mutmaßlichen Schutzgelderpresser aufgelauert und dieser in der folgenden Auseinandersetzung von Michel Müller und anderen Tätern am 24. Februar 2001 zusammengeschlagen. Das Gericht sah hierin eine Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Politischer Background des Angeklagten Michel Müller gilt als Drahtzieher für flüchtlingsfeindliche Hetze im Landkreis Havelland. In den 2000er Jahren saß er u.a. wegen einer Hetzjagd auf Asylsuchende mehrere Jahre im Gefängnis. Seit Oktober 2015 ist er auch regelmäßig, wie hier am 8. Dezember 2015, an Aufzügen des flüchtlingsfeindlichen “Bürgerbündnisses Havelland” beteiligt.
Obwohl die heute verhandelte Straftat offenbar keinen politischen Hintergrund hatte, wurde durch die Verhandlung doch offensichtlich, in welchem Milieu sich der Angeklagte nach wie vor bewegt. Müllers Freunde P. und B. gehörten, genau wie er selber, der 2005 verbotenen Kameradschaft „Hauptvolk“ an. P. war, vor dem Verbot, sogar der letzte Domaininhaber der Internetpräsenz dieser Vereinigung. Des Weiteren ist der BFC Dynamo für neonazistische Zwischenfälle eines Teiles seiner Anhänger_innen berüchtigt. Im Havelland existiert zum Beispiel die lose neonazistische „Fan“-Gruppierung „BFC Hooligans Rathenow / Premnitz, zu der auch der Angeklagte gehören soll. Darüber hinaus ist Michel Müller mittlerweile auch landesweit für die NPD aktiv. So sitzt er als „Organisationsleiter“ im Brandenburger Landesvorstand der Partei, sowie darüber hinaus noch als Abgeordneter in der Rathenower Stadtverordnetenversammlung und im Kreistag Havelland. Des Weiteren gilt er als einer der Drahtzieher der aggressiven „Anti-Asyl“-Proteste in der Region. An den flüchtlingsfeindlichen Versammlungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ nahm er auch regelmäßig teil.
Mit einer spontanen Aktion hat die Rathenower Zivilgesellschaft am frühen Abend an Flüchtlingskinder erinnert, die in den vergangenen Monaten bei der waghalsigen Flucht über das Mittelmeer ums Leben gekommen waren. Um das Leid der geflüchteten Menschen transparent zu machen, wurden u.a. dutzende Pappfiguren aufgestellt, die zusätzlich die Sätze: „Kinder ertrinken im Mittelmeer. Ihr macht dicht.“ enthielten. Die Aktion fand am August Bebel Platz statt. Hier versammelten sich auch ungefähr 100 Menschen, um gemeinsam „für menschliche Wärme, Zusammenhalt und Frieden“ zu demonstrieren. Anlass dieser Versammlung dürfte aber auch die gleichzeitig stattfindende Veranstaltung des selbsternannten „Bürgerbündnisses Havelland“ sein. Diese Gruppierung hatte sich ebenfalls wieder mit mehreren hundert Gesinnungsgenoss_innen am Edwin-Rolf-Platz getroffen. Dort wurde zunächst die Eröffnungskundgebung zelebriert. Dabei sprachen die beiden bekanntesten Gesichter des „Bürgerbündnisses“, Christian Kaiser und Nico Tews, sowie ein älterer Herr. Wie üblich, beinhalteten diese Redebeiträge hauptsächlich die übliche Polemik gegen die Bundes- und Kommunalpolitik. Zusätzlich wurde von Nico Tews angekündigt, dass eine Kundgebung in Berlin, vor dem Reichstagsgebäude, geplant sei. Gelegentlich wurden aber auch einzelne Personen herausgestellt und angefeindet. Ein Fotojournalist wurde u.a. durch Christian Kaiser aufgefordert „Rückgrat zu zeigen“ und „nach vorne zu kommen“. Daraufhin waren einzelne Sprechchöre zu hören, die drohten, dass bekannt sei, wo dessen Auto „stand“ und wo er arbeite. Das „Bürgerbündnis“ selber bewies allerdings kein Rückgrat. Statt wie angekündigt „Gesicht zu zeigen“, wurde wieder versucht Fotoaufnahmen vom Demonstrationszug durch den Einsatz extrem heller Halogenleuchten zu verhindern bzw. zumindest zu behindern. Die Stimmung war also einmal mehr aggressiv. Auch das übliche Neonaziklientel wurde wieder in den Reihen des „Bürgerbündnisses“ geduldet. Der Rathenower NPD Abgeordnete Michel Müller, der sich übrigens in einer Woche vor dem hiesigen Amtsgericht wegen Körperverletzung verantworten muss, marschierte ebenso mit, wie der Frontmann der Potsdamer Neonazi-Band “Preußenstolz”, Patrick D., oder Rathenows „nationaler Liedermacher“ Thomas L. alias „TOitonicus“. Weitere neonazistische Abordnungen kamen aus Premnitz, dem Raum Havelberg, Stendal, Brandenburg an der Havel, Nauen und Ketzin/Havel . Fotos: Presseservice Rathenow Sören Kohlhuber — Journalist
