Für Montag, den 16.11. wird im Internet zu einer Demonstration gegen das angebliche “Asylchaos” aufgerufen. Wir stellen uns dagegen und treffen uns um 19.00 Uhr in der Altstadt. Wir wollen in Strausberg weiter friedlich zusammen leben! Gemeinsam gegen Hetze, Ausgrenzung, Unmenschlichkeit!
Wer jetzt den Weg über das Mittelmeer hierher schafft, flieht unter Lebensgefahr vor Krieg, aus zerstörten Ländern, vor unmenschlichen Zuständen und Hunger in Flüchtlingslagern. Wenn wir diesen Menschen ein menschenwürdiges Leben bieten wollen, muss deshalb keine Strausbergerin und kein Strausberger sein Zuhause verlassen, niemand ist dadurch in seiner Existenz bedroht. Viele von uns helfen — beruflich, ehrenamtlich, privat. Wir wollen hier weiter friedlich zusammen leben, egal, wer wo geboren und aufgewachsen ist.
Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber und Migranten sind für die Organisatoren solcher Demonstrationen das eigentliche Ziel. Lügen, Verdrehungen, Gerüchte über frei erfundene Gewalttaten begleiten Parolen gegen “Rundfunk-Steuer, Genderwahn, Islamisierung, Grenzkriminalität, HartzIV-Betrug, Mindestlohnlüge, Integrationsindustrie”. Alle sollen sich dahinter versammeln können, die Unzufriedenen und die, die schon immer mal um sich schlagen wollten. Organisatoren, Mitläuferinnen und Mitläufer wissen und lassen es zu, dass solche Demonstrationen zur Zeit die Anschläge auf Unterkünfte und Menschen befeuern. Von Anfang an sind rechtsradikale Drahtzieher die Profiteure solcher Demonstrationen und Aktionen von Pegida und Co. Wer diesen Parolen folgt, demonstriert seine Bereitschaft, Gewalt in den Alltag zu tragen, Hass zu rechtfertigen, Gesundheit und Leben von Menschen zu beschädigen.
Wir lehnen die Diffamierung und Ausgrenzung von Menschen ab: Es gibt kein einziges Problem, das mit Hass und Gewalt gegen Ausländerinnen und Ausländer gelöst werden könnte, außer unbefriedigten rassistischen Gewaltphantasien. Wer das bestreitet, belügt sich und andere und will mit Rassismus nach und nach die Grundlagen unseres Zusammenlebens zerstören.
Stellen Sie sich mit uns dieser rassistischen
Verhetzung entgegen! Montag, 13. November, 19 Uhr, Strausberg, Altstadt.
Bündnis „Strausberg Nazifrei“
INFORIOT Bereits zum dritten Mal marschierte die NPD unter dem Motto “Das Boot ist voll” gegen Geflüchtete in Cottbus-Sachsendorf auf. An der Demonstration nahmen 150–200 Neonazis und RassistInnen teil. Während sich die NPD bei den ersten Demonstrationen noch um ein “bürgerliches” Auftreten bemüht hatte, leugnete sie an dem gestrigen Freitag nicht mehr die Parteinähe der Veranstaltung.
Die Demonstration in Cottbus. Das Fronttransparent: ein Banner der NPD.
Die Demonstration begann am Zelt auf dem Gelsenkirchener Platz mit einer Ansprache von dem Anmelder Oliver Schierack und der Brandenburger NPD-Schatzmeisterin und Vorsitzende des Kreisverbandes Barnim-Uckermark, Aileen Rokohl. Danach bewegte sich der Aufzug unter Rufen wie “Kriminelle Ausländer Raus” oder “Wie wollen keine Asylantenheime” in die Gelsenkirchener Straße. In Höhe des Lidls, mitten im Nichts, hielt die Demonstration eine Zwischenkundgebung ab, auf der der stellvertretende Vorsitzende der NPD Berlin, Stefan Lux, der von Oliver Schierack als “Politikwissenschaftler” angekündigt wurde. Stefan Lux sprach von einer “wahren Sinnflut von Fremden”, die Deutschland “überschwemmen” würde. Er hetzte gegen Geflüchtete und bezeichnete sie als “bildungsfeindlich”, von der “islamistischen Hassideologie” und “menschenverachtendem Rassismus” besessen, die nur wegen Sozialleistungen her kommen würden. Nach einer kurzen Ansprache ging die Demonstration zurück und bog in die Ricarda-Huch-Straße ein. Stefan Lux bei der Zwischenkundgebung in der Gelesenkirchener Straße.
Im Wohngebiet in der Helene-Weigel-Straße wurde eine weitere Zwischenkundgebung abgehalten. Dort hielt der Görlitzer NPD-Funktionär Andreas Storr eine längere Rede. In seiner Hetzrede prangerte er die Politik an, die “die Lebensinteressen [des] Volkes Tag täglich verrät und verletzt”. Er sprach von “paradisischen Zuständen” in Cottbus, anders als der “vordere Orient in Europa”, womit er den Duisburger Stadtteil “Marxlohe” (Fehler im Original) meinte. Außerdem sprach er davon, dass ganze “Völkerschaften” nach Deutschland kommen würden, die “naturgegeben” unter sich bleiben wollen. Storr prophezeite, dass die Deutschen zu einer Minderheit werden und dass Deutschland “Mord und Totschlag” vorherrschen würde.
Von der Helen-Weigel-Straße führte die Demonstration dann über die Berthold-Brecht-Straße zurück zum Ausgangspunkt. Ohne einer Abschlussrede meldete Oliver Schierack die Demonstration ab. Proteste gegen den NPD-Aufmarsch blieben an diesem Tag aus. NPD kein Zugpferd in Cottbus
Die geringe TeilnehmerInnenzahl deutet darauf hin, dass die flüchtlingsfeindlichen Proteste in Cottbus an Antrieb verlieren. Am 9. Oktober versammelten sich knapp 40o Menschen auf den Norma Parkplatz in der Lipezker Straße zu einer unangemeldeten Versammlung, um von dort aus zur Notunterkunft in der Pozaner Straße zu ziehen. Dort fand zeitgleich ein Willkommensfest statt (Inforiot berichtete). Wöchentlich folgten Demonstrationen von der NPD und durch den mutmaßlichen Reichsbürger Rico Handta.
Wie schon bei den Demonstrationen zuvor offenbart sich, dass die NPD nicht das richtige Zugpferd für die Anti-Asyl-Mobilisierung in Cottbus ist. Mit den abwechselnden Demonstrationen der NPD und von Rico Handta im zweiwöchigem Rhytmus splittet sich inzwischen die potenzielle TeilnehmerInnenzahl in unterschiedliche Spektren auf. Bekannte NPD-Aktivisten geben sich aggressiv
Während Andreas Storr in seiner Rede betonte, dass in seiner 30-jährigen NPD-Arbeit noch nie Gewalt durch die Partei ausging, sondern nur von den “bezahlten Antifa-Truppen”, bewiesen einige NPD Funktionäre im Verlauf der Demonstration genau das Gegenteil. So versuchte der Vize-Vorsitzende des Lausitzer NPD-Kreisverbandes, Alexander Bode, Pressevertreter_innen einzuschüchtern. Bode gilt als der Haupttäter der Hetzjagd von Guben 1999, in Folge dessen der Asylsuchende Farid Guendoul verstarb. Nach Auflösung der Demonstration kam es zu einem versuchten Übergriff: Mehrere Personen, darunter auch der Gubener NPD-Verordnete Markus Noack, nahmen Pressevertreter_innen ins Visier. Durch die Polizei konnte die Eskalation jedoch verhindert werden. Blaues Cappy rechts vom Transparent: Oliver Schierack im Gespräch mit Alexander Bode (rechts) Weitere Veranstaltungen in Brandenburg
In zwei Wochen will die NPD erneut in Cottbus aufmarschieren. Ebenso hat die Alternative für Deutschland für den 25. November eine weitere Demonstration mit dem Brandenburger Parteichef Alexander Gauland angekündigt.
