Eine erneute Überprüfung des Bereiches Kartoffellager Blumberg noch am 12.11. hatte zur Feststellung und Festnahme einer weiteren, sich illegal in
Deutschland aufhaltenden Frau geführt. Ein Identitätsfeststellungsverfahren bei allen festgestellten Personen ergab folgendes: Drei Männer im Alter von
35, 26 und 19 Jahren sowie vier Frauen im Alter von 47, 39, 33 und 24 Jahren mit ukrainischer Staatsbürgerschaft
wurden über Polen illegal nach Deutschland geschleust. Gegen die sieben wurden Verfahren wegen illegalen Aufenthaltes/ illegaler Einreise
eingeleitet. Gegen den 19-jährigen wird zusätzlich ein Verfahren wegen
Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte geführt, da er sich der vorläufigen
Festnahme unter erheblicher Gewaltanwendung widersetzt hatte und letztlich
nur unter Anwendung von massivem polizeilichen Zwang festgenommen werden
konnte. Dabei wurden u.a. ein Beamter leicht verletzt sowie persönliche und
dienstliche Gegenstände des Beamten (Brille, Uhr, Taschenlampe und
Handfessel) gingen verloren bzw. wurden beschädigt. Nach entsprechenden
Beschuldigtenvernehmungen in eigener Sache sowie Zeugenvernehmungen im
Verfahren gegen den mutmaßlichen Schleuser wurden die sieben Personen am
gestrigen Tage über den Grenzübergang Küstrin- Kietz wieder nach Polen
abgeschoben. Der 38- jährige Fahrer des Mercedes- Benz, in den die Illegalen
im Kartoffellager in Blumberg eingestiegen waren, erwies sich als ein
österreichischer Staatsbürger, der dauerhaft in Fürstenwalde wohnhaft ist.
Gegen ihn wurde durch das Amtsgericht Bernau auf Antrag der
Staatsanwaltschaft Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts der
Schleusertätigkeit erlassen.
Monat: November 2003
Gedenktafel gestohlen
NAUEN Eine Bronzetafel haben Unbekannte in Nauen von der Fassade der
einstigen Synagoge gestohlen. Die knapp 50 mal 50 Zentimeter große Tafel war
dem Andenken jüdischer Mitbürger gewidmet und 1988 am Haus Nummer 11 der
Goethestraße angebracht worden. Die Inschrift lautet: “Im Gedenken an unsere
jüdischen Mitbürger, deren Synagoge dieses Gebäude gewesen ist.” Darunter
steht in hebräisch: “Erinnert Euch und vergesst nicht.” Zurückgelassen haben
die Täter nur eine Blechplatte, auf der die Tafel befestigt war. Die Polizei
ermittelt in alle Richtungen.
“Es ist grausam für Familie Cikaj”
(LR, 14.11.03) Seit einer Woche ist die sechsköpfige Familie Cikaj aus Forst untergetaucht,
um so der Abschiebung in den Kosovo zu entgehen. Die RUNDSCHAU telefonierte
dazu mit Annette Flade. Die 53-jährige Babelsbergerin ist
Ausländerseelsorgerin des Kirchenkreises Potsdam.
Wohin gehen die Menschen, die wie Cikajs für sich keine andere Chance mehr
sehen?
Wir haben im Land Brandenburg kaum solche Erfahrungen, weil hier die
Anonymität nicht gegeben ist — weder auf dem flachen Land noch in Städten
wie Cottbus. Da kennt man sich einfach. Leute wie die Familie Cikaj gehen
nach Berlin oder in andere größere Städte in den alten Bundesländern.
Was geht in den Köpfen derjenigen vor, die untertauchen?
Welcher psychischen Belastung sind sie ausgesetzt? Es ist einfach grausam -
besonders, wenn auch Kinder betroffen sind. Sie müssen sich auf einmal versteckt halten. Es ist
eigentlich nicht aushaltbar. Was da intern an Konflikten entsteht, ist kaum
zu managen. Da spielen sich Familiendramen ab.