An einer Versammlung des neonazistischen Milieu in Wittstock/Dosse nahmen am Sonntagnachmittag bis zu 90 Personen teil, die hauptsächlich aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin und Prignitz stammten. Einzelpersonen sollen aber auch aus den Bundesländern Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt angereist sein. „Fackelmarsch“ ohne Fackeln
Die Versammlung war zuvor als „Fackelmarsch“ beworben worden, zog aber bedeutend weniger Menschen, als eine ähnliche Veranstaltung vor einem Jahr. Damals marschierten mindestens 150 Neonazis und so genannte „besorgte“ Bürger_innen im Fackelschein durch die nordbrandenburgische Kleinstadt. Eine derartige Illustrierung der Versammlung war heute jedoch nicht gestattet. Die Polizei hatte dies in ihren Auflagen durchgesetzt. Dagegen geklagt wurde seitens des Veranstalters nicht. So schlängelte sich der Demonstrationszug, oftmals nur durch das Blaulicht der Polizei beleuchtet durch das Stadtgebiet von Wittstock/Dosse. Neonazistische Organisierung deutlich erkennbar
Dass es sich bei dieser Veranstaltung klar um einen Neonaziaufmarsch handelt, verdeutlichten schließlich Parolen, wie „Autonom und militant – Nationaler Widerstand“, „Nationaler Sozialismus jetzt“ oder „Hier marschiert der nationale Widerstand“. Außerdem hatte sich an der Spitze des Demonstrationszuges ein „schwarzer Block“ so genannter „Autonomer Nationalisten“ gebildet.
Des Weiteren wurden die Redebeiträge fast ausschließlich von einschlägigen Funktionären aus dem neonazistischen Spektrum, wie Michael Zeise aus Weißenfels, dem Neuruppiner NPD Stadtrat Dave Trick oder dem Neu-Eisenhüttenstädter Pascal Stolle vom „dritten Weg“ gehalten.
Der Lautsprecherwagen wurde von Peer Koss, Neonazi-Sympathisant und Veranstalter von rassistischen Aufmärschen in Frankfurt (Oder), zur Verfügung gestellt. Proteste und Spendenaktion
Gegen den Aufmarsch gab es nur verbale Proteste von Einzelpersonen und kleineren Gruppen am Rande. Allerdings wurde die gesamte Versammlung vom lokalen zivilgesellschaftlichen Bündnis auch als so genannter „Spendenlauf“ gestaltet. Entsprechend gab es am Anfangs- und Endpunkt „Start“ und „Ziel“ Transparente.
Vereinzelt wurde die Versammlungsteilnehmer_innen des „Fackelmarsches“ von Aktivist_innen der Zivilgesellschaft aus auch ermutigt weiter zu laufen, um mehr Spenden für Flüchtlinge zusammeln. Insgesamt sollen mindestens 2.000,- € zu Gunsten von „Pro Asyl“ zusammengekommen sein.
Weiterhin gab es heute auch einen Infostand des zivilgesellschaftlichen Aktionsbündnisses „Wittstock bekennt Farbe“ auf dem Wittstocker Weihnachtsmarkt. Fotos: hier
Die zweite Versammlung der „Alternative für Deutschland“ (AfD) auf dem Marktplatz in Pritzwalk zog am Montagabend deutlich weniger Menschen, als die Vorangegangene vor zwei Wochen. Nahmen an der ersten Kundgebung der rechtspopulistischen Partei, am 16. November 2015, noch 160 Personen teil, waren es am 30. November 2015 gerade einmal nur noch 100.
Als Redner traten u.a. Sven Schröder (AfD Landtagsabgeordneter Brandenburg), Klaus Engelbertz (AfD Kreisverband Ostprignitz-Ruppin) und Armin-Paul Hampel (AfD Landesvorsitzender Niedersachsen) auf.
