Anlässlich des Internationalen Frauentags am 08. März veranstaltet ein
Netzwerk von brandenburgischen Organisationen die erste Demonstration
zum Frauenkampftag seit Jahren in Cottbus. Am Samstag, dem 10. März
2018, startet die Demonstration mit einer Kundgebung ab 11.30 Uhr in
Sandow am Muskauer Platz. Unter dem Motto “Frauen gemeinsam gegen
Rassismus und Ungerechtigkeit”, werden verschiedene Vereine und
Initiativen auf die rassistischen Zustände in Cottbus hinweisen.
Die Demonstration bewegt sich am Blechen Carree, an der Stadthalle und
am Altmarkt vorbei, bis zum Oberkirchplatz, wo die Abschlusskundgebung
statt finden wird.
„Wir nehmen die Lage in Cottbus sehr ernst. Seit Anfang des Jahres führt
die massive rechte Hetze von Zukunft Heimat zu weitreichenden Folgen.
Geflüchtete und besonders geflüchtete Frauen fühlen sich in der Stadt
unwohl und bedroht. Der Frauenkampftag bietet die Möglichkeit, um auf
diese Zustände aufmerksam zu machen!”, so Elizabeth Ngari von Women in
Exile. Frauen fliehen in vielen Fällen vor patriarchaler Gewalt und vor
der Bedrohung durch Männer. Nachdem viele gefährlichste Routen nach
Europa überlebt haben sind sie in Deutschland wieder patriarchaler
Gewalt sowie rassistischen Drohungen ausgesetzt. Frauen sind weltweit
betroffen und das einzige Mittel kann sein, sich gegen diese Zustände
zusammenzuschließen!
Cottbus ist als rassistische Hochburg bekannt und die Neurechten wissen
das strategisch zu nutzen. Obwohl Gewalt gegen Frauen keinesfalls ein
neues oder “importiertes” Problem ist, sorgt nun die Herkunft in
bestimmten Fällen für Aufmerksamkeit, wo sonst kein Interesse an der
Thematik bestand. Die Rassist*innen von „Zukunft Heimat“ gebrauchen
immer wieder das Bild von der „bedrohten deutschen Frau“, um ihre
rassistische Propaganda zu legitimieren. Davon lässt sich auch die
Stadtpolitik leiten und reagiert mit der Umsetzung der
flüchtlingsfeindlichen Forderungen, indem sie zum Beispiel einen
Aufnahmestopp für Geflüchtete verhängte.
„Wir müssen uns mit den Menschen und Organisationen verbinden, die der
rechten Bewegung etwas entgegen setzen wollen. Zusammenhalt schafft
Stärke — darauf wollen wir uns besinnen”, so Luise Meyer von Cottbus
Nazifrei.
Zur Demonstration rufen Women in Exile, Flucht und Migration Cottbus,
Cottbus Nazifrei, das Geflüchteten Netzwerk Cottbus, die Feministische
Antifa Brandenburg und der Verein Opferperspektive Brandenburg e.V.
auf.
Die Organisationen im Netzwerk demonstrieren am Samstag zusammen für die
uneingeschränkte Solidarität von Frauen, Lesben*,Transsexuellen* und
Intersexuellen* und eine Stadt, in der sich alle Menschen ohne Angst
bewegen können.
Kategorie: Law & Order
Unter dem Motto „Cottbus unerhört!“ lädt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) am 01. März 2018 zu einer zweifelhaften „Diskussionsplattform“, um über die Probleme in Cottbus zu debattieren, die laut Ankündigungstext seit Beginn des Jahres bestehen. Zur Veranstaltung sind auch der neurechte Verein Zukunft Heimat und eine lokale AfD-Vertreterin geladen. Wer aber politisch Andersdenkende als “Volksverräter” bezeichnet, kann kein Dialogpartner sein.
Auf den Demonstrationen von Zukunft Heimat gehören Rufe wie “Volksverräter” und “Lügenpresse” zum Standardritual - beinahe wie das Amen in der Kirche. Auch am 24. Februar riefen hunderte Demonstrationsteilnehmende “Volksverräter” während einer Rede des Geschäftsführers der AfD-Bundestagsfraktion Hansjörg Müller gegen alle anderen Parteien im Bundestag. Götz Kubitschek hatte zuvor Politik und Zivilgesellschaft zum Feind der Demonstrierenden erklärt — ebenfalls unter Volksverräter-Rufen.
Dazu erklärt Luise Meyer: “Wer Volksverräter ruft, will keinen Dialog. Er entzieht einem potentiellen Dialog die Grundlage, indem er politisch Andersdenkende, MedienvertreterInnen und PolitikerInnen zu Volksfeinden erklärt. In biederer Maske wollen AfD und Anhänger gerade keinen politischen Meinungsaustausch, sondern sie bereiten bereits die nächsten Demonstrationen vor, auf denen gegen politisch Andersdenkende und Flüchtlinge gehetzt wird — und Volksverräter-Rufe gehören zu jeder ihrer Demonstrationen.”
Während und nach den Demonstrationen von Zukunft Heimat kam es in der Vergangenheit zu mehreren gewalttätigen Übergriffen. “Menschen haben Angst in die Innenstadt zu gehen, wenn Zukunft Heimat dort demonstriert. Nachweislich befinden sich jedes Mal gewalttätige Neonazis unter den Teilnehmenden. Und diese rufen nicht nur Volksverräter, sondern werden handgreiflich.” fährt Luise Meyer fort. “Das politische Spiel ist doch ganz einfach: die AfD und ihre Vorfeldorganisation Zukunft Heimat schüren Ängste in der Bevölkerung, um sich dann selbst als Lösung anzubieten. Da spielen wir nicht mit.”
Darüber hinaus kritisiert Cottbus Nazifrei die zeitlich verkürzte Betrachtung von Vorfällen erst ab Januar 2018. So wurde beispielsweise am 28.06.2017 eine junge Afghanin auf dem Weg nach Hause mit ihren beiden Kindern von einer Frau angegriffen und mit einem Messer bedroht. Die Frau flüchtete in ihre Wohnung, die gerufene Polizei konnte das Messer kurze Zeit später sicherstellen. Am 23.06.2017 griffen in Guben mehrere Personen einen aus Afghanistan stammenden Vater und seinen 13-jährigen Sohn an, prügelten den Vater bewusstlos und verletzten seinen Sohn mit einem Messer. Weitere Übergriffe auf Geflüchtete und FlüchtlingshelferInnen sind auf der Internetseite des Vereins „Opferperspektive e.V.“ dokumentiert. Cottbus bildete in ganz Brandenburg 2016 die einsame Spitze bei Anzahl und Anstieg rassistischer und rechter Angriffe.