Wie lange hält man das aus?
Allein lebende Menschen halten das auch über Jahre aus. Aber bei Familien
kann ich mir das nicht vorstellen.
Ohne Hilfe von außen lässt sich so etwas kaum bewerkstelligen. Wer unterstützt die Betroffenen?
Es sind meist Landsleute, die einen anderen Status besitzen. Da erlebt man
größte Solidarität untereinander. Es sind Menschen, die sich damit selbst
über eine ungewisse Zeit einer großen psychischen, aber auch materiellen
Belastung aussetzen. Sie haben meist nicht viel Geld — und sollen nun
zusätzlich sechs Menschen ernähren. Es gibt aber zum Glück auch Leute, die
professionelle Hilfe anbieten.
Wer zum Beispiel?
Im Berliner Raum gibt es eine Anlaufstelle für Menschen ohne Papiere. Dort
geht es zunächst darum, Informationen zu liefern. So gibt es die Möglichkeit
der medizinischen Versorgung. Wir kämpfen außerdem darum, Kindern
betroffener Familien Schulunterricht zu ermöglichen, ohne dass sie angezeigt
werden. Das allerdings ist noch nicht Realität. Auch Ärzte müssen jeden
anzeigen, der ohne Papiere zu ihnen in die Sprechstunde kommt. Wer hilft,
macht sich eigentlich strafbar.
Und wie steht es um das Kirchenasyl?
Das ist ein hoch brisantes Thema. Wir beraten das gerade im Flüchtlingsrat
des Landes Brandenburg, auch wenn es
zurzeit keinen offiziellen Fall gibt. Aber die Kirche muss damit anders
umgehen. In den eigenen Richtlinien ist Kirchenasyl nur für Menschen mit
Papieren zulässig. Was aber sollen wir machen, wenn eine Familie, die
bislang untergetaucht war, sich an uns wendet, um sich wieder in einen
offizielleren Status zu bringen? Dazu gibt es kirchenintern keine
Richtlinie.
Sie vermeiden das Wort illegal.
Ganz bewusst. Es gibt keine illegalen Menschen — nur solche mit Papieren und
Menschen ohne Papiere.
Mit ANNETTE FLADE sprach Tilo Winkler.
(Tagesspiegel, 14.11.03) Cottbus. Einst hat sie Cottbus berühmt gemacht: Aus der Stadthalle wurde
Ende 1989 der erste “Musikantenstadl” made in DDR übertragen. Wenige Wochen
zuvor hatten hier Zehntausende Lausitzer gegen die SED-Obrigkeit
demonstriert. Inzwischen ist das Umfeld der Halle ein beliebter Treffpunkt
Cottbuser Jugendlicher. Pizza gibt es im nahen Einkaufszentrum. Im Sommer
lockt der benachbarte Puschkinpark, im Winter eher ein Abluftschacht der
Stadthalle, dem Wärme entströmt. Zweimal kam es hier in den vergangenen acht
Tagen zu Randale. Am Donnerstag vergangener Woche waren daran 200 junge
Leute beteiligt, am Dienstag dieser Woche etwa zwei Dutzend.
“Zuerst waren hier vor einigen Jahren die Rechten”, erzählt ein Jugendlicher
aus der linken Szene, der sich vor der Stadthalle aufhält. Später seien
immer mehr Linke gekommen, zwischenzeitlich einige Hip-Hopper. Beliebt ist
der leicht abschüssige Platz auch bei Skateboard-Fahrern. Als vor einigen
Wochen die Rechten ihr “angestammtes Territorium” vor der Stadthalle wieder
zurückerobern wollten, habe der Zoff begonnen. “Fünf unserer Leute gingen
hinter der Stadthalle lang, als sie plötzlich aus dem Busch heraus von zwölf
Rechten angegriffen wurden”, schildert der 17-Jährige die Geschehnisse am
vergangenen Dienstag.
