Ein Deutscher ist bei einer Auseinandersetzung zwischen Asylbewerbern und Einheimischen in Rathenow (Havelland) leicht verletzt worden. Nach Darstellung der drei Asylbewerber waren sie mit Parolen wie “Ausländer raus” beschimpft worden, die drei Deutschen wollen dagegen von den Asylbewerbern beleidigt worden sein. Laut Polizei konnte bislang der tatsächliche Tatablauf nicht geklärt werden.
Monat: Juni 2002
BGH bestätigt “Benzin-Urteil”
LEIPZIG/FRANKFURT (ODER). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Dienstag hohe Haftstrafen gegen rechtsextreme Jugendliche bestätigt, die in Bernau einen 52-jährigen Mann brutal misshandelt hatten und ermorden wollten. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hatte die fünf Skinheads deshalb im Juli 2001 unter anderem wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von 14 und 15 Jahren und Jugendstrafen von bis zu zehn Jahren verurteilt. Der BGH wies die Revision der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen diese Entscheidung zurück: Das Gericht habe die ungeheure Brutalität der Tat und die schweren Folgen für das Opfer sachgemäß gewürdigt, entschied der in Leipzig ansässige Strafsenat.
Die Angeklagten hatten den Mann im Januar 2001 stundenlang mit Schlägen und Tritten gequält, weil sie ihn verdächtigten, ein Gruppenmitglied wegen Körperverletzung angezeigt zu haben. Danach beschlossen sie, ihr Opfer durch Verbrennen zu töten, um die Spuren der Misshandlungen zu beseitigen. Der Mann wurde dazu an einen abgelegenen Ort geschleppt und sein nackter Körper mit Benzin übergossen und angezündet.
BERNAU. Die Schill-Partei formiert sich in Brandenburg für die Bundestagswahl am 22. September. Am Dienstagabend wurde in Bernau (Barnim) der erste Kreisverband der Partei Rechtsstaatlicher Offensive gegründet. “23 Mitglieder kommen aus dem Kreis Barnim, elf aus Oberhavel”, sagte der Landesbeauftragte der Partei, Dirk Weßlau. Bisher seien insgesamt 115 Brandenburger als Mitglieder beim Hauptsitz der Partei in Hamburg eingetragen. Beim Parteitag am vergangenen Sonnabend sei nicht nur beschlossen worden, zur Bundestagswahl anzutreten, sondern auch, die Mitgliederzahlen für Orts- und Kreisverbände von bisher 30 auf zehn zu senken. Die bisher zu hohe Zahl habe die Gründung von Unterorganisationen behindert, sagte Weßlau. Die Mitglieder lebten weit verstreut im Land, selbst in Potsdam gebe es nur 15 Mitglieder, in Cottbus oder Frankfurt (Oder) jeweils fünf. “Jetzt wird es ein Feuerwerk von Neugründungen geben”, sagte Weßlau. Er geht davon aus, dass sich damit die Mitgliederzahl der Partei bis zum August auf mindestens 150 erhöhen wird.
Bis zum 13. Juli will die Partei ihre Landesliste für die Bundestagswahl aufstellen. “Wir rechnen mit 15 Prozent der Stimmen im Land”, sagte Weßlau, der selbst nicht kandidieren will. Der 40-jährige Zahnarzt aus Bernau ist der einzige Kreistagsabgeordnete seiner Partei im Land und war von 1990 bis zum Februar CDU-Mitglied. Die Partei werde vom “€paweiten Rechtsruck” profitieren, glaubt Weßlau. Für rechtsextrem hält er die Schill-Partei nicht.
Weßlau schätzt, dass 70 Prozent der Mitglieder “hoch gebildete Bürger” sind, die ohne Werbung zur Partei gefunden haben. Die meisten kämen aus dem Bereich von Polizei, Bundesgrenzschutz und Armee, zudem seien viele Lehrer, Ärzte und Ingenieure eingetreten.
