LUDWIGSFELDE Im ehemaligen Lehrlingswohnheim Birkengrund in
Ludwigsfelde
wird gehämmert und gebohrt, zurzeit sind Maler und Elektriker im
Gebäude.
Auch Fahrzeuge vom Fußbodenleger stehen schon vor der Tür. Am 1. März
sollen
die 90 Asylbewerber aus der Baracke nebenan hier einziehen. Das Haus
gehört
dem Kreis und steht seit Eröffnung des neuen Oberstufenzentrums leer.
Für
Martina Lehmann ist alles neu: das alte und das bisherige Domizil. Sie
leitet das Ludwigsfelder Asylbewerberheim erst seit Jahresbeginn. Noch
hat
sie Mühe, Bewohner und Gäste auseinander zu halten, geschweige denn,
dass
sie schon Namen der zum größten Teil aus Afrika Kommenden kennt.
Erfahrung
mit Menschen auf der Durchreise in solchen Heimen hat die 42-jährige
Sozialarbeiterin allerdings: Sie leitete vier Jahre lang das Heim in
Jüterbog. Jetzt lernt sie die Örtlichkeiten kennen und managt neben dem
dienstlichen Umzug den privaten von Jüterbog nach Berlin. Doch kein
Klopfen
an der Tür, keine Bitte der Männer oder der Mitarbeiter und kein
Telefonklingeln bringen sie aus der Ruhe. Zwischendurch schaut sie sich
Schränke an und muss feststellen, dass einige nicht mal mehr ein
Verrücken
überleben würden. “Alle Möbel werden wir nicht mit rüber nehmen können,
aber
einiges muss noch halten”, erklärt sie. Und dann ist da die
Zimmerbelegung:
Die Baracke hat 120 Plätze in Zwei- bis Sechs-Bett-Zimmern, das neue
Domizil
hat ausschließlich Drei-Bett-Zimmer. “Da müssen wir schon ein bisschen
aufpassen und Wünsche berücksichtigen, damit alle miteinander klar
kommen”,
sagt Martina Lehmann. Aber eines weiß sie schon genau: “Es wird dort
drüben
auf jeden Fall ruhiger — das Haus hat dicke Wände.” Im Gegensatz zur
Baracke, wo man laute Worte auch noch zwei Zimmer weiter hört.
Illusionen
über die Hilfe der Asylbewerber selbst beim Umziehen und Einräumen hat
sie
keine: “Wer gerade kommt, bringt vielleicht noch Elan mit. Aber wer
sieht,
dass er keine Chance hat hierzubleiben und weiß, dass es für ihn zurück
geht
…” Einige warten schon zwei Jahre nach Ablehnung ihres Asylantrags
auf
Heimkehr. “Das kann es geben wenn der Pass fehlt und die Identität
nicht
geklärt ist”, sagt Martina Lehmann. Einige der in Ludwigsfelde lebenden
Asylbewerber wohnen seit Eröffnung des Heims 1992 in dieser Baracke.
Beherbergt hatte die schon zu DDR-Zeiten Ausländer: vietnamesische
Vertragsarbeiter, die ins IFA-Autowerk geholt wurden. Bei
Sicherheitskontrollen, die der Kreis regelmäßig machen lassen muss, war
nun
seit längerem festgestellt worden, dass die Elektroanlage dringend
sanierungsbedürftig ist, dass Wände der Sanitärräume nass sind und
schimmeln. Auch wenn bei den zweitstelligen Minusgraden der zurück
liegenden
Wochen niemand frieren musste — “es ist wirklich nicht mehr zumutbar,
Menschen dort wohnen zu lassen”, sagt Karin Schreiber, Erste
Beigeordnete
des Kreises. 210 000 Euro darf der Umzug ins neue Übergangswohnheim für
Asylbewerber kosten, so viel Geld ist im diesjährigen Kreishaushalt
dafür
vorgesehen.
Jahr: 2003
POTSDAM Das Landgericht Potsdam hat gestern den früheren DVU-Landtagskandidaten Andreas G. aus Brandenburg wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu sieben Jahren Haft verurteilt. Damit folgte die 1. Große Strafkammer größtenteils dem Antrag von Rechtsanwalt Klaus Schomann und übertraf sogar das geforderte Strafmaß der Staatsanwaltschaft.
