Berlin/Wittstock — Im Streit um das in Nordbrandenburg geplante “Bombodrom” haben Bundestagsabgeordnete der rot-grünen Regierungskoalition einen erneuten Vorstoß gegen die Bundesregierung gestartet. Ein Gruppenantrag der Parlamentarier zur zivilen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide sei gestern von den Fraktionsvorsitzenden freigegeben worden, erklärte der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei.
Erstunterzeichner ist den Angaben zufolge neben Nachtwei der brandenburgische SPD-Politiker Ernst Bahr aus Neuruppin. Der erste Gruppenantrag der beiden Parlamentarier gegen das “Bombodrom”, der von knapp 70 Abgeordneten unterstützt worden war, scheiterte aus formalen Gründen mit Ablauf der vergangenen Legislaturperiode des Bundestages.
Der neue Antrag ist den Angaben zufolge bereits von 31 Bundestagsabgeordneten der Grünen unterschrieben worden. Der Koalitionsvertrag sieht vor, daß Gruppenanträge von den jeweiligen Fraktionsvorsitzenden abgesegnet werden müssen.
Laut Antrag ist die zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide überfällig. Die Ungewißheit über die Zukunft der erfolgreichen Tourismusregion sei ein wachsendes Investitionshemmnis. Der geplante Luft-Boden-Schießplatz sei für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr “keineswegs unverzichtbar”, wie Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) behauptet. Die Luftwaffe komme seit 1990 ohne den Standort Wittstock aus. Bei der Planung für das “Bombodrom” sei 1992 von jährlich 7200 Übungseinsätzen auf den beiden bestehenden Luft-Boden-Schießplätzen und in Nordbrandenburg ausgegangen worden, heißt es zur Begründung. Seitdem seien die Übungen jedoch “massiv zurückgegangen”. Im vergangenen Jahr seien im Bundesgebiet ganze 1037 Einsätze von alliierten Streitkräften und der Bundeswehr geflogen worden.
Tieffliegende Jagdbomber mit ungelenkten Bomben, wie bei den Übungen auf dem “Bombodrom” vorgesehen, seien zudem kaum noch Bestandteil militärischer Konzepte der Bundeswehr. “Bei Erzwingungs- und Kampfeinsätzen, die nicht ausgeschlossen werden können, ist die Abstands- und Präzisionsfähigkeit der Luftwaffe zwingend gefordert.” Die Bekämpfung von Bodenzielen im Tiefflug gehöre insbesondere wegen des hohen Risikos der Vergangenheit an.
Ernst Bahr (SPD) hatte betont: “Ein solcher Bombenabwurfplatz ist angesichts der neuen ferngesteuerten Waffentechnik und der veränderten Militärstrategien nicht mehr nötig.”
Potsdam — Brandenburg soll eine der bundesweit restriktivsten Härtefallregelungen für abgelehnte Asylbewerber erhalten. Flüchtlinge, die wegen Kirchenasyls zur Fahndung ausgeschrieben sind, deren Ausreisetermin bereits festgesetzt wurde oder von denen zuvor unzutreffende Angaben aufgenommen wurden, sollen von Bleiberechtsanträgen an die künftige Härtefallkommission ausgeschlossen werden, sagte gestern der SPD-Fraktionschef im Landtag, Günter Baaske. Laut der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl sind in keinem anderen Bundesland derartige Einschränkungen vorgesehen.
Die in der SPD/CDU-Koalition ausgehandelte Verordnung soll nach Baaskes Angaben am 21. Dezember von der Landesregierung beschlossen werden. Das bundesweite Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt, gibt den Ländern das Recht zu eigenen Ausführungsbestimmungen.
Potsdam (AP) Einheitliche Oberschulen werden ab dem kommenden Schuljahr die bisherigen Gesamt- und Realschulen ablösen. Damit existieren dann mit Oberschule und Gymnasium nach der Grundschule nur noch zwei weiterführende Schultypen. Der Brandenburger Landtag verabschiedete das überarbeitete Schulstrukturgesetz am Mittwoch in Potsdam mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und CDU. Die oppositionelle PDS lehnte das Gesetz ab.
