Miteinander, Zusammenhalt und Solidarität werden bei uns großgeschrieben. So konnten wir schon eine Menge Aufgaben lösen, neue Ideen entwickeln und diese auch umsetzen. Die Ankunft vieler, vor Krieg, Gewalt und Hunger geflüchteter, Menschen hier bei uns, ist ohne Zweifel eine große Herausforderung.
Die Versorgung und Unterbringung notleidender Flüchtlinge, das Zusammenleben und ihre Integration verlangt allen Beteiligten viel ab: uns als Einwohnerinnen und Einwohner, den Gemeindeverwaltungen, Vereinen und Verbänden, Unternehmern, den vielen ehrenamtlich Engagierten. Auch für die geflüchteten Menschen ist es schwer, in der Fremde anzukommen.
Unsere Probleme, wie z.B. Wartelisten bei Kitas, zu große Klassen in Schulen, unzuverlässige S‑Bahnen, zu hohe Mieten, Hartz 4 etc. gibt es seit Jahren. Diese Probleme sind „made in Germany“. Anstatt aber die Probleme zu lösen, werden „plötzlich“ geflüchtete Menschen dafür verantwortlich gemacht.
Gegen alle Fakten will uns nun die selbsternannte „Bürgerbewegung Heimatland“ das Gegenteil einreden. Mit verlogenen und unmenschlichen Parolen behauptet sie, sich am 12.12. mit einer Demo in Strausberg-Vorstadt gegen „Asylbetrug“ und „Islamisierung“ wehren zu müssen. Sie tun so, als würden sie damit unser aller Meinung vertreten.
Doch Flüchtlinge als Sündenböcke auszumachen, hilft kein Stück, unsere Probleme zu lösen. Rassisten und Fremdenfeinde wollen drängende Fragen nicht beantworten, sondern für ihre Zwecke Unsicherheit schüren und ausnutzen. Keine einzige plausible Lösung schlagen sie vor.
Wir wollen und müssen uns gegen solche Leute und ihre Politik wehren, die fremdenfeindlich, rassistisch und deutschtümelnd daherkommen.
Wir sind hier, Bruder Amadeu
INFORIOT — 25 Jahre sind seit dem Tod von Amadeu Antonio Kiowa vergangen. Heute, am 6. Dezember, erinnerten 80 Menschen mit einer Gedenkveranstaltung unter dem Titel „Wir sind hier, Bruder Amadeu“ an den von Neonazis zu Tode geprügelten Eberswalder. In Redebeiträgen wurde dem damals 28-jährigen Amadeu Antonio und vielen anderen Opfern rassistische Gewalt gedacht. Der Eberswalder Bürgermeister Friedhelm Boginski verdeutlichte in seinem kurzem Beitrag die Schwierigkeiten der Stadt mit Neonazis und Rassismus umzugehen. Aber, so Boginski, die Meinungshoheit in der Stadt haben mittlerweile die Menschen, die sich für Toleranz und Weltoffenheit einsetzen. Für ihn steht fest: „Wir sind auf einem guten Weg“. Ein ähnliches Fazit zog auch Austen Brandt, Vorsitzender von Phoenix e.V, einem Verein der sich bundesweit gegen Rassismus engagiert. Brandt sagte, dass dem Negativen, welches Eberswalde durch die neonazistische Gewalt anhaftet, viel Positives entgegengesetzt werden kann. Viele, so seine Ansicht, engagieren sich und heißen Geflüchtete willkommen.
Engagement in Gedenken an Opfer rassistischer Gewalt
Die Organisator_innen der Kundgebung setzen sich im Rahmen der Kampagne „Light me Amadeu“ seit vielen Jahren nicht nur für ein aktives Gedenken in Eberswalde, sondern gegen rassistische und ausgrenzende Politik im Landkreis ein. Demonstrationen gegen die Residenzpflicht und gegen das Gutscheinsystem für Asylbewerber_innen gehörten ebenso zur antirassistischen Kampagnenarbeit wie das derzeitige Engagement für die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten. Als Teil aktiver Gedenkarbeit fordert die Kampagne die Umbenennung der Eberswalder Straße, wo sich heute die Gedenktafel befindet, in Amadeu-Antonio-Straße. Zwar gab es bis heute nur eine symbolische, aber keine offizielle Straßenumbenennung, jedoch wurde im September 2014 das Bürgerbildungszentrum Amadeu Antonio eröffnet.
Amadeu-Antonio-Preis erstmals vergeben
Am vergangenen Freitag wurde erstmals der Amadeu-Antonio-Preis vergeben. Der mit 3.000 Euro dotierte Preis ging an das Theaterteam der “Bühne für Menschenrechte”, das mit dem Stück Asyl-Dialoge und dem Nachfolger Asyl-Monologe in zahlreichen Städten unterwegs war. Als Zweitplatzierte wurden die Band Antilopengang und das “Zentrum für politische Schönheit” mit 1.000 Euro ausgezeichnet. Der Preis ehrt kreatives Engagement für Menschenrechte und gegen Rassismus aus.
Pritzwalk: Weniger bei AfD-Montagsdemo
Die zweite Versammlung der „Alternative für Deutschland“ (AfD) auf dem Marktplatz in Pritzwalk zog am Montagabend deutlich weniger Menschen, als die Vorangegangene vor zwei Wochen. Nahmen an der ersten Kundgebung der rechtspopulistischen Partei, am 16. November 2015, noch 160 Personen teil, waren es am 30. November 2015 gerade einmal nur noch 100.
Als Redner traten u.a. Sven Schröder (AfD Landtagsabgeordneter Brandenburg), Klaus Engelbertz (AfD Kreisverband Ostprignitz-Ruppin) und Armin-Paul Hampel (AfD Landesvorsitzender Niedersachsen) auf.