Die Angreifer flüchteten später, die anrückende Polizei fand nur noch vier
verletzte Jugendliche und ihre Freunde vor. Die daraufhin eingesetzte
dreiköpfige Ermittlergruppe hatte bis gestern keine Erkenntnisse über die
Täter. Die Zeugenaussagen brachten nach Auskunft eines Polizeisprechers
bislang wenig, viele Geladene seien erst gar nicht bei der Polizei
erschienen. Das verwundert nicht, geben doch auch die Linken zu, dass die
Polizei “der gemeinsame Feind ist”.
Polizei und Stadt wollen jetzt mit stärkeren, auch gemeinsamen Streifen auf
die Auseinandersetzungen reagieren. Außerdem soll der Bereich um die
Straßenbahn-Haltestellen an der Stadthalle besser beleuchtet werden. Der
städtische Ordnungsdezernent Holger Kelch (CDU) spricht von einer
“punktuellen Störung”. Auffällig sei, dass sich unter den Jugendlichen viele
Nicht-Cottbuser befänden. Der 17-jährige Linke will dazu nichts sagen. Er
befürchtet aber, dass der Kampf um die “Hoheit” des Stadthallen-Vorplatzes
noch nicht beendet ist. “In den nächsten Tagen wird wieder was passieren”,
ahnt er.
HALBE. Das Verwaltungsgericht in Cottbus hat am Donnerstag einen Eilantrag
auf Ausnahmegenehmigung zur Nutzung des Soldatenfriedhofs in Halbe für einen
Aufmarsch rechtesextremistischer Gruppen abgelehnt. Damit gab das Gericht
dem Amt Schenkenländchen Recht, das die für Sonnabend geplante Veranstaltung
untersagt hatte. Unklar ist aber, ob die Rechten in der Ortschaft Halbe
demonstrieren dürfen. Die bei der Polizei angemeldete Veranstaltung war
bereits verboten worden. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte dieses
Verbot jedoch wieder aufgehoben. Über die Beschwerde dagegen der Polizei
entscheidet das Oberverwaltungsgericht.
Alt- und Neonazis dürfen am 15. November in Halbe vom Bahnhof bis zum
Friedhof marschieren. Direkt vor dem Friedhof ist es ihnen genehmigt sich
eine Stunde lang aufzuhalten. Dieses nationalsozialistische Szenario wird
sich am
Samstagnachmittag in Halbe über mehrere Stunden hinziehen.
Eine antifaschistische Protestkundgebung wird von Polizei und
Verwaltungsgericht massiv behindert.
Es wurde von den Behörden darauf hingearbeitet, das die unterschiedlichen
Gegenveranstaltungen an einem Punkt im Dorf gebündelt werden, nämlich in der
Schweriner Str. Ecke Strandweg ab 11.00 Uhr.
Geradezu als widerlich empfinden wir es, das dass Amt Schenkenländchen eine
gebührende Ehrung der Opfer des deutschen Faschismus,
sowjetischen/ukrainischen ZwangsarbeiterInnen und den ebenfalls dort
ruhenden 57 ermordeten Wehrmachtsdeserteuren auf dem Waldfriedhof Halbe
verweigert. Das Betreten
des Friedhofs um Blumen an den Gräbern der ZwangsarbeiterInnen und der
Deserteure niederzulegen ist verboten.
Das ist die politische Realität im Deutschland 2003, von
Vergangenheitsbewältigung keine Spur!
Das Bündnis von Antifaschistischen Gruppen aus Berlin/Brandenburg und
VVN-BdA Berlin rufen zur nun erst recht zur massenhaften Beteiligung an der
antifaschistischen Gegenveranstaltung in Halbe am 15.11.2003 ab 11°° Uhr
auf.
Nachdem eine Antifaschistische Gedenkkundgebung direkt vor dem Friedhof Halbe durch die zuständige Polizei verboten worden ist, einigte sich der Veranstalter mit der Polizei telefonisch auf eine Kundgebung im Bereich Teupitzer Str./Ecke Baruther Str.
