Brandenburgs Regierung um Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) will das Polizeigesetz verschärfen. Dagegen regt sich Widerstand. Am 14.11. findet dazu eine Kundgebung in Cottbus statt – genau an dem Tag, an dem die erste Lesung im Potsdamer Landtag stattfinden wird.
Deshalb ruft an diesem Mittwoch das Bündnis #noPolGBbg – ein breiter Zusammenschluss von politischen Initiativen, Geflüchteten, Studierenden und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren – zu einer Kundgebung am Platz am Stadtbrunnen (Heronplatz) in Cottbus auf.
Dazu erklärt Saskia Thiele vom Sprecher*innenrat des Bündnis folgendes: „Das Polizeigesetz soll verschärft werden, um besser gegen Terrorgefahren gerüstet zu sein – aber nicht nur. Von den Gesetzen und ihren Auswirkungen sind letztendlich alle betroffen. Die Verschärfung kann auf den ersten, oberflächlichen Blick für ein größeres Sicherheitsgefühl sorgen. Beim zweiten, genauen Blick wird deutlich, dass die Gesetze einen Einschnitt in die persönliche Freiheit bringen. Der aktuelle Entwurf beschreibt etwa vorbeugende Ingewahrsamnahme, Telekommunikationsüberwachung, Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbote. Mit diesen Maßnahmen werden Repressionen gegenüber allen Menschen vereinfacht. Dagegen setzen wir uns entschieden zur Wehr.“
Bereits am vergangenen Samstag nahmen rund 2000 Menschen an der Großdemonstration gegen das neue Polizeigesetz in Potsdam Teil. Nun muss der Protest in alle Regionen Brandenburgs getragen werden, um den flächendeckenden Widerstand zu zeigen. „Vor allem in Cottbus, wo seit Jahresbeginn die Polizeikontrollen massiv ausgebaut worden sind, ist spürbar, was verstärkte Repression macht.“ ergänzt Saskia Thiele. „Es geht nicht, darum das Miteinander zu stärken, sondern einzig darum, Macht zu demonstrieren und die Bevölkerung kontrollierbar zu machen. Wir protestieren solange bis das Gesetz vom Tisch ist, auch am Mittwoch in Cottbus.“, sagt Saskia Thiele abschließend.
Weitere Infos: www.nopolgbbg.de Kontakt:kontakt@nopolgbbg.de
Kategorie: Law & Order
Am vergangenen Samstag protestierten über 2.300 Menschen gegen das neue Polizeigesetz in Brandenburg, darunter Datenschützer*innen, Gewerkschaften, Vereine, Politiker*innen und Fußballfans. Lautstark und vielfältig zeigten wir der Landesregierung: Wer das Polizeigesetz verschärfen und Grundrechte einschränken will, muss mit Protest aus allen gesellschaftlichen Schichten rechnen. An der Demonstration beteiligten sich Menschen aus ganz Brandenburg. Sie war einer der größten, die das Land Brandenburg in den letzten Jahren gesehen hat. Wir fordern die rot-rote Landesregierung auf, den Plan der Verschärfungen auf Eis zu legen.
In der kommenden Woche, in der das Gesetz in den Landtag eingebracht wird, ruft das Bündnis zu dezentralen Aktionen gegen das Polizeigesetz auf. In Cottbus wird am Mittwoch, den 14. November, um 17 Uhr eine Protestkundgebung am Heronplatz veranstaltet. Die Online-Petition „Neues Polizeigesetz in Brandenburg stoppen – Grundrechte schützen!“ hat mittlerweile deutlich über 5.000 Unterzeichner*innen.
Bei der Demonstration kamen in Redebeiträgen verschiedene Organisationen zu Wort, unter anderem:
„Wenn das neue Gesetz kommt, werden Geflüchtete nicht mehr nur ständig kontrolliert, sie geraten auch noch schneller in Präventivgewahrsam, weil die Polizei sich immer weniger dafür rechtfertigen muss“, kritisierte Jibran Khalil von Jugend ohne Grenzen.