Die neuen Oberschulen sollen Real- und Hauptschulabschlüsse anbieten. Dazu soll auch eine entsprechende Aufteilung der Klassen möglich sein. Hauptschulen gab es in Brandenburg nicht. Die Regierungsparteien SPD und CDU hatten sich auf die Schulstrukturreform in ihren Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl im vergangenen September geeinigt. Damit soll auf den Rückgang der Schülerzahlen im Land reagiert werden. In den Klassenstufen sieben bis zehn soll die Anzahl der Schüler von derzeit 140.000 bis zum Jahr 2008 auf weniger als die Hälfte (62.000) sinken.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kündigte Proteste gegen die Zusammenlegung der knapp 150 Gesamt- und etwa 70 Realschulen im Land an. Der Brandenburger GEW-Vorsitzende Günter Fuchs kritisierte, mit dem neuen Schultyp werde das gegliederte Schulsystem zementiert. Stattdessen müsse jedoch auch auf der Oberschule die Vorbereitung auf das Abitur möglich sein, damit die Schüler flexibel blieben. Die PISA-Studie habe gezeigt, dass gegliederte Schulsystem gescheitert sei. Der Kritik schloss sich auch die PDS an. Auch Bildungspolitiker der SPD hatten bisher für ein möglichst lange offenes Schulsystem plädiert.
Lehrergewerkschaft will Schulgesetz kippen
Potsdam — Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ruft zum Protest gegen die in Brandenburg geplante Oberschule auf. Mit zahlreichen Aktionen in den nächsten Monaten will die Gewerkschaft das neue Schulgesetz kippen, das die große Koalition morgen gegen den Willen der PDS im Landtag verabschieden wird.
Brandenburgs GEW-Landesvorsitzender Günter Fuchs kündigte gestern ein Gegenkonzept an, das die Gewerkschaft im Frühjahr vorstellen will. Kernpunkt des Alternativvorschlags ist acht Jahre gemeinsames Lernen, bevor sich die Bildungswege der Kinder trennen. Stattdessen müssen sich Kinder und ihre Eltern nach sechs Jahren auf der Grundschule entscheiden, ob Oberschule, Gymnasium oder eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe angesteuert wird. Das ist nach Ansicht der GEW zu früh.
Wenn ab kommendem Schuljahr die Gesamtschulen ohne gymnasiale Oberstufe und die Realschulen zur neuen Oberschule verschmolzen werden, entsteht nach Ansicht von Fuchs ein System mit geringer Durchlässigkeit. Die Oberschule bietet neben dem Hauptschulabschluß auch den erweiterten Hauptschul- und den Realschulabschluß an.
Die GEW wirft der Regierung vor, eine Chance zu verschenken, indem sie ein dreigliedriges System schafft, statt die Lehren aus der Pisa-Vergleichsstudie zu ziehen. Drei Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Pisa-Erhebung, bei der Deutschland und vor allem Brandenburg unerwartet schlecht abgeschnitten hatten, ist nach Ansicht der GEW eins unstreitig: Längeres gemeinsames Lernen ermöglicht eine individuelle Förderung und schafft auch für Kinder von schlechter gestellten Eltern gerechtere Lernbedingungen. Die GEW fordert in den ersten acht Jahren gleiche Lehrpläne, also “eine Schule für alle”.
Die künftige Oberschule krankt nach Einschätzung der GEW auch an der geringeren Ausstattung. Denn diese soll sich an der Finanzausstattung der bisherigen Realschulen und nicht am hohen Ausstattungsgrad der Gesamtschulen bemessen. Damit die Oberschule funktioniert, seien außerdem bis zu 400 zusätzliche Lehrerstellen nötig, sagte Fuchs.
Heftige Kritik übt die Gewerkschaft an der Ausgabenpolitik der Landesregierung. Indem diese im Doppelhaushalt 2005/6 auch bei der Bildung spart, breche die Koalition ein zentrales Versprechen, das sie im Wahlkampf gegeben hatte. “Bei den Ausgaben für Bildung ist das Land Schlußlicht in Deutschland”, sagte Fuchs.
