Die Flüchtlingsräte der Bundesländer wenden sich als
Interessenvertretungen von Geflüchteten und Unterstützungsinitiativen anlässlich ihrer derzeit in Berlin stattfindenden Herbsttagung entschieden gegen die Instrumentalisierung der Flüchtlingspolitik zu Wahlkampfzwecken und die wiederholt vorgetragenen Rufe nach weiteren Verschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht.
„Insbesondere die in den letzten Tagen aufgekommene Forderung nach einer weiteren Aussetzung des Familiennachzugs durch Spitzenpolitiker der Unionsparteien sind unerträglich“ erklärt Katharina Müller vom Flüchtlingsrat Berlin. „Der Schutz von Familie und Ehe ist eins der höchsten Rechtsgüter unserer Verfassung und wird bei anderen Anlässen
von den Parteien mit dem großen C im Namen gerne beschworen – anscheinend soll dies aber nicht für diejenigen gelten, die um ihre Angehörigen in Kriegsgebieten bangen.“ Aus diesem Grund unterstützen
die Landesflüchtlingsräte die Kundgebung am heutigen Freitag, den 08.09. vor der Parteizentrale der CDU
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Der Ausschluss des Familiennachzugs führt auch jetzt schon dazu, dass immer mehr Familienangehörige die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer versuchen müssen, da sie keine legalen Wege zur Einreise haben – viele von ihnen kommen bei dem Versuch, zu ihren Angehörigen zu gelangen, ums Leben.
Des Weiteren verurteilen die Flüchtlingsräte die für den kommenden Dienstag geplante Wiederaufnahme der Sammelabschiebungen nach Afghanistan aufs Schärfste. „Die deutsche Botschaft in Kabul ist zwar seit dem Anschlag vom 31. Mai außerstande, Familiennachzüge zu
bearbeiten, sieht sich aber offenbar in der Lage, Abschiebungen zu verwalten“, sagt Georg Classen von Flüchtlingsrat Berlin und fügt hinzu: „Der neue Lagebericht des Auswärtigen Amtes liefert keine Argumente für die These, dass Abschiebungen nach Afghanistan vertretbar seien. Berichte humanitärer Organisationen und weiterer Expert*innen machen sehr deutlich, dass die Lage im ganzen Land weiterhin extrem
gefährlich ist.“
Angesichts der verschärften Stimmungsmache ist es wichtig, deutlich wahrnehmbar Widerspruch zu artikulieren. Um genau dies eine Woche vor der Bundestagswahl zu tun, rufen die Flüchtlingsräte gemeinsam mit vielen anderen Organisationen auf zu einer bundesweiten Parade für Flüchtlingsrechte und Bleiberecht am Samstag, den 16.09. in Berlin unter
dem Motto Welcome United.
Kategorie: Law & Order
United we stand
Der G20-Gipfel in Hamburg ist erst seit wenigen Wochen vorbei und die Ergebnisse lassen sich grob in zwei Aspekte aufteilen.
1. Politische Ergebnisse
Diese fallen eher mager aus. Trotz der freundlichen Einladung und Bewirtung durch Deutschland von Diktatoren, Autokraten und Nationalisten aus aller Welt konnten sich die teilnehmenden Ländern nicht darauf einigen Probleme anzugehen. Daran hindert sie offensichtlich die kapitalistische Konkurrenz. Das Konzert in der Elbphilharmonie hingegen war großartig, da lassen sich Kriege, Klimawandel, Wirtschafts- und Energiekrise, diese immer wieder eingeforderten „Menschenrechte“ und tausende Menschen, die jährlich im Mittelmeer ertrinken, doch schnell vergessen.
Doch gab es noch einen anderen Punkt der uns an dieser Stelle wichtig ist.
