Erstmals seit drei Wochen hat das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis in Rathenow wieder Flagge für eine Stadt „mit Herz statt Hetze“ gezeigt. An der Veranstaltung am historischen Kurfürstendenkmal nahmen ungefähr 200 Menschen teil. Mit ihrer Teilnahme an der Versammlung sprachen sie sich für einen Ort der Vielfalt und der Weltoffenheit aus und positionierten sich gegen Rassismus und Hetze gegen Flüchtlinge. Ungefähr zeitgleich versammelten sich allerdings auch, und zwar nur einige Meter davon entferntmehrere hundertMenschen, um gegen dieso genannte „Asylpolitik“ und das vermeintliche „Politikversagen der Bundesregierung“ zu protestieren. An einem anschließenden, harmlos als „Spaziergang“ angekündigten, Hass-Aufmarsch beteiligten sich bis zu 600 Personen. Dabei wurden u.a. Parolen gerufen, die neonazistischen Veranstaltungen entlehnt waren, sowie anwesende Pressevertreter beleidigt und bedroht. Die Polizei hatte Mühe die Situation unter Kontrolle zu behalten.
„Bürgerbündnis“ radikalisiert sich
Ähnlich wie an den vorangegangenen Veranstaltungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ auf dem Märkischen Platz, versuchten die Redner_innen ihr Publikum am Ausweichort, dem Edwin_Rolf-Platz, durch polarisierende Polemik, Kolportierung von Ressentiments sowie der Schürung von Ängsten und Vorurteilen eine berauschende und die Zuhörer_innen verbindende Atmosphäre zu schaffen. Fast diabolisch und dystopisch wirkte die Szenerie auf dem schwach beleuchteten Edwin Rolf Platz, dem Treffpunkt der vermeintlichen Wut- und Angstbürger_innen. Die Redner_innen, einmal mehr Christian Kaiser, Nico Tews und Sebastiano Graziani, aber auch der szenebekannte PEGIDA-Redner Curd Schumacher sowie die Videobloggerin Stephanie Schulz, taten ihr Übriges, um ihr Volk den Takt des „Protestes“, mal seicht, mal scharf, zumeist aber in einfachen Worten, vorzugeben. „Lügenpresse“, „Volksverräter“ und „Merkel muss weg“ rief die in „Wut“ und „Angst“ geeinte Gemeinschaft brav ihren Demagogen nach. Das neben den vermeintlich „besorgten Bürger_innen“ auch organisierte Neonazis standen, schien dort einmal mehr niemanden zu stören. Offenbar reichten diesbezüglich die „vertrauensvollen“ Worte eines Nico Tews aus, der sich in der Vergangenheit immer wieder von der NPD oder „Nazis“ distanzierte. Und Kritik daran lässt Tews ohnehin nicht zu. Wer sich kritisch über das Bürgerbündnis äußert oder nicht in dessen Interesse berichtet, muss mit Schmähkampagnen oder Drohungen rechnen. Jüngst durfte ein MAZ Lokalredakteur dies in einem sozialen Internetnetzwerk wieder über sich ergehen lassen. Auch während des Marsches am Dienstagabend waren Pressevertreter, nach einem Hinweis von Christian Kaiser bezüglich „linker Presse“ am Rande, wieder das Ziel wüster Beschimpfungen und Drohgebärden. Eine Eskalation wie in der vergangenen Woche, wo es einen Angriff auf einen Fotojournalisten gab und dabei dessen technisches Equipment teilweise beschädigt wurde, blieb jedoch diesmal aus.Dennoch ist global gesehen ein Trend zur Radikalisierung erkennbar. Nicht nur in der Steigerung der Aggressivität, sondern auch im verbalen Ausdruck und der ideologischen Unterfütterung. Klar und deutlich waren gestern Parolen, wie „kriminelle Ausländer raus“ oder „wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, zu hören, die sonst nur bei Neonaziveranstaltungen skandiert werden. Doch das scheint nur der Anfang zu sein.
„Bürgerbündnis“ will sich mit Neu-Rechter Kampagne vernetzen
In seinem einleitenden Redebeitrag stellte Christian Kaiser, presserechtlich Verantwortlicher des „Bürgerbündnisses Havelland“, ein Vernetzungsprojekt vor, welches eine enge Zusammenarbeit so genannter „Bürgerbewegungen“ beinhaltet. Diese momentan auch in anderen Orten als bundesweite Kampagne beworbene Vernetzung trägt den unverfänglichen Arbeitstitel: „ein Prozent für unser Land“. Die Idee dahinter klingt dann allerdings weit weniger harmlos. 800.000 Menschen, also ein Prozent der bundesrepublikanischen Bevölkerung, sollen sich, gemäß den Initiatoren der Kampagne, finden, um deren „juristische, mediale und politische Aktionen“ zu unterstützen. Ziel sei es die durch wachsende Flüchtlingsströme befürchtete „Auflösung“ des „Staates“ zu verhindern. Da die führenden Köpfe der „Einprozent“-Gruppe allerdings auch bekannte Köpfe der extremen Rechten, wie der Neu-Rechte Götz Kubitschek oder der Querfrontler Jürgen Elsässer, sind, könnten damit auch ganz andere Zwecke, wie beispielsweise die breite Sabotierung oder gar die Abschaffung des demokratischen Rechtstaates angestrebt werden. Mit 800.000 Sympathisant_innen wäre diese Kampagne sogar stärker als die SPD, mit ihren 460.000 Mitgliedern, als größte politische Partei der Bundesrepublik. Diese Dimensionen lassen dieses Vorhaben aber andererseits auch gleichermaßen irreal erscheinen. Zudem sind die anvisierten „Bürgerbewegungen“ keine homogenen Aktionsgruppen, sie eint lediglich der Frust auf „die da oben“. Trotz des eher aussichtslosen Vorhabens ist jedoch jetzt zumindest, durch die deutliche Sympathie mit derartigen Projekten, eine deutliche Offenheit des „Bürgerbündnisses Havelland“ gegenüber der extremen Rechten erkennbar.