Theaterstück “Neden?” in Bad Liebenwerdaer Kirche erntete viel Applaus / Rege Teilnahme am Friedensmarsch
(LR, 14.12.) Die Anspannung war den jungen Darstellern am Freitagabend förmlich ins
Gesicht geschrieben. Nur noch wenige Minuten trennten die 25 Schüler der
Jahrgangsstufen elf und acht des Echtermeyer-Gymnasiums von ihrem großen
Auftritt. Unter dem Motto “Gegen Fremdenfeindlichkeit und für den Frieden”
erlebte das Schülertheaterstück “Neden?” , das aus der Feder von Judith
Rohleder, Caroline Weiz äcker und Sophie Stresse stammt, seine Premiere in
der Bad Liebenwerdaer Kirche St. Nikolai.
Vor der Aufführung des Theaterstückes beherrschte eine herzliche Atmosphäre
die Szenerie. Viele Bad Liebenwerdaer folgten dem Aufruf der Schüler und
brachten Speisen mit in die Kirche. Schnell wuchs auf den bereitgestellten
Tischen ein kaltes Büfett heran, an dem sich Darsteller und Gäste nach der
Aufführung stärken sollten. Am Rande des Geschehens bot ein Stand der
Organisation “Gepa-Fair Handelshaus” Waren von Produzenten aus
Entwicklungsländern an und stieß damit auf regen Zuspruch. Lange Schlangen
bildeten sich auch am Verkaufsstand der Friedenslichter. Die bunt
gestalteten Gläser fanden reißenden Absatz. Jeder einzelne steckte den
Betrag in die Spendenbüchse, der ihm ein solches Friedenslicht wert war. So
mancher Euro wanderte auf diese Art in den Spendentopf. Der komplette Erlös
geht an die Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin. Bedauerlicherweise war zur
Aufführung selbst nur etwa über ein Drittel der Kirchenränge gefüllt. Was
aufgrund dessen, dass zeitgleich in und um Bad Liebenwerda weitere
Veranstaltungen stattfanden, dennoch eine gute Resonanz war.
Judith Rohleder übernahm am Freitagabend nicht nur eine der Hauptrollen,
sondern auch die Moderation. Mit einer herzerfrischenden, jugendlichen Art
führte die Mitautorin die Zuschauer durch den Abend. Seinen Anfang fand das
kleine Stück mit Verlesen rechtsradikaler Gewalttaten, die sich nach dem
Mauerfall in Deutschland ereigneten. Erst danach folgte das eigentliche
Schauspiel. Und schnell stellte sich heraus, dass sich die vielen Proben und
das Lampenfieber gelohnt haben. Schon nach den ersten Passagen hatten die
Schüler die Zuschauer in ihren Bann gezogen.
“Neden”” , ins Deutsche übersetzt “Warum”” , erzählt die Geschichte des
jungen Türken Mehmet Demir, der nach Deutschland kam, um hier eine neue
Heimat zu finden. Doch er erfuhr in der Gesellschaft keine Akzeptanz. In
vier Szenen stellten die Schüler Alltagssituationen dar, die das
unscheinbare Leben des Türken widerspiegelten. Wobei die Hauptfigur, Mehmet
Demir, selbst nicht in der Handlung zu erleben war. Der junge Türke wird in
seinem persönlichen Umfeld erst zu dem Zeitpunkt wirklich wahrgenommen, als
er bereits spurlos verschwunden ist. Nur die alte Oma Lotti, die er ab und
an im Pflegeheim besuchte, und seine Freunde vermissen ihn. Wo war er? Ihm
genügte es nicht mehr, als Müllsammler und Putzkraft im Mietshaus oder als
Weihnachtsmann in einem Kaufhaus zu arbeiten. Mehmet Demir brach sein Leben
in Deutschland hinter sich ab und trat den Weg zurück in die Türkei an.