„Im Umgang mit Fussballfans können wir schon seit Jahren beobachten, wie die Polizei sich militarisiert und immer öfter auch ganze Fangruppen überwacht. Mit dem neuen Gesetz darf die Polizei nicht nur mehr, sie darf auch temporär früher agieren und soll dabei weniger kontrolliert werden. Umso wichtiger ist es, dass wir auch auf die Polizei schauen“, mahnte Christian R., ein aktiver Fußballfan aus der Nordkurve Babelsberg.
„Die im neuen Gesetz erwähnten Meldeauflagen im Bereich des Versammlungsgesetzes sind ein Angriff auf unser Demonstrationsrecht. Warum Politiker*innen der SPD und der Linken solch schwerwiegende Grundrechtseinschränkungen verantworten wollen, ist mir schleierhaft“, so Demonstrationsanmelder Konstantin Gräfe.
Die Polizei verhielt sich während der ganzen Demonstration zurückhaltend. Im Gegensatz dazu kam es im Vorfeld und im Nachgang der Demonstration zu inakzeptablen Übergriffen seitens der Polizei auf friedliche Demonstrationsteilnehmer*innen sowie Menschen, die sich in der Nähe zur Demonstration aufhielten. Insbesondere waren Potsdamer Hausprojekte und deren Umfeld in der Zeppelinstraße 25, 26 und 29 betroffen. Vor und nach der Demonstration filmte die Polizei ohne einen erkennbaren Anlass in die Häuser und in die Innenhöfe hinein. Im Nachgang der Demonstration wurden insgesamt acht Menschen im Umfeld der Hausprojekte festgesetzt, ihre Personalien kontrolliert, durchsucht und trotz geäußertem Widerspruch erkennungsdienstlich behandelt. In zwei Fällen kam es unerwartet zu brutalen Festnahmen, bei den Menschen zu Boden geworfen wurden. Gegen alle kontrollierten Personen stellte die Polizei Strafanzeigen. Kurz nach der Demonstration versuchten einige Polizist*innen in die Zeppelinstraße 25 einzudringen. Noch drei Stunden nach Ende der Demonstration wurden die Hausprojekte überwacht.
Als Grund für die Maßnahmen galt wohl die völlig gewaltfreie Performance der drei Hausprojekte während der Demonstration, die aus 2 min aufsteigenden bunten und ungefährlichem Rauch, Heraushängens von Transparenten und einem Redebeitrag gegen das Polizeigesetz bestand. Die Maßnahmen sind bezeichnend für die Kriminalisierungsstrategie der Polizei. Es bestand zu keiner Zeit eine gefährliche Situation, weder für die Demo-Teilnehmer*innen noch für die Polizei. Die Häuser samt den Baugerüsten sind im Eigentum der Hausprojekte. Dagegen waren die Maßnahmen der Polizei selbst mutmaßlich grundrechtsverletzend: Das Abfilmen von Privatwohnungen ist ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre, das Eindringen in Häuser ist ebenso ein schwerwiegender Eingriff, der nicht mit Lappalien wie einer kurzweiligen und kontrollierten Rauchperformance zu begründen ist. Dass die einzelnen Polizisten eingeforderte Grundrechte ignorieren, zeigte das Verhalten des filmenden Beamten, der mit den ironischen Worten „Ich kann euch nicht hören“ auf die Bitte reagiert hat, das Filmen des Hinterhofs der Zeppelinstraße 25 aufgrund der mangelnden Rechtsgrundlage zu unterlassen. Selbiger Polizist war an der stundenlangen Überwachung des Hausprojektes beteiligt. Dass ihm das sichtlich Spaß machte, zeigte er mit einem auffälligen Schwingen seines Schlagstocks gegenüber Passant*innen und Bewohner*innen der Hausprojekte.
Die polizeilichen Maßnahmen am Rand der Demonstration haben gezeigt, dass die Ermittlungsbehörden schnell jegliches Maß verlieren können. Umso wichtiger ist es, die geplante Ausweitung der polizeilichen Befugnisse zu stoppen!
Spaziergänge fürs Vaterland
Im Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit gibt sich die NPD als Kümmerer. Mit einer Art Bürgerwehr streifen Aktivisten durch die Stadt. Die Aktionen sorgen für Befremden.
Wenn es in Cottbus dunkel wird, dann ziehen sie los: junge Männer, manche in roten oder schwarzen T‑Shirts mit dem Buchstaben S auf dem Rücken – dem Logo der NPD-Aktion Schafft Schutzzonen. Verwackelte Fotos dieser Nachtwanderungen landen auf der Facebook-Seite der Partei, die damit wirbt, sie wolle in der brandenburgischen Stadt „nach dem Rechten sehen“.