Gegenproteste waren offiziell nicht angemeldet. Einzelpersonen versuchten aber trotzdem Ihren Protest gegen die Rechtspopulist_innen durch Schilder und Trillerpfeifen zum Ausdruck zu bringen.
In der Pritzwalker St. Nikolaikirche fand zudem wieder ein Friedensgebet statt.
Die Polizei war wieder mit einem größeren Aufgebot vor Ort. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es allerdings nicht.
Die AfD will ihre Montagsdemo am 14. Dezember 2015 fortsetzen.
Fotos: hier
An einer Kundgebung „gegen Fremdenhass und geistige Brandstiftung“ in Brandenburg an der Havel haben sich am frühen Abend, trotz strömenden Regen, ungefähr 50 Menschen beteiligt. Sie waren dem Aufruf einer Initiative zweier Einzelpersonen gefolgt, die mit dieser Versammlung ein Zeichen setzen wollten. Hintergrund war der mutmaßliche Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in der vergangenen Woche. Die Kundgebung fand deshalb auch in unmittelbarer Nähe des Tatortes am Nicolaiplatz statt. Als Redner traten die beiden Initiatoren Chriss Kühnl und Sebastian Möckel auf. Beide verurteilten die Tat, Kühnl zu dem auch explizit die, seiner Meinung nach, dafür verantwortliche Hetze bestimmter politischer Organisationen. Sebastian Möckel warnte zudem vor neonazistischen Aktivitäten im Stadtgebiet von Brandenburg an der Havel und widersprach dabei deutlich einem Bericht einer Lokalzeitung, demnach keine Szenestrukturen erkennbar wären. Erst wenige Stunden vor dem Brandanschlag, so hätten es ihm Anwohner_innen berichtet, soll eine Gruppe mutmaßlicher Neonazis durch die Altstadt gezogen sein. Diese solle auch verfassungswidrige Parolen skandiert haben, so Möckel in seiner Rede.
Polizeiliche Ermittlungen zur Brandursache laufen
Das momentan vom Brand betroffene, derzeit noch leerstehende Gebäude am Nicolaiplatz war von der Stadt Brandenburg als Notunterkunft für Flüchtlinge geplant. Gemäß Polizeiangaben vom 27. November 2015 war das Feuer von einem Zeugen entdeckt und anschließend von der Feuerwehr gelöscht worden. Von den Flammen betroffen soll jedoch nur der Rahmen eines Außenfensters sein, möglicherweise auch deshalb weil der Brand rechtzeitig entdeckt wurde. Der polizeiliche Staatsschutz (Dezernat 2) der Polizeidirektion West habe inzwischen die Ermittlungen zum Verdacht der Brandstiftung übernommen.Ein fremdenfeindlicher Hintergrund der mutmaßlichen Brandlegung sei momentan nicht auszuschließen.
Zunahme fremdenfeindlich motivierter Straftaten
Leider war der mutmaßliche Brandanschlag auch nicht der erste Versuch in Brandenburg an der Havel mit gemeingefährlichen Mitteln Flüchtlinge zu vertreiben bzw. ihre Unterbringung in der Stadt zu verhindern. Bereits am 25. Juli 2015 hatte es vor der Wohnung einer geflüchteten Familie aus Inguschetien gebrannt. Auch hier wurde der Brand schnell gelöscht und schlimmeres verhindert.
Wie aus einer Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Jolige (DIE.LINKE) vorgeht, nahmen die Attacken auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte auch landesweit zu. Allein von Juli bis September 2015 habe die Polizei demnach 51 dieser Straftaten gezählt, von Januar bis Juni 2015 waren es 26.Im gesamten Jahr 2014 wurden allerdings „bloß“ 36 Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte gezählt, 2013 sogar „nur“ 15.
Fremdenfeindlichkeit spürbar wie lange nicht mehr
Neben den Straftaten mit mutmaßlich fremdenfeindlichen Hintergrund haben übrigens auch die Versammlungen mit derartigem Charakter zugenommen. Dies geht ebenfalls aus der Anfrage der Landtagsabgeordneten Jolige hervor. Demnach haben Veranstaltungen, die sich gegen Flüchtlinge und die Asylpolitik richten, von 61 im Jahr 2013, auf 130 im Jahr 2014 und bisher175 im laufenden Jahr erhöht. Dabei wurden auch die Versammlungen vermeintlicher „Bürgerinitiativen“, der „BraMM/PEGIDA“ und der „Alternative für Deutschland“ (AfD) berücksichtigt. Für eine Vielzahl dieser Versammlungen sind aber nach wie vor einschlägige Neonazis verantwortlich, die sich in der NPD, im „dritten Weg“ oder so genannten „Freien Kräften“ organisieren.