Tummelplatz für extrem rechte Parteigänger_innen
Darüber hinaus bleibt die Versammlung des „Bürgerbündnis Havelland“ nach wie vor ein Tummelplatz für rechtspopulistische und neonazistische Vereinigungen. Erstmals nahm am Dienstagabend beispielsweise „PEGIDA Havelland“, eine Gruppe die hauptsächlich in und um Schönwalde-Glien aktiv sein soll und auch schon zu entsprechenden Veranstaltungen in Dresden fährt, mit einem eigenen Banner an der „Bündnis“-Versammlung in Rathenow teil. Eine Abordnung der neonazistischen „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“ war ebenfalls vertreten, genau wie die üblichen NPD Sympathisant_innen aus Rathenow, Premnitz und Nauen. Neonazibarde Thomas L. alias „TOytonicus“ war zudem wieder als Ordner eingesetzt. Des Weiteren nahmen bekannte Sympathisanten der Partei „DIE.RECHTE“ aus Stendal am Marsch des „Bürgerbündnisses Havelland“ teil.
Singen gegen Hass und Hetze
All dem konnte das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ allerdings nur wenig entgegensetzen. Einerseits will es über die Gerüchte und Vorurteile aufklären, also schon einen Kontrapunkt zu der Propaganda des „Bürgerbündnisses Havelland“ setzen, andererseits aber auch Bürger_innen zurückgewinnen. Von einer „Gegenveranstaltung“ im eigentlichen Sinne kann also nicht gesprochen werden. Die Positionierung von „Rathenow zeigt Flagge“ war im Wesentlichen neutral, dafür aber mit einem konkreten Angebot für eine vielfältige und offene Gesellschaft „mit Herz statt Hetze“. Neben politischen Reden gab es so beispielsweise Auftritte von unterschiedlichen, auch internationalen Musikinterpreten. Vielfach war den Menschen auch einfach nur wichtig an dem Abend öffentlich präsent zu sein und sich gegenseitig Mut zu machen. Konkret sah dies beispielsweise so aus, dass gemeinsam das Lied „die Gedanken sind frei“ gesungen wurde.
Fotos: hier
Women in Exile und Flüchtlingsrat fordern zum Internationalen Tag der Gewalt gegen Frauen: Schutz für geflüchtete Frauen – vor allen Formen von Gewalt!
Flüchtlingsfrauen sind akut bedroht: „Wir sind alle betroffen von sexueller Belästigung im Lager, es gibt keine Frau, die nicht eine Geschichte von aufdringlichen Blicken, widerlichen Kommentaren, unerwünschtem Anfassen oder versuchter oder tatsächlicher Vergewaltigung erzählen könnte,“ berichtete eine geflüchtete Frau der Organisation Women in Exile während einer Bustour durch Flüchtlingslager. Das Ergebnis der Besuche ist alarmierend. Geflüchtete Frauen und LGBTI Personen werden aufgrund ihres Geschlechts oder sexuellen Identität mehrfach diskriminiert und verletzt: durch rassistische Übergriffe und Asylgesetze, durch traumatische Erfahrungen auf der Flucht, die in den Massenunterkünften ihre Fortsetzung finden, durch körperliche und sexuelle Belästigungen, fehlende Privatsphäre und Angst vor Abschiebung.
Keine Massenunterkunft kann geflüchteten Frauen Schutz bieten. Ein Leben im Lager bedeutet die tägliche Erfahrung struktureller Gewalt, die in Form von Isolation, Ausgrenzung und Schutzlosigkeit statt findet. Diese strukturelle Gewalt verstärkt Gewaltpotenziale und führt oft zu physischen, psychischen und sexualisierten Übergriffen vor allem gegen Frauen, Kinder und LGBTI Personen. Solche Übergriffe passieren auch auf deutschen Straßen und insbesondere in deutschen Haushalten. Aber in einer Sammelunterkunft, die eine Zwangswohnform ist, treten sie konzentrierter und vermehrt auf. Denn dort haben Menschen kaum Rückzugsmöglichkeiten und sind häufig extremen Alltagssituationen, Enge und Stress ausgesetzt. Das deutsche Gewaltschutzgesetz ermöglicht Interventionsbefugnisse für die Polizei: Wenn gewalttätige Übergriffe in deutschen Haushalten passieren, kann die Polizei die oder den Täter/in des „Platzes verweisen“. Dies findet im deutschen Lagersystem keine Anwendung. Geflüchtete Frauen erhalten damit in Deutschland kaum Schutz vor Gewalt.