Gegenproteste waren offiziell nicht angemeldet. Einzelpersonen versuchten aber trotzdem Ihren Protest gegen die Rechtspopulist_innen durch Schilder und Trillerpfeifen zum Ausdruck zu bringen.
In der Pritzwalker St. Nikolaikirche fand zudem wieder ein Friedensgebet statt.
Die Polizei war wieder mit einem größeren Aufgebot vor Ort. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es allerdings nicht.
Die AfD will ihre Montagsdemo am 14. Dezember 2015 fortsetzen. Fotos: hier
An einer Kundgebung „gegen Fremdenhass und geistige Brandstiftung“ in Brandenburg an der Havel haben sich am frühen Abend, trotz strömenden Regen, ungefähr 50 Menschen beteiligt. Sie waren dem Aufruf einer Initiative zweier Einzelpersonen gefolgt, die mit dieser Versammlung ein Zeichen setzen wollten. Hintergrund war der mutmaßliche Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in der vergangenen Woche. Die Kundgebung fand deshalb auch in unmittelbarer Nähe des Tatortes am Nicolaiplatz statt. Als Redner traten die beiden Initiatoren Chriss Kühnl und Sebastian Möckel auf. Beide verurteilten die Tat, Kühnl zu dem auch explizit die, seiner Meinung nach, dafür verantwortliche Hetze bestimmter politischer Organisationen. Sebastian Möckel warnte zudem vor neonazistischen Aktivitäten im Stadtgebiet von Brandenburg an der Havel und widersprach dabei deutlich einem Bericht einer Lokalzeitung, demnach keine Szenestrukturen erkennbar wären. Erst wenige Stunden vor dem Brandanschlag, so hätten es ihm Anwohner_innen berichtet, soll eine Gruppe mutmaßlicher Neonazis durch die Altstadt gezogen sein. Diese solle auch verfassungswidrige Parolen skandiert haben, so Möckel in seiner Rede. Polizeiliche Ermittlungen zur Brandursache laufen
Das momentan vom Brand betroffene, derzeit noch leerstehende Gebäude am Nicolaiplatz war von der Stadt Brandenburg als Notunterkunft für Flüchtlinge geplant. Gemäß Polizeiangaben vom 27. November 2015 war das Feuer von einem Zeugen entdeckt und anschließend von der Feuerwehr gelöscht worden. Von den Flammen betroffen soll jedoch nur der Rahmen eines Außenfensters sein, möglicherweise auch deshalb weil der Brand rechtzeitig entdeckt wurde. Der polizeiliche Staatsschutz (Dezernat 2) der Polizeidirektion West habe inzwischen die Ermittlungen zum Verdacht der Brandstiftung übernommen.Ein fremdenfeindlicher Hintergrund der mutmaßlichen Brandlegung sei momentan nicht auszuschließen. Zunahme fremdenfeindlich motivierter Straftaten
Leider war der mutmaßliche Brandanschlag auch nicht der erste Versuch in Brandenburg an der Havel mit gemeingefährlichen Mitteln Flüchtlinge zu vertreiben bzw. ihre Unterbringung in der Stadt zu verhindern. Bereits am 25. Juli 2015 hatte es vor der Wohnung einer geflüchteten Familie aus Inguschetien gebrannt. Auch hier wurde der Brand schnell gelöscht und schlimmeres verhindert.