Aktuelle Tendenzen im Brandenburger Neonazimileu
Für die Stadt Brandenburg an der Havel ist eine ähnliche Entwicklung erkennbar. Allein fünfmal zog im ersten Halbjahr 2015 die ursprünglich von einem Republikaner initiierte „BraMM/PEGIDA“ durch die Havelstadt, einmal kam die NPD und einmal der „dritte Weg“. Alle Drei eint ihre ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen. Die scheinbare Aktivität der genannten Organisationen konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass deren lokale Verankerung nur bedingt vorhanden ist. Der Stadtverband der NPD ist schon seit Jahren inaktiv, „dritter Weg“ und „BraMM“ haben überhaupt keine öffentlich erkennbaren Lokalgliederungen vor Ort. Dennoch sind sehr wohl aktive Einzelpersonen und kleinere Gruppen aus Brandenburg an der Havel bekannt, die regelmäßig an Versammlungen der genannten Organisationen teilnehmen. Besonders auffällig war diesbezüglich eine lose Gemeinschaft von fünf bis zehn Personen, die in der Konstellation erst seit 2014 auftritt. Bei Aufmärschen und Kundgebungen fällt diese Gruppe sowohl durch einheitlich gestaltete Kleidungsstücke mit der Aufschrift „Division Brandenburg“ als auch zu ihrer Nähe zum „dritten Weg“ auf. Sie gilt ferner nicht nur als aktionsaffin, sondern tritt durchaus auch als gewaltsuchend auf. Am 20. Februar 2015 provozierten beispielsweise mehrere Mitglieder dieser Gruppe, zu der u.a. auch der mehrfach vorbestrafte Totschläger Sascha L. gehören soll, während eines Gedenkspazierganges für den 1996 von L. getöteten Punker Sven Beuter.
Fotos: hier
Am 28. und 29. November trafen sich in Blossin Aktive aus Initiativen, die in elf Brandenburger Landkreisen für die Unterstützung von Geflüchteten wirken. Das Treffen wurde organisiert von Initiativen aus den Landkreisen Dahme-Spreewald, Uckermark und Oberhavel sowie der Aktion Schutzschild der Amadeu Antonio Stiftung und dem Flüchtlingsrat Brandenburg. Die Opferperspektive e.V. brachte ihre Expertise zum Thema Schutz vor rechter Gewalt und Umgang mit Diskriminierung ein.
Im Vordergrund des Treffens stand die landesweite Vernetzung und der Austausch von Erfahrungen und Fachinformationen zu Themen wie konkrete Unterstützung, Asylrechtsverschärfungen und drohenden Abschiebungen, Umgang mit rechter Gewalt und Bedrohungen, Möglichkeiten der Einflussnahme auf kommunaler Ebene, Partizipation Geflüchteter sowie die Unterstützung von Flüchtlingen in Sammelunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen.
Die Willkommensinitiativen haben die bundesweiten Asylrechtsverschärfungen kritisiert und eine landesweite Zusammenarbeit
sowie kontinuierlichen Erfahrungsaustausch zu flüchtlingspolitischen Themen verabredet. Auf dem Treffen wurde auch die Politik der Landesregierung und das Verwaltungshandeln der Landkreise kritisch diskutiert.
Angesichts mangelnder oder fehlender Aufnahme- und Versorgungsstrukturen beklagten viele Aktive eine systematische Vereinnahmung ihres ehrenamtlichen Engagements. In zahlreichen Einzelfällen und auf unbestimmte Zeit sind es ehrenamtlich Aktive, die staatliche Versorgungsausfälle ausgleichen und mit unsinnigen gesetzlichen Regelungen zu kämpfen haben. Zusätzlich belasten die Ehrenamtlichen Anfeindungen von Rechts, denen sie bereits ausgesetzt sind oder die sie befürchten müssen.
Ein weiteres Vernetzungstreffen wurde für das kommende Jahr vereinbart.
Für Montag, den 30.11. wird im Internet erneut zu einer Demonstration gegen das angebliche Asylchaos aufgerufen. Wir stellen uns dagegen und treffen uns um 19.00 Uhr in der Altstadt. Wir wollen in Strausberg weiter friedlich zusammen leben! Gemeinsam gegen Hetze, Ausgrenzung, Unmenschlichkeit!
Wer jetzt den Weg über das Mittelmeer hierher schafft, flieht unter Lebensgefahr vor Krieg, aus zerstörten Ländern, vor unmenschlichen Zuständen und Hunger in Flüchtlingslagern. Wenn wir diesen Menschen ein menschenwürdiges Leben bieten wollen, muss deshalb keine Strausbergerin und kein Strausberger sein Zuhause verlassen, niemand ist dadurch in seiner Existenz bedroht. Viele von uns helfen — beruflich, ehrenamtlich, privat. Wir wollen hier weiter friedlich zusammen leben, egal, wer wo geboren und aufgewachsen ist.
Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber und Migranten sind für die Organisatoren solcher Demonstrationen das eigentliche Ziel. Lügen, Verdrehungen, Gerüchte über frei erfundene Gewalttaten begleiten Parolen gegen “Rundfunk-Steuer, Genderwahn, Islamisierung, Grenzkriminalität, Hartz IV-Betrug, Mindestlohnlüge, Integrationsindustrie”. Alle sollen sich dahinter versammeln können, die Unzufriedenen und die, die schon immer mal um sich schlagen wollten. Organisatoren, Mitläuferinnen und Mitläufer wissen und lassen es zu, dass solche Demonstrationen die Anschläge auf Unterkünfte und Menschen befeuern. Von Anfang an sind rechtsradikale Drahtzieher die Profiteure solcher Demonstrationen und Aktionen von Pegida und Co. Wer diesen Parolen folgt, demonstriert seine Bereitschaft, Gewalt in den Alltag zu tragen, Hass zu rechtfertigen, Gesundheit und Leben von Menschen zu beschädigen.
Wir lehnen die Diffamierung und Ausgrenzung von Menschen ab: Es gibt kein einziges Problem, das mit Hass und Gewalt gegen Ausländerinnen und Ausländer gelöst werden könnte, außer unbefriedigten rassistischen Gewaltphantasien. Wer das bestreitet, belügt sich und andere und will mit Rassismus nach und nach die Grundlagen unseres Zusammenlebens zerstören.
Stellen Sie sich mit uns dieser rassistischen Verhetzung entgegen! Am Montag, 30. November, 19 Uhr, Strausberg, Buchhorst / Müncheberger Straße.
