Ein belastbares Konzept zur Schaffung bzw. zum Erhalt von sogenanntem bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist eigentlich Aufgabe städtischer Politik. Potsdam steht vor dem Problem, dass durch den starken Zuzug der Wohnungsmarkt derart angespannt ist, dass seit Jahren die Mieten steigen, ohne dass es dafür Grenzen gibt, der Markt bestimmt die Preisentwicklung. Instrumente wie Mietspiegel oder Mietpreisbremsen haben sich im Kampf um günstigen Wohnraum als kontraproduktiv erwiesen und inzwischen muss man froh sein, wenn man im Stadt gebiet eine Wohnung unter 10€ pro Quadratmeter kalt findet. Als sich vor einigen Jahr en aufgrund der beständig steigenden Mieten in Potsdam Protest regte, lud die Stadt Potsdam im Sommer 2014 unter großem Brimborium
verschiedene örtliche „Akteure“ zu einem langen Pro zess der Bürgerbeteiligung ein, an dessen Ende die Verabschiedung des gemeinsam erarbeiteten „Wohnungspolitischen Konzeptes“ stand. Nach einem Jahr mit mehreren moderierten Diskussionsrund en wurde es im Oktober 2015 verabschiedet – und hat seither kaum einen Einfluss auf die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt, weil nicht einmal die Stadt selber es für nötig hält, sich an
die dort formulierten sozialen Standards zu halten.
Auch ein Blick in die sonstige wohnungspolitische Praxis der Stadt lässt einen sozialen Anspruch vermissen: Die Stadtväter und –mütter wollen sich um jeden Preis die Mitte von privaten Investoren nach historischem Beispiel durchsanieren lassen und geben dabei Prestigebauten vor günstigem Wohnraum den Vorzug. Und die ProPotsdam GmbH agiert vorrangig nach profitorientierten und nicht nach sozialen Kriterien. Beispiele hierfür gibt es viele. Während das Grundstück für den Neubau der Garnisonkirche seinerzeit verschenkt wurde und die Stadt trotz eines erfolgre ichen Bürgerbegehrens bereit ist, mehrstellige Millionenbeträge für den Kauf und Abriss des Mercure und der alten Fachhochschule auszugeben, ist auf der anderen Seite angeblich kein Geld da, um den noch in den Händen der Stadt verbliebenen günstigen Wohnraum zu halten. Seit Jahren verkauft die ProPotsdam GmbH Altbauten aus ihrem Bestand, wo die Mieten unterdurchschnittlich sind und Sanierungen anstehen, und finanziert damit hochpreisige Neubauten, die für die alte Bewohnerschaft nicht erschwinglich sind. Da diese Verkäufe stets nach dem Meistbietendenverfahren erfolgen, haben nur die finanzstärksten Player auf dem Wohnungsmarkt die Chance, sie zu ersteigern. Nach den Sanierungen steigern dann die Wohnungspreise bis zum Erreichen des Mietspiegels und vollenden damit die von der Stadt vorbereitete Politik der Verdrängung.
Wir, die Bewohner_innen der Tuchmacherstraße 8, sind derzeit akut von dieser Politik betroffen und von rapide steigenden Mieten bedroht. Das Haus in der Tuchmacherstraße 8 ist ein unsanierter Altbau, die Mieten deutlich unter dem Babelsberger Mietspiegel. Deshalb hat die ProPotsdam GmbH es zum Verkauf ausgeschrieben, Ende des Monats soll es unter den Hammer kommen. Die Initiative „Freunde der Tuchmacherstraße“: Aufruf zur Demo am 29.10.16, 14 Uhr am Lustgarten Transparente gegen den Verkauf mussten wir unter Androhung von Strafe abnehmen, und unsere sonstigen Protestversuche blieben leider ohne Erfolg. Mitte Oktober trugen wir dem Hauptausschuss vor, dass wir das Haus über eine bekannte Genossenschaft selbst kaufen und so wenigstens weiterhin bezahlbare Mieten garantieren wollten. Da wir nicht zum Höchstgebot kaufen können, wurden wir aber abgewiesen. Dass im Wohnungspolitischen Konzept für Potsdam steht, es sei im Interesse der Stadt, Häuser zum Erhalt bezahlbarer Mieten vorrangig an sozial verantwortliche Neueigentümer zu vermitteln, interessiert dort niemanden mehr. Das Dogma heißt „Höchstgebot“ und Verkauf Ende Oktober, und da können wir auf dem Potsdamer Immobilienmarkt logischerweise nicht mithalten.
Aber nicht nur wir fürchten um unsere Wohnungen. Wie uns geht es vielen, z. B. den Bewohnerinnen des Staudenhofs. Dort will die Stadt 184 Wohnungen mit langfristig günstigen Mieten abreißen und das Areal zusammen mit dem Grundstück der Fachhochs chule verkaufen. Die privaten Investoren, die dort Neubauten errichten wollen, wären lediglich ein paar Jahre an Mietobergrenzen gebunden – danach stünde ihnen jede Preissteigerung offen und die Stadt hätte keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr. So wie mit dem Gebäude des Alten Landtags auf dem Brauhausberg. Auch den hatte die Stadt an einen Investor verkauft und war kurz darauf gezwungen, ihn selbst für mehr als den Kaufpreis als Unterkunft für Geflüchtete wieder anzumieten. Ein irrwitziges Minusgeschäft! Seit letztem Winter leben dort knapp 500 Menschen unter der Maßgabe, dass vier Erwachsene sich ein 20 m 2‑Zimmer teilen müssen.
Doch wenigstens haben die Leute auf dem Brauhausberg ein festes Dach über dem Kopf. Andere müssen in Containern oder Leichtbauhallen leben. Diese sind aufgrund der schlechten Isolierung und Infrastruktur sehr teuer und bieten kaum Privatsphäre. Das Projekt „Make Space“ ist eine Initiative des Freiland e.V. und der FH Potsdam, das versucht die Wohnsituation für Geflüchtete zu verbessern und diese menschenunwürdigen Unterbringungen durch günstigere, energieeffiziente Häuser in Holzbauweise zu ersetzen. Die Stadt stellt dem Projekt aber keine geeigneten Flächen zur Verfügung und hält lieber an den Leichtbauhallen fest. Die Liste ließe sich fortsetzen.