Doch, so gewollt komisch die Inszenierung auch manchmal beim Publikum ankam,
die Aussage des Stückes war alles andere als lustig. Und das bemerkte
spätestens auch der letzte Zuschauer in den Rängen, als die Abschlussszene
verlesen wurde. Ein Übergriff rechtsradikaler Jugendlicher auf Mehmet Demir
beendete seine Heimreise jäh. Trotz schneller Hilfe erlag er im Krankenhaus
seinen schweren Verletzungen — ein Türke, der eine neue Heimat suchte, fand
den Tod. Und so verspürte wohl mancher Gast im Publikum einen Kloß im Hals,
als US-Austauschschülerin Elaine Fitter mit sanfter, aber kräftiger Stimme
den emotionsgeladenen Titel “Belong” von Chris Rice durch die Kirche
erklingen ließ.
Kräftiger, langanhaltender Applaus belohnte schließlich die Schüler für ihre
wochenlange Arbeit. Viel Lob gab es auch aus den Reihen des Publikums. Immer
wieder waren anerkennende Worte für die Darsteller und ihr Engagement zu
vernehmen. Dies konnten dann auch Inge Leonhardt und Antje Becker, beide aus
Bad Liebenwerda, bestätigen. Beiden Frauen hat das Stück sehr gut gefallen.
Und sie fanden es gut und wichtig, dieses Thema aufzugreifen. Die
Echtermeyer-Schüler zeigten sich nach der Aufführung überaus zufrieden mit
sich und ihrer gezeigten Leistung, war von Judith Rohleder zu erfahren.
Beim anschließenden Friedensmarsch durch die Innenstadt waren viele
Gesichter zu entdecken, die noch vor wenigen Minuten in den Rängen zu sehen
waren.
Hintergrund Die Stiftung
Der Namensgeber der Stiftung, Amadeu Antonio Kiowa, wurde 1990 in einer
brandenburgischen Kleinstadt von rechtsextremen Jugendlichen zu Tode
geprügelt. Er war eines der ersten Todesopfer rassistischer Gewalt nach dem
Fall der Mauer. Die Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und engagiert sich im Kampf gegen
Rechtsextremismus und Antisemitismus. Infos im Internet unter
www.amadeu-antonio-stiftung.de .
Gaben für die Kinder
(MAZ, 14.12., Margit Hahn) LUCKENWALDE Auch in diesem Jahr hat der PDS-Gebietsvorstand eine Weihnachtsfeier im
Luckenwalder Asylbewerberheim organisiert. “Die meisten Familien wohnen
nicht mehr im Heim. Sie sind nach und nach in eigene Wohnungen gezogen”,
sagte Heimleiter Reiner Höhn. Trotzdem soll die Tradition — sich in der
Weihnachtszeit zu treffen — erhalten bleiben.
Nur acht Kinder aus Bosnien-Herzegowina und Kamerun leben mit ihren Eltern
derzeit im Asylbewerberheim. Aber auch die 43 Kinder, die mit ihren Familien
ausgezogen sind, werden weiterhin vom Heim betreut. So kommen viele Mädchen
und Jungen nach der Schule, um sich bei den Schularbeiten helfen zu lassen
oder um gemeinsam zu spielen. Und so war auch am Sonntag die Freude groß,
als sich alle zur Weihnachtsfeier wiedersahen. Die PDSler — allen voran die
Landtagsabgeordnete Kornelia Wehlan — hatten bei ihrer Kreisaktivtagung im
November zur Spendenaktion aufgerufen und so konnte der Weihnachtsmann
seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen und Geschenke verteilen. Und da auch
die Ausländerbeauftragte des Kreises, Monika Kollert, in Ludwigsfelde
Spenden gesammelt hatte, gab es für jedes Kind gleich zwei liebevoll
verschnürte Päckchen.
Allerdings kam der Weihnachtsmann erst, nachdem die Kinder Gedichte sowie
Lieder vorgetragen hatten, die von Heidemarie Migulla auf der Gitarre
begleitet wurden. Aber nicht jedes Kind freute sich über den Anblick des
Mannes im roten Mantel. Und so gab es vorneweg erst einmal Tränen, bis sich
dann herausstellte, dass diese vollkommen unnötig sind. Denn wenn sich die
Kleinen partout nicht dichter als drei Meter an den Weihnachtsmann
herantrauten, dann durften die Eltern das Geschenk in Empfang nehmen.