„Strausberger Bündnis für Menschlichkeit“
An einer Versammlung der Partei des „dritten Weges“ auf dem Marktplatz in Genthin (Sachsen-Anhalt) nahmen heute Mittag ungefähr 30 Personen, darunter auch eine Delegation der Partei DIE.RECHTE aus den Landkreisen Jerichower Land und Stendal, teil. Die Veranstaltung war stationär, als Kundgebung, angemeldet und beinhaltete im Wesentlichen die Aufstellung eines Infotisches, das Verteilen von Propaganda sowie das Abhalten zweier Redebeiträge. Gegen die neonazistische Versammlung protestierte eine Gruppe von ungefähr 20 Menschen unter dem Motto „Nie wieder Faschismus“. Die Proteste waren erst vor Ort angemeldet worden.
Der dritte Weg in Sachsen-Anhalt
Der dritte Weg trat im Bundesland Sachsen-Anhalt erstmals am 21. Juni 2014 während eines Aufmarsches in Merseburg in Erscheinung, gut sechs Monate später, am 6. Dezember 2015, erfolgte am selben Ort eine Infoveranstaltung. Seit dem 4. April 2015 existiert ebenfalls dort, einschließlich der Großstädte Halle/Saale und Leipzig, ein Stützpunkt „Mittelland“.
Im Norden Sachsen-Anhalts war die 2013 gegründete „Partei“ jedoch bisher noch nicht aktiv.
Für den Landkreis Jerichower-Land sieht sich eher deren scheinbare Konkurrenzpartei DIE.RECHTE, deren Gebietsleiter Ingo Zimmermann in Burg bei Magdeburg residiert, zuständig. Allerdings scheint es doch freundschaftliche Verbindungen zwischen den beiden „Parteien“ zu geben. So nahm Zimmermann heute mit einer kleinen Delegation aus Burg und Stendal an der Kundgebung des „dritten Weges“ Teil. Dabei trug er auch einen offenbar bewusst gewählten Pullover mit der Aufschrift „DIE.RECHTE – Kreisverband Magdeburg / Jerichower Land“.
Der dritte Weg in Genthin
Dennoch scheint es auch in Genthin Einzelpersonen zu geben, die sich eher dem „dritten Weg“ zugehörig fühlen. Im Ort macht seit geraumer Zeit zumindest eine junge Dame mit der Verbreitung derartige Propaganda auf sich aufmerksam. Diese scheint auch in enger Beziehung zu der vor allem in einem sozialen Internetnetzwerk aktiven Initiative „Keine Erstaufnahmestelle in Genthin“ zu stehen. Auch für die heutige Versammlung hatte die junge Frau geworben, nahm jedoch nicht an dieser Teil. Sie wurden allerdings, etwas abseits mit einem Begleiter stehend, erkannt.
Weiterhin hatten Unbekannte, offenbar im Vorfeld der heutigen Versammlung auf dem Marktplatz, im Stadtgebiet von Genthin mehrere Plakate des „dritten Weges“ mit der Aufschrift: „Asylflut stoppen“ angebracht.
Ob das Engagement des „dritten Weges“ mit „Protesten“ gegen die Unterbringung von Flüchtlingen im Ort oder gar den kommenden Landtagswahlen im März 2016 zusammenhängt blieb hingegen unklar. Neben den auswärtigen Neonazis nahmen jedenfalls auch Einzelpersonen aus der Stadt Genthin und dem näheren Umland teil.
Unterstützung aus Brandenburg
Angemeldet worden war die Versammlung heute Mittag jedoch offenbar von Brandenburger Neonazis. Eine Abordnung mehrerer Autos aus Potsdam und Potsdam-Mittelmark war kurz vor 10.00 Uhr am Versammlungsort eingetroffen. Als polizeilicher Ansprechpartner und augenscheinlicher Versammlungsleiter trat Manuel Schmidt aus Kloster Lehnin auf. Als Redner fungierte u.a. der ursprünglich aus Bad Belzig stammende Pascal Stolle. In seinem Redebeitrag nahm Stolle kein Blatt vor dem Mund, meinte in seinem neuen Wohnort Eisenhüttenstadt angeblich „vor lauter Ausländer … nicht mehr treten“ zu können, verunglimpfte „Schwarzafrikaner“ pauschal als „Drogendealer“ und sprach im Hinblick auf die steigenden Flüchtlingszahlen von einer „Überschwemmung“ durch „Fremdrassige“.
Wiedersehen in Genthin
Ein Teil der heutigen Sympathisant_innen der Partei „der dritte Weg“ waren heute übrigens nicht das erste mal in Genthin. Einzelpersonen aus Potsdam und Potsdam-Mittelmark, darunter auch Manuel Schmidt, nahmen bereits am 7. Juni 2008 an einem Aufmarsch der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) in der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt teil. Unter dem Motto „Nationale Zentren erkämpfen – Polizeistaat abschalten“ hatten damals ungefähr 200 Neonazis für den Erhalt eines Szenetreffpunktes demonstriert, in dem auch einschlägige Rechts Rock Konzerte stattfanden. Zu dieser Zeit gab es eine enge Verbindung zwischen den JN-nahen „Freien Kräften Genthin“ und den aus dem Potsdamer JN Stützpunkt hervorgegangenen „Freien Kräften Potsdam“, die später als „Inforportal Potsdam“ und „Lichtschatten“ in Erscheinung traten und nunmehr den harten Kern des Stützpunktes „Potsdam/Mittelmark“ innerhalb des „dritten Weges“ bilden.
Aus dem sachsen-anhaltinischen Stützpunkt „Mittelland“ war heute hingegen offenbar niemand angereist.