Durch den zugestellten Auflagenbescheid befindet sich nun die Gedenkveranstaltung, noch weitere 100 Meter vom Friedhof entfernt. Ein Gedenken an die dort begrabenen ukrainischen ZwangsarbeiterInnen ist somit in weite Ferne gerückt, da durch das Amt Schenkenländchen eine Friedhofsbegehung verboten worden ist. Alles in allem zeigt nur, dass antifaschistischer Protest gegen „nationalsozialistisches Heldengedenken“ unsichtbar und unhörbar gemacht werden soll.
Eine Friedhofsbegehung durch die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V. wird höchst wahrscheinlich ebenfalls vom Amtsdirektor Herr Ulrich Arnts nicht erlaubt. Dieser meldete sich persönlich beim Vorsitzenden Ludwig Baumann und äußerte sein Bedenken über die geplante Veranstaltung.
Gegen die oben genannten Auflagen, speziell zu dem Ort und das Verbot eines Lautsprecherwagens wird am zuständigen Verwaltungsgericht geklagt. Eine Entscheidung dies bezüglich wird nicht vor morgen Vormittag erwartet.
Unter dem Motto „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ hat der VVN-BdA Berlin eine Antifaschistische Demonstration durch Halbe angemeldet. Auftakt soll 12 Uhr Baruther /Ecke Linden Str. sein. Diese Demonstration führt zu einer ehemaligen NS-ZwangsarbeiterInnenstätte in der Bahnhofsstr. 8.
Wir protestieren ausdrücklich dagegen, dass Alt- und Neonazis an diesem Tag ihre so genannten Helden aus dem Nationalsozialismus gedenken können. Mit Trommeln und Fahnen dürfen diese nun, weit entfernt von antifaschistischen Protest ihr „Gedenken“ durchführen. So ist es nicht tragbar, dass Neonazis nach 58 Jahren nach dem 2. Weltkrieg ein Gedenken an Täter dieser NS-Herrschaft durchführen können. Ohne Probleme propagieren diese nun ein Vergessen dieser Zeit und machen gleichzeitig dabei Täter zu Opfer.
Ein Gedenken an Opfer des Faschismus wird hingehen verabscheut und in die letzte Ecke gedrängt. Eine Ehrung der Opfer des Faschismus wird mit fadenscheinigen Begründungen untersagt bzw. unmöglich gemacht.
Das Bündnis aus Antifaschistischen Gruppen aus Berlin/Brandenburg und der VVN-BdA rufen daher zur massenhaften Beteiligung an den antifaschistischen Gegenveranstaltungen in Halbe am 15.11.03 ab 11 Uhr auf.
Mehr Infos: Sonderseite auf Inforiot
(WSWS, Lena Sokoll, 14. November 2003) So genannte “Vertrauensleute” (V‑Leute) des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern werden aus Organisationen und Kreisen, die dem Inlandsgeheimdienst als politisch suspekt gelten, angeworben oder in diese eingeschleust, um Informationen aus erster Hand über die verdächtigen Gruppen zu liefern — so ihr offizieller Auftrag. In der Praxis jedoch sind V‑Leute oftmals alles andere als passive Spitzel: Sie begehen zum Teil schwerste Straf- und Gewalttaten und üben in Führungspositionen einen bestimmenden Einfluss auf die überwachte Organisation aus. Sie sind “Kriminelle im Dienst des Staates”, wie es Rolf Gössner in seinem jüngst erschienenen Buch Geheime Informanten treffend ausdrückt. (1)
Der Verfassungsschutz des ostdeutschen Bundeslandes Brandenburg ist in den wenigen Jahren seines Bestehens bereits berüchtigt für seinen Einsatz von Provokateuren und Kriminellen als V‑Leute.
Aufsehen in der Öffentlichkeit erregten die Fälle Carsten Szczepanski und Toni Stadler — zwei Neonazis, die als V‑Männer im Dienste des brandenburgischen Verfassungsschutzes in der rechtsextremen Szene und neofaschistischen Organisationen aktiv waren, diese zum Teil selbst aufbauten und sich an illegalen Handlungen beteiligten, die der Verfassungsschutz vorgeblich zu verhindern suchte.