Auch in weiteren Städten Brandenburgs hält die rassistische Mobilisierung an. Am Samstag, den 14. November, wollen die BB.Patrioten eine Demonstration in Prenzlau abhalten. Für Montag, den 16. November, will BraMM eine Kundgebung in Strausberg abhalten. Ebenfalls will die AfD am Montag eine Demonstration in Pritzwalk abhalten. Als Redner werden die landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz und Steffen Königer angekündigt. Am Dienstag, den 17. November will das NPD-nahe “Bürgerbündnis Havelland” eine dritte Demonstration in Rathenow abhalten. Weitere Demonstrationen sollen am Freitag, den 20. November, in Jüterbog und am 21. November in Lindow stattfinden. Indes plant die NPD ebenfalls am kommenden Sonnabend eine Kundgebungstour duch Nordbrandenburg. In Templin, Angermünde und Bad Freienwalde wollen sie Halt machen. Als Redner der Kundgebungstour sind der Stargarder NPD-Stadtverordnete Norman Runge und der Landtagsabgeordnete Michael Andrejewski aus Mecklenburg-Vorpommern angekündigt. Bilder: hier.
Am 7. November 1992 wurde Rolf Schulze in Lehnin von drei Neonazis zusammengeschlagen, ertränkt und verbrannt.
Am 20. Februar 1996 wurde Sven Beuter in Brandenburg an der Havel von einem Neonazi zu Tode getreten.
Diese Morde sind nur zwei von über 180 die seit der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik verübt wurden. Beide Fälle eint, dass die Menschen von bekennenden und organisierten Neonazis ermordet worden sind. Beide Männer mussten sterben, weil sie „kein Recht, [haben] unter der strahlenden Sonne zu leben“, wie es einer der Mörder von Rolf Schulze während der Gerichtsverhandlung verlauten ließ.
Rolf Schulze war zu seinem Todeszeitpunkt im Jahre 1992 wohnungslos und schlief häufig auf Bahnhöfen. Des Weiteren ging er keiner geregelten Arbeit nach. Dies allein machte ihn zum potentiellen Opfer. Die drei Täter sahen in ihm nur eine Belastung für die Gesellschaft und befanden daher, dass sie im Sinne dieser agieren, wenn sie ihn misshandelten und in letzter Konsequenz töteten. Aus ihrer Ideologie machten sie während der Gerichtsverhandlung keinen Hehl. Auch gaben sie offen zu in verschieden neonazistischen Gruppierungen aktiv zu sein. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass ihre Handlung nicht im Affekt geschehen ist, sondern letztendlich die Konsequenz ihrer Weltanschauung ist, in der nur Menschen ein Recht zu leben haben, die einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen
Ähnlich verhält es sich bei dem Mord an dem alternativen Jugendlichen Sven Beuter. Er wurde von dem noch heute in der Neonaziszene aktiven Sascha L. ermordet. Dieser versuchte zwar während der Gerichtsverhandlung Reue zu zeigen, tat dies nachweislich jedoch nur, um mit einer milderen Gefängnisstrafe davon zu kommen. Nach Beendigung dieser, machte er da weiter, wo er vor dem Mord aufgehört hatte. Seit diesem im Jahre 1996 gibt es immer wieder Gedenkveranstaltungen die versuchten, diesen nicht auf eine Auseinandersetzung von rivalisierenden Jugendgruppen zu reduzieren, sondern die politische Dimension klar zu benennen. An diese Tradition gilt es in diesem Jahr anzuknüpfen, denn solche Morde, als auch die zahlreichen Übergriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte geschehen nicht von ungefähr, sondern sind die logische Konsequenz der Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems.
Dieses basiert auf der Ausnutzung von Vor- und Nachteilen. Wer den Vorteil des Reichtums hat, kann weitestgehend tun und lassen was er_sie will. Wer diesen Vorteil nicht hat, muss sich ausbilden lassen, um möglichst nützlich zu sein und anschließend hoffen, dass er_sie irgendwo benötigt wird. Randgruppen passen nicht in dieses System, weil sie kaum Vorteile haben, welche sie zu ihren Gunsten nutzen können oder wollen. Der Kapitalismus kennt nur zwei Größen: Kapital und Arbeit, wer das eine nicht hat, muss das andere verkaufen. Wohnungslose Personen haben nur eine sehr kleine Chance sich wieder in die normale Gesellschaft zu integrieren. Randgruppen sind fremd und kaum eine_r möchte freiwilligen Kontakt zum Fremden. Das Fremde ist unangenehm, ob es nun LGBTIs, Geflüchtete, Wohnungslose oder andere sind, sie haben keinen Platz in der Gesellschaft, sie sind nicht präsent, sie haben nur ein kleine oder gar keine Lobby. So klärt sich auch die Frage wer Schuld an der aktuellen Misslage hat. Keine_r übernimmt gern die Verantwortung, also wird sie jenen zugeschoben, welche in der öffentlichen Wahrnehmung nicht präsent sind. Soziale Gruppen werden zu Verursacher_innen stilisiert. Momentan wird dies, ohne zu hinterfragen, hauptsächlich auf geflüchtete Menschen angewendet.
Immer wieder bedienen sich namenhafte Politiker_innen der aktuellen Flüchtlingsthematik um gegen diese oder jene geflüchteten Gruppe mobil zu machen. Es wird versucht zwischen diese Menschen ein Keil zu treiben in dem zwei Gruppen geschaffen werden, zum einen die politischen Geflüchteten die vor dem Bürgerkrieg in Syrien, dem Irak und Afghanistan fliehen, und womöglich einen Mehrwert für unsere Gesellschaft haben, und zum anderen die ökonomischen Geflüchteten, die angeblich nur wegen der wirtschaftlichen Situation aus den Westbalkanländern fliehen. Ganz klar verschwiegen wird hierbei jedoch, dass gerade Länder wie Deutschland Fluchtursachen wie Krieg und Armut schaffen. Dies geschieht durch den Export von Waffen, die Unterstützung von diktatorischen und monarchistischen Regimen sowie die hemmungslose Ausbeutung von Rohstoffen, um nur einige Gründe zu nennen. Solange jedoch die oberste Maxime ist, unter allen Umständen Profit zu erwirtschaften, die Menschen gegeneinander auszuspielen und die Verantwortung für die eigenen Handlungen wegzuschieben, wird sich nichts ändern.
Die aktuelle Situation lässt sich gut mit den 1990er Jahren vergleichen als zahlreiche Menschen auf der Suche nach Schutz in die Bundesrepublik kamen. Schnell wurde für schon vorher bestehende Probleme genau diese Menschen verantwortlich gemacht. Der Hass entlud sich in Mölln, in Rostock-Lichtenhagen, aber auch in Lehnin und Brandenburg an der Havel. Die Konsequenz etwa war nicht, die Menschen vor den Übergriffen zu schützen, sondern die Asylgesetze zu verschärfen und die Polizei besser auszurüsten. Ähnliches geschieht gerade wieder, denn nahezu täglich brennen geplante Geflüchtetenunterkünfte, kommt es zu Übergriffen auf Geflüchtete und ihre Unterstützer_innen. Die Konsequenzen sind ähnlich denen in den 1990er Jahren: Verschärfung der Gesetze, Ausweitung der Liste mit den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, Aufstockung der Polizeibediensteten und die Forderung nach Grenzkontrollen und ‑zäunen.