Laut der seit Mitte 2015 auch in Deutschland geltenden EU-Aufnahmerichtlinie für Flüchtlinge müssen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge als solche erkannt, angemessen versorgt und untergebracht werden. Der Schutz dieser Gruppen (unter anderem Schwangere, Alleinerziehende, Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben und Minderjährige) steht in großer Zahl Frauen und ihren Kindern zu. Dieser Schutz kann ihnen in überfüllten Massenunterkünften ohne ausreichenden Zugang zu Versorgungs- und Unterstützungsstrukturen nicht zukommen. Darum sagen wir: Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge können nicht in einer Massenunterkunft leben!
Die kürzlich verschärften Asylgesetze sehen vor, dass Flüchtlinge sechs Monate und viele darüber hinaus in den überfüllten Erstaufnahmelagern verbleiben müssen. Sie unterliegen in dieser Zeit der Residenzpflicht und dürfen die Unterkünfte nicht oder nur ausnahmsweise verlassen. Sie müssen schnellere Abschiebungen befürchten, sind faktisch ohne Zugang zu Rechtsberatung und Übersetzung, ohne Bargeld und mit Arbeitsverboten belegt. Frauen und LGBTI Personen aus den so genannten sicherenHerkunftsstaaten unterliegen diesen Restriktionen während des gesamten Asylverfahrens. Aus den Westbalkanländern fliehende Romnija sind besonders häufig existentiell bedroht und von Gewalt und Übergriffen betroffen. In Deutschland angekommen, werden sie durch Schnellverfahren geschleust, dürfen die Flüchtlingslager nicht mehr verlassen und ihre Fluchtgründe werden gar nicht mehr geprüft. Damit werden ganze Flüchtlingsgruppen entrechtet, die gesetzlich als „falsche“ Flüchtlinge abgehandelt werden.
Kriege, befeuert durch Rüstungsexporte, und die Zerstörung regionaler Märkte durch multinationale Konzerne, rauben Menschen weltweit Lebensmöglichkeiten und Existenzgrundlagen. Davon sind insbesondere Frauen und Kinder betroffen. Sie sind in der Regel ärmer, schutzloser, schneller in ihrer Existenz bedroht und laufen stärker Gefahr, auf der Flucht Übergriffe zu erleiden. Die Abschottung der Grenzen ist unterlassene Hilfeleistung, die für viele Frauen und Kinder mit dem Tod endet.
Wir fordern, dass geschlechtsspezifische Fluchtgründe immer anerkannt werden!
Die Asylrechtsverschärfungen, die schutzbedürftige Personen besonderen Gefahren aussetzen, müssen zurück genommen werden!
Gewaltschutz und Zugang zu Regelleistungen für geflüchtete Frauen und LGBTI Personen!
Wir fordern: Frauen, Kinder und LGBTI Personen sofort raus aus den Lagern! Alle Lager abschaffen!
Nein zur Festung Europa — Bewegungsfreiheit für alle!
Dein Soziales Zentrum braucht dich!
Liebe Genoss_Innen,
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir benötigen deine/eure Hilfe! Am 28.11.2015 ab 10:00Uhr wollen wir unseren Umzug aus dem alten MittenDrin in das neue Gebäude im Sozialen Zentrum (Bahnhof) durchführen. Es ist eine logistische Mammutaufgabe für uns und wir können das leider nicht alleine bewältigen. Wir haben für den Tag einen LKW gemietet und werden die Vorbereitungsarbeiten im Vorfeld erledigt haben.
Für den Tag selbst benötigen wir allerdings mindestens 20 Helfer_Innen die beim Tragen, Einladen, Ausladen, Einlagern und dem Abbau/Aufbau des verbliebenen Inventars helfen. Eure Voll-Verpflegung (Essen+Getränke) werden wir organisieren! Schlafplätze stellen wir bei Bedarf zur Verfügung, an euren Fahrtkosten werden wir uns beteiligen oder sie voll tragen – das wird individuell ausgehandelt.
Diese Nachricht kann gerne weitergeleitet werden!
Bitte meldet euch per Mail unter info@jwp-mittendrin.de verbindlich zurück, sodass wir eine Planungsgrundlage haben. Wir zählen auf euch!
Freundschaft!
Eure JWP-Bahnhofscrew
Umzugshilfe gesucht – Unser Stadthaus zieht um!
Das Stadthaus übernimmt Verantwortung und macht Platz für Geflüchtete.
Potsdams Wohnpolitik ist gescheitert. Seit Jahren fehlt es an sozialem Wohnraum für Alteingesessene und Neuankömmlinge. Nicht die Menschen, die aus Krieg und Elend geflohen sind, sollen nun die Konsequenzen der verfehlten Wohnpolitik tragen. Das Stadthaus zieht ab sofort in bereitgestellte Leichtbauhallen und sucht hierfür ehrenamtliche Umzugshelferinnen und ‑helfer! Ihr Engagement beim Umzug stärkt unsere Stadtgemeinschaft und entlastet den Finanzhaushalt.
Machen Sie mit als Umzugshelfer/in und kommen Sie am Donnerstag, den 26.11.2015 um 15 Uhr in angemessener Arbeitskleidung zum Stadthaus. Wir zählen auf Sie!