Fotos: hier
In der Nacht vom 26. auf den 27. November verübten bisher unbekannte Täter_innen auf das Gebäude der alten Nicolaischule einen Brandanschlag. Das Haus sollte in den kommenden Wochen als Notunterkunft für Geflüchtete dienen. In Vorbereitung auf die Belegung wurden die einzelnen Räume schon eingerichtet und das ehemals als Schule genutzte Gebäude ist bereit für die Belegung.
Während einer Einwohner_innenversammlung am 27. Oktober wurde von der Stadtverwaltung deutlich gemacht, dass dieses Gebäude nur eine Zwischenlösung sei, denn im Anschluss braucht die neu entstandene Medizinische Hochschule die Räume für ihre Zwecke. Gleichzeitig gehörte diese Einwohner_innenversammlung zu denen, die am wenigsten Diskussionen hervorbrachten.
Dass dieser Anschlag nicht aus heiterem Himmel kommt, sondern es schon seit Beginn des Jahres vermehrt rassistische und neonazistische Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen gibt, muss allen klar sein. Den Anfang machte der lokale PEGIDA-Ableger BraMM mit insgesamt fünf Spaziergängen. Es folgten Kundgebungen des neonazistischen III. Wegs und der NPD. Gleichzeitig treten wieder vermehrt Aufkleber, Plakate und Flugblätter dieser Organisationen in der Havelstadt auf. Des Weiteren nahmen bei zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen im Land Brandenburg wiederholt Neonazis aus Brandenburg an der Havel teil.
Neben diesen politischen Aktionen gibt es aber auch immer wieder Übergriffe auf Geflüchtete, so wurde beispielsweise am 09. März ein Kenianer in der Straßenbahn beleidigt und geschlagen und am 24. Juli wird ein Tunesier rassistisch beleidigt und geschlagen. Hinzu kommen zahlreiche alltagsrassistische Erfahrungen von Geflüchteten, welche nicht zur Anzeige gebracht wurden. Hierzu zählen das Anrempeln von Geflüchteten, dass vor ihnen Ausspucken oder rassistische Beleidigungen.
Es ist somit eine Kontinuität von rassistischen und neonazistischen Aktivitäten in der Havelstadt zu erkennen, waren es am Anfang des Jahres nur Demonstrationen und Kundgebungen, sind es mittlerweile Übergriffe und Brandanschläge.
Wir wissen wohin solche Taten führen können, die Bilder von Rostock-Lichtenhagen und Mölln haben wir nicht vergessen, genauso wenig den Mord an Sven Beuter in Brandenburg an der Havel. Der Wind dreht sich, wenige rassistische und neonazistische Bürger_innen machen gegen Geflüchtete Stimmung und es ist an uns ihnen entgegen zu treten. Wenn geplante Unterkünfte brennen, wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder aufgrund ihres Engagements für Geflüchtete sich nicht mehr sicher fühlen und die Polizei zuschaut, ist es an der Zeit sich zu organisieren und zu wehren.
Wir dürfen einen neonazistischen und rassistischen Terror wie in den 1990er Jahren in der Stadt nicht dulden, wir dürfen es nicht zulassen, dass Menschen die vor Krieg, Hunger und Armut fliehen hier in Angst leben müssen, wir müssen uns zusammentun und gemeinsam gegen Rassismus, Neonazismus und Diskriminierung aufbegehren.
Organisiert euch!
Bildet euch!
Wehrt euch!
Linksjugend [´solid] Brandenburg an der Havel
Antifa Jugend Brandenburg
INFORIOT Diese Woche fanden in Brandenburg erneut mehrere neonazistische Aufmärsche statt. Am Dienstag marschierte die sog. “Bürgerwehr Havelland” mit knapp 600 Personen durch Rathenow. 270 Personen nahmen am siebten “Abendspaziergang” in Oranienburg teil und in Cottbus führte die AfD eine Demonstration mit knapp 600 TeilnehmerInnen durch. Neben den Brandenburger AfD-Fraktionsvorsitzenden und Bundes-Vize Alexander Gauland, sprach in Cottbus ebenfalls der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke. Am Freitag fand in Cottbus-Sachsendorf außerdem eine weitere NPD Kundgebung statt.
Oranienburg: 270 bei rechten “Abendspaziergang”

Am Mittwoch marschierten zum siebten Mal RassistInnen und Neonazis gegen Geflüchtete in Oranienburg auf. An der Demonstration, die durch die dunklen Straßen Oranienburgs führte, nahmen knapp 270 Menschen teil. Wie auch schon die Aufmärsche zuvor, wurde die Veranstaltung durch die örtliche NPD unterstützt und angeführt (Inforiot berichtete). Die Eröffnungsrede hielt wie schon die Aufmärsche zuvor das vermeintliche JN und NPD Mitglied Martin Ulbrecht. Die mobile Sprechanlage betreute des bekannte JN Mitglied Philipp Badczong. Auch aus den benachbarten Landkreisen Ostprignitz-Ruppin und Barnim waren Neonazis angereist. So war der Neuruppiner NPD Stadtverodnete Dave Trick, sowie der NPDler Andreas Rokohl. Zu dem wurde das NPD-Transparent zur aktuellen Kampagne “Asylbetrug macht uns arm” auf der Demonstration mitgeführt.