Ebenso ist die antifaschistische Antwort der der 1990er Jahre nicht unähnlich. Der antifaschistischen Reaktion auf die rassistische Gewalt und Politik wird und wurde stark repressiv begegnet. Während in Rostock-Lichtenhagen über mehrere Tage bürgerliche Rassist_innen und Neonazis gemeinsam Unterkünfte angreifen konnten, in denen Asylbewerber_innen und ehemalige Vertragsarbeiter_innen untergebracht waren, war es möglich einer antifaschistischen Demonstration sechs Tage später mit 3.000 Polizeibediensteten zu begegnen. Es wurden Zufahrtswege nach Rostock, sowie der Bahnverkehr kontrolliert und unterbrochen, mehrere Polizei- und Bundesgrenzschutzhubschrauber kreisten über Rostock, mehrere tausend Demonstrationsteilnehmer_innen konnten noch vor Rostock festgehalten werden. Das heutige Äquivalent ist nahezu jede Woche zu beobachten, regelmäßig brennen Asylbewerber_innenunterkünfte, es ist bemerkenswert, dass es noch keine Toten gab. Wie in den 1990er Jahren ist die antifaschistische Bewegung, durch rassistische Gewalt und Repression, zur Reaktion gezwungen. Es gibt keine universell funktionierende Gegenstrategie. Damals wie heute ist man damit beschäftigt die Brände zu löschen und die Mitstreiter_innen gegen Repression zu unterstützen.
Wir werden nicht zulassen, dass Sven Beuter, Rolf Schulze und all die anderen Todesopfer neonazistischer und kapitalistischer Weltanschauung vergessen werden. Wir werden am 20. Februar gemeinsam auf die Straße gehen und zeigen, wohin Neonazismus und Kapitalismus führen – zum Mord an Menschen. Dies bedeutend für uns, dass der antifaschistische Kampf auch immer ein antikapitalistischer ist. Solange Menschen vertrieben, unterdrückt und ermordet werden, gehen wir auf die Straße. Wir kämpfen für eine Welt ohne Grenzen, in der sich Menschen frei entfalten können. In der Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung der Vergangenheit angehören. Kommt mit uns am 20. Februar auf die Straße, gedenkt den zahlreichen ermordeten Menschen und zeigt deutlich, dass der Kapitalismus für uns keine Option ist.
Wir werden dafür kämpfen, dass den Opfern neonazistischer und kapitalistischer Gewalt erinnert wird, und aus Taten Konsequenzen gezogen werden. Dies schließt die kritische Auseinandersetzung, und Bekämpfung, des kapitalistischen Systems ein. Eine Gesellschaft welche aus der Ausbeutung der Unterschiede, vor allem den daraus resultierenden Nachteilen, basiert, wird als Folge unausweichlich die Gewalt ernten, die von den Vertreter_innen des Systems zuvor noch verurteilt worden ist. Das antifaschistische Gedenken und der damit verbundene Kampf schließt für uns auch die Auseinandersetzung mit der Abschottung Europas und die Unterstützung von Geflüchteten mit ein. Es kann nicht nur eine Spielregel des Regelbuchs bekämpft werden, die Problematik liegt im Ganzen. Wie in den 1990er Jahren werden wir dafür kämpfen, dennoch darf nicht vergessen werden, dass wir uns selbst (weiter-)bilden müssen. Antifaschistisches Handeln bedeutet nicht nur, dass man sich durch Kleidung, Aufnäher und Musik mit ihr identifiziert. Sie bedeutet vor allem geistig und körperlich fit zu sein, um auf allen Ebenen agieren zu können. Wir müssen in der Lage sein rassistischen Bürger_innen auch argumentativ entgegenzutreten, da diese keine Minderheit, sondern ein Großteil unserer Gesellschaft sind. Eine gewisse körperliche Fitness ist in Zeiten, in denen rassistische und neonazistische Gewaltäter_innen, immer freier agieren können, unabdingbar, um sich selbst und andere zu verteidigen.
Es ist deswegen nicht notwendig mit Motorradhelmen auf Demos zu gehen, dennoch können Aktion und Theorie nur funktionieren, wenn sie kombiniert werden.
Deshalb:
Organisiert euch!
Bildet euch!
Wehrt euch!
– Am 20. Februar 11 Uhr – Antifaschistische Demonstration in Brandenburg an der Havel –
Die inzwischen sechste Versammlung der rechten Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“ fand am Sonntag, den 01.11.2015 in Frankfurt (Oder) statt. Nach den sinkenden Teilnehmer*innenzahlen der letzten Veranstaltungen konnte die neonazistische Gruppierung etwa 100 Neonazis und sogenannte „Wutbürger*innen“ aus Frankfurt (Oder) und andernorts um sich scharen. Der von der Gruppe „Frankfurt/Oder wehrt sich“
organisierte Aufmarsch wurde, dieses Mal noch mehr als in der Vergangenheit, von auswärtigen Neonazis unterstützt. So kamen Delegationen diverser rechter Parteien wie der „NPD“, dem „III.Weg“ und der Partei „Die Rechte“ zur Unterstützung. Abgeschirmt von der Polizei konnten sie ihre Demonstration vom Stadion
bis zum Bahnhof durchführen. Mit den immer gleichen stumpfsinnigen Parolen und Redebeiträgen schienen sich die Neonazis dieses Mal selbst gelangweilt zu haben. Ein großer Teil der Teilnehmer*innen verließ die Zwischenkundgebung im Zentrum. Die Inhalte waren dann wohl doch zu ermüdend.
Im Vorfeld hatte das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ erneut zu Blockaden auf der Route des Neonaziaufmarsches aufgerufen. Diese waren aus mehreren Gründen kaum umsetzbar. Zu einen lag dies an der geringen Teilnehmer*innenzahl von 200 Personen. Das Prinzip der Blockade kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Anzahl derer, die den Aufmarsch verhindern wollen, so hoch ist, dass eine Räumung einer Blockade unverhältnismäßig wäre. Es braucht also mehr Bürger*innen, die sich den Rassist*innen in den Weg stellen.
In der Karl-Marx-Straße auf Höhe des Oderturms versperrten allerdings weit über 100 Antifaschist*innen erfolgreich den Weg zur geplanten Geflüchtetenunterkunft am Karl-Ritter-Platz. An der Franz-Mehring-Straße konnte eine 30-köpfige Blockade zeitweilig aufrechterhalten werden. Das aggressive Auftreten einiger Polizeibeamter tat sein Übriges um Blockaden unmöglich zu machen.
„Trotz der nunmehr sechsten neonazistischen Versammlung in diesem Jahr müssen wir zahlreich auf die Straße gehen. Um Dresdner oder Cottbuser Zustände vorzubeugen, braucht es eine demokratische Zivilgesellschaft, die den Nazis keine Räume für ihre Hetze gibt. Schon an diesem Wochenende findet ein erneuter neonazistischer Aufmarsch in Brieskow-Finkenheerd statt. Auch mit weiteren Aufmärschen in Frankfurt (Oder) ist zu rechnen. Diesen rechten Umtrieben müssen wir uns zahlreich und engagiert in den Weg stellen“ so Janek Lassau, Sprecher des Bündnisses.