Am kommenden Dienstagabend wird es wieder eine Veranstaltung des Aktionsbündnisses „Rathenow zeigt Flagge“ geben. Dazu hatte sich die zivilgesellschaftliche Initiative bei ihrem Treffen am vergangenen Mittwoch entschlossen. Die Versammlung soll wieder unter dem Motto: „Mein Rathenow: Mit Herz statt Hetze“ stattfinden. Gleichzeitig wird das selbsternannte „Bürgerbündnis Havelland“ seine mittlerweile fünfte öffentliche Veranstaltung durchführen. Da ein szenebekannter PEGIDA-Redner dort auftreten soll, wird mit einer großen Teilnehmer_innenzahl gerechnet.
„Bürgerbündnis“mit PEGIDA-Redner am Rolf-Platz
Als Versammlungsort hat das „Bürgerbündnis Havelland“, genau wie in der vergangenen Woche, den Edwin-Rolf-Platz in der Rathenower Altstadt angemeldet. Dort wird es zunächst eine Kundgebung und dann einen so genannten „Spaziergang“ geben. Eine genaue Strecke ist jedoch noch nicht bekannt. In der vergangenen Woche frequentierte der Aufzug allerdings die Baustraße, die Große Burgstraße und die Steinstraße. Der Märkische Platz, ursprünglicher Versammlungsort des „Bürgerbündnisses Havelland“ bei den ersten drei Veranstaltungen, kann derzeit nicht für Versammlungen genutzt werden, da dort der Weihnachtsmarkt stattfindet. Dies schließt jedoch nicht aus, dass es einen angemeldeten „Spaziergang“ in diese Richtung geben könnte. Genauere Angaben machte der Veranstalter dazu aber bisher nicht.
Im Zuge der Bewerbung ihrer Veranstaltung, wurde durch das „Bürgerbündnis Havelland“, lediglich bekannt gegeben, dass der szenebekannte Videokanal-Blogger Curd Schumacher alias „Curd ben Nemsi“ dort als Redner auftreten soll. Schumacher gilt als besonders mitteilungsbedürftig und tritt mit seinem plumpen, vermeintlich volksnah wirkenden Sprach-Repertoire regelmäßig bei PEGIDA-Aufmärschen in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) auf. Dabei polemisiert er hauptsächlich gegen die Bundesregierung und kolportiert Ressentiments gegen Flüchtlinge. Insofern ist inhaltlich eine Fortsetzung der üblichen Hetzreden zu erwarten.
Hetze und Drohungen gegen Pressevertreter
Kontinuierlich fortzusetzen scheinen sich übrigens auch die Hetze und Drohgebärden gegen Pressevertreter_innen mit kritischer Berichterstattung. Nachdem das „Bürgerbündnis Havelland“ auf seinen Veranstaltungen eine Rathenower Lokalzeitung als „Lügenpresse“ diffamierte und einen lokalen Fernsehsender aus Brandenburg an der Havel, nach dessen Fernsehbeitrag vom 12. November 2015, ebenfalls mit öffentlicher Diffamierung drohte, enthemmte sich in der vergangenen Woche nun die rohe Gewalt. Diese richtete sich vor allem gegen das technische Equipment eines Fotojournalisten und verursachte einen dreistelligen Schaden.
Trotz des Sachschadens und der mitunter bedrohlichen Situation sah das „Bürgerbündnis Havelland“ jedoch noch keine Veranlassung sich von derartigen Exzessen zu distanzieren. Im Gegenteil, die Sympathisant_innen versuchten die Gewalt zu rechtfertigen und riefen teilweise zu weiteren, mitunter strafbaren Handlungen auf. Ein „Pascal B.“ schrieb beispielsweise in einem Kommentar auf der Veranstaltungsseite des Bündnisses in einem sozialen Internetnetzwerk: “für aufdringliche Fotografen kann ich einen Lippenstift oder Creme empfehlen … fürs objektiv“. „B.“ ist zumindest in diesem sozialen Netzwerk sowohl mit einem der beiden Hauptakteure des „Bürgerbündnisses Havelland“, als auch bekannten Aktivist_innen des neonazistischen Milieus aus dem Osthavelland bzw. dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin befreundet. Deutlich drohender agierte hingegen der Kleinunternehmer Lutz M., der bisher an allen Versammlungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ teilnahm. In einer Hassmail an den bereits in der vergangenen Woche attackierten Fotojournalisten drohte er u.a.: „Pass auf was du machst ich kriege dich und dann bist du im krankenhaus“ (Rechtschreibung im Original).
Kundgebung der Zivilgesellschaft am Schleusenplatz
Nach dem das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ in den vergangenen beiden Wochen keine adäquate Veranstaltung zur Versammlung des „Bürgerbündnis Havelland“ angeboten hatte, wurde innerhalb der Zivilgesellschaft vielfach Kritik an dem als zu passiv empfundenen Auftreten gegenüber den Hetzern und Demagogen laut. Auf einer Sitzung der zivilgesellschaftlichen Initiative am vergangenen Mittwoch setzte sich deshalb der Vorschlag einer erneuten Veranstaltung „mit Herz statt Hetze“ durch. Diese Versammlung ist inzwischen angemeldet und polizeilich bestätigt. Sie soll am Dienstagabend um 18.00 Uhr auf dem Schleusenplatz in der Berliner Straße Ecke Schleusenstraße beginnen und ein vielfältiges Kulturangebot beinhalten.