In einigen Fällen versuchten die Mieter_innen, der unsozialen Stadtpolitik etwas entgegenzusetzen und hatten damit teilweise Erfolg. In der Heidesiedlung konnten die Bewohner_innen zum Preis einer teilweisen Mietsteigerung den Ausverkauf ihrer Häuser verhindern. Auch im Behlert-Karree konnten wenigstens einige Wohnungen auf KdU-verträglichem Niveau gehalten werden, auch wenn ein anderer Teil saniert zu Mietspiegelpreisen neu vermietet wird. Im Musikerviertel ging die Stadt nach wochenlangem öffentlichen Protest auf eine sozialverträgliche Mieterprivatisierung ein. Wir wollen an diese guten Beispiele anknüpfen!
Initiative „Freunde der Tuchmacherstraße“: Aufruf zur Demo am 29.10.16, 14 Uhr am Lustgarten
• Solidarität mit allen von Mietsteigerungen und Wohnungsverlust bedrohten Potsdamer_innen!
• Für wirksame Instrumente im Kampf um bezahlbare Mieten!
• Für die Einhaltung des Sozialen Auftrags der Stadtpolitik, d.h. mindestens die Umsetzung des eigenen Wohnungspolitischen Konzeptes!
• Gegen Ausverkauf und Abriss günstiger Mietwohnungen aus den Beständen der Stadt — und
• Im Fall der Tuchmacherstraße: Wenn Verkauf, dann an die Bewohner_innen und nicht zum Höchstgebot!
Wir fordern von der Stadt eine Abkehr vom Meistbiet endenverfahren und die Aufnahme von Kaufverhandlungen mit uns unterhalb des Höchstgebots. Dafür brauchen wir Zeit! Und Eure Solidarität. Danke! Wohnen ist ein Menschenrecht und kein Luxus!
Infos:
Die Demo beginnt am Samstag den 29.10.2016 um 14 Uhr. Treffpunkt ist der Lustgarten gegenüber vom Filmmuseum in der Breiten Str. Sie soll über die Friedrich-Ebert-Str., mit einer Zwischenkundgebung am Platz der Einheit, bis zum
Stadthaus führen, wo die Schlusskundgebung stattfinden wird. Ende ca. 16 Uhr
Flyer: http://tuchmacher.pilotton.com/wp-content/uploads/2016/08/Demo_Flyer_29.10.16.pdf
Autor: Simon
Mit ein wenig Verspätung möchten wir noch einmal kurz auf die jüngste rassistische Demonstration in Frankfurt (Oder) eingehen. Zum zweiten Mal in diesem Jahr versammelten sich am 3. September knapp 100 Neonazis in der Oderstadt. Der angekündigte Schulterschluss deutscher Neonazis und polnischer Ultranationalist*innen blieb wie zu erwarten aus. Dem Aufruf folgten wenige Frankfurter*innen, dafür Nazis und Wutbürger*innen aus Chemnitz und Lichtenau, sowie aus dem Umfeld von Bärgida. Die Gruppierung „Protest Lichtenau“ hat den rechten Aufmarsch als Enttäuschung gewertet: zu viele Linke, zu „bunt“ und zu wenige Teilnehmer*innen bei den Rechten. Die Facebook-Gruppe „Frankfurt/Oder wehrt sich“ teilte diesen Beitrag auf der eigenen Seite. Sie waren wohl auch mit ihrem Aufmarsch unzufrieden. Nichtsdestotrotz ist eine weitere Radikalisierung der Frankfurter Neonaziszene zu beobachten.
Ohne den Mantel der Bürgerlichkeit treten sie jetzt offen neonazistisch auf. So war bei der Demonstration am 03.09. die Partei „Der III. Weg“ federführend. Eine ausführlichere Zusammenfassung der Ereignisse am 03. September ist auf inforiot erschienen.
Wir werten die geringe Anzahl lokaler Nazis unter den Teilnehmenden als Erfolg antifaschistischer Interventionen in Frankfurt (Oder). Regelmäßige und konsequente Berichterstattung, sowie die Konfrontation von Arbeitgeber*innen mit den neonazistischen Aktivitäten ihrer Mitarbeiter*innen haben unter anderem dafür gesorgt, dass viele potenzielle Teilnehmer*innen Angst vor persönlichen Konsequenzen haben und den Auftritt bei einer öffentlichen Versammlung meiden. Parallel beobachten wir jedoch eine Radikalisierung vor allen Dingen junger Neonazis. Rassistisch und Neonazistisch motivierte Übergriffe, einschüchterndes Verhalten und Alltagsrassismus gehören zum traurigen Alltag all derer, die nicht in das beschränkte Weltbild vieler Frankfurter*innen passen.
Mit folgender Übersicht wollen wir erneut einen Überblick über die Teilnehmer*innen des Aufmarsches geben. Informationen zu entsprechenden Personen können vertraulich und verschlüsselt an recherche_ffo@riseup.net gesendet werden.
Flop für Cottbuser „Patrioten“
Zur wochenlang angekündigten „Kundgebung gegen Asylmissbrauch“ der „Patrioten Cottbus“ am Samstag erschienen nur wenige Teilnehmer – einen Auftritt hatte dort die extrem rechte Wanderrednerin Ester Seitz.