Puppen, Plüschtiere und Kinogutscheine kamen in den Päckchen zum Vorschein.
Und als die Kinder erfuhren, dass Heiligabend noch einmal der Weihnachtsmann
kommen will, leuchteten ihre Augen noch größer.
Vergessenes Kapitel des Krieges
(MAZ, 14.12., Mandy Mamedow) KLEINMACHNOW Der seit längerem geplante “Ort der Erinnerung” für ehemalige
NS-Zwangsarbeiter auf dem Gelände der einstigen “Dreilinden-Maschinenbau
GmbH” Kleinmachnow nimmt langsam Gestalt an, wie kürzlich bei einer
Veranstaltung im Kursaal der Biologischen Bundesanstalt zu erfahren war.
Dort drehte sich am “Tag der Menschenrechte” alles um ein nahezu vergessenes
Kapitel nicht nur der Kleinmachnower Geschichte: ehemalige Zwangsarbeiter
und andere NS-Opfer.
Derer nahm sich im Jahr 2000 zwar gezielt die Bundesstiftung “Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft” (EVZ) an. Doch zeigt sich inzwischen, dass die
Mittel der Stiftung sowie explizite Gesetzesvorgaben nicht ausreichen, allen
Betroffenen eine Entschädigung zukommen zu lassen. Und so sieht sich der
Berliner Verein “Kontakte — Kontakty e.V.” mit seiner Vorsitzenden Hilde
Schramm veranlasst, ergänzend zur Stiftung die bestehenden Lücken, soweit
irgend möglich, mittels Bürger-Engagement durch Spendengelder zu füllen.
Um auf die seit fast einem Jahr laufende, bundesweite Aktion aufmerksam zu
machen, aber auch um für eine lokale Brandenburgische Initiative zu werben,
traf sich am Freitag eine hochkarätig besetzte Runde. Mit dabei waren unter
anderem Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD), der ehemalige Brandenburger
Justizminister und Vorsitzende der Bundesstiftung EVZ, Hans Otto Bräutigam,
sowie die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm
(Bündnis90/Grüne), außerdem Vertreter der Gemeinde Kleinmachnow und
involvierte Vereine.
Dieser Abend, der von einer sechsköpfigen Initiativgruppe unter Leitung von
Hilde Schramm organisiert wurde, gab mit dem Bürger-Engagement auf
regionaler Ebene den Startschuss zur Kampagne “Brandenburg hilft ehemaligen
NS-Zwangsarbeitern in Ost€pa”. Und wo besser, als an einem authentischen
Ort hätte diese bis Mai 2005 angesetzte Initiative ihren Ausgang finden
können, so Cornelia Behm.
Mit unterschiedlichen Ansätzen versuchten die Akteure unter Moderation der
Brandenburger Ausländerbeauftragten Almuth Berger für die Dringlichkeit und
Wichtigkeit dieses Themas zu sensibilisieren. Immer wieder klang dabei
zwischen Zahlen, Fakten und geschichtlichen Hintergründen auch der besondere
Hinweis auf den “Mantel des Vergessens” durch, der sich über das Kapitel
Zwangsarbeiter gelegt habe. Zu kurz kam bei allem Informationsreichtum in
Hans Otto Bräutigams deutlich zu weit gedehnten Ausführungen allerdings der
Zusammenhang zwischen der Stiftung mit ihren begrenzeten Möglichkeiten der
Unterstützung von Zwangsarbeitern und der dazu ergänzend wirkenden
Bürgerinitiative. Zu unkonkret wurde nach Hilde Schramms Meinung gesagt,
dass schlichtweg nicht genug Geld vorhanden ist, dass Kriegsgefangene von
vornherein gesetzlich nicht berücksichtigt werden, obwohl sie unter
völkerrechtswidrigen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten.