2. Politische Ergebnisse nach Innen
Der Gipfel erschien uns als ein Warmlaufen gegen den Aufstand von Innen. Knüppelnde Bullen, eingesetztes SEK, unzählige Hausdurchsuchungen, Anquatschversuche, VS-Berichte, Demoverbote, Hetze gegen Aktivist_innen, Angriffe auf Schlafplätze, eingesetzte Zivilbullen und die mediale Aufbereitung des Ganzen sind wohl das wesentliche Ergebnis des G20. In Zeiten großer sozialer Verwerfungen scheint es für die Repressionsorgane nötig zu sein, sich auf Kämpfe gegen soziale Bewegungen in den Städten vorzubereiten. So hat es unseres Wissens bisher noch nie einen Einsatz von Spezialeinheiten gegen Demonstrant_innen oder alkoholisierte Jugendliche gegeben.
So weit, so schlimm. Der Einsatz der Cops ist damit sicherlich nicht zu Ende. Noch immer laufen Verfahren gegen Genoss_innen und auch die alltägliche Repression wird weiter anziehen: Der Feind steht für den Staat links.
Daher halten wir es für wichtig, nochmal auf einige grundlegende Verhaltensweisen und Vorsichtsmaßnahmen hinzuweisen:
- keine Gespräche über Aktionen in der Kneipe oder sonstigen öffentlichen Orten
- Bude aufräumen, Rechner und Telefon verschlüsseln (notfalls Hilfe bei eurer örtlichen Kryptogang holen)
- wie immer: keine Aussagen bei Polizei und Justiz
- wehrt euch gegen Anquatschversuche vom VS und den Bullen, macht diese öffentlich
- wendet euch bei Repression an die Rote Hilfe, euren Ermittlungsausschuss oder sonstige Antirepressionsgruppen
- bei Gesprächen über sensible Dinge: Telefone verbannen!
- wenn Leute neu in die Szene (oder in euer Hausprojekt) kommen, erkundigt euch nach ihnen: Wer kennt sie, was haben sie vorher gemacht?
Es geht hier nicht um Misstrauen, sondern um den Schutz eigener Strukturen. Ihr kennt sicherlich die Fälle in Hamburg, wo jahrelang Zivibullen in unseren Strukturen unterwegs waren (Bei Fragen dazu wendet euch an eure Antirepressionsgruppen. Keine voreiligen Verdächtigungen!)
- überlegt, mit wem ihr was macht
- seid solidarisch mit Genoss_innen, die von Repression betroffen sind!
Eine erstarkende Rechte, staatliche Repression und ein Kapitalismus in der Krise müssen uns keine Angst machen wenn wir zusammen stehen. Bildet euch! Bildet Banden! Nichts und niemand ist vergessen…
Gestern wurde der bekannte Neonazi Sandy L. vor dem Landgericht Neuruppin wegen mehrerer rechter Gewalttaten zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Der Mitangeklagte Raiko K. erhielt eine Freiheitstrafe von 9 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zusammen hatten sie im September 2015 eine damals 16-jährige Schülerin und ihren 18-jährigen Begleiter im Einkaufszentrum REIZ mit einem Fausthieb zu Boden geschlagen und anschließend durch Fußtritte erheblich verletzt.
Am selben Abend machten die beiden Rechten gemeinsam mit anderen an einer Tankstelle Jagd auf weitere linke Jugendliche. Eine 15-jährige Schülerin wurde von Sandy L. abgefangen, gegen die Wand der Tankstelle geschubst und mehrfach getreten und geschlagen. Zuvor hatten die alkoholisierten Neonazis bereits am alternativen Jugendprojekt
„MittenDrin“ randaliert. Ursprünglich hatten die Rechten geplant, zu einer Demonstration nach Hamburg zu reisen, ihren Plan aber auf Grund eines Verbots der Veranstaltung geändert. Ein weiterer Mittäter wurde bereits gesondert verurteilt.
Besonders bedrückend war es im Gerichtssaal festzustellen, wie die brutalen Angriffe von wenigen Minuten Dauer bei den Betroffenen noch Jahre später nachwirkten und sie nachhaltig in ihrem Sicherheitsgefühl erschütterten. Die Jugendlichen berichteten davon, wie sie nach dem neonazistischen Gewaltexzess ihr Leben umstellten, und sich lange nicht in ihrem gewohnten Umfeld bewegen konnten. Bis heute vermeiden sie es teilweise, alleine bei Dunkelheit in Neuruppin unterwegs zu sein. Das Ziel der Neonazis, linke Jugendliche durch Drohungen und Gewalt einzuschüchtern, wurde zumindest zeitweilig erreicht.