Diese Mal wurde von Seiten der örtlichen Zivilgesellschaft auf eine Gegendemonstration verzichtet. Stattdessen wurde der “Abendspaziergang” für seine TeilnehmerInnen zu einem unfreiwilligen Spendenlauf. Für jeden Kilometer, den einE DemonstrantIn zurückgelegt hat, soll ein Euro an “Willkommen in Oranienburg” gespendet worden sein. Zu der Aktion rief das Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg auf, Tage zuvor hatten sich kleinere Unternehmer_innen und Einzelpersonen für Spenden bereit erklärt. Am 16. Dezember soll der nächste “Abendspaziergang” stattfinden.

Weitere Bilder: hier.
Cottbus: NPD pausiert bis Januar
Nachdem am Mittwoch, den 25. November, knapp 600 Neonazis und RassistInnen an einer AfD Demonstration gegen Asyl teilgenommen haben, floppte die NPD am Freitag grandios. Zu der vierten NPD Demonstration im Stadtteil Sachsendorf waren lediglich 60 Personen erschienen, sodass die OrganisatorInnen auf eine Demonstration verzichteten und eine einstündige Kundgebung abhielten. Auf der Demonstration sprachen die NPD MultifunktionärInnen Aileen Rokohl und Ronny Zasowk. Mit den Worten “Das wars für heute” beendete Oliver Schierack die Kundgebung und kündigte eine Demonstrationspause bis Januar an.
Somit ist der NPD endgültig misslungen auf den Anti-Asyl-Zug in Cottbus aufzusteigen. Nachdem “besorgte BürgerInnen” sich Anfang Oktober zu spontanen Versammlungen auf dem Normaparkplatz in der Lipezker Straße versammelt hatten, hielt die NPD in einem zweiwöchigen Rhytmus Demonstrationen ab um das rassistische Potential auszuschöpfen (Inforiot berichtete). Mit jeder Demonstration sank die Zahl der TeilnehmerInnen. Gleichzeitig fing die AfD an ebenfalls Demonstrationen im monatlichen Rhytmus in Cottbus abzuhalten. Auch andere Gruppierungen scheinen in der AfD einen potentielles Zugpferd für die rassistische Mobilisierung zu sehen. Laut Augenzeugenberichten waren am Mittwoch bei der AfD-Demonstration MitgliederInnen des “III.Weg”, sowie der Verein “Zukunft Heimat e.V.”, welcher als eines der Nachfolgeprojekte der Spreelichter vermutet wird, vertreten. Letzteres präsentierte sich sogar mit einem Transparent und kündigte eine weitere Demonstration in der Spreewaldregion an. Für den 5. Dezember ist in Lübbenau eine Demonstration angemeldet.
Unter dem Banner des „Sturmvogels“
Der junge Bundesführer aus Bayern steht stramm. Sein Ton ist zackig, die Arme hält er angewinkelt. Auf dem grünen Uniformhemd prangt am Ärmel das „Schild“ des Bundes, der schwarze Vogel auf weiß-rotem Hintergrund. Das Halstuch hat der junge Mann mit dem scharfen Scheitel verknotet. Streng kontrolliert der Anführer den Aufbau der schwarzen Kohten, die in drei Viererreihen errichtet werden. Neben ihm scharen sich seine Unterführerinnen und ‑führer. In Reichweite gibt es zwei hölzerne Klohäuschen und die schwarze Doppeljurte für die Treffen. Die ankommenden Kinder und Jugendlichen sowie deren Eltern werden mit „Heil Dir“ oder „Heil Euch“ begrüßt. Die dunkelhaarige Unterführerin Freke S. aus dem thüringischen Landkreis Nordhausen kontrolliert mit strengem Gesichtsausdruck die Anmeldungen auf dem Zettel ihres Klemmbrettes. Über 70 Schützlinge werden 2015 zum Sommerlager des rechtslastigen „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ in Brandenburg erwartet.
Ein dunkler Wagen mit einem Demminer Kennzeichen fährt vor. Der Mann, der mit seinem Sohn aussteigt, ist bekannt in der Revisionisten- und Holocaust-Leugner-Szene: Bernhard Schaub. Der Schweizer hat es nicht weit bis ins brandenburgische Grabow, er gehört zu den Neusiedlern in Mecklenburg. Schaub war ehemaliger Vorsitzender des verbotenen „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV). Seine Wut scheint sich der „Vordenker“ jüngst in einem Artikel für die rechtsextreme „Stimme des Reiches“, Sonderheft Nummer 5/2015, von der Seele, geschrieben zu haben. Dort heißt es unter anderem: „Dass wir die willigen Sklaven der Bananenrepublik Deutschland in einem Scheineuropa sind, das de facto seit 1945 eine amerikanisch-zionistische Kolonie geworden ist.“ Auch echauffiert sich der ehemalige Waldorff-Lehrer über die westliche „Verhausschweinung“. Wer keine ästhetischen Prinzipien habe, bemerke auch die „Entartung der Kunst“ nicht und der fände auch „Popmusik ‚cool’ und die Überfremdung ‚okay’, den stören Döner-Buden, Cola-Dosen und schwarze Gesichter eben nicht“.
In der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ aktiv
Seinen Sohn schickt der umtriebige Szene-Aktivist ins strenge, einwöchige Sommerlager des „Sturmvogels“ mit Frühsport, Strammstehen und „Arbeitseinsätzen“. Die Fahne der Organisation ist bereits gehisst. Ein Mann mit Brille im blauen Fischerhemd läuft herum. Er beordert ansonsten den NPD-Ordnungsdienst „Waterkant“. Frank Klawitter aus Greifswald hat seine Jungs abgeliefert. In den 1990er Jahren galt er als „Führer von Greifswald“ und wurde mit Wehrsportübungen in Verbindung gebracht. Bis zum Verbot der verfassungsfeindlichen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) bildete er in der „Einheit Mecklenburg und Pommern“ aus.