Die Anklage hatte den Angriff des 32-Jährigen gegen seine Ex-Freundin als versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen eingestuft. Staatsanwältin Kornelia Stephan forderte sechs Jahre und drei Monate Haft für G. Rechtsanwalt Schomann sah in der Tat dagegen nur versuchten Totschlag.
Andreas G. hatte seine Ex-Freundin am 24. Juni 2002 so sehr gewürgt, dass diese von herbeistürmenden Polizisten wiederbelebt werden musste.
Tatort war G.s Wohnung in Brandenburg. Seine frühere Freundin hatte ihr Hab und Gut abholen wollen, als der Mann sie von hinten anfiel. Nach der Trennung zwei Wochen zuvor hatte sich G. — ein damals fast trockener Alkoholiker — wieder dem Trinken hingegeben. Die Verteidigung versuchte deshalb, das Gericht von einer verminderten Schuldfähigkeit des Mannes zur Tatzeit zu überzeugen. So hatte der Rechtsanwalt ein zweites Gutachten zu diesem Punkt beantragt, was der Vorsitzende Richter, Frank Tiemann, jedoch ablehnte.
Wegen der hohen Haftstrafe will Schomann gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. Andreas G. hatte bei den Wahlen 1999 auf dem aussichtslosen Listenplatz 16 der DVU um einen Sitz im Landtag kandidiert.
Gefahr für die Umwelt? Wieviel Genfood gibt es in unseren Supermärkten? Bessere Lebensmittel? Gefahr für unsere Gesundheit?
Tagesseminar zur Gentechnologie in Märkisch-Oderland
Samstag 25. Januar 2003, 10–18 Uhr,
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Noch nie in der Geschichte war die Menschheit auf eine neue Technologie, ihre ökonomischen Chancen, Herausforderungen und Risiken so wenig vorbereitet wie heute. In den nächsten Jahrzehnten wird sich unsere Lebensweise wahrscheinlich tiefer verwandeln als in den vergangenen tausend Jahren. Um
das Jahr 2025 werden wir und unsere Kinder in einer total veränderten Welt leben; diese Veränderung wird größer sein als irgendeine andere, die wir in der Vergangenheit erlebt haben.
Jeremy Rifkin, U.S. Schriftsteller
ReferentInnen:
AUS DER FORSCHUNG Dr. Andreas Ulrich (Zentrum für Agrarlandschafts und
Landnutzungsforschung e.V.-ZALF) aus Müncheberg berichtet über Ergebnisse der
ökologischen Begleitforschung an gentechnisch veränderten Pflanzen
KRITISCHE STIMMEN Gentechnik: Gefährlicher Irrweg der Industrie. Das
Gen-ethische Netzwerk e.V. aus Berlin
AUS DER BÜRGERBEWEGUNG Argumente gegen gentechnische Versuchsfelder in
Märkisch-Oderland. Barnimer Aktionsbündnis gegen Freilandversuche mit
gentechnisch veränderten Pflanzen
AUS DER WIRTSCHAFT Norbert Mülleder von Monsanto, ( internationaler
Chemiekonzern), informiert über Ziele und Aktivitäten in Brandenburg.
Anreise
Wie komme ich zur ÖkoLeA? Unser Hof liegt 3,5 km von dem S‑Bahnhof Strausberg
Nord (Linie 5) entfernt, wo alle 40 Minuten ein Zug aus Berlin ankommt und
abfährt. Wer vom Bahnhof abgeholt werden möchte, braucht dies nur bei der
Anmeldung anzugeben. Wir haben reichlich Parkmöglichkeiten für Fahrräder auf
unserem Hof. Autos können nicht im Hof, jedoch am Strassenrand davor
abgestellt werden
ÖkoLeA
Verein für Bildung und Kultur, Ökologie und Gesundheit e.V. gem.