Wie aus einer Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Jolige (DIE.LINKE) vorgeht, nahmen die Attacken auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte auch landesweit zu. Allein von Juli bis September 2015 habe die Polizei demnach 51 dieser Straftaten gezählt, von Januar bis Juni 2015 waren es 26.Im gesamten Jahr 2014 wurden allerdings „bloß“ 36 Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte gezählt, 2013 sogar „nur“ 15. Fremdenfeindlichkeit spürbar wie lange nicht mehr
Neben den Straftaten mit mutmaßlich fremdenfeindlichen Hintergrund haben übrigens auch die Versammlungen mit derartigem Charakter zugenommen. Dies geht ebenfalls aus der Anfrage der Landtagsabgeordneten Jolige hervor. Demnach haben Veranstaltungen, die sich gegen Flüchtlinge und die Asylpolitik richten, von 61 im Jahr 2013, auf 130 im Jahr 2014 und bisher175 im laufenden Jahr erhöht. Dabei wurden auch die Versammlungen vermeintlicher „Bürgerinitiativen“, der „BraMM/PEGIDA“ und der „Alternative für Deutschland“ (AfD) berücksichtigt. Für eine Vielzahl dieser Versammlungen sind aber nach wie vor einschlägige Neonazis verantwortlich, die sich in der NPD, im „dritten Weg“ oder so genannten „Freien Kräften“ organisieren. Aktuelle Tendenzen im Brandenburger Neonazimileu
Für die Stadt Brandenburg an der Havel ist eine ähnliche Entwicklung erkennbar. Allein fünfmal zog im ersten Halbjahr 2015 die ursprünglich von einem Republikaner initiierte „BraMM/PEGIDA“ durch die Havelstadt, einmal kam die NPD und einmal der „dritte Weg“. Alle Drei eint ihre ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen. Die scheinbare Aktivität der genannten Organisationen konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass deren lokale Verankerung nur bedingt vorhanden ist. Der Stadtverband der NPD ist schon seit Jahren inaktiv, „dritter Weg“ und „BraMM“ haben überhaupt keine öffentlich erkennbaren Lokalgliederungen vor Ort. Dennoch sind sehr wohl aktive Einzelpersonen und kleinere Gruppen aus Brandenburg an der Havel bekannt, die regelmäßig an Versammlungen der genannten Organisationen teilnehmen. Besonders auffällig war diesbezüglich eine lose Gemeinschaft von fünf bis zehn Personen, die in der Konstellation erst seit 2014 auftritt. Bei Aufmärschen und Kundgebungen fällt diese Gruppe sowohl durch einheitlich gestaltete Kleidungsstücke mit der Aufschrift „Division Brandenburg“ als auch zu ihrer Nähe zum „dritten Weg“ auf. Sie gilt ferner nicht nur als aktionsaffin, sondern tritt durchaus auch als gewaltsuchend auf. Am 20. Februar 2015 provozierten beispielsweise mehrere Mitglieder dieser Gruppe, zu der u.a. auch der mehrfach vorbestrafte Totschläger Sascha L. gehören soll, während eines Gedenkspazierganges für den 1996 von L. getöteten Punker Sven Beuter. Fotos: hier
An einer Versammlung der Partei des „dritten Weges“ auf dem Marktplatz in Genthin (Sachsen-Anhalt) nahmen heute Mittag ungefähr 30 Personen, darunter auch eine Delegation der Partei DIE.RECHTE aus den Landkreisen Jerichower Land und Stendal, teil. Die Veranstaltung war stationär, als Kundgebung, angemeldet und beinhaltete im Wesentlichen die Aufstellung eines Infotisches, das Verteilen von Propaganda sowie das Abhalten zweier Redebeiträge. Gegen die neonazistische Versammlung protestierte eine Gruppe von ungefähr 20 Menschen unter dem Motto „Nie wieder Faschismus“. Die Proteste waren erst vor Ort angemeldet worden. Der dritte Weg in Sachsen-Anhalt
Der dritte Weg trat im Bundesland Sachsen-Anhalt erstmals am 21. Juni 2014 während eines Aufmarsches in Merseburg in Erscheinung, gut sechs Monate später, am 6. Dezember 2015, erfolgte am selben Ort eine Infoveranstaltung. Seit dem 4. April 2015 existiert ebenfalls dort, einschließlich der Großstädte Halle/Saale und Leipzig, ein Stützpunkt „Mittelland“.
Im Norden Sachsen-Anhalts war die 2013 gegründete „Partei“ jedoch bisher noch nicht aktiv.
Für den Landkreis Jerichower-Land sieht sich eher deren scheinbare Konkurrenzpartei DIE.RECHTE, deren Gebietsleiter Ingo Zimmermann in Burg bei Magdeburg residiert, zuständig. Allerdings scheint es doch freundschaftliche Verbindungen zwischen den beiden „Parteien“ zu geben. So nahm Zimmermann heute mit einer kleinen Delegation aus Burg und Stendal an der Kundgebung des „dritten Weges“ Teil. Dabei trug er auch einen offenbar bewusst gewählten Pullover mit der Aufschrift „DIE.RECHTE – Kreisverband Magdeburg / Jerichower Land“. Der dritte Weg in Genthin
Dennoch scheint es auch in Genthin Einzelpersonen zu geben, die sich eher dem „dritten Weg“ zugehörig fühlen. Im Ort macht seit geraumer Zeit zumindest eine junge Dame mit der Verbreitung derartige Propaganda auf sich aufmerksam. Diese scheint auch in enger Beziehung zu der vor allem in einem sozialen Internetnetzwerk aktiven Initiative „Keine Erstaufnahmestelle in Genthin“ zu stehen. Auch für die heutige Versammlung hatte die junge Frau geworben, nahm jedoch nicht an dieser Teil. Sie wurden allerdings, etwas abseits mit einem Begleiter stehend, erkannt.