In der HDJ waren auch die beiden Frauen aktiv, die nun die „Sturmvogel“-Lagerküche versorgen: Petra Müller aus Lalendorf und Gesine S. aus Hohen-Neuendorf in Brandenburg. Müller gehörte 2006 zu den Gründerinnen des NPD-nahen „Rings Nationaler Frauen“, sie fährt seit Jahren zu den konspirativen Treffen der rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“. Zwei ihrer jüngsten Kinder unterrichtet die gebürtige Österreicherin zuhause in Lalendorf. Auch der Nachwuchs ihrer Nachbarn war schon beim „Sturmvogel“. S. beteiligte sich unter anderem 2007 am großen Pfingstlager der HDJ in Eschede, der Ehemann stammt aus der Kameradschaftsszene, die Schwester war Bundesführerin der HDJ.
Zum Fahnenappell der Größe nach im Kreis
Mit dabei beim „Sturmvogel“-Lager in Grabow ist in diesem Sommer auch Ingeborg Godenau aus dem hessischen Sebbeterode. Ihr Ehemann ist führendes Mitglied der dortigen NPD und erschien kürzlich beim Prozess gegen die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Sich selbst und ihre Kinder hat die ehemalige Lehrerin seit langem in den Jugendbund eingebracht. Eines der ersten Zeltlager fand auf dem Godenau- Anwesen statt. Die älteste Tochter siedelte nach Mecklenburg, einer der Söhne führte 2010 das Winterlager in Recknitzberg nahe Bad Doberan an und vertrieb Medienvertreter mit Schlägen gegen die Kamera.
In dem kleinen Dörfchen Grabow ist das Lager gut sichtbar, doch fast niemand scheint sich daran zu stören. Am frühen Morgen werden die Kinder und Jugendlichen zusammengetrommelt und zum Fahnenappell nach der Größe in einem Kreis aufgestellt. Sie rühren sich kaum. Die weiblichen und männlichen Anführer blicken streng. Derzeitige Bundesführerin ist Dietlind B., eine junge Pädagogin aus der Nähe von München. Die Mädchen tragen alle altmodische, schwarze Röcke, grüne Uniformhemden und Zöpfe oder geflochtene Frisuren. Die Anstrengung ist den Kleineren anzusehen. Die Zeremonie mit Reden und Gesang dauert an diesem Tag annähernd eine Stunde. Manche Gesichter sehen müde aus. Hilfesuchend blicken sich die Mädchen an, doch keines wagt es wohl, aus der Reihe zu tanzen. Nach einiger Zeit lächelt kaum noch eines.
„Bunter Abend“ mit Eltern und Verwandten
Als alles vorüber ist, sackt ein kleiner Junge in grünem Hemd und Ledersandalen lautlos auf den Boden. Einer der jungen Anführer hebt ihn hoch. Der Körper des Kindes hängt schlaff herunter, es scheint bewusstlos. Nach einiger Zeit steht der Junge wieder, zwei Anführer legen ihm die Arme auf die Schultern. An einem Abend in dieser Woche fährt ein Notarztwagen zum Lager. Höhepunkt des „Sommerlagers“ ist ähnlich wie bei der HDJ der „Bunte Abend“, zu dem auch viele Eltern und Verwandten erwartet werden.
Die meisten Angehörigen des „Sturmvogels“ stammen aus „Sippen“, deren ältere Mitglieder noch die soldatische Erziehung der 1994 verbotenen „Wiking Jugend“ mitbekommen haben. Die WJ erzog den Nachwuchs offen militant und im Sinne des Nationalsozialismus, der „Sturmvogel“ wählte einen gemäßigteren Weg, doch die Organisation scheut den Kontakt zu Neonazis nicht. 1987, nach der Abspaltung von der „Wiking-Jugend“, hatte der Antiquar Rudi Wittig zunächst die Führung des Jugendbundes übernommen. Mitglieder seiner weitläufigen Familie waren sowohl in der WJ, der HDJ als auch dem Sturmvogel aktiv. Ursprünglich sollte auf einem Gutshof nahe Wismar das „Bundeshaus“ entstehen. Das Anwesen diente bereits für Treffen, doch das Vorhaben scheiterte. Selbst den Jüngeren ist Wittig noch ein Begriff, obwohl er sich kaum noch einzubringen scheint. Das Antiquariat hat er inzwischen aufgegeben. Antifa-Recherchen zufolge zeigte sich der erste „Sturmvogel“- Anführer 2015 bei einer Versammlung der extrem rechten „Identitären Bewegung“. Ein weiteres Gründungsmitglied des „Sturmvogels“ aus Baden-Württemberg beteiligte sich an Treffen der rassistischen „Artgemeinschaft“ und referierte 2012 für den rechtsextremen Verein „Gedächtnisstätte“.