Zunächst musste der Anmelder die wenigen Teilnehmer aufrufen, doch das Transparent mit hochzuhalten, weil er selber ja das Megaphon bedienen muss. „Kein Mensch kann illegal sein, sein Aufenthalt schon“, lautete das Motto und darunter fand sich die Zeile „Merkel muss weg“, garniert mit einem durchgestrichenen Konterfei der Bundeskanzlerin. Nachdem die organisatorischen Fragen leidlich geklärt waren, beklagte der Anmelder aus Sachsen, dass sich kaum Cottbuser auf der Kundgebung eingefunden hätten. Dabei nannten sich die rechten Organisatoren, die über Facebook zu der Aktion mobilisiert hatten „Patrioten Cottbus“. Aus Leipzig war auch ein H.J. Müller gekommen, der sich als Mitbegründer des Neuen Forums im Herbst 1989 in der DDR vorstellte und für seine kurze Rede Höflichkeitsapplaus bekam.
An vorderster Front in Dresden dabei
Gefeiert wurde dagegen die extrem rechte Aktivistin Ester Seitz für ihre kurze Rede. Betonte sie doch gleich zu Beginn, dass sie erst vor wenigen Tagen angefragt worden war und sich sofort aus Baden-Württemberg auf dem Weg gemacht hätte, um ihre Warnung vor dem drohenden Untergang Deutschlands zu verkünden. Die Begründerin der Gruppierung „Widerstand Ost West“ ist es als Wanderpredigerin auf diversen rassistischen Veranstaltungen quer durch die Republik gewöhnt, nur die eigene Szene zu erreichen. In Cottbus sparte sie denn auch nicht mit Pathos. Selbst wenn Deutschland untergehe, könnten die wenigen Teilnehmer zumindest ein „gutes Gewissen haben, alles getan zu haben, um das zu verhindern“, machte sie den wenigen Teilnehmern Mut. Ester Seitz berichtete auch, wie sie am 3. Oktober an vorderster Front dabei war, als Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck in Dresden beschimpft und ausgepfiffen wurden und sich der Platz immer mehr gefüllt habe.
Vom 3. Oktober in Dresden schwärmen auch die „Patrioten Cottbus“ auf ihrer Facebook-Seite und posten ein Foto von ihrem Transparent, das sie dort in die Höhe gehalten hatten. Bereits in der Vergangenheit haben sich die „Patrioten Cottbus“ mit Peinlichkeiten und öffentlich ausgetragenen internen Streitigkeiten selbst in der rechten Szene von Cottbus und Umgebung so gründlich diskreditiert, dass die die angekündigte Kundgebung vom Samstag ignorierte. Auch das Bündnis „Cottbus Nazifrei“ verzichtete auf Proteste gegen den Auftritt der „wirren Patrioten“ wegen deren Irrelevanz.
Keine Abschiebung von Geflüchteten! Keine Diskriminierung! Keine Abschiebehaft! Gegen Nationalstaatsgrenzen! Keine Trennung von Familien!
Kommenden Samstag, den 22. Oktober, wollen wir — das ist eine Gruppe junger Menschen aus Brandenburg — eine Demonstration durch Eisenhüttenstadt machen. Los gehts um 14 Uhr am Bahnhof um dann zur ZABH zu laufen.
Wir wollen auf die Straße um unsere Stimme zu erheben
- gegen Abschiebung und Abschiebehaft
- gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz
- gegen Diskriminierung und Übergriffe
- egen sichere Herkunftsländer und Abschottung.
Wir sind für eine offene und tolerante Gesellschaft in der man sich frei bewegen kann und nicht aufgrund von Abstammung, Geschlecht, sozialer Herkunft, Religion, Sexualität sowie geistigen Fähigkeiten oder körperlichem Erscheinungsbild diskriminiert wird.
Eisenhüttenstadt wurde durch all seine bürokratischen Monströsitäten, wie das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) und Abschiebeknäste, zum Symbol für Angst und Rassismus. Lasst uns unsere Stimmer dagegen erheben! Verlasst eure Komfortzone und schließt euch uns an. Unterstützt Refugees und selbstorganisierte Kämpfe!
Zugtreffpunkte für Samstag RE1 nach Frankfurt (Oder):
11:30 Uhr Potsdam Hauptbahnhof, Bahnsteig 4
12:00 Uhr Berlin Hauptbahnhof, Bahnsteig 12 / 12:00 Berlin Alexanderplatz
Train meeting point Potsdam Hauptbahnhof:
11:30 at platform 4, RE1 to Frankfurt(Oder)
Train meeting point Berlin Hauptbahnhof:
12:00 at platform 12
#NO deportation of refugees! #NO discrimination ! #NO deportation prisons! #NO borders! #NO seperation of families!
Eisenhüttenstadt has become a symbol of fear and
racism, with all its bureaucratic monsters, like
BAMF and the deportation prison. Let’s say #NO!
Get out of your comfort zone and join us. Support Refugees!
#NON aux expulsions de réfugié*es!
#NON à la discrimination! #NON aux prisons des expulsions!
#NON aux frontières! #NON à la séparation des familles!
Eisenhüttenstadt est devenu un symbole de peur et racisme avec tous ses monstres bureaucratiques comme le BAMF et la prison des expulsions.
sors de ta zone de confort
rejoins nous
soutiens refugié*es

Die Relevanz antifaschistischer Recherche muss sicherlich nicht erörtert werden. Ihre besondere Bedeutung für politische Diskussionen, Interventionen und für die Zukunft wollen wir in diesem Artikel darlegen.
Antifaschistische Recherche — weg von der Abgeschiedenheit
Antifaschistische Recherche oder die Dokumentation von antifaschistischer Arbeit sind wichtige Grundlagen für eine politische Praxis. Es ist keine „zusätzliche Aufgabe“, sie ist Bestandteil jeder Praxis, auch wenn sie in vielen Zusammenhängen erstmal nicht komplex und explizit erscheint. Wenn ich eine Demonstration gegen eine Neonazi-Kundgebung organisiere, muss ich wissen, was das für eine Neonazi-Kundgebung ist, wer sie angemeldet hat, mit wie vielen Personen gerechnet wird usw. An dieser Stelle beginnt bereits die Recherchearbeit für z.B. einen Aufruf und sie endet für dieses Szenario mit der Auswertung der Neonazi-Veranstaltung.