Weiterhin hatten Unbekannte, offenbar im Vorfeld der heutigen Versammlung auf dem Marktplatz, im Stadtgebiet von Genthin mehrere Plakate des „dritten Weges“ mit der Aufschrift: „Asylflut stoppen“ angebracht.
Ob das Engagement des „dritten Weges“ mit „Protesten“ gegen die Unterbringung von Flüchtlingen im Ort oder gar den kommenden Landtagswahlen im März 2016 zusammenhängt blieb hingegen unklar. Neben den auswärtigen Neonazis nahmen jedenfalls auch Einzelpersonen aus der Stadt Genthin und dem näheren Umland teil. Unterstützung aus Brandenburg
Angemeldet worden war die Versammlung heute Mittag jedoch offenbar von Brandenburger Neonazis. Eine Abordnung mehrerer Autos aus Potsdam und Potsdam-Mittelmark war kurz vor 10.00 Uhr am Versammlungsort eingetroffen. Als polizeilicher Ansprechpartner und augenscheinlicher Versammlungsleiter trat Manuel Schmidt aus Kloster Lehnin auf. Als Redner fungierte u.a. der ursprünglich aus Bad Belzig stammende Pascal Stolle. In seinem Redebeitrag nahm Stolle kein Blatt vor dem Mund, meinte in seinem neuen Wohnort Eisenhüttenstadt angeblich „vor lauter Ausländer … nicht mehr treten“ zu können, verunglimpfte „Schwarzafrikaner“ pauschal als „Drogendealer“ und sprach im Hinblick auf die steigenden Flüchtlingszahlen von einer „Überschwemmung“ durch „Fremdrassige“. Wiedersehen in Genthin
Ein Teil der heutigen Sympathisant_innen der Partei „der dritte Weg“ waren heute übrigens nicht das erste mal in Genthin. Einzelpersonen aus Potsdam und Potsdam-Mittelmark, darunter auch Manuel Schmidt, nahmen bereits am 7. Juni 2008 an einem Aufmarsch der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) in der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt teil. Unter dem Motto „Nationale Zentren erkämpfen – Polizeistaat abschalten“ hatten damals ungefähr 200 Neonazis für den Erhalt eines Szenetreffpunktes demonstriert, in dem auch einschlägige Rechts Rock Konzerte stattfanden. Zu dieser Zeit gab es eine enge Verbindung zwischen den JN-nahen „Freien Kräften Genthin“ und den aus dem Potsdamer JN Stützpunkt hervorgegangenen „Freien Kräften Potsdam“, die später als „Inforportal Potsdam“ und „Lichtschatten“ in Erscheinung traten und nunmehr den harten Kern des Stützpunktes „Potsdam/Mittelmark“ innerhalb des „dritten Weges“ bilden.
Aus dem sachsen-anhaltinischen Stützpunkt „Mittelland“ war heute hingegen offenbar niemand angereist. Fotos: hier
Erstmals seit drei Wochen hat das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis in Rathenow wieder Flagge für eine Stadt „mit Herz statt Hetze“ gezeigt. An der Veranstaltung am historischen Kurfürstendenkmal nahmen ungefähr 200 Menschen teil. Mit ihrer Teilnahme an der Versammlung sprachen sie sich für einen Ort der Vielfalt und der Weltoffenheit aus und positionierten sich gegen Rassismus und Hetze gegen Flüchtlinge. Ungefähr zeitgleich versammelten sich allerdings auch, und zwar nur einige Meter davon entferntmehrere hundertMenschen, um gegen dieso genannte „Asylpolitik“ und das vermeintliche „Politikversagen der Bundesregierung“ zu protestieren. An einem anschließenden, harmlos als „Spaziergang“ angekündigten, Hass-Aufmarsch beteiligten sich bis zu 600 Personen. Dabei wurden u.a. Parolen gerufen, die neonazistischen Veranstaltungen entlehnt waren, sowie anwesende Pressevertreter beleidigt und bedroht. Die Polizei hatte Mühe die Situation unter Kontrolle zu behalten. „Bürgerbündnis“ radikalisiert sich
Ähnlich wie an den vorangegangenen Veranstaltungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ auf dem Märkischen Platz, versuchten die Redner_innen ihr Publikum am Ausweichort, dem Edwin_Rolf-Platz, durch polarisierende Polemik, Kolportierung von Ressentiments sowie der Schürung von Ängsten und Vorurteilen eine berauschende und die Zuhörer_innen verbindende Atmosphäre zu schaffen. Fast diabolisch und dystopisch wirkte die Szenerie auf dem schwach beleuchteten Edwin Rolf Platz, dem Treffpunkt der vermeintlichen Wut- und Angstbürger_innen. Die Redner_innen, einmal mehr Christian Kaiser, Nico Tews und Sebastiano