Carsten Szczepanski erwarb sich bereits zu Beginn der 1990-er Jahre einen Ruf als Neonazi: Er war Teil der rechtsextremen Skinheadszene, unterhielt Kontakte zur Führung der “Nationalistischen Front” und war führend daran beteiligt, einen Ableger des Ku-Klux-Klans in Deutschland aufzubauen.
Obwohl 1992 bei einer Polizeirazzia vier Rohrbomben, Sprengstoff-Substanzen und Zündvorrichtungen in einer von Szczepanski gemieteten Wohnung gefunden worden waren und daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Gründung einer terroristischen Organisation gegen ihn eingeleitet wurde, wurde Szczepanski für diese Aktivitäten niemals belangt und verurteilt — ein Umstand, der Vermutungen nährte, dass der Neonazi möglicherweise bereits zu diesem Zeitpunkt für staatliche Behörden arbeitete und gedeckt wurde.
Nach Angaben des Verfassungsschutzes Brandenburg begann die Zusammenarbeit mit Szczepanski erst im Jahre 1994, nachdem er wegen versuchten Mordes an dem Nigerianer Steve Erenhi zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt worden war und im Gefängnis saß. Trotz der Schwere der Tat befand sich Szczepanski bereits Anfang 1997 wieder auf freiem Fuß und wirkte fortan als V‑Mann “Piato” in der rechtsextremen Szene.
Nach seiner Entlassung eröffnete Szczepanski/Piato einen Laden in Königs Wusterhausen, in dem er Bücher und Tonträger mit rechtsradikalen Inhalten verkaufte, war Herausgeber des Fanzines “United Skins” und maßgeblich am Aufbau der rechtsextremen Szene beteiligt, die er für den Verfassungsschutz bespitzeln sollte. Er wurde Ortsvorsitzender der NPD in Königs Wusterhausen, Mitglied im Kreisvorstand des NPD-Kreisverbandes Spreewald sowie Landesorganisationsleiter und Beisitzer im Landesvorstand der NPD Brandenburg-Berlin.
V‑Mann “Piato” nahm eine Führungsfunktion in der rechtsextremen Partei ein, die er offiziell für den Verfassungsschutz Brandenburg aushorchen sollte. Damit stellte er keineswegs einen Einzelfall dar: Das Parteiverbot, das die Bundesregierung gegen die NPD angestrengt hatte, wurde vom Bundesverfassungsgericht im Frühjahr dieses Jahres zurückgewiesen, da sich im Verbotsverfahren nach und nach herausstellte, dass die Partei regelrecht geheimdienstlich unterwandert ist. Angesichts des Umstandes, dass mindestens jedes siebte Führungsmitglied der Partei als V‑Mann aktiv war, sah sich das Gericht damit konfrontiert, dass Mitarbeiter des Verfassungsschutzes als Provokateure in der NPD möglicherweise selbst die Beweise produziert hatten, mit denen das Verbot der Partei begründet werden sollte.
Im Fall Toni Stadler kam dem Verfassungsschutz Brandenburg sogar noch viel unmittelbarer eine Verantwortung für die von dem Neonazi begangenen Straftaten und die Verbreitung von rechtsextremer Propaganda zu.
Stadler betrieb einen rechtsextremen Szene-Laden mit einschlägiger Literatur und Musik und war an der Herstellung und dem Vertrieb der CD “Noten des Hasses” beteiligt, auf der die “White Aryan Rebels” zu Kinderschändung, Vergewaltigung und Mord an Ausländern, Juden und politischen Gegnern der Neonazis aufriefen.
Kurz nachdem Stadler den Auftrag zur Produktion des Booklets und Aufklebers zur CD erhalten hatte, wurde er vom Verfassungsschutz Brandenburg als V‑Mann angeworben. Stadlers Bekannter Mirko Hesse, der den Kontakt zu einem ausländischen CD-Presswerk herstellte, arbeitete derweil als V‑Mann für das Bundesamt für Verfassungsschutz. Mit Wissen und Rückendeckung beider Behörden verbreiteten die Neonazis die CD mit den Mordaufrufen, die in einer Auflage von 3.000 Stück produziert worden war und wegen des großen Erfolgs unter den Augen der Verfassungsschützer eine zweite Auflage erleben sollte.