Auch dass Zwangsarbeiter, die im Heimatland für die deutsche Besatzungsmacht
ausgebeutet wurden, keine Unterstützung erfahren, sei dabei unzureichend
beleuchtet worden. Dennoch lobte Schramm die Unterstützung der
Bürgerinitiative durch Bräutigam, für den dieses Engagement etwas bewegt,
was “der Staat einfach nicht mehr leisten kann”.
Wie sich die Gemeinde Kleinmachnow mit “ihren” ehemaligen Zwangsarbeitern
auseinandersetzt, wurde zum Schluss noch einmal deutlich durch die
Ausführungen des Heimatvereinsvorsitzenden Rudolf Mach und des
Landschaftsarchitekt Ole Saß. Demnach wird sich der vorgesehene “Ort der
Erinnerung”, der am 8. Mai 2005 eingeweiht werden soll, aus einem
landschaftsgestalterischen Gesamtkonzept zusammensetzen. Eine zweigeteilte
Gedenktafel wird auf einem der beiden dann begrünten und in Stahl
eingefassten Baracken-Fundamenten angebracht.
Auf dieser — in Anlehnung an die Stahl-Produktion im früheren Bosch-Werk -
aus Corten-Stahl gefertigten Tafel wird sich einerseits ein vom Heimatverein
ausgearbeiteter Text, andererseits ein Lageplan des Geländes befinden. Der
Gedenkort ist Ersatz für eine originale Fremdarbeiterbaracke, die im Zuge
der Errichtung eines Wohngebiets abgerissen worden war.
PDS will zweiten Sitz in Kommission
(Berliner Zeitung, 14.12., Andrea Beyerlein) POTSDAM. Während sich nach den Landtagswahlen im September alle
Landtagsausschüsse neu gebildet haben, soll die Parlamentarische
Kontrollkommission für den Verfassungsschutz (PKK) nach dem Willen der
Koalition bis auf weiteres in alter Besetzung weiterarbeiten. Trotz
veränderter Kräfteverhältnisse im Parlament bestehe für die Neuwahl des
Kontrollgremiums “kein Handlungsbedarf”, sagte am Montag der PKK-Vorsitzende
Christoph Schulze, auch parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion.
Ähnlich äußerte sich die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU, Saskia
Funck. Die PDS-Opposition fordert dagegen eine baldige Neu-Besetzung der
PKK — und einen weiteren Sitz. Bislang sind zwei SPD-Abgeordnete und je
einer von CDU und PDS vertreten. “Die veränderte Zusammensetzung des
Landtages muss sich auch in der PKK widerspiegeln”, sagte die Abgeordnete
Kerstin Kaiser-Nicht, gegenwärtig für die Sozialisten Mitglied in der
Kontrollkommission.
Bei den Landtagswahlen legte die PDS mit einem Ergebnis von knapp 28 Prozent
um fast fünf Punkte zu. SPD und CDU verloren je rund sechs Prozent. Nach dem
Verfassungsschutz-Gesetz, das die Aufgaben der PKK regelt, kann das Gremium
bis zu fünf Mitglieder haben. 1999 verständigten sich aber alle Fraktionen,
die Zahl auf vier zu beschränken — um Ansprüche der rechtsextremen DVU auf
einen Sitz zu vereiteln. Im Gesetz heißt es: “Die parlamentarische
Opposition muss angemessen vertreten sein.” Die Amtszeit der PKK ist dort
nicht zwingend an die Legislaturperiode gekoppelt. Das Gremium übe seine
Tätigkeit “auch über das Ende einer Wahlperiode des Landtages hinaus so
lange aus, bis der nachfolgende Landtag . eine neue parlamentarische
Kontrollkommission gebildet hat”, heißt es im Gesetz weiter.