Graziani, aber auch der szenebekannte PEGIDA-Redner Curd Schumacher sowie die Videobloggerin Stephanie Schulz, taten ihr Übriges, um ihr Volk den Takt des „Protestes“, mal seicht, mal scharf, zumeist aber in einfachen Worten, vorzugeben. „Lügenpresse“, „Volksverräter“ und „Merkel muss weg“ rief die in „Wut“ und „Angst“ geeinte Gemeinschaft brav ihren Demagogen nach. Das neben den vermeintlich „besorgten Bürger_innen“ auch organisierte Neonazis standen, schien dort einmal mehr niemanden zu stören. Offenbar reichten diesbezüglich die „vertrauensvollen“ Worte eines Nico Tews aus, der sich in der Vergangenheit immer wieder von der NPD oder „Nazis“ distanzierte. Und Kritik daran lässt Tews ohnehin nicht zu. Wer sich kritisch über das Bürgerbündnis äußert oder nicht in dessen Interesse berichtet, muss mit Schmähkampagnen oder Drohungen rechnen. Jüngst durfte ein MAZ Lokalredakteur dies in einem sozialen Internetnetzwerk wieder über sich ergehen lassen. Auch während des Marsches am Dienstagabend waren Pressevertreter, nach einem Hinweis von Christian Kaiser bezüglich „linker Presse“ am Rande, wieder das Ziel wüster Beschimpfungen und Drohgebärden. Eine Eskalation wie in der vergangenen Woche, wo es einen Angriff auf einen Fotojournalisten gab und dabei dessen technisches Equipment teilweise beschädigt wurde, blieb jedoch diesmal aus.Dennoch ist global gesehen ein Trend zur Radikalisierung erkennbar. Nicht nur in der Steigerung der Aggressivität, sondern auch im verbalen Ausdruck und der ideologischen Unterfütterung. Klar und deutlich waren gestern Parolen, wie „kriminelle Ausländer raus“ oder „wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, zu hören, die sonst nur bei Neonaziveranstaltungen skandiert werden. Doch das scheint nur der Anfang zu sein. „Bürgerbündnis“ will sich mit Neu-Rechter Kampagne vernetzen
In seinem einleitenden Redebeitrag stellte Christian Kaiser, presserechtlich Verantwortlicher des „Bürgerbündnisses Havelland“, ein Vernetzungsprojekt vor, welches eine enge Zusammenarbeit so genannter „Bürgerbewegungen“ beinhaltet. Diese momentan auch in anderen Orten als bundesweite Kampagne beworbene Vernetzung trägt den unverfänglichen Arbeitstitel: „ein Prozent für unser Land“. Die Idee dahinter klingt dann allerdings weit weniger harmlos. 800.000 Menschen, also ein Prozent der bundesrepublikanischen Bevölkerung, sollen sich, gemäß den Initiatoren der Kampagne, finden, um deren „juristische, mediale und politische Aktionen“ zu unterstützen. Ziel sei es die durch wachsende Flüchtlingsströme befürchtete „Auflösung“ des „Staates“ zu verhindern. Da die führenden Köpfe der „Einprozent“-Gruppe allerdings auch bekannte Köpfe der extremen Rechten, wie der Neu-Rechte Götz Kubitschek oder der Querfrontler Jürgen Elsässer, sind, könnten damit auch ganz andere Zwecke, wie beispielsweise die breite Sabotierung oder gar die Abschaffung des demokratischen Rechtstaates angestrebt werden. Mit 800.000 Sympathisant_innen wäre diese Kampagne sogar stärker als die SPD, mit ihren 460.000 Mitgliedern, als größte politische Partei der Bundesrepublik. Diese Dimensionen lassen dieses Vorhaben aber andererseits auch gleichermaßen irreal erscheinen. Zudem sind die anvisierten „Bürgerbewegungen“ keine homogenen Aktionsgruppen, sie eint lediglich der Frust auf „die da oben“. Trotz des eher aussichtslosen Vorhabens ist jedoch jetzt zumindest, durch die deutliche Sympathie mit derartigen Projekten, eine deutliche Offenheit des „Bürgerbündnisses Havelland“ gegenüber der extremen Rechten erkennbar. Tummelplatz für extrem rechte Parteigänger_innen
Darüber hinaus bleibt die Versammlung des „Bürgerbündnis Havelland“ nach wie vor ein Tummelplatz für rechtspopulistische und neonazistische Vereinigungen. Erstmals nahm am Dienstagabend beispielsweise „PEGIDA Havelland“, eine Gruppe die hauptsächlich in und um Schönwalde-Glien aktiv sein soll und auch schon zu entsprechenden Veranstaltungen in Dresden fährt, mit einem eigenen Banner an der „Bündnis“-Versammlung in Rathenow teil. Eine Abordnung der neonazistischen „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“ war ebenfalls vertreten, genau wie die üblichen NPD Sympathisant_innen aus Rathenow, Premnitz und Nauen. Neonazibarde Thomas L. alias „TOytonicus“ war zudem wieder als Ordner eingesetzt. Des Weiteren nahmen bekannte Sympathisanten der Partei „DIE.RECHTE“ aus Stendal am Marsch des „Bürgerbündnisses Havelland“ teil. Singen gegen Hass und Hetze