Recherche-Feld an gesellschaftliche Zustände anpassen
Das zu recherchierende Feld richtet sich dabei meist an den gesellschaftlichen Zuständen und Ereignissen aus. Im Zuge der Anti-Asyl- und rassistischen Proteste hat sich daher der Fokus automatisch auf „Bürgerinitiativen“ und andere rassistische Zusammenschlüsse gelegt. Wenn sich immer mehr RassistInnen zusammenschließen und organisieren, muss das entsprechend dokumentiert werden: Sind bereits bekannte Neonazis in diesen Zusammenhängen organisiert bzw. führen sie diese Proteste? Wer sind die Teilnehmenden, die OrdnerInnen oder andere möglicherweise relevante AkteurInnen? Oftmals kann hier auf zurückliegende Recherchen zu organisierten Neonazis zurückgegriffen werden, um die aktuellen rassistischen Proteste ins rechte Licht zu rücken.
Recherche als historisches Dokument
Antifaschistische Dokumentationen und Chroniken erscheinen im gegenwärtigen Moment, wenn Wohnungen und Häuser von Geflüchteten brennen, möglicherweise als übermäßige Fleißarbeit. Jedoch können sie vor allem in den Folgejahren zu wichtigen historischen Dokumenten werden. Darüber hinaus ermöglicht die langfristige und stetige Beobachtung neonazistischer Bewegungen neben dem Aufzeigen von Kontinuitäten auch im Rückblick die Reflektion und Bewertung der Erfolge und Niederlagen antifaschistischer Interventionen.
Wichtig? Unwichtig? Wer entscheidet das?
Dass wir Informationen von Antifa- oder Antira-Gruppen in der Regel den Pressemeldungen der Polizei oder Veröffentlichungen vom Verfassungsschutz vorziehen, ist Praxis. Recherchearbeit muss in jedem Fall, egal welche Quellen genutzt werden, dahingehend reflektiert werden. Einerseits, wie wir mit Informationen aus welchen Quellen umgehen und welchen Prinzipien wir dabei folgen. Andererseits stellt sich die Frage, welche Informationen wie wichtig sind, und: Wer entscheidet, was wichtig ist? Entscheidet die Quelle, mit welcher Priorität Informationen behandelt werden? Entscheidet der Recherche-Zusammenhang? Entscheiden die Umstände, welche Informationen in welcher Form veröffentlicht werden?
Mit der Veröffentlichung folgen Reaktionen, die zuvor zum Teil abgewogen werden können. Durch Outing-Aktionen steigen möglicherweise die Sicherheitsvorkehrungen der geouteten Personen. Dadurch wird es für die Recherchierenden aufwändiger, weiterhin Informationen zu beschaffen oder Aktivitäten zu verfolgen. Was also explizite Ziele von Outings sind — Konsequenzen für den Alltag, Unsicherheitsgefühl, die Kündigung des Arbeitsplatzes — ist mitunter gleichzeitig eine Erschwerung antifaschistischer Recherche. Daher beinhalten Recherche-Veröffentlichungen in den meisten Fällen nicht alle bekannten Informationen über einzelne Personen oder Zusammenhänge. Was zur Verfügung gestellt wird und was nicht, muss ohnehin abgewogen werden — auch in Hinblick auf die eigene zukünftige Recherche-Arbeit.
Wenn Informationen unkommentiert publiziert oder weitergegeben werden, können diese eine gewünschte oder passende Wirkung verfehlen oder gar gänzlich unnütz sein. Ebenso muss in vielen Szenarien abgewogen werden, wann ein guter Zeitpunkt ist, Informationen zu veröffentlichen. Wenn bestimmte Themen über einen konkreten Neonazi in der regionalen Presselandschaft vorrangig diskutiert werden, haben andere „Outings“ oder sonstige Veröffentlichungen über andere menschenverachtende Aktivitäten oftmals keinen Raum, oder erfahren nicht die gewünschte Aufmerksamkeit. Dies ist besonders in kleineren Städten mit einer beschränkten Vielfalt von Medien der Fall. Es ist daher von immenser Bedeutung, Informationen strategisch positioniert, sowohl thematisch als auch zeitlich, herauszugeben.
Informationen über bestimmte Personen/Gruppierungen haben dabei erst Relevanz, wenn sie in einen Kontext gestellt werden. Erst durch die politische Arbeit, durch das Auseinandersetzen mit menschenverachtender Ideologie, mit politischer Theorie, wird das Recherchierte relevant und Teil einer zielorientiert arbeitenden antifaschistischen Praxis. Wenn die Recherche ohne Forderung nach diesem Kontext geschieht, ist sie ziel- und dementsprechend häufig wirkungslos.
Eine Veröffentlichung ist nicht gleich eine Veröffentlichung. Schaffen wir nicht erst unnötig Aufmerksamkeit durch einen eigenen Artikel über Neonazi-Aktionen und werten diese damit auf, anstatt diese einfach in einer jährlichen Chronik festzuhalten? Diese Frage kann nicht allgemeingültig beantwortet werden, sondern bedarf einer jeweiligen Abwägung verschiedener vielfältiger pro und contra Argumente. Von der Frage nach dem eigenen und/ oder gesellschaftlichen Fokus der aktuellen Debatten über gegebene Sachzwänge wie zeitliche oder finanzielle Ressourcen, bis hin zu Entscheidungen hinsichtlich der textlichen Positionierung basierend auf komplexen politischen Einschätzungen und Meinungen. Einen richtigen Weg gibt es nicht, nur einen jeweils begründeten und somit subjektiv guten.