„Die in den vergangenen Wochen verhandelten Gewalttaten verdeutlichen noch einmal eindrücklich, wie enthemmt und rücksichtslos Neonazis gegen politische Gegner_innen und Geflüchtete vorgehen. Die gegen die Betroffenen ausgeübte Gewalt war nicht zufällig, sondern eine logische Folge der rechten Ideologie der Verurteilten an. Ich bin erleichert, dass Staatsanwaltschaft und Strafkammer dies in Plädoyer bzw. Urteilsbegründung würdigten, indem sie die aus der Tat sprechende menschenverachtende Gesinnung als Hatecrimedelikt nach §46 Absatz 2 StGB als strafverschärfend werteten.“, kommentierte nach Prozessende Anne Brügmann, Beraterin beim Verein Opferperspektive, die zwei der Betroffenen im Prozess begleitet hatte.
Sandy L. und Raiko K. gehören zu den führenden Kadern der militanten Neonaziszene in der Region. Der 36-jährige L. war Sektionsleiter der Kameradschaft „Weiße Wölfe Terrorcrew“, die im vergangenen Jahr durch das Bundesinnenministerium verboten wurde. Sie agitiere „offen und aggressiv gegen Staat und Gesellschaft, Migranten und Andersdenkende“, hieß es in der Verbotsverfügung. Was dies in der Praxis bedeutet, wurde im September 2015 in Neuruppin deutlich.
Freiheit statt Angst
Nach einer sehr erfolgreichen Demo mit ca. 450 Teilnehmenden am 27.06.2017 gegen den rechten Aufmarsch von ZukunftHeimat und Pegida durch die Cottbuser Innenstadt, legen wir nun noch eine nach. Denn am 18.07.2017 marschieren beide Organisationen wieder durch Cottbus. Wir halten dagegen!
Die Demonstration von Cottbus Nazirei!, die vom Cottbuser Aufbruch unterstützt wird, startet am 18.07. um 19 Uhr am Gladhouse (Straße der Jugend 16). Unter dem Motto „Freiheit statt Angst“ möchten wir noch einmal deutlich machen, dass Nazis jeglicher Coleur in unserer Stadt nicht willkommen sind.
Wir wollen uns in Cottbus frei bewegen können und dulden es nicht, das Nazis Angst verbreiten und ihren Hass gegen Menschen, die nicht in ihr begrenztes Weltbild passen, einfach so ausleben können. Wir gemeinsam tragen mit unserem Protest Vielfalt und Offenheit in die Stadt. ZukunftHeimat und Pegida brauchen wir hier nicht!
Kommt alle zahlreich zur Demo, bringt eure Freund*innen, Kolleg*innen und Familienmitglieder mit. Schilder und Transparente, Instrumente und Pfeifen und alles andere, was den Zug lebendig macht, sind gern gesehen.
Potsdam, 13.07.2017. Das besetzte FH-Gebäude am Alten Markt wird in diesen Minuten von einem übergroßen Aufgebot der Polizei geräumt, auch Pfefferspray kommt zum Einsatz. Die FH-Leitung hat Wort gebrochen und das selbst eingeräumte Ultimatum nicht eingehalten.
Mitbesetzerin Fritzi Hausten zeigt sich traurig und und wütend: „Die Weiternutzung des Gebäudes würde allen Menschen in Potsdam dienen. Leider bereitet nun auch die FH- Leitung der Privatisierung und Musealisierung der Stadtmitte den Weg. Wir haben alles für ein Miteinander gegeben, doch die ausgestreckte Hand wurde nicht ergriffen.“
Bei der Größe des Gebäudes dürfte die Räumung noch bis in die Nacht andauern.
Ziel der Besetzer*innen war es allen Interessierten den offenen Zugang zum Gebäude zu ermöglichen. Alle Menschen die nicht mehr in die FH gelangen, können sich in einem bis Sonntag angemeldeten Camp solidarisch zeigen.