Hohensteiner Weg 3
15345 Klosterdorf
(tel) 03341.35.939.30
(fax) 03341.30.99.98
Die Veranstaltung ist gefördert durch die brandenburgische Landeszentrale für Politische Bildung
Mit beiden Fäusten reingeschlagen
(Tagesspiegel, Frank Jansen) Neuruppin. Im Prozess zum gewaltsamen Tod des Aussiedlers Kajrat B. hat ein weiterer Angeklagter ein Teilgeständnis abgelegt. Er habe sich auf einen Russlanddeutschen gekniet und mit beiden Fäusten „reingeschlagen“, sagte Ralf A. (21) gestern vor dem Landgericht Neuruppin. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin wirft Ralf A. und drei weiteren jungen Männern Totschlag vor, dem fünften Angeklagten gefährliche Körperverletzung. In der Nacht zum 4. Mai 2002 war der 24-jährige Aussiedler Kajrat B. in Wittstock bei einer Schlägerei so schwer verletzt worden, dass er knapp drei Wochen später starb. Ein Begleiter, der ebenfalls aus Kasachstan stammende Maxim K., wurde auch verprügelt, kam aber mit dem Leben davon.
Am ersten Prozesstag in der vergangenen Woche gestand bereits der Angeklagte Marko F. (21) Schläge und Tritte. Außerdem wurde F. von dem Mitangeklagten Michael H. (22) belastet. Ralf A. meinte auch, vermutlich habe Marko F. den Aussiedler getreten. Unklar blieb, wer den schweren Feldstein auf Kajrat B. geworfen hat. Ralf A. sagte wie Marko F. und Michael H., er habe nicht gesehen, was mit dem Stein geschehen ist. Laut Anklage hat Marko F. den Brocken auf Kajrat B. geworfen und auch auf Maxim K. Dieser wurde am rechten Hüftgelenk getroffen.
Warum es überhaupt zu der Auseinandersetzung kam, konnte Ralf A. nicht erklären. Nach seiner Erinnerung bat einer der Aussiedler in normalem Tonfall um eine Zigarette. Irgendwann habe der Mann eine Flasche in der Hand gehalten und es sei zu einer Rangelei gekommen. Ralf A. bestätigte eine frühere Aussage, die Russlanddeutschen hätten fliehen wollen, seien aber von den Beschuldigten verfolgt worden – in der Absicht „ihnen welche zu klatschen“. Die Staatsanwaltschaft schließt nicht aus, dass die Gruppe aus fremdenfeindlichen Motiven handelte.
Der Angeklagte Mike Sch. (20) äußerte sich gestern nur knapp. Er sei betrunken gewesen und könne sich an die Auseinandersetzung nicht erinnern.
“Mama, du wirst sehen, alles wird gut”
Mutter des getöteten Kajrat Batesov sagte im Prozess aus
(Berliner Zeitung, Katrin Bischoff) NEURUPPIN. Sie hat gespürt, dass Kajrat etwas Furchtbares zustoßen würde.
Sie hat in jener Nacht, als ihr Sohn tödlich verletzt wurde, in ihrem Zimmer
im Heim für Spätaussiedler in Freyenstein bei Wittstock nicht schlafen
können. Es war die erste Nacht, die der 24-jährige Kajrat Batesov nicht bei
seiner Familie verbrachte. Der Russlanddeutsche hatte in Wittstock eine
eigene Wohnung erhalten, die er renovieren wollte. Am nächsten Morgen kam
die Polizei. Kajrat liege auf der Intensivstation, teilten die Beamten der
Frau mit.
Raissa Batesova sitzt an diesem Dienstag im Saal 2 des Landgerichts in
Neuruppin. Sie weint, als sie über ihren toten Sohn erzählt. “Es fällt mir
sehr schwer im Angesicht der Leute zu sprechen, die beschlossen haben, dass
Kajrat nicht mehr leben soll”, sagt die Frau. Sie schaut die fünf jungen
Männer auf der Anklagebank nicht an. Die 20 bis 22 Jahre alten Angeklagten
müssen sich für den Tod des Spätaussiedlers verantworten. Ihnen wird
Totschlag, versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung
vorgeworfen. Kajrat Batesov wurde vor einer Diskothek im Wittstocker
Stadtteil Alt Daber von einem 17 Kilogramm schweren Stein getroffen. Die
Verletzungen waren so schwer, dass der Vater eines fünfjährigen Jungen drei
Wochen später daran starb. Sein Freund Maxim überlebte knapp.