In Brandenburg will die Partei nicht nur auf ihre klassischen Themen wie innere Sicherheit und die behauptete “überzogene Zuwanderung” setzen. “Als Grenzland zu Polen wollen wir die EU-Osterweiterung thematisieren und spezielle Wirtschaftsförderungen für die hiesigen grenznahen Regionen einfordern”, sagte er.
Bernau: Pro Schill Demonstration
Nun bereits zum dritten mal trafen sich am Dienstag den 25. Juni die Anhänger
der Schill-Partei in Bernau. Da die ersten beiden Veranstaltungen von
linksextremistisch beeinflussten Jugendlichen massiv gestört wurden,
rechneten auch diesmal alle wieder mit Protesten. Doch es sollte ganz anders
kommen. So fanden sich überraschenderweise 40 Menschen ein um für die Politik
der Schill-Partei zu demonstrieren. Sie trugen zahlreiche Schilder mit sich,
auf denen Parolen wie diese standen: “Mallorca muß deutsch bleiben!”,
“Prügelstrafe in die Schulen!”, “Kiffer ins Arbeitslager!”,
“Sozialhilfeempfänger abschieben!”, “Frauen an den Herd!”, “Weltkrieg für den
Weltfrieden!”, “Kauft deutsche Bananen!” usw.
Da diese Demonstration doch sehr lautstark war, fand sich auch bald Polizei
ein, die dem Treiben anfangs noch wohlwollend gegenüberstand. Doch als sich
die Veranstaltung sich dann in die Länge zog und die Polizisten merkten, das
sie von ihren sonsitigen Pflichten abgehalten wurden, verschlechterte sich
ihre Laune. Mangels Masse konnten sie aber ihre Drohungen, die Demonstration
aufzulösen und die Personalien aller Anwesenden aufzunehmen, nicht
nachkommen. Allerdings verhinderten sie die Teilnahme der Pro Schill
Demonstranten an der Parteiveranstaltung. Und das war dann wohl auch der
Grund, warum die Gründung des Kreisverbandes scheiterte. Bisher gelang es
nämlich nicht die dafür im Statut der Partei vorgesehenen 100 Mitglieder zu
gewinnen.
Der diesjährige Ostermarsch für die Freie Heide hat — wie jetzt bekannt wurde — ein unerwartetetes Nachspiel. Mehreren Personen wird von Polizei und Staatsschutz vorgeworfen, im Zuge der Proteste Sachbeschädigung an Bundeswehreigentum begangen zu haben. Die Demo war zwar durchweg friedlich verlaufen, doch in den Vortagen waren vier Warnschilder der Bundeswehr mit Anti-Militär-Parolen bemalt worden. Die Bundeswehr hatte damals Anzeige wegen Sachbeschädigung gestellt.
Drei bis vier Personen aus Berlin und Potsdam haben wegen dieser Ermittlungen inzwischen mit Polizei und Staatsschutz zu tun. Offensichtlich waren Autokennzeichen von DemoteilnehmerInnen durch BeamtInnen notiert worden. Die Betroffenen — einer weilte, als die Osterdemo stattfand, im Urlaub in Italien! — sind zweifelsohne willkürlich ausgesucht worden. Die Vorladungen bei der Polizei und in einem Fall vom Staatsschutz erfolgten anscheinend teilweise sogar als Beschuldigte, nicht nur als mögliche Zeugen. Einziges einendes Merkmal sind die auswärtigen Nummernschilder an den Autos der Betroffenen. In einem Fall wurden gar die Eltern eines der Beschuldigten in Stuttgart aufgesucht und über ihren Sohn und dessen etwaiges politisches Engagement ausgefragt. Es ist fraglich, was die Behörden mit ihrem willkürlichen Ermittlunsgseifer im Zuge eines so extrem geringen Schadens bezwecken.