Franz Haberland, einer der Besetzer*innen, entrüstet sich: „Diese Räumung zeigt, dass sich FH-Leitung, Stadt, Polizei einen Dreck um Potsdams Zivilgesellschaft kümmern. Das ist ein Armutszeugnis für die Entscheidungsträger*innen.“
Die Besetzer*innen rufen alle Interessierten auf, sich rund um das Gebäude am Alten Markt einzufinden.
Mit großer Enttäuschung nimmt die Antidiskriminierungsberatung des Vereins Opferperspektive zur Kenntnis, dass die SPD-Fraktion des Landestages sich gegen die Einführung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes für Brandenburg stellt. „Damit vergibt die SPD die große Chance, wirksame Rechtsgrundlagen für den
Diskriminierungsschutz im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu schaffen. Die hier bestehende Schutzlücke, die nur auf Landesebene geschlossen werden kann, wird fortbestehen. Das Land stiehlt sich aus der Verantwortung, weil es sich weigert, Regelungen zum Diskriminierungsschutz einzuführen, die für Privatpersonen auf der
Grundlage des AGG seit über 10 Jahren verbindlich sind.“, so Cristina Martín von der ADB.
Der Antidiskriminierungsberatung begegnen in der Praxis immer wieder Fälle, bei denen Betroffene von Diskriminierungserfahrungen bei öffentlichen Stellen, z.B. bei Sozialämtern oder in Schulen berichten. Zwar sind diese Stellen aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu diskriminierungsfreien Handlungen
verpflichtet, jedoch lässt sich diese Verpflichtung in der Praxis weitaus schwieriger durchsetzen, als gegenüber Privatpersonen oder Unternehmen.
Durch die Ablehnung eines LADG wird es nun auch keine Verpflichtung zu sogenannten positiven Maßnahmen geben, mit denen Diversität und Chancengleichheit auf struktureller Ebene gefördert werden. Im Hinblick auf die 2013 in die Landesverfassung eingeführte Antirassismusklausel ist auch dies eine Enttäuschung. Vor diesem Hintergrund weiterhin von Willkommenskultur sprechen zu wollen, zeigt inwiefern die Brandenburger SPD-Fraktion die Lebensrealität von Bürger*innen, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, verkennt. Denn institutionelle Diskriminierung ist das größte Hindernis zur Verwirklichung einer solchen Willkommenskultur. Ab heute darf dank dieser Entscheidung der SPD-Fraktion des Landestages nur von einer im Wesentlichen abgeschwächten Willkommenskultur die Rede sein.
Um ein Zeichen für ein weltoffenes Cottbus zu setzen findet am 27.6. ab 19.00 Uhr eine Demonstration unter dem Motto „Cottbus für alle!“ statt, Startpunkt ist der Brandenburger Platz. Für die Demonstration berufen sich die Organisator*innen (Privatpersonen) auf die „Cottbuser Erklärung“. Diese wurde 2015 verabschiedet, um ein Zeichen gegen einen sich in Cottbus etablieren wollenden Pegida Ableger zu setzen. Die Demonstrationen von Zukunft Heimat und Pegida Dresden lassen ein Handeln auf Grundlage der Erklärung nun wieder notwendig erscheinen.
„Wir beobachten mit Sorge, dass auf den Demonstrationen von Zukunft Heimat fremdenfeindliche und rassistische Ansichten vorgetragen werden und dass auch zahlreiche Neonazis an den Aufzügen teilnehmen. Von einem harmlosen Bürgerverein kann hier keinesfalls die Rede sein!“, so Lothar Judith vom Cottbuser Aufbruch, der die Demonstration unterstützt.