“Als Kajrats Sohn, mein Enkel, geboren wurde, waren wir die glücklichste
Familie der Welt”, sagt Raissa Batesova. Das sei 1997 gewesen. Zwei Jahre
später sei ihr Mann schwer erkrankt und gestorben. Kajrat habe für die
Familie gesorgt. Auch, als sie im November 2001 nach Deutschland
übersiedelten. “Mama, du wirst sehen, alles wird gut”, habe Kajrat gesagt.
Die 44-Jährige erzählt, wie ihr Sohn nach einer Woche auf der
Intensivstation aus dem Koma erwacht sei. Man habe ihn bis zuletzt künstlich
beatmet. “Ich bin OP-Schwester, ich wusste, was es heißt, einen Magen- und
Leberriss zu erleiden. Ich habe so gehofft, dass er wieder gesund wird”,
sagt sie.
Einer von ihnen warf den Stein
Rund zwei Stunden hören die fünf Angeklagten Kajrats Mutter zu. Mit
gesenkten Köpfen. Einer von ihnen muss den Stein auf Kajrat geworfen haben.
Die Anklage geht davon aus, dass es der 21-jährige Marko F. ist. Dafür, sagt
Staatsanwalt Kai Clement, gibt es einen Zeugen.
Hans-Werner B. hat den Mann gesehen, der den Stein warf. Er wohnt gleich
neben der Diskothek. In jener Nacht, sagt der 53-jährige Revierförster, sei
er durch ein eigenartiges Klatschen wach geworden. Er habe aus dem Fenster
geschaut und zwei Menschen auf der Straße liegen sehen. Drei junge Männer
hätten auf die am Boden Liegenden eingetreten. Bis einer der Schläger
plötzlich “einen Riesenstein über seinen Kopf” gehoben und auf eines der
Opfer geschleudert habe.
Raissa Batesova ist Nebenklägerin in dem Verfahren. An die Angeklagten
gerichtet sagte sie: “Denken Sie daran, auch Sie haben alle Mütter und die
leiden alle mit. Sagen Sie die Wahrheit, sagen Sie, was gewesen ist. Ich
wünsche, dass Ihre Mütter nicht das durchmachen müssen, was ich erlitten
habe und erleide.”
Kirchenasyl in Schwante: Nach einem Gespräch mit dem evangelischen Bischof Wolfgang Huber wird der Fall noch einmal geprüft
(Tagesspiegel, Claus-Dieter Steyer) Potsdam/Schwante. Aufatmen im Pfarrhaus von Schwante: Der 48-jährige Vietnamese Xuan Khang Ha und sein fünfjähriger Sohn werden nicht abgeschoben. Sie erhalten eine vorläufige Duldung und können das am 5. November 2002 gewählte Kirchenasyl unbesorgt verlassen. Zu verdanken haben sie dies auch dem Einsatz von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Der hatte sich mit dem evangelischen Bischof von Berlin und Brandenburg, Wolfgang Huber, zu einem Spitzengespräch verabredet, an dem auch Innenminister Jörg Schönbohm teilnahm. Die Kirche hatte sich besorgt gezeigt, ob in Brandenburg das Kirchenasyl missachtet werde. Am 6. Januar war das Pfarrhaus in Schwante von Polizisten gestürmt worden, die Xuan suchten, um ihn abzuschieben. Am Dienstag sagte Platzeck, dass der Fall noch einmal geprüft werde: „Das geschieht unter humanitären Gesichtspunkten als auch unter Anerkennung der Tatsache, dass es in unserem Land keinen rechtsfreien Raum gibt.“
Xuan hatte zwei Asylanträge gestellt, die abgelehnt worden waren. Über ein drittes Gesuch ist noch nicht entschieden. Deshalb stellte sein Anwalt am Montag beim Verwaltungsgericht Potsdam einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Dessen Prüfung will Platzeck abwarten.