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Auch nach der Urteilsverkündung im NSU-Prozess im Juli dieses Jahres gibt es mehr Fragen als Antworten zum NSU-Komplex. Das Netzwerk des NSU, die Rolle und das Wissen staatlicher Behörden und die Auswirkungen der Taten und der rassistisch geführten Ermittlungen für die Geschädigten und Angehörigen der Ermordeten waren kaum Gegenstand. Dass dem so ist, liegt zu großen Teilen in der Verantwortung der Bundesanwaltschaft. Als oberste Strafverfolgungsbehörde hatte sie im NSU-Prozess eine äußerst wichtige Rolle inne. Sie vertrat zum einen die Bundesrepublik Deutschland als Geschädigte des NSU, zum anderen die Anklage und leitete die Ermittlungen.
Die Autorinnen Isabella Greif und Fiona Schmidt diskutieren am Beispiel der Ermittlungen zum NSU-Komplex und dem Oktoberfestattentat, welche strukturellen Defizite den staatsanwaltschaftlichen Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt prägen und welche Kontinuitäten sich daraus ergeben.
Die Veranstaltung findet am 18.10 ab 19:00 im Bürgerbildungszentrum Amadeu Antonio, Beratungszimmer statt.
Umstrittenes Bayerisches Polizeiaufgabengesetz als Blaupause
Die Landesregierung in Bayern hat vorgemacht, wie schnell Grundrechte mit einem Polizeigesetz grundlegend in Frage gestellt werden können. Nun plant neben anderen Landesregierungen auch in Brandenburg der Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) ein neues Landespolizeigesetz, das rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und die Gewaltenteilung angreift.
Polizei oder schon Geheimdienst?
Der mit dem Referentenentwurf im Juli veröffentlichte Duktus der Gesetzesnovelle ist eindeutig: im Gewand der Terrorabwehr soll die Polizei neue Befugnisse bekommen, die eine lange Liste von Grundrechtseinschränkungen beinhalten. Das als Lehre aus dem Faschismus eingeführte verfassungsrechtliche Trennungsgebot für geheimdienstliche und polizeiliche Methoden wird immer weiter ad absurdum geführt. Mit der „Online-Durchsuchung“ können Ermittler*innen vollständig auf die elektronische Kommunikation eines Menschen (und dessen Mitmenschen), die Aufenthaltsorte, die Fotos, die Notizen und weitere gespeicherte Daten zugreifen. Weiterhin soll die Polizei mit Spionagesoftware, auch Staatstrojaner genannt, verschlüsselte Kommunikation überwachen können („Quellen-TKÜ“). Diese geplanten polizeilichen Befugnisse gehen weit über bereits legalisierte Angriffe auf die Persönlichkeitsrechte wie z. B. Hausdurchsuchungen oder Lauschangriffe auf Wohnungen hinaus und bedrohen unsere Privatsphäre auch im digitalen Bereich.
Straftatenwahrsagerei statt Unschuldsvermutung
Die neue Qualität des Brandenburgischen Polizeigesetzes spiegelt sich nicht nur in den neuen Überwachungs- und Repressionsmethoden wider. Ähnlich wie der von der bayerischen Gesetzesinitiative bekannt gemachte Begriff der „drohenden Gefahr“ führt das neue Polizeigesetz mittels diffusen und unbestimmten Begriffen eine Gefahrenabschätzung durch die Polizei ein. Danach können Menschen überwacht werden, in Präventivhaft genommen oder Fußfesseln angelegt bekommen, auch wenn diese Menschen noch nicht konkret verdächtig sind. Der Begriff einer „drohenden Gefahr“ untergräbt das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung und eröffnet der Polizei eine „Straftatenwahrsagerei“, die einer demokratischen Gesellschaft unwürdig und somit in keiner Weise akzeptabel ist.
Von der „Terrorismusabwehr“ zur Uferlosigkeit von Grundrechtseinschränkungen
Dass die geplanten weitgehenden Grundrechtseinschränkungen nicht im Feld der Bekämpfung von „Terrorist*innen“ verbleiben, ist schon jetzt eine Frage der politischen Definitionsmacht, die sich mit der Zeit und anderen politischen Kräfteverhältnissen schnell verändern kann.