Im Umfeld der Demonstrationen von Pegida Dresden und Zukunft Heimat in Cottbus entwickelt sich zunehmend ein Klima der Gewalt. Besonders absurd sind Äußerungen von „Zukunft Heimat“ in Bezug auf ihre angebliche Friedfertigkeit in der Erreichung ihrer menschenverachtenden Ziele. Bei den bisherigen Demonstrationen waren sowohl bekannte Neonazis anwesend, u.a. der stellvertretende NPD Bundesvorsitzende Ronny Zasowk, als auch gewaltbereite Personen. Im Umfeld der Demonstration gab es mindestens
zwei gewalttätige Übergriffe auf Menschen, die am Rande der Route friedlich ihre Meinung kund taten. Auch weitere Provokationen und Übergriffe in der Innenstadt, bspw. gegenüber Flüchtlingen, scheinen gewollt, um die politische Situation zu eskalieren und sich selbst politisch als Ordnungskraft zu profilieren.
„Die Teilnehmenden der Zukunft Heimat-Demonstrationen schaffen erst Probleme, um sich dann selbst als Lösung anzubieten – das ist eine durchschaubare Strategie. Wir wollen ein Zeichen setzen und Solidarität mit den Opfern zeigen.“, erklärt eine der mitorganisierenden Privatpersonen, die namentlich nicht genannt werden möchte.
Die Demonstration “Cottbus für alle!” führt vom Brandenburger Platz über den Stadthallenvorplatz zur Universität. VerschiedeneRednerInnen sind angefragt. Demonstriertwerden soll für eine weltoffene Stadt Cottbus, in der jede*r individuell und frei entscheiden kann, wie sie*er leben möchte, ohne dafür durch Neonazis bedroht zu werden.
Hintergrund:
„Cottbus für alle!“ war das Motto einer Demonstration im Jahr 2015, die durch Privatpersonen ins Leben gerufen wurde, um gegen die einzige Pegida-Demo in Cottbus (Cogida) zu demonstrieren. Die „Cottbuser Erklärung“ wurde unterzeichnet von: Cottbuser Aufbruch, Cottbus Nazifrei, Jörg Steinbach (Präsident BTU C‑S), Holger Kelch (Oberbürgermeister Cottbus), Studierendenrat der BTU C‑S,verschiedene Organisationen und Privatpersonen. Die Cottbuser Erklärung kann aufgerufen werden unter:
Cottbuser Erklärung
Neonazis und Rassisten tragen massiv zur Unsicherheit und zur Gewalt in der Cottbusser Innenstadt bei. Dies wurde erneut am Dienstagabend (13. Juni) in furchtbarer Brutalität deutlich. Unmittelbar nach Abschluss der Demonstration des neurechten Vereins „Zukunft Heimat“ kam es zu mindestens zwei rechten Angriffen. Die Attacken richteten sich gegen Personen, die zuvor am Rande gewagt hatten, ihrem Unmut über die Demonstration verbal Ausdruck zu verleihen.
– Eine Frau wurde auf dem Heimweg in der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße/Höhe Puschkinpark von zwei vermummten Personen vom Fahrrad geprügelt und im Gesicht verletzt. Sie musste im Krankenhaus behandelt werden, eine Platzwunde wurde genäht. Die Polizei erwähnt diesen Angriff in einer Mitteilung, verschweigt allerdings den Zusammenhang mit der Demonstration. https://polizei.brandenburg.de/…/koerperverletzung‑z…/656331
– Ein Ehepaar beobachtete in der Sandowerstraße die in Richtung Altmarkt vorbeiziehende Demonstration vom Rande her. Kurze Zeit später kamen aus Richtung des Marktes vier Personen auf das Paar zu. Eine der Personen bespritzte die Eheleute mit Wasser. Ein anderer Mann ging auf die Frau los. Der Ehemann versuchte seine Frau zu schützen; daraufhin wurde ihm gegen den Kopf geschlagen. Er ging zu Boden und riss sich dabei den Ellenbogen auf. Auch er musste im Krankenhaus behandelt werden. Ein beiden Fällen wurde Anzeige erstattet.