All dem konnte das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ allerdings nur wenig entgegensetzen. Einerseits will es über die Gerüchte und Vorurteile aufklären, also schon einen Kontrapunkt zu der Propaganda des „Bürgerbündnisses Havelland“ setzen, andererseits aber auch Bürger_innen zurückgewinnen. Von einer „Gegenveranstaltung“ im eigentlichen Sinne kann also nicht gesprochen werden. Die Positionierung von „Rathenow zeigt Flagge“ war im Wesentlichen neutral, dafür aber mit einem konkreten Angebot für eine vielfältige und offene Gesellschaft „mit Herz statt Hetze“. Neben politischen Reden gab es so beispielsweise Auftritte von unterschiedlichen, auch internationalen Musikinterpreten. Vielfach war den Menschen auch einfach nur wichtig an dem Abend öffentlich präsent zu sein und sich gegenseitig Mut zu machen. Konkret sah dies beispielsweise so aus, dass gemeinsam das Lied „die Gedanken sind frei“ gesungen wurde. Fotos: hier
Am kommenden Dienstagabend wird es wieder eine Veranstaltung des Aktionsbündnisses „Rathenow zeigt Flagge“ geben. Dazu hatte sich die zivilgesellschaftliche Initiative bei ihrem Treffen am vergangenen Mittwoch entschlossen. Die Versammlung soll wieder unter dem Motto: „Mein Rathenow: Mit Herz statt Hetze“ stattfinden. Gleichzeitig wird das selbsternannte „Bürgerbündnis Havelland“ seine mittlerweile fünfte öffentliche Veranstaltung durchführen. Da ein szenebekannter PEGIDA-Redner dort auftreten soll, wird mit einer großen Teilnehmer_innenzahl gerechnet. „Bürgerbündnis“mit PEGIDA-Redner am Rolf-Platz
Als Versammlungsort hat das „Bürgerbündnis Havelland“, genau wie in der vergangenen Woche, den Edwin-Rolf-Platz in der Rathenower Altstadt angemeldet. Dort wird es zunächst eine Kundgebung und dann einen so genannten „Spaziergang“ geben. Eine genaue Strecke ist jedoch noch nicht bekannt. In der vergangenen Woche frequentierte der Aufzug allerdings die Baustraße, die Große Burgstraße und die Steinstraße. Der Märkische Platz, ursprünglicher Versammlungsort des „Bürgerbündnisses Havelland“ bei den ersten drei Veranstaltungen, kann derzeit nicht für Versammlungen genutzt werden, da dort der Weihnachtsmarkt stattfindet. Dies schließt jedoch nicht aus, dass es einen angemeldeten „Spaziergang“ in diese Richtung geben könnte. Genauere Angaben machte der Veranstalter dazu aber bisher nicht.
Im Zuge der Bewerbung ihrer Veranstaltung, wurde durch das „Bürgerbündnis Havelland“, lediglich bekannt gegeben, dass der szenebekannte Videokanal-Blogger Curd Schumacher alias „Curd ben Nemsi“ dort als Redner auftreten soll. Schumacher gilt als besonders mitteilungsbedürftig und tritt mit seinem plumpen, vermeintlich volksnah wirkenden Sprach-Repertoire regelmäßig bei PEGIDA-Aufmärschen in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) auf. Dabei polemisiert er hauptsächlich gegen die Bundesregierung und kolportiert Ressentiments gegen Flüchtlinge. Insofern ist inhaltlich eine Fortsetzung der üblichen Hetzreden zu erwarten. Hetze und Drohungen gegen Pressevertreter
Kontinuierlich fortzusetzen scheinen sich übrigens auch die Hetze und Drohgebärden gegen Pressevertreter_innen mit kritischer Berichterstattung. Nachdem das „Bürgerbündnis Havelland“ auf seinen Veranstaltungen eine Rathenower Lokalzeitung als „Lügenpresse“ diffamierte und einen lokalen Fernsehsender aus Brandenburg an der Havel, nach dessen Fernsehbeitrag vom 12. November 2015, ebenfalls mit öffentlicher Diffamierung drohte, enthemmte sich in der vergangenen Woche nun die rohe Gewalt. Diese richtete sich vor allem gegen das technische Equipment eines Fotojournalisten und verursachte einen dreistelligen Schaden.