Der Wechsel vom August-Bebel-Platz, dem ursprünglichen Kundgebungsort der Zivilgesellschaft bei vorangegangenen Veranstaltungen, zum Schleusenplatz scheint dabei bewusst gewählt zu sein. Offenbar will „Rathenow zeigt Flagge“ in räumlicher Nähe zum „Bürgerbündnis“ für eine Stadt „mit Herz statt Hetze“ werben.
Jugendinitiative gegründet
Neben dem Setzen von Zeichen strebt die Rathenower Zivilgesellschaft aber auch langfristige Projekte für eine Stadt „mit Herz statt Hetze“ an. Ein Beispiel dafür soll künftig die „Jugendinitiative Rathenow“ sein. Diese Initiative hat sich zum Ziel gesetzt „für eine bessere Aufklärung von Gerüchten“ zu sorgen sowie „Fragen bezogen auf die Flüchtlingsthematik“ zu beantworten. Betreut werden soll das Vorhaben durch den Rathenower Erzieher Max Vogt, der zuvor im Kinder- und Jugendparlament der Stadt aktiv war und zurzeit im kirchlichen Jugendhaus „Oase“ arbeitet. Er will durch seine Initiative vor allem Jugendliche motivieren sich in die Gesellschaft einzubringen. Diese sollen dann beispielsweise Fragen zur Flüchtlingsthematik sammeln und dann Antworten in Interviews mit Sachverständigen oder sachkundigen Bürger_innen finden. Die Ergebnisse der Arbeit sollen dann, gemäß Vogt, auf einer Seite in einem sozialen Internetnetzwerk veröffentlicht werden.
Am Montag den 16.11. 2015 hatte die BraMM (Brandenburger für Meinungsfreiheit) zu einer Kundgebung ab 19.30 auf dem Müncheberger
Parkplatz in Strausberg aufgerufen.
Die Organisation gilt als brandenburger PEGIDA-Ableger, wurde von Mitgliedern der REP gegründet und steht in Zusammenhang mit der NPD und organisierten Neonazis. Dem entsprechend tritt die BraMM zumeist mit Themen auf, die den rassistischen Einstellungen ihrer Zielgruppe entsprechen.
Offiziell gibt man sich aber bürgerlich und versucht mit so unkonkreten wie breitgefächerten Themen möglichst viele Menschen anzusprechen. Diesmal wurde versucht, mit einem einem thematischen Sammelsorium von Schlagworten wie Asylchaos, Islamisierung, Genderwahn, Rundfunkgebühren und Hartz‑4 Betrug Menschen auf ihre Veranstaltung zu mobilisieren. Das Ergebnis: 120 Personen kamen aus ganz Märkisch Oderland, anderen Teilen Brandenburgs und auch Berlin, von denen ein beträchtlicher Teil der rechten Szene zuzuordnen ist.
In den Redebeiträgen ging es dann um die Verteidigung des Abendlandes durch Schließung der Grenzen, sowie die Abschiebung aller Geflüchteten, den Kampf gegen die von Merkel geführte Scheindikatur und paradoxer Weise gegen Extremismus, während die anwesenden Nazis geduldet wurden. In Strausberg werden, wie in vielen anderen Städten, demnächst Flüchtlinge in der Barnimkaserne untergebracht. An vielen Orten lösten solche Pläne seitens der Bürger_innen, meist von Nazis organisierte rassistische Proteste und Gewalt gegen die Geflüchtete aus. Vermutlich hatte die BraMM darauf spekuliert in Strausberg ein ähnliches Klima vor zu finden.
Dem aber bließ der bunte und laute Wind von 200 Gegenprotestler_innen entgegen.
Das Bündnis “Strausberg Nazifrei” hatte zur Gegenkundgebung aufgerufen. 200 engagierte Menschen aus Strausberg und der Welt zeigten den Rassist_innen dass hier kein Platz ist für Hass und Rassimus.
Viele hatten sich ihre ganz eigenen Mittel ausgedacht und mitgebracht um ihren Ablehnung gegen Rassimus zum Ausdruck zu bringen.
Trommeln, Pfeifen, Flyer, viele bunte Plakate und laute, entschlossene Stimmen.
Ebenso bunt waren die Leute, alte und junge, aus den verschiedensten Vereinen, Institutionen und Parteien. Wir freuten uns sehr, dass auch die Bürgermeisterin ihren Protest zeigte und mit uns an der Kundgebung von “Strausberg Nazifrei” teilnahm.
Wir bedanken uns bei allen, die an diesem Tag, dem Anruf von “Strausberg Nazifrei” gefolgt sind und sich gegen die BraMM und ihre rassistische Hetze positionierten.