Andere Neuerungen im Brandenburgischen Polizeigesetz zeigen, dass schon mit dem jetzigen Entwurf nicht nur der „Terrorismus“ im Fokus von präventiver Überwachung und Repression ist. Die mit der Gesetzesverschärfung geplanten Meldeauflagen ermöglichen der Polizei allein zu entscheiden, wer sich bis zu einem Monat regelmäßig bei einer Polizeistation melden muss. Die Meldeauflagen werden explizit im Rahmen des Versammlungsgesetzes. vor allemfür politisch aktive Menschen, vorgesehen.
Grundrechte: Opfer eines vermeintlichen Sicherheitsgefühls
Die Verschärfung der Landesgesetze reiht sich ein in einen Sicherheitsdiskurs, der jegliche Fakten und Analysen über Kriminalität oder „Terrorismus“ außer Acht lässt. Auch eignet sich das neue Polizeigesetz nicht zur Straftatenprävention. Vielmehr soll mit der rigiden Gesetzesverschärfung die vermeintliche Erhöhung eines diffusen Sicherheitsgefühls erzeugt werden.
Neues Polizeigesetz: Gefahr für die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen
Nicht nur das Sicherheitsgefühl, sondern auch die Sicherheitslage derjenigen Menschen wird massiv gestört, die schon jetzt häufig im Fokus der Polizei stehen. Menschen mit Migrationshintergrund sind besonders betroffen von rassistischen Sicherheitsdiskursen, die Flucht und Migration in einem Atemzug in den Zusammenhang mit Kriminalität und „Terrorismus“ stellen. Das verfassungswidrige „Racial Profiling“, also die anlassunabhängige Polizeikontrolle und Verdächtigungen von beispielsweise als Migrant*innen wahrgenommenen Menschen, ist eine Vorstufe der neuen geplanten gesetzlichen Maßnahmen. Die von Schröter und seinen Innenministerkollegen geplanten Verschärfungen der Polizeigesetze gehen uns jedoch alle an. Egal ob politische Aktivist*innen, Fußballfans, Gewerkschafter*innen, Wohnungslose, Menschen mit psychischer Erkrankung oder auch einfach nur Kapuzenpulli-Träger*innen: die vorgeschlagenen polizeilichen Maßnahmen können und werden bei allen zur Anwendung kommen.
Wir sind ein breites, weltoffenes Bündnis: Wir stehen ein für Grundrechte und Freiheit!
In Bayern, NRW und Niedersachsen wenden sich breite, zivilgesellschaftliche Bündnisse gegen die Verschärfungen der Landespolizeigesetze. Zehntausende demonstrierten gegen den Angriff auf grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und die Gewaltenteilung.
Auch in Brandenburg gilt es, unsere Freiheits- und Grundrechte gegen die geplante Gesetzesverschärfung zu verteidigen:
- Wir wollen über die geplanten Maßnahmen aufklären und eine Gegenöffentlichkeit schaffen!
- Wir wollen die Verschärfung im Rahmen des neuen Polizeigesetzes in Brandenburg verhindern! Auch punktuelle Verschärfungen des Polizeigesetzes lehnen wir ab!
- Wir sind ein breites Bündnis von demokratischen Einzelpersonen, Initiativen, Organisationen und Parteien, deren Anliegen es ist, die Grund- und Freiheitsrechte zu schützen. Rassismus und rechte Hetze haben bei uns keinen Platz.
- Wir verstehen uns als Teil des bundesweiten Widerstands gegen die Polizeigesetzesverschärfungen. Wir sind solidarisch mit anderen Initiativen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die neuen Polizeigesetze in den Bundesländern zu verhindern.
Wir zeigen Widerstand gegen das neue Brandenburgische Polizeigesetz – Überall und solange, bis das Gesetz vom Tisch ist!
Wenn ihr den Aufruf unterzeichnen wollt müsst ihr einfach eine Mail an kontakt@nopolgbbg.de schicken und wir nehmen euch auf die Unterstützer_innenliste! Wir haben uns aus Datenerhebungs- und schutzgründen entschlossen kein Onlineformular bereit zu stellen.