Falscher Bescheid
Bislang bestand zwischen der Koalition und der PDS Einvernehmen, dass die
Neuwahl der PKK durch den Landtag zumindest so lange ausgesetzt werden soll,
bis das Verfassungsgericht über eine Klage Kaiser-Nichts auf Akteneinsicht
entschieden hat. Dies ist am Donnerstag geschehen. Das Gericht hat auf
Antrag der Abgeordneten einen Bescheid des Innenministeriums als
verfassungswidrig aufgehoben, mit dem ihr die Akteneinsicht im Falle des
V‑Mannes Toni S. verwehrt wurde. Wie auch die PKK-Mehrheit hatte das
Innenministerium die Auffassung vertreten, dass nur das gesamte Gremium,
nicht aber der einzelne Abgeordnete Akteneinsicht beantragen kann.
Ob und wann Kaiser-Nicht Einsicht gewährt wird, muss das Ministerium nun neu
entscheiden.
Raubüberfall durch extreme Rechte
(LR, 13.12.) Drei junge Männer haben laut Polizei am Samstag gegen 22.35 Uhr in der
Gerhart-Hauptmann-Straße einen Mann zusammengeschlagen und ihm eine schwarze
Tasche geraubt, in der sich ein Handy und andere Gegenstände befanden. Der
Polizei nahm die Drei in Nähe des Tatorts fest.
Ein Tatverdächtiger (23) wurde gestern Abend wegen Körperverletzung und
Raubes in Untersuchungshaft genommen, ein weiterer 19 Jahre alter Mann wegen
des Verdachts der Körperverletzung. Der Tatbeitrag des Dritten konnte nicht
geklärt werden, so Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Rupieper. Einer der
Inhaftierten sei in der rechten Szene in Cottbus bekannt. Alle drei seien
vom Erscheinungsbild Rechtsaußen zuzuordnen.
Das Trio sei während der Tat erheblich alkoholisiert gewesen.
Linksbündnis als Partei
(MAZ, 13.12.) POTSDAM Das Linksbündnis “Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit” (WASG)
soll nach dem Willen der Brandenburger Initiative in eine Bundespartei
umgewandelt werden. Dafür hätten sich die Mitglieder am Samstag in Potsdam
mehrheitlich ausgesprochen, sagte Vorstandsmitglied Henning Hagen. Die von
Gewerkschaftern und enttäuschten SPD-Anhängern gegründete Initiative hatte
auf ihrer ersten Bundesdelegiertenkonferenz im November bereits einen
entsprechenden Grundsatzbeschluss zur Parteigründung gefasst.
Ein weiterer Schwerpunkt des Treffens in Potsdam war das Verhältnis zur PDS.
Das sei ein “regelrechter Streitpunkt” gewesen, sagte Hagen. Einige
Mitglieder hätten eine Kooperation mit der PDS abgelehnt, andere sie in
Einzelfällen befürwortet. Das Thema sei noch längst nicht erledigt.
PDS-Bundeschef Lothar Bisky sagte, er bleibe “offen” in der Angelegenheit.
“Es interessiert mich, ob die Partei kommt und was sie will.” Konkreter
äußern wolle er sich noch nicht und erst das Parteiprogramm abwarten.
Die bundesweit etwa 6000 WASG-Mitglieder wollen in einer Urabstimmung
entscheiden, ob eine Parteigründung eingeleitet werden soll. Als Ziel nannte
Hagen unter anderem die Teilnahme an Wahlen. Zum ersten Mal wolle die WASG
bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 antreten. Auch die
Bundestagswahl 2006 habe man im Visier.
Einheitlich in Preußisch-Blau
POTSDAM. Ausgerechnet hier an der Potsdamer Max-Dortu-Grundschule sollen erstmals im Land Brandenburg Schuluniformen eingeführt werden. Draußen vor der Tür spielt das wieder hergestellte Glockenspiel der zerstörten Garnisonkirche den alten Preußenchoral “Üb immer Treu und Redlichkeit”. Und die Schulleiterin Gudrun Wurzler sitzt mit Kolleginnen vor ihrem Büro und sagt: “In Preußisch-Blau sollen die Kleidungsstücke sein.” Dunkelblau also für 281 Grundschüler.