Sollten noch weitere Menschen wegen der vier bemalten Schilder Ärger bekommen oder schon bekommen haben, sollen sie sich bitte bei Inforiot unter kontakt@inforiot.de melden.
Hier kannst du einen Bericht über die Osterdemo nachlesen. Die MAZ berichtete damals über die bemalten Schilder: Artikel
“Lieber Bolle als konsumieren”
Alltäglich werden nicht nur Mode und Nahrung wahnartig konsumiert — nein, das
gleiche gilt viel zu oft auch für Bildung, Spaß, “Gefühle” und vieles andere.
An die Stelle von Kreativität treten Nachahmung, Auswendiglernen und später
Erwerbsarbeit. Massenmedien ersetzen Beziehungen; Überwachung ersetzt
Vertrauen; statt zu erfahren werden wir belehrt; statt spontan zu sein,
müssen wir unser Leben verplanen … (um nur ein paar Beispiele zu nennen).
Doch all dem wollen wir etwas entgegensetzen:
Wir, eine noch kleine, ziemlich gemischte Gruppe irgendwo zwischen Greenpeace
und Antifa haben uns deshalb zusammengetan, um bolle zu organisieren, ein
Brandenburg-Berlin-weites Camp von und für Jugendliche, vom 29.8. bis
1.9.2002 in Kremmen (auf halber Strecke zwischen Berlin und Neuruppin).
Drei Tage lang sollen hier endlich mal all die verschiedenen Richtungen,
Gruppen und Nichtorganisierten aus Antirassismus, Umweltschutz,
Globalisierungswiderstand, Antisexismus, Eine-Welt, … , all die
KriegsgegnerInnen und CastorstopperInnen, an Utopien Glaubenden,
“SozialschmarotzerInnen” und “gesellschaftlichen AußenseiterInnen”, einfach
Neugierigen oder mit dem Heute Unzufriedenen und viele andere zusammenkommen,
diskutieren, sich austauschen und vernetzen, konkrete Aktionen planen und
auch gleich verwirklichen oder sich einfach kennenlernen können.
Natürlich gehören selbstorganisiertes Campleben auf der Wiese, Musik in der
Scheune, VoKü, Baden im Kanal und “Faulenzen” ebenso dazu wie inhaltlich
tiefgründige Diskussions- und “Arbeits“gruppen.
Wir denken, dass es an einer so breiten Vernetzung noch immer mangelt — viele
Gruppen leben aneinander vorbei, oft ohne voneinander zu wissen, oder meiden
sich wegen inhaltlicher Unterschiede oder verschiedener Themen. Wir glauben,
dass hier Kennenlernen, Austausch und auch Streit sehr fruchtbar sind und
sich so Schnittstellen ergeben können.
Auch sind für uns Umweltzerstörung, Rassismus, wirtschaftliche Ausbeutung,
Krieg, Patriarchat, etc. an vielen Stellen inhaltlich miteinander verzahnt.
Damit es bei BOLLE eine große Vielfalt von Ideen und Meinungen gibt, wird das
Camp so offen wie möglich sein. Die besprochenen Themen und “Arbeits“formen,
die konkrete Ausgestaltung und eventuelle Aktionen werden ganz von den
Teilnehmenden abhängen.
Themen könnten z.B. der aktuelle Bezug zu RIO+10, zum Anti-Kriegs- und
Anti-Uran-Tag am Sonntag, zur Bundestagswahl und vieles mehr sein. Wir wollen
uns dabei jedoch nicht festlegen und auf dem Camp versuchen, schon ein Stück
weit andere Formen des Zusammenlebens zu verwirklichen.
Für weitere Infos (auch über die noch nicht existierende Internetseite)
schreibt einfach an: bolle.plattform@gmx.de
Wenn ihr Lust habt, bei der Vorbereitung mitzumachen (wir können noch einen
starken Zuwachs an Vielfalt und Kreativität sowie an “Arbeits”- und sonstiger
Kraft gebrauchen!) schreibt an die Diskussionsliste oekoreg@kbx7.de!