Mit völkischen und rassistischen Reden hatten „Zukunft Heimat“-Funktionäre wie Christoph Berndt und Anne Haberstroh zuvor die Stimmung angeheizt. Die dabei eingestreute Beteuerung, dass „Zukunft Heimat“ ihre rechtsradikalen politischen Ziele „mit friedlichen Mitteln“ erreichen will, entpuppte sich nicht erst durch die dann folgenden Übergriffe als hohle Phrase. Denn schon an der Demonstration selbst nahmen zahlreiche Personen aus gewaltgeneigten Fußballmilieus und Neonazis teil. Eine Personengruppe war mit einheitlichen T‑Shirts (Aufdruck: Schlagringe, „Anti-Antifa“) und teilweise mit Schutzkleidung ausgestattet.
„Zukunft Heimat“ hat weitere Demonstrationen in Cottbus angekündigt, die erneut in Kooperation mit der Dresdener „Pegida“ organisiert werden sollen. „Zukunft Heimat“ ist zudem aufs engste verquickt mit der AfD. Der Aufmarsch am 13. Juni war der zweite nach einer Auftaktdemonstration im Mai.
Luise Meyer, Sprecherin von Cottbus Nazifrei!: „Zukunft Heimat ist kein harmloser Bürgerverein. Es ist eine rechtsradikale Kampagnenorganisation, die das Klima in unserer Stadt gezielt vergiftet. Menschen werden angegriffen und niedergeschlagen, nur weil sie sich am Rande der Zukunft-Heimat-Demo gegen Rassismus geäußert hatten. Ein trauriger Fakt: Cottbus ist nicht sicher für Menschen, die von Rassismus betroffen sind und für solche, die sich gegen Neonazis positionieren. Seit mehreren Jahren sind die Zahlen rechter und rassistischer Gewalt in Cottbus hoch.“
INFORIOT In Cottbus versucht die örtliche rechte Szene derzeit, Stimmung gegen Geflüchtete anzuheizen. Der Verein „Zukunft Heimat“ hatte zu einer Demonstration am 30. Mai unter dem Motto „Grenzen ziehen“ auf dem Cottbusser Oberkirchplatz aufgerufen. Etwa 350 Personen, darunter zahlreiche Neonazis und rechte Hooligans, nahmen teil. Eine Gruppe von Antifaschist_innen konnten den Aufmarsch kurzfristig zum Stopp zwingen. In der Vergangenheit konnten dem Verein mehrfach Verbindungen zu Personen der verbotenen „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ und zu der „Identitären Bewegung“ (IB) nachgewiesen werden.
Der Demonstration in Cottbus ging eine Serie von verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen in der Cottbuser Innenstadt voraus. Hauptsächlicher Anlass waren die Ereignisse in der Nacht vom 19. zum 20. Mai. Es kam zu einer Messerstecherei bei einem Junggesellenabschied in der Innenstadt, bei der nach Angaben der Polizeidirektion Männer deutscher und syrischer Herkunft involviert waren. Fünf deutsche Teilnehmer des Junggesellenabschieds im Alter zwischen 28 und 33 Jahren mussten mit Stich- und Schnittverletzungen ins Krankenhaus. Einen Tag später machte die Polizei zwei tatverdächtige Syrer aus. Diese gaben gegenüber der Staatsanwaltschaft an zuerst angepöblt und das körperlich angegangen worden sein. Auch sie wiesen Verletzungen auf.
Innerhalb kürzester Zeit kochte daraufhin in sozialen Netzwerken die Stimmung hoch: Rassist_innen machten die Syrer schnell als Schuldige aus und nutzten sie für ihre Propaganda. Die NPD witterte ebenfalls eine Gelegenheit zur Hetze und richtete bereits am vergangenen Mittwoch (24. Mai) eine kleine Kundgebung in der Nähe der Cottbuser Stadthalle aus.
„Lebendige Abschiebekultur“ gefordert
Die Demonstration wurde vom Brandenburger AfD-Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz zusammen mit dem Vorsitzenden von “Zukunft Heimat”, Christoph Berndt, angeführt. “Zukunft Heimat”-Kovoristzende Anne Haberstroh erfüllte derweil organisatorische Aufgaben. Kalbitz schürte in seiner Rede zum Auftakt der Demonstration gezielt Ängste: „Das, was hier in Cottbus vorgeht, hätte sich vor fünf Jahren keiner vorgestellt“. Unter Beifall forderte er eine „lebendige Abschiebekultur“ und stellte in Aussicht: „Wir werden uns unser Land wiederholen – friedlich und gewaltfrei (…) aber wir machen das mit der gebotenen Härte“.