Bundesweit brennen Unterkünfte von Asylbewerber*innen, gibt es gewalttätige Übergriffe auf Geflüchtete und alltäglicher Rassismus trägt zu einer weiteren Traumatisierung der Geflüchteten bei. Seit Anfang der
1990er Jahre gab es nicht mehr einen so hohen Grad an rechten Demonstrationen und militanten rechten Aktionen. „Wir müssen uns gegen die Normalisierung von Rassismus stark machen. Einen Rückfall in
Zustände der 1990er Jahre gilt es mittels antifaschistischen Engagements zu verhindern.“ so Lassau.
Frankfurt (Oder), den 13.11.2015
Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“
Sascha Li. und Paul Enderling in den Reihen der Freieilligen Feuerwehr Fahrland
Als Mitte September bekannt wurde, dass in der Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt mehrfach Nazi-Parolen gerufen worden sein sollen und wenig später auch Vorwürfe gegen einen Lehrgangsleiter im Raum standen, ermittelte bald der polizeiliche Staatsschutz gegen neun Berufsfeuerwehrleute. Bei einem Lehrgang sollen diese RechtsRock abgespielt und dabei mehrfach „Sieg-Heil“ gerufen haben. [1] Weiterhin ist in Oberhavel der NPD-nahe Neonazi Maik Neuber in der örtlichen Feuerwehr Oberkrämer Marwitz als Oberfeuerwehrmann aktiv. Dieser war auch Anmelder eines rassistischen „Abendspazierganges“ in Velten am 5. November diesen Jahres. Neben ihm ist auch der NPD-Anhänger und Neonazi Marko Fichte in Oberhavel als Feuerwehrmann aktiv. Erst 2014 machte er noch eine Truppmannausbildung bei der Freiwilligen Feuerwehr Borgsdorf. Ebenso in einer Freiwilligen Feuerwehr in Oberhavel soll auch der Neonazi Maik Naumann aktiv sein. [2]
Nun wird, wie üblich, mehr oder weniger nach Aufklärung und Konsequenzen verlangt, doch die grundlegenden Probleme, die dahinter stehen, sind an sich keine Neuen. Neonazis und ihre ideologischen Versatzstücke sind in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen präsent. Warum sie gerade nicht in der Feuerwehr auftauchen und aktiv sein sollen, kann niemand wirklich beantworten. Gerade hier gibt es, z.B. in der Jugendfeuerwehr, ein Freizeitangebot, klare Regeln, männliche Vergemeinschaftung sowie Uniformen und Abzeichen. Alles Dinge von denen sich auch, und vor allem, Neonazis angesprochen fühlen können. Dazu kommt ein starker Korpsgeist, in Feuerwehrkreisen „Kameradschaft“ genannt, der sich vor allem bei Kritik von außen und innen zeigt und sich in dem oben geschilderten Fall an der Landesfeuerwehrschule beispielsweise als Mobbing äußert. [3] Insbesondere die Darstellung der eigenen heroischen Männlichkeit, häufige frauen‑, homo- und trans*feindliche Geschlechterbilder und stark hierarchische Strukturen, die sich nicht nur auf Einsatzsituationen beschränken, können genauso Anreize für durchschnittliche Mitglieder wie für Neonazis sein. Zwar gibt es auch progressive Tendenzen in Bezug auf Geschlechterrollen und Leistungsgedanken innerhalb der Feuerwehr, doch befinden sich diese noch deutlich in den Kinderschuhen. Oft hängen emanzipatorische Ansätze in der Ausbildung an der einzelnen Ausbilder_in oder Jugendfeuerwehrwart_in und deren jeweiligen Methoden und Schwerpunkten.
Am 14. November 2015 soll nun in der Biosphäre in Potsdam auf der Delegiertenversammlung des Landesfeuerwehrverbandes Brandenburg auch sein 25-jähriges Bestehen gefeiert werden und der brandenburgische Innenminister Schröter wird ein Grußwort halten. Stellt sich die Frage, ob es auch um die Geschehnisse der letzten Monate gehen wird und wie mögliche Konsequenzen seitens des Feuerwehrverbandes gegen neonazistische Tendenzen aussehen werden. Immerhin bearbeiten andere offizielle Strukturen das konkrete Auftreten von Neonazis in Feuerwehruniformen seit einiger Zeit. So bemerkte vor ca. fünf Jahren, im Rahmen des Deutschen Feuerwehrtages in Leipzig, der Landesjugendfeuerwehrwart aus Mecklenburg-Vorpommern: „Man kann es nicht Schönreden […] Rechtsextreme Vorfälle gibt es vielerorts in den Feuerwehren.“ [4] Eigentlich sollte es an diesem Tag darum gehen, zu zeigen, dass die Feuerwehr nicht ausschließlich aus deutschen heterosexuellen Männern besteht, doch überlagerte auch hier das Thema Neonazis den eigentlich angedachten Diskurs.
Wenn es vielerorts in der Feuerwehr Neonazis gibt, stellt sich für Potsdam schnell die Frage – hier auch?
Neonazis in Fahrland – Im Jugendclub und in der Feuerwehr
Die Antwort lautet schlicht: Ja – und zwar hinlänglich bekannt in Fahrland.
Der Blick nach Potsdam-Nord beschäftigt Antifaschist_innen in Potsdam seit über zehn Jahren. Damals sorgte eine Initiative von linken Jugendlichen aus Potsdam und Potsdam-Nord unter dem Namen „Engagierte Jugend – Potsdamer Umland“ für den Anstoß einer länger andauernden Debatte um Neonazis in Potsdams Norden und speziell in Fahrland. Sie verteilten Flyer, schrieben einen offenen Brief und gaben ein Presseinterview. Der später mit dem „Band für Mut und Verständigung“ ausgezeichnete Verein „Jugend engagiert in Potsdam“, der Betroffenen rechter Gewalt zur Seite stand und ihnen eine Stimme verschaffte, organisierte eine Veranstaltung zum Thema rechte Gewalt im örtlichen Jugendclub. [5]
Der Jugendclub „Treffpunkt Fahrland e.V.“ sowie der örtliche Jugendleiter Thomas Liebe gerieten in die Kritik. Laut den damals von Neonazigewalt Betroffenen und ihrem Umfeld hielten sich dort regelmäßig Neonazis auf und nutzten diesen als ihren Rückzugsort. Sie beanspruchten den Jugendclub und das Dorf als „ihr Territorium“ und gingen gegen jede_n vor die_der sich ihnen – aus ihrer Perspektive – in den Weg stellte. [6]
Antifaschistische Gruppen ergänzten dieses Bild mit ihren Recherchen und belegten die Berichte der Betroffenen mit weiteren Details über die neonazistischen Aktivitäten und die Organisierung der örtlichen Neonazis. [7] Dabei ging es aber nie nur um die Aktivitäten der extremen Rechten in den Dörfern, sondern auch stets um den fatalen Umgang mit diesen durch Thomas Liebe und andere Verantwortliche in und um den Jugendclub „Treffpunkt Fahrland e.V.“. Das Konzept der „akzeptierenden Jugendarbeit“ führte zu einer Hegemonie neonazistischer und menschenfeindlicher Jugendlicher in Potsdams Norden. [8]
Paul Enderling, Matthias Wiechert und Tino Nindelt (v. l. n. r.) im örtlichen Jugendclub in Fahrland
Zu den damals in Potsdam-Nord aktiven Neonazis gehörten in Fahrland: Benjamin Oestreich, Tino Nindelt, Paddy Bohm, Matthias Wiechert, Dustin Schlemminger und Paul Enderling; in Neu-Fahrland Jens Zimmer und in Marquardt war es Steffen Meyer. Zu den Potsdamern, die gelegentlich zu Besuch im Dorf oder im Jugendclub waren, gehörten Manuel Baruth, der ehemalige Bassist der RechtsRockband „Preussenstolz“, und sein Mitschüler Lasse Risch. In ihrem Umfeld, dass die Neonazifreund_innen tolerierte und mitunter selbst „Thor Steinar“ und andere Neonazikleidung trug, zählten u.a. Personen wie Kevin Bohm, Bruder von Paddy Bohm, Max R., Dustin E., auch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Fahrland, Sascha Li. und Oliver St.. Bereits damals war ein Teil dieser jungen organisierten und unorganisierten Neonazis auch in der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr aktiv.