Nach der Recherche folgt die Konsequenz
Mit unserer Recherche folgen Konsequenzen, wenn wir gewisse Informationen in gewissen Kontexten und Zusammenhängen bereitstellen. Welche Informationen wir bereitstellen, liegt oftmals an uns. Das passiert positioniert, sodass wir nicht von außen auf Geschehnisse schauen und diese analysieren, sondern eben Teil dieser Zusammenhänge sind. Wir sind Teil dieser heutigen Geschichte und genauso verantwortlich, ob wir recherchieren, was wir an Informationen herausgeben und vor allem auch wann. Daher ist eine Verortung unsererseits immer wieder wichtig zu betonen — sich als antifaschistisch begreifende Menschen, die Zustände durch Informationsweitergabe verändern wollen, und hoffen, dass danach Interventionen folgen — sei es, dass die Rassist_in ihre Arbeitsstelle verliert, der Neonazi-Verkaufsladen verschwindet oder auf Landesebene Demonstrationen und Gruppierungen verboten werden.
Am Nachmittag passierten zwei alternative Jugendliche die Wallstraße, als ein schwarzer Kleinbus, verziert mit Reichsadler vorne und Schlagring hinten, an ihnen vorbei fährt. Nachdem einer der Beiden vor sich auf den Boden spuckte, nahm der Fahrer es zum Anlass, kurz darauf anzuhalten, aus dem Auto zu steigen und dem Jugendlichen unvermittelt mehrere Faustschläge ins Gesicht zu geben. Der Jugendliche sagte ihm, dass er damit aufhören soll. Ein auf der August-Bebel-Straße vorbei fahrendes Polizeifahrzeug nahm die Sachlage wahr. Trotz einer klaren Konfliktsituation und den augenscheinlichen Verletzungen wurde die Lage nicht richtig eingeschätzt und Hilfe geleistet.
Nachdem der Täter von seinem Opfer abließ, wechselte er noch einige Worte mit den Polizeibeamten und entfernte sich vom Tatort.
Das Opfer erlitt u.a. mehrere Prellungen im Gesicht und musste umgehend in die Rettungsstelle des Krankenhauses gefahren werden. Nach einer Behandlung konnte er wieder nach hause. Anzeigen wurden erstattet.
Der Apfel fällt nicht weit.…
Der aus dem Wohngebiet Hegermühle stammende Björn Z. ist bereits in den 90er Jahren durch sein Äußeres (Bomberjacke und Springerstiefel) und mehrerer rechts motivierter Gewalttaten in Erscheinung getreten, für die er mehrjährige Haftstrafen erhielt. Während seines Haftaufenthaltes wurde er durch die HNG (Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige) finanziell, materiell und ideologisch betreut (1) .
Als Mitbegründer der 1998 geschaffenen Kameradschaft „ANSDAPO (Alternative Nationale Strausberger DArt‑, Piercing und Tattoo-Offensive)“, und stets mit der lokalen NPD verstrickt, organisierten sie bis zu ihrem Verbot geheime rechte Konzerte, Themenabende, gemeinsame Freizeitgestaltungen und pflegten Kontakte zur verbotenen „Blood & Honour“-Szene – einer militant agierenden faschistischen Gruppierung (2,3).
Es sei explizit darauf hingewiesen, dass der Name „ANSDAPO“ auch als „AO/NSDAP“ gelesen werden kann bzw. muss und somit für „Aufbauorganisation Nationalsozialistische Arbeiterpartei“ stünde – von den Urhebern wohl nicht unwissentlich gewählt.
Dass auch wegen Totschlags verurteilte Personen einen Platz in der Verbindung haben sollten, beweist René B.’s, der 1993 zusammen mit zwei weiteren Tätern, einen Menschen aus einer fahrenden S‑Bahn warfen. Hierbei war dieser bei der Gründung der Organisation eine treibende Kraft – er wurde ebenfalls durch die HNG während seiner Haft betreut (4). Ein weiteres bekanntes Mitglied war der Sohn der ehem. DVU-Landtagsabgeordneten Liane Hesselbarth, Falco H., Beisitzer und Kassenwart der Gruppierung (5,6). Auch der Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke, ebenfalls aus Strausberg, im selbigen Wohngebiet aufgewachsen, hatte Beziehungen zu Teilen der Gruppe (7).
Im Januar 2005 griff er mit weiteren Neonazis, u.a. Kameradschaftsmitglieder, die Kneipe des Alternativen Jugendprojekts „Horte“ sowie deren Gäste an (8).
Nach dem Verbot der ANSDAPO im Juli 2005 wurde es um die Mitglieder ruhiger – es wurde ihnen u.a. untersagt, den Schriftzug der Organisation in Kombination mit der „schwarzen Sonne“ öffentlich zu zeigen (9–13).
Dennoch wurden einzelne Mitglieder bei Strausberger Stadtfesten oder in der Öffentlichkeit, überwiegend am Bahnhof Strausberg (Vorstadt), mit eben jenen erkannt. Trotz eines Verbotes der etablierten Symboliken trugen ehemalige Mitglieder nun stattdessen eine leicht abgeänderte Variante mit dem Schriftzug „AO Strausberg“ — die Optik von Schriftzug und „schwarzer Sonne“ entsprach der selbigen. Auch tauchten nach dem Verbot T‑Shirts mit dem Aufdruck „Jungsturm ANSDAPO“ auf, die zuletzt auch des Öfteren wieder in der Vorstadt gesehen wurden.
Mit Beginn der, durch die PEGIDA-nahe Gruppierung BraMM (Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung) organisierten, asyl- und fremdenfeindlichen Montagsdemonstrationen im November letzten Jahres in der Altstadt, traten eben alte und neue Kameradschaftsmitglieder, Mitglieder der lokalen Neonaziband „Exzess“ und auch der ehem. DVU-Stadtverordnete wieder in den Vordergrund. Bei der ersten Veranstaltung erschienen sie als martialischer Gruppe in zivil – dennoch in szenetypischer Kleidung (14). Sie folgten ebenfalls den weiteren Aufrufen. Am Rande der Veranstaltungen wurden Gegendemonstranten beschimpft, provoziert und bedroht (15). Bei einer weiteren Veranstaltung trugen sie ein Transparent mit dem Aufdruck „Bürgerentscheid statt Meinungsdiktatur – Wir sagen NEIN zum Erstaufnahmelager in Strausberg“ (16). Hierbei fiel gerade Björn Z. als Eigentümer, Träger des Transparentes und Rädelsführer der Gruppe auf.