Am kommenden Donnerstag, den 4. Oktober, wird vor dem Amtsgericht Prenzlau der rassistische Angriff auf drei Geflüchtete im März 2016 verhandelt. Der Verein Opferperspektive ruft auf, sich solidarisch mit den Betroffenen zu zeigen und als Unterstützung den Prozess zu besuchen.
Wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht steht Timm F., der in sozialen Netzwerken offen mit Schwarzer Sonne-Tattoo und „Sturmfront Pommern“ Kleidungsaufdrucken posiert. Aus einer Gruppe von Neonazis sollen er und ein weiterer Angeklagter die drei Geschädigten vor der Disktothek A20 geschlagen haben. Zuvor sei es bereits in der Diskothek unter den Augen der Türstehern zu verbalen Auseinandersetzungen gekommen. Einer der drei Betroffenen musste im Krankenhaus ambulant versorgt werden.
„Leider ist der verhandelte Fall einer von derzeit vielen rassistischen Übergriffen in der Region“, erklärt Jennifer Zachert, Mitarbeiterin der Opferperspektive e.V. „Umso wichtiger finden wir es, dass das rassistische Tatmotiv vom Gericht erkannt wird. Das wäre ein wichtiges Signal für die Betroffenen und auch an die Täter, dass Rassismus nicht geduldet wird.“ Zachert ist Beraterin für Betroffene rechter Gewalt der Opferperspektive und begleitet einen der Geschädigten im Prozess.
Der Prozess beginnt am 04.10., um 9 Uhr am Amtsgericht Prenzlau.
Am kommenden Donnerstag, den 4. Oktober, sollte vor dem Amtsgericht Prenzlau der rassistische Angriff auf drei Geflüchtete im März 2016 verhandelt werden. Der Termin ist auf den 30.10. verschoben.
Der Verein Opferperspektive ruft auf, sich solidarisch mit den Betroffenen zu zeigen und als Unterstützung den Prozess zu besuchen.
Wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht steht Timm F., der in sozialen Netzwerken offen mit Schwarzer Sonne-Tattoo und „Sturmfront Pommern“ Kleidungsaufdrucken posiert. Aus einer Gruppe von Neonazis sollen er und ein weiterer Angeklagter die drei Geschädigten vor der Disktothek A20 geschlagen haben. Zuvor sei es bereits in der Diskothek unter den Augen der Türstehern zu verbalen Auseinandersetzungen gekommen. Einer der drei Betroffenen musste im Krankenhaus ambulant versorgt werden.
„Leider ist der verhandelte Fall einer von derzeit vielen rassistischen Übergriffen in der Region“, erklärt Jennifer Zachert, Mitarbeiterin der Opferperspektive e.V. „Umso wichtiger finden wir es, dass das rassistische Tatmotiv vom Gericht erkannt wird. Das wäre ein wichtiges Signal für die Betroffenen und auch an die Täter, dass Rassismus nicht geduldet wird.“ Zachert ist Beraterin für Betroffene rechter Gewalt der Opferperspektive und begleitet einen der Geschädigten im Prozess.
Der Prozess beginnt am 09.10., um 9.30 Uhr am Amtsgericht Prenzlau.
Unabhängige Opferberatungsstellen registrieren schon jetzt 93 Vorfälle rassistischer, rechter und antisemitisch motivierter Gewalt und Bedrohungen, seitdem die extreme Rechte und organisierte Rassist*innen bundesweit den gewaltsamen Tod von Daniel H. (35) in Chemnitz in der Nacht vom 24./25. August 2018 instrumentalisieren.
In der im Anhang befindlichen Auswahl sind lediglich diejenigen Angriffe und Bedrohungen aufgeführt, die entweder durch die Betroffenen, Polizei- oder Medien- und Blogger*innenberichte öffentlich gemacht wurden. Nicht im Einzelnen aufgeführt sind mindestens 34 Vorfälle von Körperverletzungen, Nötigungen und Bedrohungen, die die Opferberatung der RAA Sachsen alleine in Chemnitz seit dem 26. August 2018 registriert hat.