Neonazistischer Hintergrund – Paul Enderling als Jugendwart und Hauptfeuerwehrmann
Zwei der eben genannten tauchten Jahre später als „Gruppenführer“ in der Ortswehrführung der Freiwilligen Feuerwehr Fahrland wieder auf. Paul Enderling als „Jugendwart“ sowie „Hauptfeuerwehrmann“ und Sascha Li. als „Löschmeister“. Beide sind von Beruf Soldat und durch den Erwerb einer „Jugendleitercard“ und weiterer Qualifikationen aus Sicht der Feuerwehr Fahrland berechtigt mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Sascha Li. ist seit 1999 bei der Freiwilligen Feuerwehr, Paul Enderling seit dem Jahr 2000. [9]
Darum, dass sie ausbildungstechnisch und handwerklich vermutlich geeignet sind, soll es hier nicht vordergründig gehen. Jedoch ist ihre fachliche Kompetenz nicht allein darauf zu beschränken. Gerade bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kommt der Rolle der Vorbildpersonen eine wichtige Bedeutung zu. Neonazis sind hierbei aus vielerlei Gründen an der absolut falschen Stelle.
Ein Like von Paul Enderling und anderen Neonazis für den Neonazi Benjamin Oestreich
Paul Enderling gehört seit mindestens neun Jahren zur Potsdamer Neonaziszene. Er war Teil der Neonazikameradschaft die sich sowohl „Alternative Jugend Potsdam“ (AJP) als auch „Aktionsgruppe Potsdam Nord“ (AGPN) nannte. Die AJP trat erstmals am 21.10.2006 bei einem Neonaziaufmarsch in Berlin-Tegel in Erscheinung und ging 2009 mit ihrer Homepage ins Netz. Auf dieser präsentierten sie ihre Propagandaaktionen und berichteten von neonazistischen Aufmärschen, Vernetzungstreffen, Fußballturnieren und revisionistischen Gedenkveranstaltungen. Die Zeitspanne von 2007–2011 bildete dabei die Hochphase der neonazistischen Aktivitäten im Potsdamer Norden. In dieser festigten sie ihre Strukturen, tobten sich aktionistisch mit Verbreitung von Propaganda und kleinen Aktionen aus, vernetzten sich zum Teil auch überregional und beanspruchten Potsdam-Nord als ihr Territorium. Durch ihre Aktivitäten versuchten sie vehement eine so genannte „National befreite Zone“ zu errichten. All dies ist in den vergangenen Jahren, detailliert von Gruppen wie der Antifaschistische Linke Potsdam und dem Antifaschistischen Pressearchiv Potsdam dokumentiert worden und auch heute noch zugänglich und nachvollziehbar.
Matthias Wiechert, Paul Enderling und Paddy Bohm am 19. Januar 2008 auf einem Neonazi-Aufmarsch in Magdeburg
Als einer der Jüngsten nahm Enderling am 13. Februar 2007 an einer spontanen Demonstration von Potsdamer Neonazis in der Potsdamer Innenstadt teil. Diese fand anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens statt. An Propagandaaktionen in und um Potsdam hat er regelmäßig teilgenommen, verteilte u.a. zusammen mit dem Neonazi Benjamin Oestreich Flyer für die NPD und verbreitete mittels Plakaten und Aufklebern neonazistische Inhalte in Fahrland und umliegenden Dörfern. Über die Grenzen von Potsdam-Nord hinaus, war Paul Enderling in seiner Freizeit regelmäßig mit weiteren Neonazis in der Großraumdisko „Music Parc“ in Teltow feiern sowie auf regionalen wie auch überregionalen Neonaziaufmärschen aktiv (z.B. am 12.04.2008 in Lübben und am 12.01.2008 in Magdeburg). Neben regelmäßigen Versuchen der Einschüchterung und Bedrohung alternativer Jugendlicher im Dorf führte er, zusammen mit den oben genannten Neonazis, auch gewalttätige Übergriffe durch. Am 14. August 2007 war er direkt an einem Angriff auf einen alternativen Jugendlichen in Fahrland beteiligt.
Sascha Li., bei der Feuerwehr Fahrland als Gruppenführer und Löschmeister aktiv, hat seit seiner Jugend Kontakt in die neonazistische Szene im Potsdamer Norden – sei es auf Fußballturnieren oder auf Parties mit den örtlichen jugendlichen Neonazis und Mitläufer_innen. Freundschaftlichen Kontakt pflegt er zu vielen der oben genannten neonazistischen Clique – auch zu den Neonazis Jens Zimmer, Tino Nindelt und Benjamin Oestreich.
Ein Like von Paul Enderling für einige Mitglieder des Zusammenhangs „Pdm Nord“; mit dabei ist Sascha Li.
Dieser Kontakt wird auch über den Zusammenschluss „PdmNord“ aufrecht erhalten. In diesem sind neben Enderling und Li. viele der oben Genannten „organisiert“ und verabreden sich zu (Haus)Partys oder ähnlichem. In ihrer Außendarstellung setzen sie dabei u.a. auf Rockerästhetik mit Kutte und Aufnähern sowie Aufkleber. Zusammen mit dem Label „PdmNord“ tauchen immer wieder auch neonazistische Aufkleber oder Schmierereien, z.B. der Schriftzug „Potsdam Nord 88“ am 25. November 2012 auf dem Weihnachtsmarkt in der Brandenburger Straße, auf. [10] „Mitglieder“ von „PdmNord“ tragen mitunter neonazistische Aufdrucke auf Ihrer Kleidung zur Schau und bedrohten bereits alternative Jugendliche am Potsdamer Hauptbahnhof.
Dorfgemeinschaft und deutsche Abwehrdiskurse
Neonazis und Menschen, die sich von menschenverachtenden Standpunkten nicht eindeutig distanzieren oder diesen unkritisch gegenüber stehen, haben in der Arbeit mit Jugendlichen nichts verloren. Auch, wenn mit solchen Vorwürfen konfrontierte Vereine oder Institutionen mit Vorliebe darauf hinweisen und argumentieren, dass die gemeinten Neonazis doch so nett, umgänglich und vertrauenswürdig seien.
Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre mit dem Thema Neonazis in Fahrland zeigen, dass es wenig Bereitschaft der Akteur_innen vor Ort gibt, substanzielle Kritik, geschweige denn Selbstkritik, zu üben. Es ist davon auszugehen, dass auch in diesem Fall den vorgelegten Tatsachen mit Verschlossenheit, Ablehnung und einer Abwehr der Kritik „von Außen“ begegnet werden wird.
So unreflektiert und einfältig reproduzierte Klischees des deutschen dörflichen Abwehrdiskurses auch seien mögen, so real werden diese immer wieder, wenn sich Antifaschist_innen oder Betroffenen von Neonazigewalt in kleineren Gemeinden und Dorfgemeinschaften zu Wort melden. In Fahrland ist Thomas Liebe, in seiner Funktion als Leiter des Jugendclubs, einer derjenigen, die diese Abwehrhaltung immer wieder einnimmt und so der den Neonazis Schutz bietenden Dorfgemeinschaft Argumentationen und Bezugspunkte liefert. Auf einer Sitzung des „Lokalen Aktionsplan gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ vertrat er tatsächlich die Meinung, dass in Fahrland „mehr Probleme mit Linken als mit Rechten“ zu behandeln wären. [11] Eine Aussage von der er sich, trotz vielfacher Kritik, bis heute nicht distanzierte.