Bei einer weiteren von Neonazis organisierten Demonstration gegen eine geplante Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in der Vorstadt am 12. Dezember 2015 fuhr der o.g. ‚bzw. jetzige Täter, den dort eingesetzten Lautsprecherwagen.
Auch auf dieser Demonstration zeigten sich weniger „Besorgte Bürger“ als vielmehr organisierte rechte Strukturen, was u.a. an der Teilnahme von Marcel Zech (NPD-Abgeordneter in Panketal/Barnim) – dieser war durch die Tätowierung eines KZ-Eingangstores auf seinem Rücken in den Medien (17) – und Robert Gebhardt (Kreistagsabgeordneter in MOL für die Partei „DieRechte“ und ehem. Kader der scheinaufgelösten Kameradschaft Märkisch Oder Barnim, KMOB) aus Bad Freienwalde (18) sowie Mitgliedern sogenannter „Autonomer Nationalisten“ aus Berlin (19).
Dass der Täter seine Fremdenfeindlichkeit nicht verschweigt und die Nähe zu Gleichgesinnten sucht, zeigte er u.a. durch seine Teilnahme bei der rassistischen und rechtspopulistischen Demonstration der „Alternative für Deutschland“ am siebten November in Berlin vergangenen Jahres (20).
Diese Tat richtete sich gezielt gegen Andersdenkende und /-aussehende – Menschen, die sich öffentlich gegen jede Form von Diskriminierung in den Weg stellen und sich wehren . Es handelt sich somit hierbei ganz klar um einen ideologisch motivierten Angriff, der nicht als eine unpolitische Tat betrachtet werden kann und darf.
Auch weiterhin werden wir uns mit Opfern rechter Gewalt solidarisch zeigen und unsere Unterstützung anbieten.
Bitte nehmt mit uns über info[at]horte-srb.de Kontakt auf, wenn ihr oder Freunde Opfer rechter Gewalt wurdet, oder Übergriffe beobachtet habt.
AG Beratung für Opfer rechter Gewalt
Strausberg, den 17.September 2016
Quellen:
(1)http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/die-hilfsgemeinschaft-fuer-nationale-politische-gefangene-und-deren-angehoerige-hng-0912
(2) http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/blo
(3) https://www.antifainfoblatt.de/artikel/das-label-%E2%80%9Ecombat-18%E2%80%9C
(4) http://www.todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de/victims-hans-georg-jakobson.php
(5) http://www.pnn.de/titelseite/83932/
(6) http://www.berliner-zeitung.de/liane-hesselbarth-lehnt-ruecktritt-ab—grossrazzia-nach-verbot-
der-kameradschaft-ansdapo-sohn-der-dvu-chefin-als-neonazi-funktionaer-enttarnt-15499662
(7) http://ueberhauptgarnix.blogspot.de/2012/10/sebastian-schmidtke-npd.html
(8) https://inforiot.de/serie-rechtsextremistischer-angriffe-auf-jugendprojekte-in-brandenburg/
(9) http://www.politische-bildung-brandenburg.de/node/9199
(10) https://inforiot.de/zum-ansdapo-verbot/
(11) https://www.antifainfoblatt.de/artikel/ansdapo-verboten
(12) http://www.brandenburg.de/cms/detail.php?id=321479
(13) http://www.tagesspiegel.de/berlin/brandenburgi/schoenbohm-verbietet-neonazi-gruppe/624570.html
(14) https://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/albums/72157661300932365
(15) https://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/albums/72157661164717809
(16) https://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/23404416280/in/album-72157662145501122/
(17) http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1077767/
(18) http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2014/02/11/die-rech%C2%ADte-weiter-in-brandenburg-aktiv_14950
(19) https://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/albums/72157662145501122
(20) https://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/22437181947/in/album-72157658619177983/
Liebe Gäste, liebe FreundInnen, liebe UnterstützerInnen,
die letzten Tage waren für uns nicht einfach. Wie einige von euch vielleicht schon durch die Medien mitbekommen haben, wurde Freitagnacht unser geliebtes Chekov angegriffen.
Einige AbsolventInnen der Medizinischen Fachschule haben bei uns ihren Abschluss gefeiert. Gegen Mitternacht wurde die Party abrupt unterbrochen. Vom Stadtring aus pöbelte eine Gruppe von etwa 20 vermummten jungen Männern bereits von Weitem die Gäste mit Parolen wie “Ihr Scheißzecken!” an. Kurz darauf näherten sie sich zügig dem Chekov.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich vor allem junge Frauen auf dem Außengelände, die gar nicht wussten, wie ihnen geschieht. Die Männer kamen durch das offene Tor auf die Gäste zu und verwickelten sie in Diskussionen und Pöbeleien. Sie warfen mit Flaschen und schlugen den Anwesenden die Getränke aus den Händen, während einer der Männer den Zaun neben unserem Eingangstor eintrat. Traurigen Höhepunkt des Ganzen stellte der gewalttätige Angriff eines rot-weiß maskierten Mannes auf eine der jungen Frauen dar. Er schlug sie ins Gesicht und sie musste im Nachhinein noch zur Vorsorge ins Krankenhaus gebracht werden.
Der Schock über diesen skrupellosen Angriff sitzt uns tief in den Knochen. Dieser Überfall auf das Checkov war nicht der erste. Es war aber der aggressivste der drei Angriffe in den letzten 12 Monaten.