Der Verein Zukunft Heimat, der eng mit der AfD zusammenarbeitet, bereitete sich schon mindestens seit Mai 2017 auf seine Angstkampagne vor, die seit September im Vorfeld des Stadtfestes angekündigt wurde. Auch die Veranstaltung des rbb am 1. März ist also Ergebnis einer fremdenfeindlich motivierten und teilweise rassistischen Kampagne, die Angst in der Bevölkerung schüren und einen Keil zwischen CottbuserInnen und Geflüchteten treiben soll.
Der Zschäpe-Prozess in München wird in den kommenden Wochen voraussichtlich tatsächlich zu Ende gehen — der Skandal namens “NSU” aber bleibt. Dazu zählt die tiefe Verstrickung des Verfassungsschutzes (VS) in die Mordserie. Er hatte in den rechtsextremen Szenen eine Reihe von V‑Leuten im Einsatz, lange bevor das Trio Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe vor der Polizei floh.
Die VS-Geschichte lief bereits, als die NSU-Geschichte begann. Eine wichtige Figur dabei ist Carsten Szczepanski aus Berlin, Neonazi und Informant des Geheimdienstes namens “Piatto”. Der Untersuchungsausschuss von Brandenburg bemüht sich, seine Rolle zu rekonstruieren — und stößt auf bemerkenswerte Funde. Auf einen Verfassungsschutz, dem es offensichtlich gelingt, rechtsstaatliche Verfahren zu manipulieren. Auf einen V‑Mann, der allem Anschein nach auch aus dem Justizministerium heraus gedeckt wird. Ein Lehrstück.
“Piattos” Geschichte kurz von hinten her erzählt: Schon ab 1998 hatte er in Chemnitz Kontakt zum Umfeld des untergetauchten Trios. Spätestens im August 1998 wusste er, dass die drei sich bewaffnen und Raubüberfälle planen. Das meldete er auch dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) von Brandenburg. 1994 hatte er sich im Knast zur Zusammenarbeit mit dem Dienst bereiterklärt. Inhaftiert war er, weil er 1992 versucht hatte, einen nigerianischen Flüchtling zu ermorden. Doch weil Carsten Szczepanski auch zu jenem Zeitpunkt höchst wahrscheinlich bereits mit einer Geheimdienststelle in Verbindung stand, was offiziell aber mit Schweigen belegt wird, muss seine Geschichte an der Stelle auch von vorne erzählt werden.
Szczepanski, Jahrgang 1970, baute nach der Wende in der DDR im Umland von Berlin eine neonazistische Ku-Klux-Klan-Gruppierung auf. Bei einem Treffen im Herbst 1991 war auch der KKK-Chef aus den USA, Dennis Mahon, dabei. Im Dezember 1991 durchsuchte die Polizei seine Wohnung und fand Utensilien zum Bombenbau. Sz. tauchte unter, die Bundesanwaltschaft (BAW) leitete am 13. Februar 1992 ein Verfahren gegen ihn und den Ku-Klux-Klan Berlin-Brandenburg wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ein. Am 22. Februar 1992 wurde Sz. in Brandenburg festgenommen. Möglicherweise gab den Tipp ein Spitzel. Nur: von welcher Behörde? Der Brandenburger Verfassungsschutz kann es nicht gewesen sein, denn er durfte erst ab 1993 menschliche Quellen führen. Bemerkenswert dann: Sz. wurde am 23. Februar direkt wieder freigelassen. Warum? Vom 24. bis 26. Februar stellte er sich einer dreitägigen Vernehmung durch das Bundeskriminalamt (BKA).
Rechtsanwalt Christoph Kliesing, der das nigerianische Opfer von 1992 vertritt und im Januar 2018 im Untersuchungsausschuss (UA) gehört wurde, ist der Meinung, dass Sz. in jenen Februartagen “überredet” wurde zu reden. Sprich: Er nimmt an, dass Sz. am 23. Februar 1992 von einer Behörde als Informant “angeworben” wurde. Möglicherweise vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Entgegen anderen Fällen weigert sich das Amt bisher gegenüber dem UA zu verneinen, dass Sz. seine Quelle war.
Der Verdacht, dass Sz. schon vor seiner Kooperation mit dem VS von Brandenburg mit einem anderen Amt zusammengearbeitet hat, wird erhärtet durch zwei Briefe des früheren VS-Chefs von Brandenburg, Wolfgang Pfaff, die im Ausschuss zitiert wurden. Im Oktober 1995 schrieb Pfaff im Plural einmal von “Kontakten Szczepanskis zu Verfassungsschutzbehörden”, ein andermal “zu Sicherheitsbehörden”. Pfaff war einmal Bundesanwalt und lange Jahre Verbindungsbeamter der Bundesanwaltschaft beim BfV. Ein Westimport der Exekutive in den neuen Ländern sozusagen. Nicht der einzige, wie sich zeigen wird.
Interessanterweise hat Carsten Szczepanski selber als Zeuge im NSU-Prozess vor dem OLG in München erklärt, bereit 1991 Informant für eine Behörde gewesen zu sein. Der Februar 1992 läge da datumsmäßig nicht so weit entfernt. Von Bedeutung ist das auch, weil Sz. den Mordversuch an dem Nigerianer Steve E. dann als Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde begangen hätte. Am 9. Mai 1992 war der Asylsuchende in Wendisch-Rietz von mehreren Neonazis lebensgefährlich attackiert worden. Sz. soll dabei unter anderem “KKK!” gerufen haben. Das Gericht sah einen “direkten Tötungsvorsatz” als belegt an.
Nach seiner ausführlichen Aussage beim BKA im Februar 1992 liefen verschiedene Verfahren im Interesse Szczepanskis. Sie wurden liegen gelassen, bis sie verjährt waren, oder wurden eingestellt. Das Terrorismusverfahren der BAW wurde im September 1992 eingestellt.
Man kennt diesen Umgang bei anderen V‑Leuten wie etwa Tino Brandt. Für Rechtsanwalt Kliesing muss jemand Szczepanski “geschützt” haben.