Leider wurde für den 30.11. eine weitere Veranstaltung des PEGIDA-Ablegers angekündigt, wobei noch nicht ganz klar ist, was an
diesem Tag passieren wird. Achtet deshalb auf weitere Ankündigungen. Eines ist jedoch sicher: sobald Rassist_innen und Rechte den
öffentlichen Raum für sich beanspruchen, um ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten, werden wir das nicht schweigend hinnehmen. Deswegen kommt auch an diesem Montagabend wieder gemeinsam mit uns auf die Straße, um gegen die rechte Mobilmachung zu protestieren. Werdet kreativ, schreibt euern Protest auf Schilder oder Transpis. Nehmt Pfeifen, Trommeln und alles andere mit, was Krach macht. Bringt Freund_innen mit und passt auf euch auf.
Die faschistischen und rassistischen Demonstrationen und Kundgebungen von besorgten Bürgern, bekannten Nazis und rechtsorientierten Hools zielen immer weiter auf Südbrandenburg ab. Neben den großen wöchentlichen Demonstrationen in Cottbus, die regelmäßig durch die Afd, Npd oder durch „Nein zum Heim“ Gruppen organisiert werden oder neben der großen Demonstration mit ca. 700 Teilnehmern in Lübbenau, organisiert vom Afd-nahen Verein „Zukunft Heimat e.V.“ finden auch immer mehr Kundgebungen und Demonstrationen im Umland von Finsterwalde statt. Hier mal eine kurze Auflistung:
19.10.2015 „Montagsdemo“ in Großräschen
26.10.2015 „Montagsdemo“ in Großräschen
29.10.2015 Afd Infotisch in Elsterwerda
30.10.2015 BraMM Demo in Senftenberg
01.11 2015 rassistische Kundgebung und „Grablicht aktion“ in Badliebenwerda
02.11.2015 „Montagsdemo“ in Großräschen
05.11.2015 faschistische Kundgebung bekannter Nazis in Sonnewalde
08.11.2015 rassistische Kundgebung und „Grablicht Aktion“ in Bad Liebenwerda
09.11.2015 „Montagsdemo“ in Großräschen
13.11.2015 Afd „Stammtisch“ in Sonnewalde
14.11.2015 „Gedenkaktion“ für Paris und Verbreitung faschistischer Propaganda in Finsterwalde
Bei den selbsternannten „Montagsdemos“ in Großräschen finden sich wöchentlich ca. 100–150 Nazis und Wutbürger zusammen um in einer einstündigen Kundgebung gegen die bestehende Asylpolitik und gegen den Antifaschismus zu wettern. Organisiert wird der braune Müll vom Reichsbürger R. Handta. Verpackt wird die faschististche Hetze in schlecht vorgetragenen Reden von verschiedenen Rednern wie „Andy“ oder der „Anheizer Sven“. Ab und zu kann man von den meist stark betrunkenen Nazis Sprüche hören wie „Wir sind das Volk“ und „Wer Deutschland nicht liebt muss Deutschland verlassen“.
Am 30.10.2015 veranstaltete die faschistische BraMM in Senftenberg nach ihrer Sommerpause ihre erste Demonstration. An dieser Demo nahmen ca. 200–250 Menschen teil. Auf der Demonstration redete der BraMM-Chef und Vorsitzende der Freiheitlichen Liga e.V., Haiko Müller. Weitere Gastredner aus Sachsen kamen außerdem zu Wort. Unter anderem sprach Engelbert Merz. Nach dem die Faschisten mehrere Reden auf den Senftenberger Marktplatz abhielten sollte ihre Demo durch die Innenstadt ziehen welche aber durch eine Blockade umgeleitet wurde. Nach einem 30 minütigen Fußmarsch endete der rassistische Spuk mit einer Abschlussrede.
In Bad Liebenwerda trifft sich Sonntags die sogenannte „Graswurzelbewegung“ die einen bundesweiten Bürgerprotest mit den Namen „Aktion Grablicht“ organisieren. Dafür versammeln sich ca. 100 „Bürger Deutschlands“ vor dem Rathaus in Bad Liebenwerda um schweigend mit einen Grablicht gegen Flüchtlinge und „offene Grenzen“ zu demonstrieren. Das Motto der Demonstranten „still, friedlich und demokratisch“ damit fordern sie den Rücktritt der Merkel und ein Stop der Einwanderung von Geflüchteten.
Am 05.11.2015 versammelten sich in Sonnewalde ca. 50 bekannte Nazis aus Finsterwalde und den umliegenden Dörfern. Auf dem Marktplatz von Sonnewalde hielten sie mehrere Reden mit einem Megaphone ab und versuchten durch das Ansprechen von den in Sonnewalde immer aktuellen Abwasserproblem Bürger auf ihre Seite zu ziehen. Die Faschisten standen ca. eine Stunde unbeachtet auf dem Markt.
Am Samstag den 14.11.2015 mobilisierten Neonazis aus den Raum Finsterwalde zu einer „Gedenkaktion“ für Paris auf den Rathausvorplatz. Nachdem sich die Nazis dort trafen und auch einige Bürger die von der Scheinveranstaltung nichts wussten erschienen, verteilten die Faschisten regierungsfeindliche Propaganda. Beim Eintreffen der ersten Antifaschisten aus Finsterwalde verschwand das braune Pack. Diese Aktion bleibt nicht unbeantwortet!