Post: bolle, c/o SJB, Grünberger Str. 54, 10245 Berlin
iNFOFETE
AM fREITAG; 28.6.02, 19 uHR IM JUP (pANKOW):
Florastraße, Ecke Görschstraße; 5 Minuten zu Fuß von S‑Bahnhof Pankow oder
Wollankstraße.
Info und danach netter Abend mit lecker vegan essen und trinken…
dpa Berlin/Oranienburg — Die Liedermacherin Barbara Thalheim gehört zu den Künstlern, die am «2. Fest der Hoffnung — gegen Rassismus und Gewalt» am 30. Juni auf dem Gelände des ehemaligen SS-Truppenlagers in Oranienburg teilnehmen. Sie tritt dabei mit dem multinational zusammengesetzten «Berliner Kammerorchester» auf. «Wir wollen mit meinem Programm ‚Deutsch zu sein bedarf es wenig´ bewusst auch an ‚Unorte´ gehen», sagte die Liedermacherin bei der Vorstellung des Projektes gestern in der Berliner Akademie der Künste.
Das Kulturfest des «Forums gegen Rassismus und rechte Gewalt» mit Künstlern aus Oranienburg und Umgebung, Berlin und Prag sowie Zeitzeugen findet an der Bernauer/ Ecke Schmachtenhagener Straße am südlichen Ende des Lehnitzsees statt. Andere Mitwirkende sind die Percussiongruppe der Kreismusikschule Oranienburg, die Rockband «Die Zivilisatoren» aus Oranienburg, Clown Pepino aus Berlin/Chile und die Tanzgruppe «Rock-N-Roll Butterfly» aus Sommerfeld. Erwartet wird auch Adolf Burger, einer der letzten Zeitzeugen der Geldfälscherwerkstatt der Nationalsozialisten im KZ Sachsenhausen.
Das Amtsgericht Potsdam hat am Donnerstag den früheren DVU-Fraktionsvorsitzenden im Magdeburger Landtag, Helmut Wolf, wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt. Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass mehrere Unbekannte in Anwesenheit Wolfs am 2. September 1999 in Potsdam Plakate anderer Parteien abgehangen und abtransportiert haben. Die Magdeburger DVU leistete damals Wahlkampfhilfe für ihren Brandenburger Landesverband. Die Richterin zweifelte am Alibi Wolfs, das ihm seine Ehefrau und sein Anwalt gegeben hatten. Der Politiker, der im Jahr 2000 die DVU-Fraktion verlassen und die Freiheitliche Deutsche Volkspartei gegründet hatte, will Widerspruch gegen das Urteil einlegen.
Die Duldung der vietnamesischen Familie Nguyen ist bis Anfang September verlängert worden. Dies teilte am Donnerstag die SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Bierwirth in Altlandsberg mit. Die Duldung der seit elf Jahren in Deutschland lebenden Familie wäre ursprünglich Ende Juni ausgelaufen. Der Landrat hatte in einem Brief bereits die Abschiebung zum 9. Juli angekündigt. Der Flüchtlingsrat Brandenburg, die Kirchengemeinde, verschiedene Politiker und die Einwohner von Altlandsberg fordern seit Jahren ein dauerhaftes Bleiberecht für die Familie Nguyen in Deutschland.
<b<ausstellung vom 24.Juni bis 6.Juli 2002
im Foyer der Fachhochschule Potsdam, Alter Markt
Fußball ist ein massenwirksames Ereignis: Millionen Menschen spielen
selbst, Millionen verfolgen Fußball im Stadion oder am Bildschirm.