Als der Prozess Ende 1992 begann, war Sz. noch nicht einmal Beschuldigter in dem Verfahren. Das geschah erst im Dezember 1992, der Vorwurf lautete zunächst lediglich auf “gefährliche Körperverletzung”. Erst 1994 wurde die Anklage auf “versuchten Mord” umgeändert und Sz. daraufhin im Mai 1994 in Haft genommen — zwei Jahre nach der Tat. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder im Februar 1995 lautete schließlich auf acht Jahre Haft wegen versuchten Mordes.
1994 kam es in der U‑Haft zur offiziell bestätigten Verpflichtung Carsten Szczepanskis als V‑Mann des Verfassungsschutzes von Brandenburg mit dem Decknamen “Piatto”. Wenn er schon 1992 ein V‑Mann war, dann war er nach Einschätzung von Rechtsanwalt Kliesing durch den Mordversuch an seinem Mandanten danach für den entsprechenden Dienst eine “tickende Zeitbombe” geworden. Deshalb sei er von einem Dienst bei einem anderen “entsorgt” worden.
Jedenfalls bestimmte nun der Verfassungsschutz von Brandenburg die Knastregeln für seinen Schützling. Und zwar mit Wissen des Justizministeriums.
Illegales Handeln eines Geheimdienstes und seiner Quelle, abgedeckt durch ein Ministerium?
Regelmäßig besuchten zwei VS-Beamte den Strafgefangenen. Der eine war Gordian Meyer-Plath, heute VS-Präsident in Sachsen. Der andere hieß Hermann-Dieter B. und wurde innerhalb des Gefängnisses als “Sozialarbeiter” “verkauft”. Das bestätigt der zuständige Abteilungsleiter, zeitweise auch kommissarischer JVA-Chef, Kurt E., gegenüber den Abgeordneten im Untersuchungsausschuss. In der Sitzung im Januar hatten E. sowie der langjährige JVA-Leiter Wolfgang H. noch abgestritten, auch nur irgendetwas von den VS-Aktivitäten im Haus mitbekommen zu haben. H. hatte sich zur Februarsitzung jetzt krankgemeldet (Dauersumpf NSU, siehe Kapitel: Schauplatz Untersuchungsausschuss Brandenburg: V‑Mann “Piatto”).
Die Insassen sollen aber nichts von Szczepanskis VS-Kontakten gewusst haben. Dass die Frage, ob ein Häftling als Informant für einen Nachrichtendienst arbeiten soll, intensiv erörtert worden sein musste, ergab sich aus den Ausführungen eines anderen zeitweiligen JVA-Leiters, Bernd R., der die letzte UA-Sitzung geschwänzt hatte. Die Anstaltsleitung habe Bedenken geäußert aufgrund der Stasi-Überwachungen zu DDR-Zeiten. Wenn Insassen, die in der DDR groß geworden waren, mitbekämen, dass es wieder Ausspähungen im Knast gebe, dass, so R. wörtlich, “wir im neuen System ähnlich arbeiten”, sei das für die Ziele des Strafvollzuges “klimatödlich”. Außerdem hätten sie Sorge gehabt, dass die Sicherheit des V‑Mannes Sz. gefährdet ist.
Letztlich trug die JVA-Leitung aber die Anwesenheit der Verfassungsschützer mit und half bei der Konspiration. Im Jahr 1995 war der LfV-Beamte Meyer-Plath 24-mal da, haben die Abgeordneten gezählt, von März 1996 bis Januar 1997 der “Sozialarbeiter” B. in Diensten des VS 17-mal.
Doch auch aus der rechtsextremen Szene erhielt V‑Mann “Piatto” immer wieder Besuch, unter anderem aus Chemnitz von Michael und Antje Probst, in deren Szeneladen er später jobbte, sowie von Thomas Starke, der im Januar 1998 der erste Anlaufpunkt des flüchtenden Trios Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe aus Jena wurde. Probsts und Starke können zum unmittelbaren NSU-Umfeld gerechnet werden. Gegen Starke ist zur Zeit noch eines von neun Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen neun Beschuldigte anhängig.
Als nach dem Fund von rechtsextremistischen Schriften bei Szczepanski vorübergehend dessen Post kontrolliert wurde, sorgte die Gefängnisleitung dafür, dass das nur durch einen Wachtmeister geschah, der eingeweiht war. Er wusste von dem Kontakt zum Landesverfassungsschutzamt (LfV) und sorgte dafür, dass der Brief- und Päckchen-Verkehr mit dem Häftling ungestört weiterlaufen konnte. Keine Postkontrolle durchzuführen, wie es das Amt wollte, wäre auffällig gewesen, deshalb, so der damalige JVA-Chef R., habe man es auf diese Weise geregelt. “Postkontrolle fand also nicht statt”, kommentiert ein Ausschussmitglied, “es war eine legendierte Postkontrolle.”
Bernd P., der die JVA Brandenburg von 1992 bis Juli 1995 leitete, war, wie der LfV-Chef Pfaff, ebenfalls ein Westimport. Er wechselte 1995 ins Justizministerium des Landes, wo er den Rang eines Ministerialrates bekleidete. Er hatte in der Folge wiederholt mit der JVA und dem V‑Mann-Häftling Sz. zu tun. Einmal nahm er persönlich an einem Gespräch mit dem V‑Mann-Führer Meyer-Plath teil, bei dem es um die Frage einer Haftverkürzung Szczepanskis ging, die der Dienst begrüßte.
Das Justizministerium war also in die Causa Szczepanski involviert und deckte die Pläne des LfV mit seiner Quelle “Piatto” ab. Justizminister war in jenen Jahren der Westimport Hans-Otto Bräutigam, bekannt als ehemaliger Leiter der Ständigen BRD-Vertretung in der DDR.
Aus den Akten, die die Abgeordneten vorliegen haben, ergeben sich Hinweise, dass in der JVA mindestens drei rechte Szeneblätter hergestellt und nach draußen geschmuggelt wurden. Ein Häftling hatte deshalb sogar Strafanzeige erstattet. Sz. selber soll das Fanzine “United Skins” produziert haben. Offiziell wird das bestritten. Ministerialrat Bernd R. war im Justizministerium mit der Sache befasst — und beschied dienstlich, es sei auszuschließen, dass ganze Hefte in der JVA hergestellt worden seien. Möglich sei lediglich, dass einzelne Beiträge den Weg nach draußen gefunden haben könnten. Aber auch dafür gebe es keine Hinweise.