Trotz des Sachschadens und der mitunter bedrohlichen Situation sah das „Bürgerbündnis Havelland“ jedoch noch keine Veranlassung sich von derartigen Exzessen zu distanzieren. Im Gegenteil, die Sympathisant_innen versuchten die Gewalt zu rechtfertigen und riefen teilweise zu weiteren, mitunter strafbaren Handlungen auf. Ein „Pascal B.“ schrieb beispielsweise in einem Kommentar auf der Veranstaltungsseite des Bündnisses in einem sozialen Internetnetzwerk: “für aufdringliche Fotografen kann ich einen Lippenstift oder Creme empfehlen … fürs objektiv“. „B.“ ist zumindest in diesem sozialen Netzwerk sowohl mit einem der beiden Hauptakteure des „Bürgerbündnisses Havelland“, als auch bekannten Aktivist_innen des neonazistischen Milieus aus dem Osthavelland bzw. dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin befreundet. Deutlich drohender agierte hingegen der Kleinunternehmer Lutz M., der bisher an allen Versammlungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ teilnahm. In einer Hassmail an den bereits in der vergangenen Woche attackierten Fotojournalisten drohte er u.a.: „Pass auf was du machst ich kriege dich und dann bist du im krankenhaus“ (Rechtschreibung im Original). Kundgebung der Zivilgesellschaft am Schleusenplatz
Nach dem das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ in den vergangenen beiden Wochen keine adäquate Veranstaltung zur Versammlung des „Bürgerbündnis Havelland“ angeboten hatte, wurde innerhalb der Zivilgesellschaft vielfach Kritik an dem als zu passiv empfundenen Auftreten gegenüber den Hetzern und Demagogen laut. Auf einer Sitzung der zivilgesellschaftlichen Initiative am vergangenen Mittwoch setzte sich deshalb der Vorschlag einer erneuten Veranstaltung „mit Herz statt Hetze“ durch. Diese Versammlung ist inzwischen angemeldet und polizeilich bestätigt. Sie soll am Dienstagabend um 18.00 Uhr auf dem Schleusenplatz in der Berliner Straße Ecke Schleusenstraße beginnen und ein vielfältiges Kulturangebot beinhalten.
Der Wechsel vom August-Bebel-Platz, dem ursprünglichen Kundgebungsort der Zivilgesellschaft bei vorangegangenen Veranstaltungen, zum Schleusenplatz scheint dabei bewusst gewählt zu sein. Offenbar will „Rathenow zeigt Flagge“ in räumlicher Nähe zum „Bürgerbündnis“ für eine Stadt „mit Herz statt Hetze“ werben. Jugendinitiative gegründet
Neben dem Setzen von Zeichen strebt die Rathenower Zivilgesellschaft aber auch langfristige Projekte für eine Stadt „mit Herz statt Hetze“ an. Ein Beispiel dafür soll künftig die „Jugendinitiative Rathenow“ sein. Diese Initiative hat sich zum Ziel gesetzt „für eine bessere Aufklärung von Gerüchten“ zu sorgen sowie „Fragen bezogen auf die Flüchtlingsthematik“ zu beantworten. Betreut werden soll das Vorhaben durch den Rathenower Erzieher Max Vogt, der zuvor im Kinder- und Jugendparlament der Stadt aktiv war und zurzeit im kirchlichen Jugendhaus „Oase“ arbeitet. Er will durch seine Initiative vor allem Jugendliche motivieren sich in die Gesellschaft einzubringen. Diese sollen dann beispielsweise Fragen zur Flüchtlingsthematik sammeln und dann Antworten in Interviews mit Sachverständigen oder sachkundigen Bürger_innen finden. Die Ergebnisse der Arbeit sollen dann, gemäß Vogt, auf einer Seite in einem sozialen Internetnetzwerk veröffentlicht werden.