Die V‑Leute flogen schließlich auf, als die Berliner Polizei, die von Stadlers und Hesses Tätigkeit für den Verfassungsschutz nichts wusste, gegen den rechtsextremen Musikvertrieb vorging. Der Verfassungsschutz hatte zuvor alles Erdenkliche getan, um Stadler vor der Polizei zu schützen: Sein V‑Mann-Führer warnte ihn vor Hausdurchsuchungen, stattete ihn mit einem “sauberen” Computer aus und riet zur Anlage eines “Bunkers” für die indizierte Ware, die sich in Stadlers Laden befand.
“Ohne die Hilfe des Verfassungsschutzes in Brandenburg wäre die rechtsextremistische CD der Neonaziband White Aryan Rebels nicht zu Stande gekommen”, fasste der Berliner Oberstaatsanwalt Jürgen Heinke im Prozess gegen Stadler die Fakten zusammen. Der Vorsitzende Richter Hans-Jürgen Brüning erklärte in seinem Urteil, die Straftaten des Angeklagten seien “unter den Augen und in Kenntnis einer staatlichen Behörde” verübt worden und der Verfassungsschutz habe es “in der Hand gehabt, die Tat im Keim zu ersticken”. Er schloss die Urteilsbegründung mit der für einen Richter höchst ungewöhnlichen Forderung nach einer parlamentarischen Untersuchungskommission.
Beide Fälle aus Brandenburg werfen ein Schlaglicht auf die Methoden und Charaktere, mit denen der Verfassungsschutz arbeitet. In Brandenburg gibt es keine Dienstvorschriften, in denen geregelt ist, welche Handlungen V‑Leuten erlaubt sind und welche nicht. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) verteidigt diese Praxis offensiv: Bei Straftaten, die von V‑Leuten begangen werden, müsse es einen Ermessensspielraum geben, denn sie wären sonst durch Mutproben leicht zu enttarnen.
Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck stellte sich angesichts der Kritik am Innenministerium im Fall Stadler demonstrativ hinter Schönbohm und erklärte, Brandenburg brauche einen “leistungsfähigen”, keinen “gläsernen” Verfassungsschutz. Im gleichen Sinne hat die Parlamentarische Kommission im Potsdamer Landtag zur Kontrolle des Verfassungsschutzes das Verhalten des Geheimdienstes in den beiden Fällen der V‑Männer Szczepanski und Stadler gebilligt und gedeckt. Über die Zusammenarbeit mit V‑Mann “Piato” war die Parlamentarische Kontrollkommission sogar kontinuierlich unterrichtet worden; im Fall Stadler legitimierte sie das Handeln des Verfassungsschutz nachträglich und griff die Berliner Polizei wegen ihres unabgestimmten Vorgehens gegen den CD-Vertrieb an.
Über ähnliche Aktivitäten des Verfassungsschutzes Brandenburg in dem von ihm so titulierten “linksextremischen Spektrum” ist in den vergangenen Jahren nur wenig an die Öff
entlichkeit gedrungen. Da Innenminister Schönbohm sich darin gefällt, vor der Unterschätzung des Linksextremismus zu warnen, sind Versuche des Verfassungsschutzes, Provokateure in linken Kreisen zum Einsatz zu bringen, nur allzu wahrscheinlich. Versuche des Verfassungsschutzes, Mitglieder von linken Gruppen zu Spitzeldiensten anzuhalten, werden regelmäßig bekannt, wenn ein solches Angebot von den Betroffenen zurückgewiesen wurde.