Im NSU-Ausschuss von Brandenburg bleibt R. bei seiner Bewertung und begründet sie mit keinem geringeren als dem Amt selber: “Wenn etwas vorgelegen hätte, hätte sich der Verfassungsschutz gemeldet oder das Innenministerium.” Dann zitiert der Ministerialrat a.D. noch einen EDV-Mann aus der JVA, der es “technisch ausgeschlossen” habe, dass ganze Hefte in der Anstaltsdruckerei hätten hergestellt werden können.
Die Abgeordnete der Grünen und ihr Mitarbeiter suchen daraufhin die Aussage jenes EDV-Mannes und finden folgenden Satz von ihm: “Das Absuchen der Festplatten würde Tage dauern”, um das festzustellen. Offensichtlich wurde der Vorgang nicht überprüft, er kann also nicht ausgeschlossen werden.
Illegales Handeln eines Geheimdienstes und seiner Quelle, abgedeckt durch ein Ministerium? Offensichtlich musste die Quelle “Piatto” von besonderem “Wert” sein. Das hatte schon vor fünf Jahren der ehemalige V‑Mann-Führer und heutige LfV-Chef in Sachsen, Gordian Meyer-Plath, vor dem NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag erklärt. Carsten Sz. alias “Piatto” sei für den Informationsbedarf des LfV ein Meilenstein gewesen. Selbst durch die kritische Nachfrage, ob Sz. für das Amt “noch wertvoller” gewesen wäre, wenn er “den Mord im Mai 1992 vollendet” hätte, ließ sich der Karrierebeamte nicht provozieren und antwortete kühl: “Das ist reine Spekulation.” Herauskam noch: Der V‑Mann und sein Führer — sie duzten sich.
Auffällige Sonderbehandlung des Gefangenen Szczepanski
In der JVA Brandenburg an der Havel ging die Sonderbehandlung des Gefangenen Szczepanski weiter. 1998 kam er in den offenen Vollzug. Er konnte ein sogenanntes Praktikum machen — und zwar im über 200 Kilometer entfernten Chemnitz in dem rechten Szeneladen “Sonnentanz” der Probsts. Hin- und zurückgebracht wurde er von seinen Beamten des LfV Brandenburg. V‑Mann-Führer als V‑Mann-Fahrer sozusagen.
Die für die Organsierung von Praktika zuständige Sozialarbeiterin gibt sich im Ausschuss von Potsdam überrascht. Eine Praktikumsstelle, die derart weit weg ist, könne sie sich nicht vorstellen. Dem hätte sie nie zugestimmt. Wenn, dann wäre der Häftling in die nahe gelegenste Haftanstalt verlegt worden.
Auch die konkrete Praktikumsstelle, jener Neonaziladen in Limbach-Oberfrohna bei Chemnitz, war der JVA-Angestellten nicht bekannt. Sie sei die Person gewesen, die die Praktikaplätze vorbereitete und auch im Vorfeld angeschaut habe, aber: “Ich bin nicht nach Limbach gefahren, 100-prozentig.”
Wurden Praktikumsstelle plus Arbeitsvertrag also an der dafür Verantwortlichen vorbei organisiert, hinter ihrem Rücken? Die Beteiligten jedenfalls müssen gewesen sein: der Gefangene Szczepanski und seine VS-Männer, die Praktikumsgeber Probst sowie der JVA-Abteilungsleiter für den offenen Vollzug, Gerhard K. Er hatte bei der letzten UA-Sitzung im Januar 2018 bestritten, gewusst zu haben, dass Sz. regelmäßig Besuch vom Verfassungsschutz bekam. K. wurde nach seiner Aussage vereidigt.
K. war dann auch beim nächsten Schritt der “Befreiung” von Carsten Szczepanski beteiligt: Der Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Potsdam im November 1999. Sz. hatte beantragt, nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe vorzeitig entlassen zu werden. Im Dezember 1999 erging tatsächlich das entsprechende Urteil. Dafür spielte eine wesentliche Rolle, dass Sz. den Praktikumsplatz hatte sowie die große Entfernung dahin. Zusätzlich lag ein knappes psychologisches Gutachten vor, das aber für die Sozialprognose des Straftäters Sz. ziemlich wertlos war.
Die Richterin, die damals das Urteil fällte, reagiert verunsichert, als ihr die Abgeordneten nach und nach die heute bekannten Widersprüchlichkeiten im Falle Szczepanski präsentieren. Um was für eine Praktikumsstelle es sich konkret gehandelt hat, wusste sie nicht. Erst Recht nicht, dass das nicht einmal die zuständige Sozialarbeiterin in der JVA wusste. Sie habe sich auf die Stellungnahmen der JVA verlassen, habe keinen Grund gehabt, das zu hinterfragen, so die Juristin, die heute beim Bundesverfassungsgericht tätig ist. Dass jemand versucht habe, sie zu beeinflussen oder unter Druck zu setzen, verneint sie entschieden.
Ein Abgeordneter der Linken hakt nach: “Um Sie zu beeinflussen, hätte man also den Weg über die zwei wesentlichen Quellen nehmen müssen: a) die Stellungnahme der JVA und b) das psychologische Gutachten?” Antwort: “Ja, richtig.” Der Anwalt von Steve E., dem Opfer eines mutmaßlichen V‑Mannes, sagt, Teile der Biografie von Carsten Szczepanski liegen nach wie vor im Dunkeln. Mittlerweile weiß man, dass es staatliche Stellen gibt, die sie kennen.
Am vergangenen Mittwoch besuchte Innenminister Schröter die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Doberlug-Kirchhain. Der Fokus lag dabei auf Auseinandersetzungen zwischen Bewohner_innen, denen nun mit erhöhter Präsenz von Polizei und Sicherheitspersonal begegnet werden soll. Der Flüchtlingsrat Brandenburg ist empört über die Ignoranz von Landesregierung, Innenministerium und Polizei gegenüber den strukturellen Ursachen für diese Vorfälle, die in der problematischen Lagerunterbringung begründet sind. Die Folgen, die Unterversorgung, Isolation und Perspektivlosigkeit haben können, sind hausgemacht, verursacht von einer menschenunwürdigen Unterbringungspolitik der Landesregierung.