Vielleicht noch in der Kirche versammeln sich Woche für Woche so große
Menschenmassen an einem Ort. Kein Wunder, dass neonazistische Gruppierungen
seit den 80er Jahren immer wieder versuchen, Fan- und Hooliganszenen zu
unterwandern, um Nachwuchs zu rekrutieren. Politische und persönliche
Konflikte werden auf Minderheiten als Sündenböcke projiziert. An ihnen kann
verfolgt und bekämpft werden, was eigentlich an sich selbst verurteilt
wird.
Neonazis bieten einfache, aber barbarische “Lösungen” an, gaukeln
Übersichtlichkeit und Eindeutigkeit vor. Damit finden sie bei jugendlichen
Fußballfans Gehör. Während die Grenzen in der Europäischen Union
verschwunden sind und die Globalisierung voranschreitet, beginnen viele
Menschen sich auf Regionalismus und Nationalismus rückzubesinnen. Sie
beziehen sich auf Hautfarbe oder ethnische Besonderheiten — und sind
“stolz, ein Deutscher zu sein”, obwohl sie nichts dafür können, dass sie in
Deutschland geboren sind.
Fanszenen und Stadionkurven sind kein großer brauner Sumpf, doch die
Verwirrung ist groß: Die gewaltorientierten Hooligans sind nicht per se
Neonazis und umgekehrt. Skinheads nicht per se Neonazis und umgekehrt. Als
beispielsweise Duisburger Hooligans vorschlugen, die “Kinder-Glatzen” aus
dem Wedau-Stadion zu jagen, herrschte nur wenige Tage später Verbrüderung:
Mit Sprechchören wie “Wir sind wieder einmarschiert” und “Frankreich-
Überfall” zogen sie bei einem UI-Cup-Spiel 1998 gemeinsam durch das
französische Auxerre.
In manchen Fanszenen gibt es personelle Überschneidungen zwischen Hooligans
und Neonazis. Oder es ergeben sich Situationen, in denen eine diffuse
Solidarisierung entsteht — nicht selten mit dem kleinsten gemeinsamen
Nenner: Gewalt. Aber Hooligans provozieren nicht nur gern mit
diskriminierenden Sprüchen. Die Verbindung zu Neonazis liegt im
chauvinistischen, oftmals nationalistischen Weltbild, im aggressiven
Härteideal und in der Männerbündelei. Ähnlich wie neonazistische Skinheads
sind Hooligans das ungeliebte Zerrbild einer “Erfolgsgesellschaft”.
Beide Gruppierungen verbindet eine Brutalität, die oftmals durch die
Sprache der Presse und des Fernsehens oder durch das Verhalten einzelner
Spieler, Trainer und Funktionäre gespiegelt wird. Der Gegner wird
ausgeschaltet, vom Platz gefegt, nieder- oder kampfunfähig gemacht. Spieler
sind Leitwölfe und Zerstörer, hart und kaltblütig, die “sich den Arsch
aufreißen” (Lothar Matthäus), um mit der Brechstange und “Granaten” aufs
Tor um jeden Preis zu siegen. Klaus Kocks, PR-Manager bei VW, ist im
Wirtschaftskrieg lieber “eine Art Hooligan der feineren Stände” (“Süddt.
Zeitung”) als “Muckefuck-Trinker”. Ebenso kämpft Leo Kirch als Medien-
Hooligan mit rücksichtsloser Ellenbogenmentalität für ein Monopol der
Fußball-TV-Rechte. Alle zusammen setzen sich mit ihren Mitteln,
Möglichkeiten und einfachen “Wahrheiten” gnadenlos gegen potentielle
Konkurrenten durch, im Notfall bis zur Vernichtung.
Nicht nur Medien, Funktionäre, Trainer und Spieler können als Beschleuniger
von rechten Ressentiments und Gewalt wirken, sondern auch die Tagespolitik.
Es entsteht eine Wechselwirkung.