Für Montag den 23.11.2015 mobilisieren die Nazis zu ihrer letzten „Montagsdemo“. Am 27.11.2015 will die faschistische BraMM wieder in Senftenberg demonstrieren! Wir rufen euch auf gemeinsam mit uns die bevorstehenden Nazikundgebungen zu sabotieren und zu blockieren! Gemeinsam gegen Naziterror und Rassismus in Südbrandenburg in der BRD und auf der restlichen Welt. Den Faschismus im Keim zu ersticken bleibt unser Ziel!
Support your local Antifa and Join the Fight!
Am Dienstag, den 17.11.2015, kam es in Rathenow im Zuge eines Aufmarsches des rassistischen „Bürgerbündnis Havelland“ zu einem Übergriff auf einen befreundeten Fotografen. Unser Freund wurde dabei glücklicherweise nicht verletzt, allerdings ein Teil seiner Ausrüstung durch die “besorgten Bürger” zerstört. Der Täter konnte im Anschluss festgenommen werden und erhielt eine Anzeige.
Wir rufen dazu auf, sich mit allen Betroffenen, der Übergriffe des rechten Mobs, zu solidarisieren! Konkret wollen wir eine kleine Spendenkampagne starten, damit die zerstörte Ausrüstung nicht nur ersetzt, sondern eventuell sogar erweitert werden kann! Unser Freund macht seit Jahren eine hervorragende Arbeit und begibt sich dafür immer wieder in Gefahr. Es ist Zeit, ihm auch dafür zu danken! Bitte spendet an:
JWP-MittenDrin e.V.
IBAN: DE81 1605 0202 1730 0101 95
BIC: WELADED1OPR
Verwendung: Unterstützung Rathenow
Desweiteren fordern wir die Zivilgesellschaft in Rathenow auf, endlich Farbe gegen die rechten Umtriebe in ihrer Stadt zu bekennen. Es muss Gegenprotest in Sicht- und Hörweite stattfinden, um zu zeigen, dass es Widerspruch zu den rechten Hetzparolen gibt. Ebenso werden wir den Gegenprotest am kommenden Dienstag auch personell unterstützen und rufen alle Antifaschist_Innen auf, sich ebenfalls zu beteiligen. Weitere Infos folgen!
Rechten Hetzern das Handwerk legen!
Refugees are welcome here!
Weitere Infos: https://presseservicern.wordpress.com/2015/11/17/rathenow-trauermarsch-mit-ubergriff/
Bilder: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157661270189856/with/22705532359/
Nach dem gestern bereits die evangelische Kirche, unter Beteiligung von 200 Menschen, eine Gedenkzeremonie für die Opfer der heimtückischen Anschläge des so genannten „Islamischen Staates“ durchgeführt hatte, zog heute das flüchtlingsfeindliche „Bürgerbündnis Havelland“ mit einer eigenen Veranstaltung nach. An diesem so genannten Trauermarsch beteiligten sich ungefähr 180 Personen. Deutlich weniger als bei den Veranstaltungen an den drei voran gegangenen Dienstagen. Und klar aggressiver. Nach dem bereits bei den vorangegangenen Veranstaltungen gegen die vermeintliche „Lügenpresse“ gehetzt und seit letzter Woche konkret auch gegen einen bestimmten Fotojournalisten Stimmung gemacht wurde, eskalierte die Situation heute am Rande. Mehrere Personen umringten zunächst den Fotografen, dann griff einer nach dessen Technik und zerstörte einen Teil seiner Ausrüstung. Der mutmaßliche Täter wurde durch die Polizei gestellt und Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet.
Gegen den Marsch des „Bürgerbündnisses“ gab es auch heute keine Proteste. Lediglich am Märkischen Platz gab es eine Lichtinstallation, die darauf hinwies, dass Anschläge nicht nur in Frankreich stattfinden, sondern beispielsweise in Syrien alltäglich und somit Ursache für die Flucht nach Europa sind.
Fotos: hier
An einer von einem Kreistagsabgeordneten der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) angemeldeten Versammlung in Pritzwalk (Landkeis Prignitz) nahmen am Montagabend ungefähr 160 Menschen teil. Die Veranstaltung hatte das Motto „Gegen das Politikversagen“ und richtete sich überwiegend gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Die Kundgebung in der Marktstraße wurde zuvor sowohl vom AfD Kreisverband Prignitz, von einem „Prignitzer Bürgerzusammenschluss“ und der latent neonazistischen Internet-Initiative „Pritzwalk sagt NEIN zur Asylpolitik“ beworben. Zeitgleich zu der flüchtlingsfeindlichen Versammlung fand zwischen St. Nikolaikirche und Markt eine Gegenveranstaltung statt, an der insgesamt 100 Menschen teilnahmen.
Proteste in Hör- und Sichtweite
Zentraler Protestort war der Platz nördlich der Marktstraße, zwischen Stadtverwaltung und einem Kreditinstitut. Dort hatten sich ungefähr 50 Menschen versammelt und lautstark versucht, die AfD-Kundgebung auf der anderen Straßenseite mit Pfiffen und Rufen zu stören. Die Polizei hielt jedoch die Teilnehmer_innen beider Veranstaltungen weitgehend auf Distanz. Zwischen den konträren Versammlungen war ein Raum von 15 bis 20m in der Breite, der mit Gittern abgetrennt war. Dort hielten sich auch zusätzliche Beamt_innen der Bereitschaftspolizei, mit Blickrichtung Gegendemonstration, auf. Der Protest in Hör- und Sichtweite blieb allerdings friedlich.