In Gemeinschaftsunterkünften wie der Erstaufnahme haben Menschen kaum Rückzugsmöglichkeiten, sie sind häufig extremen Alltagssituationen, Enge und Stress ausgesetzt. Erstaufnahmelager fungieren zunehmend als Abschieberampen und schließen Menschen aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben gezielt aus. Konkret bedeuten sie die Verwehrung von regulärer Beschulung, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, Arbeitsverbote, minimale Gesundheitsversorgung und stark eingeschränkten Zugang zu Beratungs- und Hilfestrukturen. Polizei und Sicherheitsdienst bedeuten für die Bewohner_innen nicht Schutz, sondern Kontrolle und Abschiebung. Insofern ist eine Verstärkung dieser Kontrollinstanzen mehr als fragwürdig, da sie zu weiterem Stress und Angst führen wird.
„Es ist zynisch und unmenschlich, Menschen monate- und jahrelang auf engstem Raum zentral in abgelegenen Kasernen unterzubringen und dann die Auswirkungen dieser Zwangsunterbringung als Anlass zu nehmen, die Freiheiten und Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen noch weiter einzuschränken“, kommentiert Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Studien zu den Effekten zentraler, fremdbestimmter Unterbringungsformen haben gezeigt, dass sich diese Lebensbedingungen gesundheitsschädigend auswirken können.
Anstatt eine sachgerechte Analyse der Ausgangslage vorzunehmen, diskutiert Schröter lieber einen Verbleib von Flüchtlingen bis zu 24 Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen wie Doberlug-Kirchhain. Ein wirksamer Gewaltschutz kann aber nur erfolgen, wenn Lager wie dieses abgeschafft werden. Menschen müssen unabhängig von Herkunft und Bleibeperspektive dezentral untergebracht und aufgenommen, statt ausgegrenzt und kaserniert werden.
Heute fand unser Protest gegen die Zwangsräumung der Familie Jahnke in Gallinchen statt. Unserem Widerstand und der Tatsache, dass es keine vernünftige Alternative für die Familie gibt zum Trotz, hat die Gerichtsvollzieherin die Räumung mit Polizeiunterstützung durchgeführt. Unsere Forderung nach einer tragbaren Alternative für die Familie bleibt bestehen.
Etwa 25 Personen sind heute unserem Aufruf gefolgt und haben heute zwischen 10 und 12 Uhr vor dem Haus der Familie Jahnke in Gallinchen gegen die Zwangsräumung der Familie protestiert. Wir riefen Parolen wie: „Profite, Profite über alle Maße, dafür setzen sie Kinder auf die Straße!“ und hatten Schilder und Banner des Solidaritätsnetzwerks mit unseren Forderungen mitgebracht. In Redebeiträgen machten wir immer wieder darauf aufmerksam, dass das Schicksal der Familie Jahnke kein Einzelfall ist, sondern dass tausende Menschen täglich in diesem Land aufgrund von niedrigen Löhnen oder Arbeitslosigkeit vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind.
Die Gerichtsvollzieherin rückte von Anfang an mit einem Aufgebot von etwa 20 Polizisten an, um die Räumung durchzusetzen. Mehrmals betonten wir, dass die Stadt Cottbus, die rechtliche Möglichkeit hat, die Zwangsräumung aufzuschieben, in dem sie eine befristete Beschlagnahmung der Wohnung beschließt. Offenbar hat sich die Stadtverwaltung aber dagegen entschieden. Jan Gloßmann, Sprecher der Stadt Cottbus, gab dem Solidaritätsnetzwerk gegenüber an, dass die Beschlagnahmung nur für dringende Notfälle vorgesehen sei, in denen es keine andere Alternative gibt. Diesen Fall sieht die Stadt offenbar nicht als gegeben an.
Den auch in der Presse und zum Beispiel auf Facebook verbreiteten Gerüchten, dass der Familie zahlreiche Angebote gemacht worden seien, die sie nicht akzeptiert hätten, widerspricht Daniela Jahnke entschieden: „Uns wurden Häuser, die kilometerweit weg sind, angeboten, mit denen wir unser Familienleben einfach nicht mehr bewältigen könnten. Als Notlösung gelten für die Stadt unter anderem auch zwei Wohnungen, die in zwei unterschiedlichen Hauseingängen sind. Was für eine Lösung soll das sein? Wie sollen wir unter solchen Umständen unserer Aufsichtspflicht als Eltern nachkommen?“.
Obwohl die Zwangsräumung nicht verhindert werden konnte, bleibt ein Teil unserer Forderungen bestehen: Wohnraum muss auch in Cottbus mehr sein als eine Ware! Es müssen mehr Interessen als die der Vermieter berücksichtigt werden!
Von der Stadt fordern wir weiterhin eine tatsächlich mit dem Familienleben vereinbare Lösung zu schaffen und sich nicht weiter hinter Scheinlösungen zu verstecken, um sich so aus der Verantwortung zu ziehen.
Die neunköpfige Familie Jahnke lebt in einer Wohnung mit Garten am Rand von Cottbus im Stadtteil Gallinchen.
Sie fühlen sich in ihrem Zuhause geborgen, nicht zuletzt weil sie erheblich Kraft, Zeit und Geld investiert haben, um es sich heimelig einzurichten. Die Tagesstruktur wird ihnen durch die kurzen Wege zur Schule, Kindergarten und Supermarkt bedeutend erleichtert.
Doch damit soll nun Schluss sein! Am 15. Februar 2018 um 11 Uhr wird die neunköpfigen Familie gezwungen, ihren Lebensmittelpunkt herzugeben. Es steht eine Zwangsräumung bevor! Eine Situation, die sich nur die Wenigsten vorstellen können. Zwei Erwachsene, sieben Kinder und die fünf Haustiere sind ab diesem Zeitpunkt obdachlos. Gerade für den Nachwuchs bedeutet dieser Zustand der Perspektivlosigkeit einen gravierenden Einschnitt auf dem Weg ihrer Entwicklung. Die Verantwortung dafür tragen die Immobilienfirma Litzke – alleinige Inhaberin Lydia Somborn – sowie das Ehepaar Litzke.
Wie kam es dazu?