Doch die zupackende Schulleiterin, selbst eher schlicht gewandet, ist keine Anhängerin von altpreußischer Zucht und Ordnung. “Die Schüler sollen sich über die Schulkleidung stärker mit der Schule identifizieren”, sagt Gudrun Wurzler. Die Schüler toben derweil über den braunen Linoleumboden des alten Barockbaus. “Außerdem könnten so soziale Unterschiede innerhalb der Schülerschaft verwischt werden”, sagt sie. Schließlich gebe es an ihrer Schule auch einen höheren Anteil nichtdeutschsprachiger Kinder.
Zunächst geht es nur um eine Art Einheitskleidung, bestehend aus T‑Shirt, Pullover und Allwetterjacke samt Schullogo. “Später wollen wir die ganze Palette anbieten”, sagt die Rektorin. “Schuhe, Strümpfe und so weiter.” Die Idee der einheitlichen Oberbekleidung entstand beim Sport. Die Schüler tragen seit einiger Zeit bei städtischen Wettkämpfen dunkelblaue Hemden mit einem Schullogo. Das motivierte die Kinder zusätzlich, stellten die Lehrer fest. Und die Schüler redeten nicht mehr ständig über Markenklamotten. Keine Vergleiche mehr, wer die teurere, schickere Trainingsjacke an hat. “Sonst spielt das Markenbewusstsein gerade im Sport eine große Rolle”, sagt die Schuldirektorin.
Nun will die Mehrzahl der Lehrer diesen Teamgeist auch im Schulalltag beschwören. “Es geht um das Gefühl, hier in der Schule eine Heimat zu haben”, nennt es die Vize-Rektorin Ute Freibrodt. An eine Einführung der kompletten Schulkleidung sei aber erst Anfang 2006 zu denken. “Zunächst müssen wir einen Designer für die Kleidung finden”, sagt die Rektorin.
Bekanntlich hatte der Potsdamer Designer Wolfgang Joop kurzfristig abgesagt. Daraufhin haben sich aber bereits fünf Modedesigner gemeldet, die an Joops Stelle die Schulkleidung entwerfen wollen — darunter auch die Berliner Modeschöpferin Ute Lindner. Im Januar will sich die Schulleitung mit diesen Interessierten zusammensetzen und entscheiden, wer den Zuschlag bekommt. “Ein Modedesigner soll die Kleidungsstücke dann gemeinsam mit den Schülern entwickeln”, sagt Vize-Rektorin Freibrodt. Ein Logo gibt es bereits, im satten Gelbton. Darauf ist ein großer Notenschlüssel zu sehen, der zu einem Pinsel wird. “Wir sind eben eine musisch-künstlerische Grundschule”, sagt Rektorin Wurzler. Sie rechnet aber damit, dass etwa 20 Prozent der Eltern an ihrer Schule gegen die Einheitskleidung ist. Auch der kleine Max aus der dritten Klasse sagt: “Ich will mich kleiden, wie ich bin.” Die Rektorin verspricht “einen behutsamen Übergang zur Schulkleidung”.
Auch SPD und PDS lehnen die Pläne in ersten Reaktionen ab. Schüler sollten die Möglichkeit haben, ihre Individualität auch durch Kleidung zu zeigen, meint die SPD-Bildungspolitikerin Ingrid Siebke. Und PDS-Bildungsexpertin Gerrit Große sagt, die Schulen sollten doch lieber erst einmal gegen die Benachteiligung sozial schwächer gestellter Schüler vorgehen.
Die CDU hingegen bekennt sich zur Schuluniform. Denn Markenkleidung stifte sozialen Unfrieden, sagt Ingo Senftleben, der bildungspolitische Sprecher der Union, und wird philosophisch: “Mit Schuluniformen können Kinder frühzeitig lernen, dass nicht der Schein, sondern das Sein unser Leben bestimmt.” Auch das Potsdamer Bildungsministerium steht dem Projekt der Max-Dortu-Grundschule wohlwollend gegenüber. “Für uns ist so ein Versuch von Interesse, weil wir prüfen können, ob das Sozialklima durch solche Kleidung tatsächlich verbessert wird”, sagte Ministeriumssprecher Thomas Hainz. Es werde geprüft, ob für die Finanzierung der Kleidung Lottomittel bereit gestellt werden können.