Dass es auch anders ablaufen kann, zeigt das Beispiel Eisenhüttenstadt. Hier trauten sich Verantwortliche den Mund auf zumachen und nicht weg zusehen, wenn klar neonazistisches und menschenfeindliches Gedankengut verbreitet wird. Es bleibt zwar abzuwarten, wie sich der dortige Fall entwickelt und welche kurz‑, mittel- und langfristige Konsequenzen gezogen werden, aber immerhin haben sich Mitglieder der Feuerwehrschule gegen Neonazis und menschenverachtende Tendenzen in ihren Reihen gestellt. Etwas, was in Fahrland und der dortigen Freiwilligen Feuerwehr bisher nicht geschah.
Am 09. November 2015 kam es gegen 06.15 Uhr zu einem Angriff auf das Horte in Strausberg. Dabei ging eine Scheibe im oberen, bewohnten Teil des Hauses durch Steinwurf oder Zwillenschuss zu Bruch. Verletzt wurde glücklicherweise niemand.
Ohrenscheinlich handelte es sich um einen einzelnen Täter unbestimmten Alters, der sich im Weiteren auch lautstark gegen „scheiß Zecken und Juden“ äußerte und anschließend leider unerkannt verduften konnte. Da besteht unsererseits noch Gesprächsbedarf, Freundchen!
Wir als AJP gehen von einem Zusammenhang zu den in letzter Zeit wieder erwachenden Neonazikadern und ‑strukturen Strausbergs aus. Auch, dass der 77te Jahrestag der Reichsprogromnacht als Anlass gedient hat, kann angenommen werden.
Nazis über’s Maul fahren — jetzt und hier!
Venceremos & hasta la vista, culo!
An der nunmehr dritten Versammlung des flüchtlingsfeindlichen „Bürgerbündnisses Rathenow“ haben sich wieder mehrere hundert Menschen beteiligt. Schätzungen gehen von ungefähr 400 Personen aus. Die Veranstaltung wurde erstmals auch als Demonstration durch einen Teil der Stadt durchgeführt. Während des Marsches durch die Goethestraße entzündeten mehrere bekannte Neonazis aus Rathenow und Premnitz auch Brandfackeln und verliehen dem Aufzug so den Charakter eines Fackelmarsches. Allerdings blieb die Anzahl der Versammlungsteilnehmer_innen, die dem neonazistischen Milieu zugeordnet werden konnten, relativ konstant bei ungefähr 50–60 Personen, also innerhalb der Versammlung deutlich in der Minderheit. Dennoch war wieder zu beobachten, dass diese Personenkreise die Veranstaltung benutzten um sich zu inszenieren. Weiterhin war die Steigerung einer aggressiven Grundstimmung bei einem Großteil der Versammlungsteilnehmer_innen deutlich spürbar. Eine Gegenveranstaltung gab es übrigens nicht. Das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ wollte jeglichen möglichen Konflikt aus dem Weg gehen. Stattdessen wurden an Straßenlampen Schilder angebracht, die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen entkräften sollten. Zudem wurde durch die Kirche ein Friedensgebet als Protest zur der Veranstaltung des Bürgerbündnisses angeboten. An diesem beteiligten sich ungefähr 30 Menschen. Den Versuch eines direkten Protestes gab es hingegen nur in der Berliner Straße, wo sich eine kleine Gruppe von ungefähr zehn alternativen bzw. antifaschistischen Jugendlichen gesammelt hatte. Ton wird schärfer
Deutlich mehr Menschen standen hingegen wieder auf dem Märkischen Platz, wo ab 18.30 Uhr die Auftaktkundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ stattfand. Viele kamen auch wieder mit der Nationalflagge oder der Fahne des Landes Brandenburg. Akzeptiert wurde aber anscheinend auch revisionistisch anmutende Beflaggung des heute zur Republik Polen gehörenden Gebietes „Westpreußen“ sowie die seit den 2010er Jahren hauptsächlich von Gruppen der extremen Rechten genutzte, so genannte „Wirmer-Flagge“. Bisher sind die Veranstalter_innen offenbar um eine Geschlossenheit ihres „Volkes“ bemüht. Bemerkenswert ist diesbezüglich auch eine schleichende Radikalisierung in der Gestaltung der Reden. Nicht nur Ressentiments gegen Flüchtlinge werden immer wieder ausgiebig artikuliert, sondern auch Menschengruppen, die sich nicht dem kollektiven Rausch der Demagogen auf dem Märkischen Platz hingeben, als „Lügenpresse“ oder „Volksverräter“ verunglimpft. Dabei wird zum Teil auch nicht davor zurückgeschreckt bewusst Unwahrheiten zu verbreiten, um das „Volk“ anzustacheln. Die permanente Abwertung dieser Feindbilder, bei zunehmender Aggressivität wirkt, von außen betrachtet, immer bedrohlicher und könnte in Zukunft durchaus zu einer Senkung der Hemmschwelle zur Ausübung physischer Gewalt führen, zumal in den Reihen des „Bürgerbündnisses“ auch viele bekannte Gewalttäter mitlaufen. Wieder einschlägige Neonazi-Ordner
Zum Teil waren beispielsweise bei der zweiten Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“ in der vergangenen Woche sogar gewalttätige und diesbezüglich vorbestrafte Neonazis, die zudem mehrfach an NPD Versammlungen teilnahmen, als Veranstaltungsordner eingesetzt. Zwar wurde die Parteinähe der Ordner durch den Sprecher des havelländischen „Bürgerbündnisses“, Nico Tews, in einem wohlwollenden Interview mit einer Lokalzeitung beharrlich bestritten, diese Personen aber andererseits bei der jüngsten Kundgebung auch nicht mehr aufgestellt. Dafür wurde auf andere, ebenfalls bekannte Neonazis zurückgegriffen. Beispielsweise auf Andy K., einem in den 2000er Jahren aktiven Sympathisanten des NPD Ortsbereiches Rathenow, der wegen Gewalt- und Propagandadelikten vorbelastet ist. Er und eine weitere Person aus dem neonazistischen Milieu sollen u.a. am 11. August 2005 einen 20-Jährigen in der Goethestraße mit einer Bierflasche gegen das Kinn geschlagen haben. Weiterhin war auch der Rathenower Neonazi Thomas L. als Ordner eingesetzt. L. gilt ebenfalls als NPD Sympathisant und nahm in der Vergangenheit an zahlreichen Versammlungen dieser Partei teil. Zu einer Kundgebung der NPD im Jahr 2008 in Premnitz erschien er sogar eindeutig in Parteikluft. Auf alten, damals öffentlich einsehbaren Bildern in einem sozialen Internetnetzwerk posierte er zu dem vor einer Fahne der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN). Heute tritt L. vor allem als „nationaler“ Liedermacher unter dem Pseudonym „TOitonicus“ auf. Neonazis inszenierten Fackelmarsch
Neben den einschlägig bekannten Ordnern war auch wieder eine Gruppe von 50–60 weiteren Neonazis Teil der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“. Dabei handelte es sich vor allem um bekannte Akteure aus Rathenow, Premnitz, Nauen und Ketzin/Havel. Diese suchten auch heute wieder die Veranstaltung des „Bürgerbündnisses“ für sich zu vereinnahmen. Nach Beendigung der Kundgebung auf dem Märkischen Platz, mit Beginn des vom Veranstalter Christian Kaiser als „Abendspaziergang“ bezeichneten Demonstrationszuges durch die Goethestraße, die Nauener Straße, die Friesacker Straße sowie der Forststraße, entzündeten mehrere bekannte Neonazis aus Rathenow und Premnitz Brandfackeln und verliehen dem gesamten Aufzug so den Charakter eines „Fackelmarsches“. NPD sucht Anschluss