Das Ehepaar Litzke übertrug nach dem tragischen Tod ihres Sohnes Maik Litzke, welcher der ursprüngliche Vermieter der Familie Jahnke war, die allumfassende Vollmacht der Immobilie an Lydia Somborn. Im Interesse der Immobilienfirma Litzke steht der Verkauf des Hauses, in dem die neunköpfige Familie seit vier Jahren wohnt. Lydia Somborn zieht einen Nutzen daraus: sie will ihr Kapital vermehren, wohl wissend, dass durch die Zwangsräumung das Leben einer Großfamilie zerstört wird. Wohnraum wird somit zu einer Ware, um den Profit Einzelner – hier Lydia Somborn und Eheleute Litzke – zu steigern. Das Menschenrecht auf eine Wohnung wird durch solche inhumanen Aktionen mit Füßen getreten.
Seit dem Einzug im Jahr 2014 wurde das Haus durch die Familie Jahnke mit viel Herzblut, Zeit und finanziellem Aufwand stetig modernisiert. Diese Anstrengungen wurden nicht etwa gewürdigt, sondern stießen auf Ablehnung. Fadenscheinige Kündigungserklärungen folgten. Eine im üblichen Umfang durchgeführte Veränderung am Grundstück, wie zum Beispiel das Sähen von Blumen und Pflanzen war dabei nur einer von fünf willkürlichen Gründen, um den Mietvertrag aufzuheben.
Wir als Solidaritätsnetzwerk werden bei der Entwürdigung der Familie Jahnke die Augen nicht verschließen, sondern handeln. Wir unterstützen sie, die Situation nicht einfach so hinzunehmen!
Widerstand zu leisten, ist ein Weg der Selbstverteidigung, um nicht seine Würde zu verlieren! Deshalb heißt es: lasst uns zusammenschließen und kämpfen.
„Denn wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ (Berthold Brecht)
Gemeinsam Solidarität und Nachbarschaftshilfe zeigen im Fall Jahnke!!!
Es geht nicht nur um ein Haus. Es geht um eine Zukunft. Eine Zukunft die nur WIR gemeinsam gestalten können.
“Ich würde es wieder tun.”
INFORIOT — Am 23. Mai 2016 demonstrierte die “Alternative für Deutschland” (AfD) zum wiederholten mal auf dem Neuruppiner Schulplatz im Zentrum der Stadt. Als Hauptredner war der damalige AfD-Landeschef und heutiger AfD-Fraktionschef im Bundestag, Alexander Gauland, geladen. Dem gegeüber standen rund 100 Gegendemonstrant*innen, die dem Aufruf von “Neuruppin bleibt bunt” zur vierten Montagsdemonstration folgten. Während einer Rede des AfD-Kreischefs Michael Nehls wurde durch einen Gegenaktivisten das Kabel durchtrennt, mit dem die Lautsprecheranlage auf der AfD-Bühne mit Strom versorgt wurde. Diese Aktion unterbrach die rassistische Kundgebung für einige Minuten. Der Aktivist wurde kurzzeitig festgenommen und seine Personalien wurden aufgenommen.
Am Mittwoch kam es nun zur Verhandlung. Dazu fanden sich, neben den zwei aussagenden Polizisten und vier lokalen AfDler*innen, auch 15 solidarische Unterstützer*innnen um 9:15 im Amtsgericht Neuruppin ein. Am Vorabend hatten Unbekannte den Briefkasten, sowie die naheliegende Bushaltestelle mit dem Slogen “FCK AFD” bestickert, was eine Anspielung auf die Verhandlung gewesen sein wird.
Nach der Anklageerhebung verlas der Beschuldigte eine Einlassung, in der er den Tatvorwurf der Sachbeschädigung und Störung der Versammlung zugab. Er führte weiterhin an, dass er nicht wie in der Vergangenheit passiv bleiben konnte. “Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn Rassisten oder Neonazis gegen Menschen hetzten und wir werden dagegen vorgehen, wenn es uns möglich ist. Verantwortungsbewusste militante Interventionen sind ein aktives Statement und auch ein Beitrag zu einer gesellschaftlichen Debatte”, so der Angeklagte. Dabei verwies er auch auf eine Aktion des damaligen Grünen Lokalpolitikers Wolfgang Freese, der im September 2007 bei einer Neonazidemonstration einem damaligen Redner das Mikrofon entriss um dieses anschließend mit “einem beherzten Wurf auf den Boden” zu zerstören. Das fürte damals dazu, dass die Neonazis keine weiteren Reden halten konnten und bis zum Ende ihrer Demonstration auf Musik zurückgreifen mussten.
Den Tatvorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bestritt der Angelagte und verwies darüber hinaus auf unverhältnismäßige Gewaltanwendung durch die festnehmenden Polizisten.
Somit waren die Tatvorwürfe der Sachbeschädigung und Störung einer Versammlung im juristischen Sinne geklärt und das anhängige Adhäsionsverfahren [1] durch Michael Nehls konnte abgewickelt werden. Der Anwalt des Angeklagten teilte mit den beanspruchten Betrag von 26,75 € direkt in Bar übergeben zu können. So erging ein Beschluss und das Geld wurde neben den Angeklagten auf den Tisch gelegt. Der Adhösionskläger Michael Nehls schickte daraufhin mit den Worten “hohlst du das Robert, ich fass das Geld nicht an. Kannst gleich in die Kasse packen.” einen seiner Begleiter vor um das Geld zu nehmen und einzustecken.
In der sich daran anschließenden Beweisaufnahme wurde nun versucht die Frage des Widerstands zu klären. Dazu sagten zwei Polizisten aus. Als erstes wurde der 31-jährige Stefan R. von der Dienststelle in Neuruppin vernommen. Dieser gab an, den Angeklagten vor der Aktion hinter der Bühne der AfD-Kundgebung gesehen, erkannt und zugenickt zu haben. Die eigentliche Aktion konnte er beobachten, die darauf folgende Festnahme jedoch nicht. Auf die damalige Kleidung des Angeklagten befragt, teilte er mit, dass die eher nicht dunkel oder schwarz gewesen sei, auch wenn das “vielleicht sinnvoller gewesen” wäre.