Angetreten, um das „große deutsche Kulturerbe“ zu bewahren
Die „Sturmvögel“ bezeichneten sich in der Vergangenheit als „volkstreu eingestellte Deutsche“, die die Kameradschaft von Kindern und Jugendlichen im Alter von drei bis 18 Jahren fördern und Eltern bei der Erziehung zur Seite stehen wollten. Wie bei der „Wiking-Jugend“ sind Mädchen- und Jungendarbeit getrennt. Fahrten der Gruppen führen nach „Westpreußen“, „Südtirol“, in das Elsass oder nach „Siebenbürgen“. Der Jugendbund war angetreten, um das „große deutsche Kulturerbe“ zu bewahren. Zöglinge lernen Runenschrift, geben den Monaten germanische Namen. Gesungen werden in diesen Kreisen Lieder wie eines von Falko Stegmann mit Zeilen, die lauten: „Es herrscht im Land die kranke Macht, das Wachstum der Geschwüre. So grabet Euch den eigenen Schacht, der Kinder Aug ist Türe. (…) und schmettern die Ketten der Mächte entzwei, der Wille der Tat, der macht uns frei.“
Anders als die HDJ sind die „Sturmvögel“ um unauffällige Außenwirkung bemüht. Kinder und Jugendliche sollen sich nebenher beim Roten Kreuz oder in Feuerwehren engagieren, hieß es intern. Langjähriges Mitglied des „Sturmvogels“ war die heutige Landesvorsitzende der NPD-Frauenorganisation in Baden-Württemberg, Edda Schmidt. Deren Tochter, die in der Nähe von Uelzen lebt, gilt als Akteurin im Hintergrund. Der Name von Irmhild S. fiel auch im Prozess 2015 um den Tod des kleinen Siedlerkindes Sighild, deren Eltern zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden, weil sie das diabeteskranke, vierjährige Mädchen nicht ausreichend mit Insulin versorgt hatten. Die Mutter von Sighild war mit Irmhild S. befreundet, beide sollen Anhängerinnen des antisemitischen Begründers der „Germanischen Neuen Medizin“, Ryke Geerd Hamer, sein, der in der Bundesrepublik nicht praktizieren darf. Edda Schmidts Tochter und derem Ehemann wird Einfluss in der völkischen Szene nachgesagt. Tanztreffen oder Brauchtumsfeiern fanden auf dem geräumigen Anwesen in Niedersachsen statt.
Den Jungen wird viel über Wehrmacht und SS beigebracht
Kinder rechter Familien aus Koppelow, Lalendorf, Berlin, Bansow, Bautzen, Kassel, dem Ilmkreis, Marburg, der Lüneburger Heide und einigen weiteren Regionen und Orten nehmen an deren geheimen Zusammenkünften wie in Grabow teil. Kleinere Lager und „Heimabende“ finden regional statt in den Mädel- und Jungengruppen, die Heidelerchen, Seeschwalben, Sonnenreiter oder Wald- und Werwölfe heißen. Die Organisation ist ebenso wie bei der HDJ hierarchisch gegliedert. Nicht immer scheint es wirklich kindgerecht zuzugehen. Dann liefern Eltern den Nachwuchs erst spät in der Nacht an. Disziplin und Härte scheinen verlangt zu werden. Die Sprache ist streng reglementiert, Anglizismen sind unerwünscht, so wird ein Pullover eingedeutscht zum „Überzieher“.
In der Vergangenheit soll es auch schon mal zehn Liegestützen als Strafe für ein „falsches Wort“ gegeben haben. Das Strafmaß hängt demnach vom Ermessen der jeweiligen Lagerleitung ab. Kinder lernen Feindbilder kennen, die breite Gesellschaft wird in vielen „Sippen“ allgemein als zu modern, tolerant und dekadent verachtet. Neben der Einwanderungspolitik findet vor allem auch das Thema Homosexualität in diesen Kreisen massive Ablehnung. Jeans, eine Erfindung des jüdischen Industriellen Levi Strauss, gilt es nicht zu tragen. Vor allem den Jungen wird viel über Wehrmacht und SS beigebracht, die „Helden“ der NS-Zeit sind in diesen Familien omnipräsent.
Sommerlager auf dem Anwesen des Ortsvorstehers
Vor dem HDJ-Verbot trafen sich unter anderem Mitglieder der „Heimattreuen“ und des „Sturmvogels“ zum „Überbündischen Burgfest“ wie 2004 auf der Wewelsburg. Das letzte bekannte größere Lager gab es im hessischen Treisbach, die rund 50 Teilnehmer kamen unter anderem aus Güstrow und Hamburg. Es wurde auf einer Wiese errichtet.
Das Sommerlager in Grabow dagegen fand auf dem Anwesen des ehrenamtlichen Ortsvorstehers von Grabow statt. Markus K. betreibt dort eine Kommune, die vor allem in esoterischen Kreisen unter den Begriffen „Familienlandsitze“ und „Landfreikauf“ geläufig ist. „Goldenes Grabow“ nennen sie ihr Projekt und feiern Festivals, Brauchtumsfeste und Tanzveranstaltungen. Unter den Referenten, die auf einer Homepage angezeigt werden, sind völkische Rechte, aber auch scheinbar unpolitische Lebenskünstler. K. selbst besuchte 2007 das Ostertreffen des antisemitischen „Bunds für Gotterkenntnis – Ludendorffer“. Für Grabow plant die Siedlergruppe laut Homepage „Landolfswiese“ eine eigene „Godenschule“.
Dem „Sturmvogel“ gewährten der Ortsvorsteher und seine Ehefrau für eine Woche Aufenthalt. Wenige Wochen zuvor fanden im Juni dort die so genannten „Anastasia-Festspiele“ mit Sommersonnenwende statt. Die esoterisch-spirituelle „Anastasia-Bewegung“ stammt aus Russland. Sekten-Experten bringen sie mit dem Neuheidentum in Verbindung. Die österreichische Tageszeitung „Der Standart“ ordnete ihr einen „Mix aus esoterischen und rechtsextremen Ideen“ zu. Zu den Festspielen gehörten auch Wettkämpfe, zu denen die „Urgewaltigen“ aufgefordert hätten. Bei Baumsteinweitwurf, Barfußlauf und Feldsteinzielwurf maßen sich die bunt gekleideten Teilnehmer. In dem kleinen Ort selbst scheint das Treiben ignoriert zu werden. Doch die uniformierten Kinder, die im August durchs Dorf zogen, können die Anwohner nicht übersehen haben.