Im März dieses Jahres fand sich in der brandenburgischen Märkischen Allgemeinen Zeitung ein Inserat, in dem ein “Arbeitskreis Wissen und Fortschritt” Nebenjobs für “politikinteressierte junge Leute ab 18” anbot. Ein an dem Job zunächst interessierter Student berichtete nach einem Treffen mit einer Kontaktperson, er sei aufgefordert worden, gegen Bezahlung in bar Informationen über die “linksgerichtete Szene” zu liefern — “zum Beispiel aus der Friedensbewegung”. Der “Arbeitskreis Wissen und Fortschritt” entpuppte sich bei Nachforschungen als nicht existent. Der Berliner Verfassungsschutz hatte wenige Monate zuvor bereits versucht, unter dem Tarnnamen “Team Base Research” per Anzeige Studenten für das Ausspionieren von linken Gruppen zu gewinnen.
Wie viele V‑Leute auf diese Weise gewonnen werden konnten, ist nicht bekannt. Es wäre allerdings sträflich naiv davon auszugehen, dass der Verfassungsschutz nicht mit eben solchen Mitteln der Provokation, wie sie aus der Neonazi-Szene bekannt geworden sind, auch im “linksextremistischen Spektrum” arbeitet.
(1) Rolf Gössner, Geheime Informanten, ISBN 3–4267-7684–7, 315 Seiten, ? 12,90.
(Katrin Bischoff) KÖNIGS WUSTERHAUSEN. Er hatte mit Stahlkappen besetzte Springerstiefel an. Die Stiefel waren mit den für die rechte Szene typischen weißen Schnürsenkeln geschnürt. Mit diesen Stiefeln trat Steven N. im Mai 2003 auf einen am Boden liegenden und schon schwer verletzten Russlanddeutschen ein. Den Freund des Opfers traktierte er mit Faustschlägen. Wegen dieser Taten wurde der 22-jährige Trebbiner am Mittwoch vor dem Amtsgericht in Königs Wusterhausen zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Der einschlägig vorbestrafte Mann habe mit hoher krimineller Energie gehandelt, sagte Richterin Heidrun Griehl. Mit dem Urteil folgte sie dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Neben N. konnte nur noch ein weiterer Täter ermittelt werden.
Die Tat geschah am 3. Mai. Steven N. war beim Baumblütenfest in Werder. Auf dem Heimweg traf er im Zug auf Gesinnungsgenossen. Die Obstweinflaschen gingen reihum. Auf dem Bahnsteig in Schönefeld kamen der Gruppe drei Jugendliche entgegen, die sich auf Russisch unterhielten. Die Russlanddeutschen wollten nach Berlin fahren, wo sie zu Hause sind. Sie wurden angerempelt. Als sie sich beschwerten, folgten die ersten Schläge von “einer Horde angetrunkener Skinheads”, die T‑Shirts trugen, die auf der Vorderseite eine 88 zeigten, so Staatsanwalt Peter Petersen. H ist der achte Buchstabe im Alphabet, 88 steht für Heil-Hitler.
Auf Intensivstation aufgewacht
Einer der drei Jugendlichen konnte fliehen. Den anderen beiden Schülern gelang dies nicht. Steven N. sei völlig ausgerastet, sagte Petersen in seinem Plädoyer. Er habe sich den 15-Jährigen gegriffen, auf ihn eingeprügelt und diesen schließlich auf die Gleise geworfen. Dort habe er auch gegen den bereits am Boden liegenden 17-jährigen Russlanddeutschen getreten. Wassili K. war bewusstlos. K. überlebte den Überfall nur, weil die Polizei einschritt. Der Schüler kam erst auf der Intensivstation wieder zu sich. “Wir müssen sicherstellen, dass Menschen, die anders sprechen oder aussehen, aus der S‑Bahn steigen können, ohne dann Stunden später auf der Intensivstation zu liegen”, so der Staatsanwalt. Richterin Griehl fügte hinzu, es sei auch nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ein Zug eingefahren wäre.