Als Redner trat auch Siegfried Däbritz in Erscheinung — der Vorsitzende des Pegida-Vereins aus Dresden. Er ist “Sicherheitsunternehmer” und pflegt Kontakte zur Hooligan-Gruppe HoGeSa. Däbritz forderte die Demonstrant_innen auf, in den kommenden Wochen abwechselnd in Cottbus und in Dresden auf die Straße zu gehen. Im Demonstrationszug lief hinter Däbritz der Neonazi-Hooligan M. Völpel, der beim Auswärtsspiel von Energie Cottbus gegen den SV Babelsberg 03 am 28. April den Hitlergruß zeigte. Auch weitere Personen aus dem Umfeld der mittlerweile aufgelösten Cottbuser Fangruppierungen “Inferno Cottbus” und “Unbequeme Jugend” sollen bei bei der Demonstration mitgelaufen sein. Ihre Gewaltbereitschaft zeigte sich jüngst ebenfalls bei dem Spiel bei Babelsberg, in dem sie rassistischen und antisemitische Parolen in Richtung der gegnerischen Fans skandierten und versuchten, das Spielfeld zu stürmen.
Video: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus
Auch Personen der Identitären Bewegung Berlin-Brandenburgs waren in Cottbus auf der Demonstration vertraten. So beispielsweise Paula Winterfeldt, die sich vergangene Woche an der gescheiterten Blockade-Aktion der IB vor dem Justizministerium in Berlin beteiligte. Szenekenner_innen gehen davon aus, dass Winterfeldt personelle Kontakte nach Cottbus pflegt. Zeitweise habe sie in Cottbus gewohnt. Die IB ist eine aktionsorientierte und völkisch ausgerichtete Gruppierung, die seit August 2016 vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird.
Zum Bericht des Jüdischen Forums für Demkratie und gegen Antisemitismus zur Demonstration: hier.
Antifaschist_innen stoppen kurzzeitig den Aufmarsch
Einer Gruppe von Antifaschist_innen gelang es am Stadttor den Aufmarsch kurzfristig zum Sehen zu bringen. Zwar wurde die Blockade von der Polizei in kürzester Zeit abgeschirmt und abgedrängt. Die Aktion konnte jedoch trotzdem eine Verzögerung der Demonstration erreichen. Vereinzelt konnten außerdem am Rande des Demozuges Gegendemonstrant_innen ihren Unmut über das Geschehen äußern.

Auf eine zentrale Gegenveranstaltung hatten die zivilgesellschaftlichen Akteur_innen in der Stadt verzichtet. Im Vorfeld der Demonstration kritisierte das antifaschistische und zivilgesellschaftliche Bündnis „Cottbus Nazifrei“ die fehlgeleitete kommunale Debatte um die Frage der Sicherheit auf öffentlichen Plätzen. Nachdem es schon seit geraumer Zeit zu gewalttätigen Ausbrüchen in der Cottbuser Innenstadt gekommen ist, diskutiert das Stadtparlament nämlich darüber, ein Alkoholverbot in den besagten Brennpunkten einzurichten, sowie die Überwachung zu erhöhen. Den Vorwurf, dass die Gewalt in der Stadt vor allem von Geflüchteten ausgehen soll, schätzte das Bündnis „angesichts der Rekordzahlen rechter Übergriffe“ in der Stadt als „absurd“ ein. Mit der Debatte würden die Kommunalpolitiker_innen „rechten und autoritären Bewegungen“ in die Hände spielen, so Bündnissprecherin Luise Meyer.
Viele Menschen, die sich den Pogida-Nazis in den Weg stellten, müssen sich nun mit Ermittlungsverfahren und Prozessen auseinandersetzen. Oft werden sie wegen angeblichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte kriminalisiert.