Danach wurder der 28-jährige Jannik S. aus dem ersten Zug der Potsdamer Einsatzhundertschaftbefragt befragt. Er habe den Angeklagten schon vor der Tat gesehen und angesprochen, da dieser offensichtlich auf der falschen Kundgebung sei. Da vom Angeklagten aber keine weitere Gefährdung ausging, durfte er sitzen bleiben, stand aber weiterhin unter Beobachtung. So konnte zusammen mit dem Gruppenführer Ferold die Aktion beobachtet werden, woraufhin beide los rannten, um den Angeklagten zu fassen. Der Gruppenführer stürzte dabei während “der Angeklagte relativ geschickt Haken geschlagen [hat] und so konnten [die Kollegen] ihn nicht kriegen”. In der weiteren Befragung widersprach S. seinen vorherigen Aussagen bezüglich der Festnahmegriffe und räumte am Ende sogar ein, dass der Angeklagte sich ein bisschen gesperrt, aber keinen aktiven Widerstand geleistet habe.
Nach der Entlassung des Zeugen, welcher mit einem Dienstfahrzeug angereist war und einer Inaugenscheinnahme von durch die Verteidigung vorgebrachten Pressebildern, wurde der Anklagepunkt des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte fallen gelassen.
In den Abschlussplädoiers führte die Staatsanwältin aus, der Angeklagte “hat sich für aktiven und nicht passiven Protest” entscheiden und forderte eine Strafe von 50 Tagessätzen in Höhe von 30,- Euro. Die Verteidigung hingegen forderte die Höhe der Tagessätze auf 10,- Euro festzusetzen. Eine knappe Minute später verkündete die Richterin das Urteil in dem sie der Forderung der Staatsanwaltschaft folgte.
Rote Hilfe e.V.
IBAN: DE25 2605 0001 0056 0362 39
BIC: NOLADE21GOE
Stichwort: No-AfD-Neuruppin
[1] Adhäsionsverfahren schaffen im deutschen Prozessrecht die Möglichkeit, aus einer Straftat (z.B. Sachbeschädigung) entstehende zivilrechtliche Forderungen bereits im Strafprozess zu klären und somit einen nachfolgenden Zivilprozess zu vermeiden.
Pressemitteilung vom 24.01.2018, Innenpolitik-Brandenburg-Cottbus
Die Cottbusser Situation steht zu recht auf der Agenda des
Innenausschusses im Brandenburger Landtag
Die Opferperspektive e.V. begrüßt als Brandenburger Fachberatungsstelle
für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt grundsätzlich, dass
sich auf Landesebene mit dem Problem rechter Gewalt in Südbrandenburg
auseinandergesetzt wird. Deren Ausmaß hat zu einer Situation geführt,
die spätestens seit 2016 die Möglichkeiten kommunaler Institutionen
übersteigt.
Seit Mitte 2015 hat rassistische Gewalt v.a. gegen Geflüchtete und
internationale Studierende in Cottbus massiv zugenommen. Seit 2016 kann
von enthemmter rassistischer Gewalt gesprochen werden, die das
Alltagsleben potenziell Betroffener durchgehend prägt. In den
vergangenen drei Jahren bildete Cottbus den absoluten
Beratungsschwerpunkt für die Opferperspektive. Seit 2015 ist Cottbus
durchgängig die Stadt im Land Brandenburg mit der höchsten Anzahl an
rechten Gewaltdelikten insgesamt, sowie rassistischen Gewalttaten im
Besonderen.
In 2017 richteten sich Angriffe auch wiederholt gegen
FlüchtlingsunterstützerInnen und Menschen, die bei rassistischen
Äußerungen Widerspruch äußerten. Seit 2015 weist die Opferperspektive
e.V. gegenüber städtischen Institutionen, der Landespolitik und der
Öffentlichkeit daraufhin, dass das Ausmaß rassistischer Gewalt in
Cottbus zu einem Hindernis für die Integration von MigrantInnen und ein
friedliches Zusammenleben aller Menschen in Cottbus geworden ist.
Besondere Brisanz erhält die Situation in Cottbus dadurch, dass hier
eine gut organisierte, militante Neonaziszene agiert, die die in Cottbus
durchaus vorhandene Zivilgesellschaft durch pure Gewaltdrohung zum
Schweigen bringt. Der von Gruppen wie “Zukunft Heimat” politisch
organisierte und artikulierte Alltagsrassismus erscheint dann als
einzige Stimme und Willensbekundung aus der Cottbuser Stadtgesellschaft
zu Fragen von Migration und Integration.
“Wir hoffen, dass den Mitgliedern des Innenausschusses bewusst ist, dass
die Signale, die von ihrer Beratung ausgehen, in Cottbus sehr bewusst registriert werden. In der jetzigen Situation ist es absolut wichtig, ein Zeichen der Solidarität mit der demokratischen Cottbusser Stadtgesellschaft zu setzen. Dafür sollte der Innenausschuss diskutieren, wie dem Klima alltäglicher rassistischer Diskriminierung und rechter Gewalt in Cottbus effektiv etwas entgegengesetzt werden kann.” erklärt Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive.
2018 Zur Entstehungsgeschichte der Roten Hilfe(n) in der BRD und der Bedeutung für uns heute
Ende der 1960er Jahre findet in der alten (West-) BRD ein Umbruch statt. Die so genannte Studentenrevolte, die Proteste gegen den Vietnam-Krieg und der eskalierende Kampf zwischen der „neuen“ Linken und dem deutschen Staat verändern die Zeit. Damit einher gingen der Ausbau des Polizeiapparates, Verhaftungen, Fahndungen und Tötungen durch den deutschen Staat. Als Antwort darauf bildeten sich Anfang der 70er Jahre überall verschiedenste Solidaritätsstrukturen, aus denen sich über viele Stationen auch die bis heute agierende Rote Hilfe e.V. entwickelte. Wir haben zu dieser Veranstaltung den Autor Hartmut Rübner eingeladen, der zu Geschichte der RH in der BRD u.a. das Buch „Die Solidarität organisieren“ veröffentlich hat. Zusammen mit ihm wollen wir ein wenig die damalige Zeit – etwa in (West-) Berlin – nachzeichnen und erfahren, welche Rolle Spaltungen und Sektierertum bei der Organisierung von Solidarität spielten, aber auch welche Möglichkeiten die spektrenübergreifende Zusammenarbeit aufzeigte. Nicht zu letzt wollen wir versuchen die damalige Situation mit dem heutigen Zeiten nach dem Hamburger G20 ins Verhältnis setzen und gemeinsam diskutieren, welche Entwicklungen und Erfahrungen heute noch eine Rolle für uns spielen.