Seit Jahrzehnten setzten und setzen sich immer noch viele engagierte Menschen dafür ein mit dem Verein zur Förderung subkultureller Aktivitäten e.V. und damit dem Chekov den CottbuserInnen einen Freiraum zu bieten. Für uns ist klar, dass es sich um einen politisch motivierten Angriff von rechts handelt. Nicht nur die Parolen, welche skandiert wurden, sondern auch die massive Flut an “Defend Cottbus”- als auch “No Asyl”-Stickern, die in dieser Nacht rund um das Chekov aufgetaucht ist.
Uns ist klar, dass wir mit unseren vielfältigen Angeboten, die allen offen stehen, egal woher sie kommen, welches Geschlecht sie haben oder welche Sprache sie sprechen, der rechten Szene ein Dorn im Auge sind. Jedoch ist uns bewusst, dass unser Angebot, welches wir genau hier im Chekov schaffen, einzigartig in Cottbus ist. Und das unsere Stadt genau ein solches Angebot weiterhin braucht. Wir lassen uns in unserer Arbeit nicht beirren und werden auch in Zukunft genau an dieser Einzigartigkeit festhalten und unseren Weg weiter verfolgen. Was wir, gemeinsam mit vielen von euch, hier schaffen ist gut und wichtig für Cottbus!
Der Schaden, welcher in dieser schockierenden Nacht entstanden ist, ist nicht nur materiell. Jedoch rechnen wir auch mit Kosten in Höhe von etwa 500€, die nun auf uns zukommen. Wir engagieren uns hier alle ehrenamtlich und brauchen jetzt und in Zukunft jeden von euch! Unterstützt uns und kommt vorbei, lasst uns gemeinsam und solidarisch ein Zeichen setzen, dass wir uns nicht von Nazis und rechter Gewalt einschüchtern lassen! Schaut einfach vorbei, kommt zum Fyahamnd oder besucht unsere Soliparty, die demnächst veranstaltet wird!
Wir freuen uns über jede Unterstützung!
In verschiedenen Gemeinden im Westen Brandenburgs wurden am Freitagmorgen mehrere flüchtlingsfeindliche Plakate an Ortseingangsschildern festgestellt. Schwerpunkte, der offenbar koordinierten Aktion waren, soweit bisher bekannt, der Landkreis Prignitz und der an Brandenburg an der Havel und dem Osthavelland angerenzende äußerste Norden von Potsdam-Mittelmark.
Ein Zusammenhang mit dem Prozess gegen einen 16-Jährigen Flüchtling aus Plattenburg OT Glöwen (Prignitz) ist wahrscheinlich. Der Heranwachsende wurde am vergangenen Dienstag vom Amtsgericht Perleberg, nach Jugendrecht, wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs zur Ableistung von Sozialstunden verurteilt (siehe: http://www.maz-online.de/Lokales/Prignitz/Urteil-16-Jaehriger-muss-gemeinnuetzig-arbeiten)
Vor, während und nach dem Prozess wurde das Verfahren von Neonazis aus so genannten „Freien Kräften“ thematisiert. In Glöwen wurden beispielsweise Flugblätter der „Freien Kräfte Neuruppin – Osthavelland“ verteilt. Für die Flyer zeigte sich ein namentlich bekannter Neonazi aus Nauen verantwortlich. Der Mann hatte bereits Anfang des Jahres 2016 mehrere Kundgebungen in Glöwen durchgeführt.
In den Nächten nach dem Gerichtsurteil gegen den 16 jährigen Flüchtling wurden auf den Internetseiten der „Freien Kräfte Prignitz“ und der „Freien Kräften Neuruppin – Osthavelland“ Fotos von Banneraktionen gezeigt, welche die Seitenbetreiber_innen angeblich erhalten haben wollen. Allerdings gibt es auch Anhaltspunkte dafür, dass beide Gruppierungen die Aktionen selbst durchgeführt haben.
Ergänzung (13.03 Uhr):
In Potsdam, Werder (Havel), Schwielowsee und anderen Orten wurden ebenfalls Plakate festgestellt.
Ergänzung (14.13 Uhr):
Wie die PNN berichtet, sollen auch die Landkreise Ostprignitz-Ruppin und Havelland betroffen sein. http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1116126/
Ergänzung (14.14 Uhr):
Auch die Altmarkzeitung im nördlichen Sachsen-Anhalt berichtet von Plakatierungen im Raum Salzwedel und Arendsee. http://www.az-online.de/altmark/salzwedel/fremdenfeindliche-plakate-angebracht-6778422.html
Wir alle lesen oder hören vom angeblich unbremsbaren Aufstieg der AfD. In Mecklenburg-Vorpommern holte die halbfaschistische Partei bereits über 20% der Stimmen. Davon angestachelt, versucht die ultrantionalistische Partei in Brandenburg an diese Erfolge anzuknüpfen. Ein gewisses undurchsichtiges Potenzial aus sogenannten Wutbürgern, Rassist_innen gibt es in Brandenburg bekanntermaßen. Nicht umsonst war es das erste Bundesland mit der AfD im Landesparlament. Hier konnte die AfD erste Erfahrungen sammeln und erstmalig lernen wie die parlamentarische Arbeit zu Gunsten von populistischen Gesten liegen gelassen werden kann. Trotzdem fließt die Staatskohle und trotzdem glauben Menschen, diese Partei sei ein guter Kandidat, um den alltäglichen Frust über die bundesdeutsche Politik zu äußern.
Wir waren sehr, sehr erfolgreich in den letzten Monaten. Wir haben gemeinsam gegen Pogida gestanden, gehandelt und gebrüllt. Früher kämpften wir gegen die NPD, die DVU und die diversen, den Fokus der Öffentlichkeit fürchtenden, Mini-Neonazigruppierungen. Dabei benennt unser Antifaschismus nicht nur Neonazis und ihre jeweilgen Arbeitgeber (beispielsweise: Tony Schmidt bei SNT für o2), sondern auch die Bereiche, in denen dunkelbraun und konservativ-bürgerlich ineinander übergehen. Wir können in diesem kurzen Aktionsaufruf keine ausgiebige Analyse des Aufstiegs der AfD liefern, nur soviel sei gesagt: Die bürgerlich-demokratischen Kräfte haben ihr Möglichstes getan, um diesen Aufstieg nicht zu verhindern. Das Parteiprogramm der AfD und der NPD unterscheiden sich inhaltlich nur um Nuancen, das der CSU ist in Migrationsfragen auf derselben Linie; ein durch und durch rassistischer Sarrazin, der nach wie vor Mitglied der SPD sein kann und bspw. Lokalzeitungen, die noch nicht einmal in der Lage sind, die Neonazis von Pogida eben genau so zu benennen, sondern verdruckst von “Protesten der Islamfeinde” schreiben.