Wegen dieses Vorwurfs steht am Montag, den 15. Mai 2017, ein Antifaschist vor dem Amtsgericht Potsdam. Er soll am 24.02.2016 in Bornstedt eine Polizeikette durchlaufen haben. Wir erinnern uns: Damals zog eine große antirassistische Demo mit rund 1.000 Teilnehmer*innen Richtung Bornstedt. Die Polizei störte diese Demonstration immer wieder. Es sollte offensichtlich verhindert werden, dass zu viele Leute nach Bornstedt strömten, um die Nazis aufzuhalten. Die Polizei errichtete immer wieder Polizeisperren, um die Nazigegner aufzuhalten. Durch so eine Sperre soll nun der von Repression betroffene Antifaschist durchgelaufen sein. Mit Sitzblockaden und vielfältigen Aktionen wurde dafür gesorgt, dass Potsdam heute kein Aufmarschort für Pogida mehr ist. Die Polizei hingegen versuchte oft Proteste in Hör- und Sichtweite der Nazis zu unterbinden. Auch mit Knüppel- und Pfeffersprayeinsätzen, oder wie in Bornstedt, mit Hetzjagden und Polizeisperren gegen Demonstrant*innen. In Babelsberg wurde nach einer Demo die Kneipe Nowawes durch eine Hundertschaft mit Knüppeln gestürmt. Bei Kleinigkeiten wurden Demonstrant*innen in Gewahrsam genommen und „erkennungsdienstlich“ behandelt. Dabei hielt sich die Polizei selbst nicht an die Gesetze: im Falle des angeklagten Antifaschisten musste im Nachhinein die Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung zurückgezogen werden, es keine rechtliche Grundlage dafür gab.
Proteste gegen Aufmärsche wie die von Pogida sind nötig: Politiker_innen aller Parteien nahmen im letzten Jahr die rechten Aufmärsche zum Anlass, Forderungen nach Asylrechtsverschärfungen nachzukommen statt die Ideologien der Abschottung und des Rassismus zu bekämpfen. Der Rassismus der Wutbürger wie auch seine Umsetzung in Politik und Gesetze hat tödliche Konsequenzen, an den Grenzen Europas oder hier in Deutschland auf der Straße (allein 3.500 Angriffe auf Geflüchtete im Jahr 2016!). Vor diesem Hintergrund ist es für alle, die nach wie vor an dem Prinzip der universalen Menschenrechte festhalten, legitim, den Weg des Widerstands gegen die menschenfeindliche Meinungsbildung zu gehen. In Potsdam scheiterte Pogida an den vielen Hunderten Menschen, die die Aufmarschrouten der Nazis blockierten. In gesellschaftlichen Auseinandersetzung um fundamentale Prinzipien waren und sind Sitzblockaden effektive Mittel, gesellschaftlichen Protest gegen demokratie- und menschenfeindliche Entwicklungen zu äußern.
So wurde Anfang der 80er in der BRD massenhaft gegen die Stationierung von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen im Sitzstreik interveniert. Die Sitzblockaden im Wendland gegen die Castortransporte erzwangen ein Überdenken einer Energiepolitik, die mit ihrem radioaktivem Risiko und Müll die Menschheit bedroht. Widerstand, der den Nazis buchstäblich die Straße nimmt tritt direkt ihrem Anspruch auf Hegemonie über den öffentlichen Raum entgegen und setzt ein wahrnehmbares Zeichen gegen die gesellschaftliche Akzeptanz des Rassismus. Wir sind froh, dass Pogida von der Straße verdrängt wurde. Viele Leute haben monatelang gegen die Nazis auf der Straße protestiert und blockiert. Nun sollen einige die Zeche dafür zahlen und unsinnige Ermittlungen gegen sich aushalten.
Wir lassen sie dabei nicht allein und rufen auf, alle Menschen, die wegen ihres Widerstandes gegen Pogida vor Gericht stehen zu unterstützen.
Montag, 15. Mai 2017, 11 Uhr Saal 22 im Amtsgericht Potsdam (Jägerallee 10–12)