Auch die NPD, insbesondere in Person des Rathenower Stadtverordneten und Kreistagsabgeordneten Michel Müller, war ebenfalls wieder auf der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ vertreten. Die Partei sucht offenbar nach wie vor eine Brücke zu den bürgerlichen Versammlungsteilnehmer_innen zu schlagen. In der Nacht von Montag zu Dienstag verteilten mehrere Sympathisant_innen der Partei auch Flyer im Stadtgebiet von Rathenow, auf denen u.a. das Konterfei Müllers und sowie flüchtlingsfeindliche bzw. rassistische Parolen abgedruckt waren. Aktionsbündnis zog sich zurück
Nach dem bekannt wurde, dass sich das „Bürgerbündnis Havelland“ am Dienstagabend erneut auf dem Märkischen Platz sammeln und anschließend sogar als Demonstrationsblock durch die Stadt laufen würde, nahm das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ Abstand von der Ausrichtung einer eigenen Kundgebung mit „Herz statt Hetze“. Als Begründung wurde die Vermeidung einer „weitere(n) Polarisierung“ der Lager angegeben. Ein „Aufbau von Fronten“ sei „mit Sicherheit nicht der Weg zu Lösungen im Sinne eines Miteinanders in der Stadt Rathenow“, so das Aktionsbündnis weiter. Um sich dennoch zu positionieren versuchte „Rathenow zeigt Flagge“ das bürgerliche Publikum des „Bürgerbündnisses Havelland“ mit Fakten und Argumenten zu überzeugen. So wurden beispielsweise bereits am Nachmittag Pappschilder aufgehängt, auf dem jeweils ein Vorurteil und eine entsprechend sachliche Entkräftung abgedruckt waren. Nico Tews vom „Bürgerbündnis Havelland“ ging in seiner Hetzrede tatsächlich auch auf diese Plakate ein, tat sie jedoch als „Wisch“ und „Steuergeldverschwendung“ ab. Ähnlich fruchtlos blieb das Friedensgebet in der Lutherkirche, dass ebenfalls auch als Dialog angeboten wurde. Die „besorgten Bürger_innen“ zogen im Schein der Brandfackeln ohne Gesprächsinteresse an der Kirche vorbei. Immerhin wurde drinnen zumindest über eine künftige Verfahrensweise mit derartigen Veranstaltungen beraten und mögliche Optionen erörtert. Konkrete Gegenaktionen stehen aber momentan offenbar immer noch nicht zur Diskussion, obwohl die Aufgabe eines Standortes für direkte Gegenproteste indes von einigen Menschen als „Rückzug“ vor den Hetzern und ihren teilweise extrem rechten Anhang kritisiert wurde. Die Motivation für eventuelle Gegenveranstaltungen scheint in der Zivilgesellschaft momentan jedoch auch an dem Missverhältnis der Zahlen zu liegen. Zweimal wurde zu Gegenkundgebungen aufgerufen, zweimal war „Rathenow zeigt Flagge“, trotz für Rathenower Verhältnisse erheblichen Interesses, in der Minderheit. Am Dienstagabend sammelten sich zu dem auch nur ungefähr zehn alternative bzw. antifaschistische Jugendlichen für spontanen Protest in der Berliner Straße. Fotos: hier
Berlin/Brandenburg-Kongress | 21. November 2015 | freiLand Potsdam
Die Grenze verläuft nicht zwischen „deutsch“ und „nichtdeutsch“, sondern zwischen Oben und Unten!
Auf dem Kongress soll es Raum geben, um Erfahrungen in migrantischen Kämpfen und deren Unterstützung und die aktuelle politische Situation zu diskutieren. Wir wollen Perspektiven einer gemeinsamen Politik entwerfen.
Kommt am 21. November nach Potsdam, um gemeinsam zu diskutieren, wie ein solidarischer und emanzipatorischer Kampf gegen die deutsche und europäische Asylpolitik gelingen kann!
| Wo? im freiLand Potsdam | Friedrich-Engels-Strasse 22 | 14473 Potsdam)
| Wann? Samstag, 21.November von 10:00 bis 20:00 Uhr
Kontakt: refugees_supporters_potsdam@riseup.net
Brandenburg/Berlin – Refugees – And – Supporters – Meeting | 21 November 2015 | freiLand Potsdam
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The border runs not between “German” and “Refugees”, but between top and bottom!
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The meeting should open spaces, to discuss the experiences of refugees’ fights and their supporters as well as the current political situation. We want to develop a solidary and common policy!
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Lets discuss possibilities and strategies for a solidary and emancipatory fight against the European and German asylum policy!
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9. November 1938. Überall in Deutschland werden jüdische Einrichtungen angegriffen. Schaufenster werden eingeschlagen, Menschen verprügelt und umgebracht. An vielen Orten wie hier in Potsdam brennen damals die Synagogen. Die Reichspogromnacht war nur der Auftakt für ein noch viel größeres Verbrechen: den zweiten Weltkrieg und die geplante Vernichtung von Millionen von Menschen in ganz Europa. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.
9. November 2015. 77 Jahre danach. Überall in Deutschland gedenken Menschen der Ereignisse von damals, viele wollen aus der Geschichte gelernt haben, wollen eine Welt in der Auschwitz oder ähnliches nicht wieder geschehen könne. Doch nicht alle haben verstanden, nicht alle gelernt, nicht alle suchten die Auseinandersetzung. Wenn heute wieder tausende Menschen gegen Geflüchtete demonstrieren, Heime angreifen, Menschen durch die Städte hetzen, ist klar, dass der Hass und der Rassismus nicht weg sind. Mit dem Abschwächen der rechten Bewegungen Ende der 90er Jahre und dem Rückzug von einigen von ihnen in den Untergrund erschien das Problem eine Zeit lang marginalisiert. Aufmärsche wurden reihenweise gestoppt, eine faschistische Hegemonie konnte dank entschiedener Interventionen durch Bildung, linke Subkultur oder militante Angriffe in vielen Dörfern und Städten gebrochen werden.
Doch scheinbar plötzlich sind sie wieder da. Sie sind viele. Der ganz normale Bürger ist vorn mit dabei. Es gibt kaum Möglichkeiten der Auseinandersetzung. Die Argumente sind irrational. Ängste, Gefühle oder abstruseste Theorien sind in den Augen derer gerade wahr genug um Geflüchtete anzupöbeln oder anzugreifen. Parolen die nichts erklären, eine Kritik durch Angepasste an Allem und am Problem vorbei.
Die Gesellschaft steckt in einer Krise. Die Reproduktionsmöglichkeiten der kapitalistischen Ökonomie stocken. Nur ein Zeichen davon ist die noch die noch nie dagewesene Staatsverschuldung, ein Anderes, menschlicheres die Fluchtbewegung von Millionen aus der ausgebeuteten und verarmten südlichen Hemisphäre in den reichen Norden. In weiten Teilen der Welt fehlt zunehmend die Grundlage menschenwürdigen Lebens. Noch nie waren die Warensammlung und die Produktivkräfte so groß; und noch nie war die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums ungerechter. Niemals war klarer, dass der Kapitalismus keine angemessene Gesellschaftsform für eine solidarische, selbstbestimmte gerechte Zukunft sein kann, nie war klarer, dass Naturbeherrschung und technische Rationalität nicht Reichtum und Nahrung für alle bedeuten werden. Ganz im Gegenteil.