So wie die Beschneidung des Asylrechts durch Innenminister Manfred Kanther
Ende der 90er Jahre und ihre rigorose Fortführung durch seinen Nachfolger
Otto Schily den gesellschaftlich tolerierten Alltagsrassismus verstärken,
hatte vor dem Türkei-Länderspiel 1983 der Berliner Innensenator Heinrich
Lummer Öl in Feuer gegossen. Angelehnt an die Bonner “Rückführungskampagne”
hatte er die Losung “Berlin muss deutsch bleiben” ausgelobt und behauptet,
der Unterschied zwischen Türken und Deutschen beginne schon beim Geruch.
Bis heute werden “Ausländer” zunehmend danach beurteilt, ob sie nützlich
für “das Land” sind.
Solche Politik ist das Schmierfett im Getriebe der Fremdenangst und des
Rassismus in Deutschland. Mitläuferische, vor allem jugendliche Fußballfans
können sich so durchaus als vollstreckende Speerspitze der Gesellschaft
fühlen. In vielen Fällen können sie sich rechtfertigen, lediglich das offen
auszusprechen und umzusetzen, was “die da oben” oder sogar Familien am
Küchentisch verbreiten.
Der allgemeine Rechtsruck seit der Wiedervereinigung hat mit offenem
Nationalismus und neoliberalen Krisenstrategien bis heute zur Etablierung
einer rechten Jugendkultur geführt. Nach neonazistischen Ausschreitungen
deutscher Hooligans beim Länderspiel Polen — Deutschland 1996 bestätigte
Frederik Holtkamp, damaliger Polizeisprecher der “Zentralen Sammelstelle
Sport”, in der “Frankfurter Rundschau”: “Das sind im Grunde genommen keine
Probleme der Polizei, sondern der Gesellschaft. Wir stehen nur am Ende der
Kette und müssen für die Dinge gerade stehen, die durch die Politik
verursacht werden.”
Tatort Stadion ist — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — ein erster
Versuch, Rassismus und Diskriminierung im deutschen Fußball in ihren
Tendenzen, Kontinuitäten und ihrer Militanz nachzuzeichnen. Tatort Stadion
ist ein Beginn sozialhistorischer Aufarbeitung, die eine ständige
Fortschreibung erfordert.
Tatort Stadion greift aber auch Gegenbewegungen in den Fanszenen, Vereinen
und Verbänden auf. Faninitiativen und Fanzeitungen zeigen kreative
Alternativen auf, wie antirassistisches und antidiskriminierendes
Engagement in Stadien aussieht und der menschenverbindende Charakter des
Fußballs genutzt wird.
Ziel von Tatort Stadion ist es, Fußballfans, Interessierte und besonders
Jugendliche; aber auch Verbände, Vereine und die Öffentlichkeit für das
Problem von Rassismus und Diskriminierung in den Stadien weiter zu
sensibilisieren. So kann eine Grundlage geschaffen werden, rassistische und
rechtsextreme Strömungen in den Fankurven effektiv zu bekämpfen.
Furore um die Ausstellung
Nach der Eröffnung der Ausstellung fand sich “Tatort Stadion” wochenlang
auch außerhalb der Sportseiten in den Schlagzeilen. Insbesondere die
Schilderung rechtsextremistischer Vorfälle bei Länderspielen der deutschen
Nationalmannschaft in den letzten Jahren und eine Schautafel mit Zitaten
des DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder sorgte für Verärgerung beim
DFB. Der DFB behauptete, die Zitate wären aus dem Zusammenhang gerissen und
drohte, die bereits zugesagte Unterstützung der Ausstellung mit 10.000 DM
zurückzuziehen. Die Fußballfunktionäre versuchten damit Einfluß auf die
inhaltliche Gestaltung von “Tatort Stadion” zu nehmen. BAFF bot an,
eventuelle Ergänzungen oder Klarstellungen zu den Zitaten in die
Ausstellung aufzunehmen. Dies lehnte der DFB ab. So bleibt bis heute
fraglich, in welchem Zusammenhang z.B. der 1989 von Mayer-Vorfelder
geäußerte Satz “… Was wird aus der Bundesliga, wenn die Blonden über die
Alpen ziehen und statt dessen die Polen, diese Furtoks und Lesniaks,
spielen?…” nicht rassistisch aufgefaßt werden könnte. Letztlich
zog der
DFB nicht nur seine Unterstützung zurück, sondern forderte auch die Vereine
der 1. und 2. Bundesliga auf, die Ausstellung nicht zu unterstützen.