In Zusammenarbeit mit dem Hans-Litten Archiv-Verein Göttingen.
Samstag | 3. Februar 2018 | Zeit: 18 Uhr Ort: Frankfurt (Oder), Kontaktladen des Utopia e.V., Berliner Str. 24 – Achtet auf Ankündigungen unter kw.rote-hilfe.de, Frankfurt/Oder | Eintritt frei – Spenden erbeten
Seit einigen Wochen geht Angst um in der südbrandenburgischen Stadt Cottbus. Nicht etwa weil dort seit geraumer Zeit Geflüchtete regelmäßig von Nazis angegriffen werden oder weil Stadt und Behörden nahezu tatenlos dabei zusehen. Auch nicht weil eine ägyptische Studentin von einem Auto totgefahren wurde und sie im Anschluss daran noch rassistisch beleidigt worden sein soll. Soweit läuft dort alles seinen steten deutschen Gang. Doch wenn die sogenannte Kriminalität von Migrant_innen ausgeht, also sozial abweichendes Verhalten von Nicht-Deutschen an den Tag gelegt wird, dann tobt das Volk. In Cottbus werden minderjährige Refugees als Gefahr für den sozialen Frieden markiert und müssen die Stadt verlassen. Wenn, ja wenn die wütenden Bürger_innen nicht gleich selbst zur Tat schreiten bzw. zur Lynchjustiz greifen, wird der Ruf nach einem noch stärkeren Staat, mehr Polizei und sicheren Grenzen laut. Wie konnte es dazu kommen? Gab es etwa eine Vorgeschichte? Wäre diese Entwicklung zu verhindern gewesen? Seit Jahren schon ist Cottbus in großen Teilen eine Angstzone für Migrant_innen, Linke und sonstige Menschen welche von Neonazis zu Feinden auserkoren wurden. Große nazistische Gruppen sorgen für Gewalt und Übergriffe und dominieren den größten Fußballverein der Stadt. Dort werden sogar rivalisierende Fußballclubs in aller Öffentlichkeit als Juden diffamiert. Auch waren es Nazis aus dem Südbrandenburger Raum, die mit ihrer sogenannten “Volkstodkampagne” mobil machten und in mehreren Städten große nächtliche Fackelmärsche durchführten. Ebenso beteiligen sich an migrantenfeindlichen Demonstrationen in Cottbus oft mehrere hundert Rechte. Vorne mit dabei Gauland und Höcke von der AfD, einträchtig mit Neonazis und Identitären. Und natürlich wurde auch über Jahre der Deutsche Opferkult hochgehalten und den angeblichen Opfern alliierter Bombardierungen gedacht. Anhand von Cottbus lässt sich im Kleinen verfolgen was in Sachsen auf Bundeslandebene abgeht und was uns in Zukunft allen überall in Deutschland blühen könnte. Von ein paar liberalen, großstädtischen Enklaven mal abgesehen. Cottbus hat ein Problem mit Neonazis und das schon lange. Doch Konsequenzen werden in der Stadt nur gezogen, wenn die Gewalt von jugendlichen Nicht-Deutschen, von Refugees ausgeht. Dabei folgt allerdings keine Debatte über Gewalt von Jugendlichen oder eine Diskussion über wieder erstarkende konservative und patriarchale Haltungen, die zum Beispiel Gewalt gegen Frauen begünstigen. Um die konkrete Lösung konkreter Probleme geht es in der aktuellen Debatte vor allem den besonders wütend agierenden deutschen Männern nicht. Denn am Ende profitiert ja gerade auch die deutsche patriarchale Gesellschaft vom Hass auf Frauen und ihrer Ungleichbehandlung, davon das Reproduktionsaufgaben im Haushalt unbezahlt bleiben, davon dass eine Hälfte der Bevölkerung wegen ihrem zugewiesenem Geschlecht noch beschissener bezahlt wird als die andere und genau diese Hälfte gerne auch emotional die Familie am Laufen halten darf. Auch hat sich weder in Brandenburg noch sonst irgendwo in Deutschland nach einem so oft verharmlosten “Familiendrama”, in dem mal wieder ein Familienvater Frau und Kinder umgebracht hat, ein Mob aufgemacht um mal ein paar weiße Patriarchen zu klatschen. Gängige Belästigungen und sexualisierte Gewalt von Bio-Deutschen auf großen Volksfesten führten bisher auch nicht zu Hausbesuchen von besorgten Bürger oder zur Ausrufung des polizeilichen Ausnahmezustandes. Verlogenheit dein Name ist Cottbus! Und Wurzen! Und Heidenau! Und gerne auch der jeder anderen deutschen Kleinstadt, die sich aus ähnlichen Gründen in der Öffentlichkeit ausheult. So lange Menschen mit nicht-deutscher Herkunft, nicht weißer Hautfarbe oder nicht christlicher Religion weiter “besonders” behandelt werden ist das Rassismus. Dabei könnte gerade die Konfrontation mit den sogenannten “Fremden” diesem völkischen Gedankenmüll den Garaus machen und genau deshalb kreischen ja Identitäre und andere Neonazis so laut. Denn auf kurz oder lang könnte durch kleine, alltägliche Begegnungen klar werden, dass die sogenannten „Anderen“ trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft am Ende auch Menschen sind mit Ideen, Plänen, Träumen aber halt auch mit Fehlern, Ängsten und Wut, so wie man selbst auch. Antifa heißt deshalb Angriff auf diese deutschen Zustände und ihre Verursacher_innen! In Cottbus werden heute mehr als 1.000 Rassist_innen und Neonazis, also ganz normale Deutsche zu einem Aufmarsch erwartet. Sie rufen dazu auf den öffentlichen Raum zu verteidigen. Wohin ihre Verteidigung führt wissen alle Menschen in ihrer Reichweite seit 1871, 1914 und spätestens 1939. Und es heißt dort genauso wie jetzt, hier und schon immer gemeinsam mit den Betroffenen den antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren und den Rassist_innen keinen Meter zu weichen! Egal ob Cottbus, Wurzen oder anderswo! Und für unsere Auseinandersetzung mit den Rassist_innen ist klar: Talking ist over, action is on!
Emanzipatorische Antifa Potsdam