Das System hat sich mit seiner Logik tief in das menschliche Bewusstsein eingebrannt. Es gibt kein Außen, keine Wirtschaft ohne Tausch. Das Verhältnis zwischen den Menschen und das von Mensch und Natur ist von Ausbeutung und dem Streben nach Mehrwert geprägt. Eine radikale Kritik daran scheint verstellt. Verstellt auch durch die Komplexität der Zusammenhänge. Da liegt die Flucht in einfache Erklärungen nahe. Doch nicht nur die dumpfen
Herrenmenschen mit ihrer deutschen Überlegenheitsphantasie verfallen darin, vor allem die sozialen Verwerfungen auf wahlweise Ausländer, Kommunisten oder Juden zur projizieren. Auch linke Kritik darf sich nicht an der Regierung, an den scheiß; Nazis oder den Banken erschöpfen, sie muss das gesellschaftliche Verhältnis ins Visier nehmen, analysieren, in Frage stellen und in der Konsequenz umwälzen.
November 1918. In Europa tobt der Erste Weltkrieg. Um Territorium und Einflusssphären der imperialen Länder zu vergrößern verrotten Millionen in den Schützengräben in Ost- und Westeuropa. Das erste Mal seit Menschengedenken töten sich Menschen nach industrieller Logik gegenseitig, die Befehlshaber sprechen dabei von “Materialschlachten”, weil Unmengen von Kriegs- und in ihren Augen Menschenmaterial an den Fronten verheizt werden.
Doch am 9. November 1918 ist Schluss damit. Überall im Deutschen Reich, dem maßgebenden Aggressor dieses Krieges revoltieren wie schon 1917 in Russland in allen großen Städten die Arbeiter_innen und Soldaten gegen Krieg, Hunger und Kapitalismus. Sie machen Revolution, viele wollen sich nicht länger ausbeuten und ermorden lassen und lehnen es auch ab die Menschen auf der anderen Seite der Front sinnlos abzuschlachten. In Deutschland wird der Kaiser gestürzt der Krieg beendet und schließlich die Revolution blutig niedergeschlagen.
97 Jahre später ist heute die Erinnerung nur noch blass. Eine radikale Linke ist marginalisiert in Deutschland, eine Arbeiter_innenbewegung, die diesen Namenverdient ist nicht in Sicht, jede Revolte wurde integriert, jeder Aufschrei ist doch wieder verstummt. Doch der Gedanke nach Veränderung ist noch nicht erloschen und wir durch die gesellschaftlichen Verhältnisse täglich neu reproduziert.
Jahr ein Jahr aus wird uns die Alternativlosigkeit herrschender Politik versichert. Nur wer arbeitet und sich ausbeuten lässt hat Anrecht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, nur die Ansiedlung und Subventionierung großer Unternehmen steigert den Konsum und verbessert die Lebensbedingungen, nur die Deregulierung der Märkte verheißen Wohlstand und Reichtum, nur der kapitalistische Staat und seine Institutionen entscheiden was richtig ist und was falsch, Wahlen dienen lediglich zur Legitimierung nicht zur Mitbestimmung. Doch nichts von alledem ist wahr. Die Welt und mit ihr die Menschheit steht am Abgrund. Die Natur wird in einem unvergleichlichen Ausmaß verödet, ausgebeutet und vergiftet, Tierarten ausgerottet, obwohl es anders möglich wäre, zerstört der Mensch seine eigene Reproduktionsgrundlage.
Es ist höchste Zeit dem ein Ende zu bereiten. Die Logik des Kapitals hat abgewirtschaftet. Lasst uns gemeinsam verstehen und hinterfragen, lassen wir uns nichts mehr gefallen, lernen wir wieder zu kämpfen! Kapitalismus ist ein
soziales Verhältnis und hat eine blutige und grausame Geschichte. Dies müssen wir uns klar machen! Denn es heißt, diese Geschichte hat ein Anfang und ein Ende!
Kurzfristig müssen wir unsere Apathie Überwinden, den Faschisten und i“ch bin ja kein Nazi-aber”-Idiot_innen das Leben schwer machen und rassistische Hetze unmöglich machen. Langfristig bleibt die Aussicht: Befreite Gesellschaft oder Barbarei!
Die Barnimer Willkommensinitiativen begrüßen ausdrücklich die Aufnahme Schutz suchender Menschen im Barnim. In den letzten Monaten ist die Zahl der ankommenden Flüchtlinge deutlich gestiegen. Die Anstrengungen für eine menschenwürdige Unterbringung müssen von daher deutlich verstärkt werden.
Zur Zeit leben viele Flüchtlinge in sogenannten Übergangswohnheimen, Wohnverbünden und Notunterkünften. Sie wohnen dort in sehr beengten Verhältnissen ohne Privatsphäre. Diese Form der Unterbringung sorgt für Stress, macht krank, verstärkt und führt zu weiteren Traumatisierungen. Wir fordern daher eine schnellstmögliche dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen. Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass den bei uns Schutz suchenden Menschen genauso viel Wohnraum zugestanden wird, wie den Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft.
In einigen Städten und Gemeinden des Barnims gibt es einen hohen Wohnungsleerstand. So stehen allein in Eberswalde im Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WHG über 700 Wohnungen leer. Diese Wohnungen sollten schnellstmöglich in einen nutzbaren Zustand versetzt und als Wohnraum für Menschen in dieser Stadt — somit auch Geflüchteten — zur Verfügung gestellt werden. Im berlinnahen Raum dagegen fehlt es an leerstehenden Wohnungen. Hier
ist der Einstieg in den sozialen Wohnungsbau dringend notwendig.
Vom Landkreis erwarten wir eine aktive Werbung für die Unterbringung geflüchteter Menschen in privaten Wohnungen und Wohngemeinschaften vor allem in Städten und in Berlinnähe, Transparenz bei den Bedingungen der Vermietung und der Ausstattung von Wohnungen, außerdem eine ausreichende und engmaschige soziale Beratung und Betreuung der Geflüchteten sowie mehr professionelle Unterstützung für die Hilfsbereiten.
Von manchen PolitikerInnen demokratischer Parteien, aber eben auch von Rechtspopulisten und rechten Hasspredigern werden die in Deutschland ankommenden Menschen in gute und böse, in richtige und falsche Flüchtlinge eingeteilt. So wird zum Beispiel Menschen aus den südosteuropäischen Ländern pauschal unterstellt, sie hätten keine akzeptablen Gründe für ihre Flucht. Diese Einteilung machen wir nicht mit. Wir heißen alle Flüchtlinge im Barnim willkommen!
Die Bundesregierung hat angekündigt verstärkt Flüchtlinge abzuschieben. Wir werden es nicht einfach hinnehmen, dass Menschen, die bei uns Schutz suchen, abgeschoben werden!
Wir wenden uns entschieden gegen alle Maßnahmen die zu einer weiteren Abschottung Deutschlands und Europas gegen Flüchtlinge führen. Grenzkontrollen, Transitzonen, Zäune, die Kriminalisierung von FluchthelferInnen und ähnliches sorgen vor allem dafür, dass die Menschen, die fliehen, auf ihrem Weg immer höhere Risiken eingehen müssen. Es ist die Politik der „Festung Europa“ die verantwortlich ist für den Tod von tausenden Flüchtlingen. Stattdessen braucht es sichere Fluchtwege nach Deutschland. Für ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben für alle!