Während der Hertha BSC-Torjäger Michael Preetz seine Funktion als
Schirmherr zurückzog, hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse keinen Anlaß
gesehen, die Schirmherrschaft für “Tatort Stadion” aufzugeben.
Fankultur in Potsdam
Eine besondere Tafel der Ausstellung beschäftigt sich mit der Babelsberger
Fankultur.
Seit Jahren hat sich im Umfeld des SV Babelsberg 03 eine unabhängige,
emanzipierte Fankultur herausgebildet, die sich gegen rassistische
Tendenzen im Karl-Liebknecht-Stadion und eine weitere Kommerzialisierung
des Fußballs wendet.
Babelsberger Fans beteiligten sich an Aktionen der bundesweiten
Faninitiative Pro 15:30, die sich für fanfreundliche einheitliche
Anstoßzeiten der Bundesligaspiele einsetzt und erreichten Teilerfolge mit
Protesten gegen Eintrittspreiserhöhungen für die Heimspiele des SV
Babelsberg 03 in der 2.Bundesliga.
Bundesweit in die Schlagzeilen geriet das DFB-Pokalspiel des SV Babelsberg
03 gegen Hertha BSC am 25.08.2001. Während Herthafans während des Spieles
den Hitlergruß zeigten und rechtsextreme Parolen skandierten, drängte die
Polizei den Babelsberger Fanblock ab, der “Nazis raus” rief. Auch nach dem
Spiel ließ die Polizei die rechten Herthafans gewähren und räumte statt
dessen ein alternatives Wohnprojekt, von dem aus die Herthafans angeblich
provoziert wurden. In den Wochen nach dem Spiel recherchierten Fans
gemeinsam mit antirassistischen Gruppen den Polizeieinsatz und machten die
offensichtliche Duldung rechter Pöbeleien und Übergriffe durch die Polizei
öffentlich zum Thema. Ein Fanspaziergang und eine Demonstration “Farbe
bekennen heißt Dinge beim Namen nennen: Gegen Rassismus und Polizeigewalt”
wurden maßgeblich durch Babelsberger Fans getragen.
Zum 2. Mal findet am 29.06.02 das Antirassistische Stadionfest “Der Ball
ist bunt” statt. Neben einem attraktiven Rahmenprogramm mit Theater,
Konzerten, Seifenkistenrennen, Spielen und Informationsständen stehen
natürlich das große Fanklubturnier und das Jugendturnier im Mittelpunkt des
von Babelsberger Fans organisierten Fußballfestes. Ein weiterer Höhepunkt
ist diesmal das Freundschaftsspiel des SV Babelsberg 03 gegen Borussia
Mönchengladbach.
Die Ausstellung “Tatort Stadion. Rassismus und Diskriminierung im Fußball”
vom 24.06. bis 6.Juli 2002 in Potsdam wird organisiert und betreut von:
Bündnis Aktiver Fußballfans e. V.
Football Against Racism in Europe
Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg e.V.
Fanzeitung ABSEITS
03-Fans gegen Rechts
FC Munke
Stehplatz-ermäßigt
Filmstadt Inferno 99
FC Rhoter Rhombus
Faninitiative PRO 15:30
Nähere Informationen zur Ausstellung unter www.tatort-stadion.de
Auf Wunsch bieten wir auch Führungen an.
Anfragen: telefonisch unter 0177–876 79 69 oder an webmaster@stehplatz-ermaessigt.de