“Das ohnehin schon viel zu hohe Niveau rassistischer und rechter Gewalt der vergangenen zwei Jahre steigt in einem besorgniserregenden Maß weiter“, sagt Judith Porath, Mitglied im Vorstand der Verbands der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive. “Die Allgegenwart rassistischer Hetze führt dazu, dass es keine sicheren Orte mehr gibt: Ob in der Eisdiele beim Eisessen in Wiesloch, beim Zeitungsaustragen in Freiburg, beim S‑Bahnfahren in Berlin und München, beim Bierfest im ländlichen Bayern oder in der eigenen Wohnung in Demmin — Geflüchtete, Familien mit Migrationshintergrund und Schwarze Deutsche müssen derzeit tatsächlich überall damit rechnen, von organisierten Neonazis und Rassisten oder von rassistischen Gelegenheitstäter*innen angegriffen zu werden.”
Aus Sicht der im VBRG zusammengeschlossenen dreizehn unabhängigen Beratungsstellen sei es jetzt wichtiger denn je, „bei rassistischen Bedrohungen und Gewalttaten einzugreifen statt wegzuschauen“, betont Judith Porath. Es gelte jetzt deutlich zu machen, dass „die Solidarität mit den Betroffenen sich nicht auf Sonntagsreden reduziert.“ Das könne der Anruf beim polizeilichen Notruf sein, die Bereitschaft sich als Zeug*in zur Verfügung zu stellen oder sich unmittelbar an die Seite von Angegriffen den Täter*innen entgegenzutreten.
Darüber hinaus fordern die Opferberatungsstellen eine konsequentere Strafverfolgung rechter, rassistischer und antisemitisch motivierter Gewalt und Bedrohungen: „Wir brauchen endlich in allen Bundesländern Schwerpunktstaatsanwaltschaften sowie eine Bereitschaft bei den Strafverfolgungsbehörden, rassistische, antisemitische und politisch rechte Tatmotive adäquat zu erkennen, zu benennen und unter Anwendung von §46 Abs. 2 Satz 2 StGB auch strafschärfend zu bewerten“, so Porath. „Im Übrigen werden wir es nicht zulassen, dass die extreme Rechte mit Daniel H. und auch Sophia L. aus Leipzig den gewaltsamen Tod von Menschen für rassistische Hetzjagden instrumentalisiert, die unter anderen Umständen Zielscheibe für Rassismus und rechten Bedrohungen waren.“
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, 26.09.2018
Am Sonntag, dem 30. September 2018, 15.00 Uhr, findet an der Frankfurter Oderbrücke eine Kundgebung der Initiative „Seebrücke“ für sichere Fluchtwege, ein offenes Europa und eine solidarische und weltoffene Gesellschaft statt. Zu der Veranstaltung ruft das Frankfurter Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“, bestehend aus zivilgesellschaftlichen Initiativen, Vereinen, Verbänden und Vertreter*innen von Parteien auf. Dazu erklärt der Sprecher des Bündnis Kein Ort für Nazis Jan Augustyniak:
„Menschen auf dem Mittelmeer sterben zu lassen, um die Abschottung Europas weiter voranzubringen und politische Machtkämpfe auszutragen, ist unerträglich und spricht gegen jegliche Humanität. Dieser Tage muss sogar das letzte noch verbliebene private Seenot-Rettungsschiff „Aquarius II“ auf dem Mittelmeer darum kämpfen, Menschen vor dem Ertrinken retten zu dürfen. Dabei war und ist Migration schon immer Teil unserer Gesellschaft. Wir brauchen ein offenes Europa, solidarische Städte und sichere Häfen – und keine geschlossenen Grenzen.“
Die „Seebrücke“ ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen Initiativen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ solidarisiert sich mit allen Menschen auf der Flucht und fordert von der deutschen und europäischen Politik sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind.
„Für diese Forderungen wollen wir an der Oderbrücke einstehen und Frankfurt zu einem Teil einer solidarischen und weltoffenen Gesellschaft für alle machen. Orange ist die Farbe des „Seebrücke“-Bewegung: Mit der Farbe der Rettungswesten zeigen wir unsere Solidarität mit flüchtenden Menschen und Seenotrettungsorganisationen.“, so Augustyniak weiter.
Weitere Informationen zum Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“: www.kein-ort-fuer-nazis.org
Weitere Informationen zur Initiative „Seebrücke“: www.seebruecke.org