Fredrik Roggan, der Anwalt eines der Opfer, hatte eine Haftstrafe von vier Jahren gefordert. Für ihn grenzte die Tat an ein versuchtes Tötungsdelikt. “Mit solchen Stiefeln kann man so schwere Verletzungen zufügen, dass jemand stirbt”, sagte er. Dann machte er auf die große Zahl von fremdenfeindlichen Attacken aufmerksam. “Ich lese nach jedem Wochenende in den Zeitungen davon”, sagte Roggan.
Laut Innenministerium werden es “zumindest nicht mehr” politisch motivierte Straftaten, so Ressort-Sprecher Wolfgang Brandt. Zudem sei der Anteil von Jugendlichen an der Zahl der Tatverdächtigen geringer geworden. “Trotzdem bleibt die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen in Brandenburg ein Problem.”
(Berlin, 12.11., Pressemitteilung der “Initiative gegen Heldengedenken in HaIbe”) Das zuständige Ordnungsamt des Landes Schenkenländchen verwehrt den Opfern des deutschen
Faschismus eine gebührende Ehrung durch AntifaschistInnen. Die geplante Mahn- und Gedenkveranstaltung zu Ehren der sowjetischen/ukrainischen Zwangsarbeiterlnnen am 15.
November 2003 auf dem Waldfriedhof in Halbe bleibt weiterhin verboten.
In der Begründung heißt es, die Veranstaltung zum Gedenken an die ZwangsarbeiterInnen sei eine politische Veranstaltung und somit “nicht mit dem Ziel und Zweck des Friedhofs vereinbar, im Gegenteil, sie laufe diesem geradezu zuwider”.
Wir stellen fest, das die Existenz von Gräbern sowjetischer/ukrainischer ZwangsarbeiterInnen auf
dem Waldfriedhof in Halbe das Ergebnis von Politik ist, und zwar deutscher Politik während der NS-Zeit. Und somit steht das Gedenken an die Opfer des deutschen Faschismus zwangsläufig in einem politischen Zusammenhang.
Eine weitere Mahnwache und Gedenkveranstaltung ist von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz
e.V. auf dem Waldfriedhof in Halbe, an den Gräbern der dort ruhenden 57 ermordeten Wehrmachtsdeserteure, angemeldet worden. Eine Entscheidung des Ordnungsamts des Landes
Schenkenländchen steht noch aus.
Die antifaschistische Kundgebung sollte nach mündlicher Absprache mit der Polizei Lindenstraße Ecke Barutherstraße stattfinden. Die nun schriftlich erfolgte Verfügung des Polizeipräsidiums Frankfurt/Oder beinhaltet für uns indiskutable Auflagen. So soll die Kundgebung weiter ins Abseits gedrängt werden (Schweriner Str. hinter den Abzweig Strandweg) und “der Einsatz eines Lautsprecherwagens” wird untersagt. So soll antifaschistischer Protest gegen “nationalsozialistisches Heldengedenken” unsichtbar und unhörbar gemacht werden. Zur Zeit werden juristische Schritte dagegen abgewogen.
Der Nazi-Anmelder Lars Jacobs klagt jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht gegen das neuerliche
Verbot des Aufmarsches durch die Polizei. Die Nazis erwarten eine Bestätigung des Urteils aus erster
Instanz. Dort hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder das polizeiliche Verbot des Nazi-Aufmarschs aufgehoben und erlaubte auch das mitführen von Trommeln und Fahnen.
Somit deutet sich für den 15. November in Halbe folgendes Szenario an: Alt- und Neonazis marschieren mit Trommelwirbel Richtung Waldfriedhof Halbe und ehren ihre sogenannten Helden. Antifaschistischer Protest wird weitgehend eingeschränkt bzw. unterbunden. Die Ehrung der Opfer des deutschen Faschismus wird mit fadenscheinigen Begründungen untersagt.
Das ist die politische Realität im Deutschland 2003, von Vergangenheitsbewältigung keine Spur!
Das Bündnis von Antifaschistischen Gruppen aus Berlin/Brandenburg und VVN-BdA Berlin rufen zur
massenhaften Beteiligung an den antifaschistischen Gegenveranstaltungen in Halbe am 15.11.2003
ab 11 Uhr auf.