Eine zweite Versammlung, die ebenfalls als Gegenkundgebung zur AfD-Versammlung gewertet werden kann, fand wenige Meter weiter in um die St. Nikolaikirche statt. Bei dieser Veranstaltung handelte es sich um ein Friedensgebet. Ungefähr 50 Menschen beteiligten sich daran.
AfD-Kundgebung mit flüchtlingsfeindlichem Charakter
Hintergrund der AfD-Versammlung soll die derzeitige „Asylpolitik” gewesen sein. Anmelder Thomas Schlaffke hatte der Lokalzeitung „Der Prignitzer“ gegenüber erwähnt, dass sich bei so genannten „Bürgerstammtischen“ seiner Partei einige Menschen nicht ausreichend über das Thema Asyl informiert sahen. Obwohl er als Kreistagsabgeordneter Zahlen und Fakten kenne, sei er trotzdem um eine Anmeldung zu einer Demonstration gebeten worden.
Die Gründe hierfür scheinen auf der Hand zu liegen. Flüchtlingsfeindliche Versammlungen sind momentan populär und versprechen künftige Wähler_innenstimmen. Momentan liegt die momentan nicht im Bundestag vertretende AfD, laut Forsa-Umfrage vom 11. November 2015, im Bundestrend bei stolzen 7 %, bei INSA sogar bei 10 % (Umfrage vom 9. November 2015).
Bei den letzten Kommunalwahlen im Mai 2014 holte die „Alternative für Deutschland“ im Landkreis Prignitz allerdings gerade einmal 1,0 % der gültigen Wähler_innenstimmen und lag damit sogar noch unter dem Landesdurchschnitt von 1,3 %. Für das Mandat von Thomas Schlaffke im Landkreis Prignitz reichte es also gerade so. Deshalb vielleicht zur Verstärkung, hatte die AfD am Montagabend mit Andreas Kalbitz und Steffen Königer auch zwei ihrer Landtagsabgeordneten zur Kundgebung nach Pritzwalk entsandt. Ihr Thema war vor allem die derzeitige Flüchtlingssituation.
Kalbitz, der eine Biografie in der extremen Rechten hat, beklagte vor allem die, seiner Meinung nach, „völlig unkontrollierte Zuwanderung“ und wandte sich gegen den Zuzug von Familienangehörigen von Flüchtlingen. Weiterhin schürte er Überfremdungsängste und warf den „Politikern“ im Allgemeinen den „Verrat am deutschen Volk“ vor. Speziell wurde aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in seiner Rede angegriffen. Weiterhin thematisierte Kalbitz den demografischen Wandel und präsentierte als einfaches Rezept, statt Ausländer ins Land zu holen, einfach mehr Kinder zu machen. Ähnlich argumentiert übrigens auch die extreme Rechte innerhalb ihrer so genannten „Volkstod“-Kampagne. Mit „Nazis“ wolle die AfD jedoch nichts zu tun haben. Diesbezüglich meinte Steffen Königer in seinem Redebeitrag, dass er hier, auf der Kundgebung, keine Verfassungsfeinde sehe. Diese vermutete er eher im Bundestag in Berlin. Die Schwarz-weiß-rote Reichsflagge, die auf der AfD Kundgebung wehte, war Königer anscheinend nicht aufgefallen. Er bejammerte stattdessen, dass gegen seine Partei immer wieder die „Nazikeule“ geschwungen werde. Dies beklagte auch der aus Neuruppin angereiste ehemalige Vorsitzender des Parteiverbandes Ostprignitz-Ruppin, Klaus Engelbertz, in seinem Redebeitrag. Er kritisierte vor allem die Gewerkschaften für deren vermeintlichen „Goebbels-Jargon“ und setzte die Antifa mit der „SA“ gleich. Zu dem deutlichen Anstieg von Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte verlor er hingegen kein Wort.
Neonazis auf der AfD-Kundgebung
Trotz der scheinheiligen Distanzierungsversuche, scheinen die „Alternative für Deutschland“ und die extreme Rechte zumindest in der Beantwortung der Flüchtlingsfrage gemeinsame Schnittstellen zu haben. Auch gestern zog es so einige Sympathisant_innen des neonazistischen Milieus, es mögen zwischen 30 und 40 gewesen sein, zu der AfD-Kundgebung auf den Pritzwalker Marktplatz. Auch Neonazis aus lose organisierten Gruppen, wie den „Freien Kräften Prignitz“ oder den „Freien Kräften Wittstock/Dosse“ waren anwesend. Sie waren offenbar dem Aufruf der latent neonazistischen Internet-Initiative „Pritzwalk sagt NEIN zur Asylpolitik“ gefolgt. Eine deutliche Distanzierung der AfD zu dieser Seite gab es im Vorfeld nicht. Ebenso wenig erfolgte der Ausschluss der Neonazis von der Versammlung. Dies wäre übrigens ohne weiteres möglich gewesen, da der Kundgebungsort komplett mit Polizeigittern abgezäunt war und die Zugänge von Ordner_innen der Versammlung kontrolliert wurden. Stattdessen wurden einzelne Neonazis von den Ordnungskräften per Handschlag persönlich begrüßt.
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