Der Kampf gegen die AfD darf nicht halt machen bei der AfD, einem rassistischen und ultranationalistischen Gauland oder bei einer von Storch, die ihre Knetbirne mit dem braunen Gehirnschlamm ihrer blaublütigen UrUrUrgroßeltern gefüllt hat. Die Erfolge der AfD sind Ausdruck eines grundlegenden gesellschaftlichen Problems und deshalb muss die Antwort darauf auch gesamtgesellschaftlich gegeben werden. Doch an diesem Punkt sind wir leider noch nicht.
Den ersten kleinen Schritt sind wir aber schon gemeinsam gegangen. Wir haben nicht nur Anti-Pogida-Proteste zusammen durchgezogen, sondern auch der AfD schon mehrfach in die Suppe gespuckt. Mit diesen Protesten können wir einer bisher relativ ignoranten breiten Öffentlichkeit aufzwingen, sich dieses Themas anzunehmen. Und zwar nicht nur in Potsdam, sondern auch im Umland. Wir haben keinen Bock auf die biedere Fassade der lokalen AfD-Fatzkes, hinter der sie ihre menschenverachtende Ideologie verstecken.
Unser Zorn, unser Einfallsreichtum und unser Aktionismus stoppt nicht bei der AfD, aber irgendwo muss mensch ja anfagen. Also: auf ins Umland!
Kundgebung 21. September 2016
- ab 18 Uhr: Uferweg 2/3 „Gemeinsam gegen den Rassismus und den Chauvinismus der AfD – unsere Alternative heißt Solidarität“
- ab 19 Uhr: “Bürgerstuben” Werder, Uferweg 10: AfD-Rassist_innen die Show stehlen!
Am vergangenen Mittwochmorgen zwischen 6 und 9 Uhr wurden in Cottbus mehrere Menschen durch Polizei und Ausländerbehörde nach Polen deportiert. Grund der Abschiebung ist die sogenannte Dublin-III-Verordnung. Die 14 Mütter und Kinder waren tschetschenischer Herkunft. Die Deportation wurde durch eine Gruppe von Abschiebungsgegner*innen kritisch begleitet und dokumentiert. Unter ihnen befanden sich Mitglieder der Initiative „Flucht und Migration Cottbus“ (Flumico), welche diesen unmenschlichen Akt verurteilen.
„Wir sorgen uns schon seit einiger Zeit um die Abschiebepraxis gegenüber tschetschenischen Geflüchteten nach Polen. Sie werden meist ohne Rücksicht auf persönliche Bedürfnisse und eine genaue Prüfung deportiert. Zudem sind die Bedingungen, die sie in Polen erwarten haftähnlich und menschenunwürdig.“, so Marina Schramm von Flumico.
Zusammen mit anderen Kritiker*innen des deutschen Asyl- und Abschiebesystems organisierte Flumico für diese Nacht eine „Abschiebebeobachtung“, um die Praxis von Polizei und Ausländerbehörde transparent zu machen. An den Geflüchtetenunterkünften in Ströbitz und Sachsendorf wurden die Abschiebungen per Kamera dokumentiert. Die
Personalien des Filmenden wurden von der Polizei aufgenommen. Die Johanniter, welche sich selbst der humanitären Hilfe verpflichten, stellten das Transportfahrzeug für die Abschiebung. Die Situation wurde von den Beobachter*innen als sehr erschreckend und herzlos wahrgenommen.
Auffällig war, dass es sich bei den Abschiebungen ausschließlich um allein reisende Frauen und deren Kinder handelte. Dazu Schramm weiter: „Dies ist nicht nur ein klarer Fall von staatlichem Rassismus, sondern auch sexistisches Handeln seitens der Cottbuser Ausländerbehörde. Wir vermuten, dass die Behörde bei den Müttern mit weniger Widerstand gerechnet hat, um so die skandalösen Szenen einer Abschiebung von drei tschetschenischen Familien Ende Juni zu vermeiden. Eine weitere Missachtung jeglicher Schutzbedürftigkeit der Betroffenen.“
In einem solchen Handeln zeigt sich das wahre Gesicht der „weltoffenen“ Stadt Cottbus im Umgang mit Geflüchteten, welche sich besonders im Rahmen der Interkulturellen Woche als bunte Stadt präsentiert. Die Politik sollte endlich ihren Handlungsspielraum nutzen! Für eine Stadt ohne Abschiebung!
Tschetschenische Geflüchtete sollten aufgrund staatlicher und frauenspezifischer Verfolgung in ihrem Herkunftsland als Flüchtlinge anerkannt werden. Abschiebungen nach Polen müssen wegen der schlechten Bedingungen und systematischen Mängelfür die dort untergebrachten Geflüchteten ausgesetzt werden. Zudem fordert Flumico eine Stellungnahme der Johanniter in Cottbus, welche sich eigentlich der humanitären Hilfe verpflichtet sehen.
Wir machen wir Sie auf einen Hintergrundtext zu Abschiebungen nach Polen und die besondere Situation von tschetschenischen Flüchtlingen aufmerksam, welchen Sie im Anhang finden. Am 04.10.2016 um 19 Uhr findet zudem eine Veranstaltung zur Situation von Geflüchteten in Polen im Stadtmuseum Cottbus im Rahmen der Interkulturellen Woche statt, zu der wir Sie herzlich einladen.