In Schwante wagten sich am Nachmittag Vater und Sohn seit mehr als zwei Monaten erstmals wieder ins Freie. Ohne eine Festnahme befürchteten zu müssen. Xuan Khang Ha war zur Ausreise aus Deutschland verpflichtet worden, da er keine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Im September 2002 wurde ihm ein Besuch in der Oranienburger Ausländerbehörde zum Verhängnis. An Ort und Stelle wurde er verhaftet, um vom Flughafen Frankfurt (Main) nach Vietnam ausgeflogen zu werden. Sein Sohn sollte später folgen. Das vom Anwalt des Vietnamesen angerufene Verwaltungsgericht stoppte die Aktion und untersagte die getrennte Abschiebung. Daraufhin erbat Xuan Khang Ha für sich und seinen Sohn Kirchenasyl in Schwante. Was ihm auch gewährt wurde. Doch am 6. Januar schien auch dieses Versteck nicht mehr sicher: Die Polizei kam. Erstmalig wurde das Kirchenasyl in Brandenburg gebrochen.
Die beiden Flüchtlinge hielten sich zum Zeitpunkt der vom zuständigen Landrat Karl-Heinz Schröter (SPD) gebilligten Polizeiaktion an einem anderen Ort auf. Die Kirchengemeinde stellte inzwischen Strafanzeige gegen die Polizei wegen Nötigung und Hausfriedensbruch, weil sie ohne Durchsuchungsbefehl und ohne Zeugen das Pfarrhaus durchsucht hätte.
Platzeck sicherte gestern zu, dass künftig Kirchenasyl vom Land respektiert werde. Gemeinsam mit Innenminister Schönbohm sprach er sich für eine Härtefallregelung aus. „Wir haben in dieser Frage eine Chance als große Koalition“, meinte Schönbohm. Vorerst ziehen Vater und Sohn in das Asylbewerberheim nach Hennigsdorf. Der Kirchenkreis Oranienburg will seine Hilfe fortsetzen. „Wir kämpfen vor allem aus zwei Gründen für ein dauerhaftes Bleiberecht“, sagte Simone Tetzlaff, Referentin für Flüchtlinge des Kirchenkreises. „Der Mann wird wegen seiner Arbeit für zwei Exilorganisationen höchstwahrscheinlich in Vietnam festgenommen und ist außerdem allein erziehender Vater.“ Der fünfjährige Sohn hatte vor der Verhaftung seines Vaters eine Kita in Hennigsdorf besucht. Er habe sehr unter der Isolation im Kirchenasyl gelitten.
Brandenburg will Kirchenasyl respektieren
Nach der Durchsuchung eines Gemeindehauses nach zwei Vietnamesen bekommen diese nun eine vorläufige Duldung
(TAZ) POTSDAM Das Kirchenasyl wird nach den Worten von Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD) auch künftig vom Land Brandenburg respektiert. “Wir
haben nicht vor, Kirchen zu stürmen”, sagte Platzeck gestern in Potsdam nach
einem Gespräch mit dem evangelischen Bischof von Berlin und Brandenburg,
Wolfgang Huber, über den Fall des von Abschiebung bedrohten Vietnamesen Xuan
Khang Ha und seines fünfjährigen Sohnes.
Das gelte auch nach der Durchsuchung des Pfarrhauses in Schwante (Kreis
Oberhavel) durch die Polizei, wo die beiden seit November im Kirchenasyl
leben. Das Vorgehen der Beamten war für Brandenburg bislang einzigartig.
Platzeck betonte, das Land werde “den Beistand aus christlicher Motivation”
in ausweglos erscheinenden Situationen respektieren.
Im konkreten Fall habe der Vietnamese am vergangenen Montag einen Antrag auf
Rechtsschutz gestellt. Die Gerichtsentscheidung dazu werde abgewartet; das
könne Wochen dauern. Has Aufenthalt werde so lange geduldet. Das ermögliche
es, die von Kirchenvertretern angeführte politische Gefährdung des Mannes im
Falle einer Abschiebung zu prüfen. Der Vietnamese hatte nach eigenen Angaben
in oppositionellen Exilorganisationen mitgearbeitet. An dem Treffen nahmen
auch Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), Landrat Karl Heinz Schröter (SPD)
und Altbischof Martin Kruse, der sich schon mehrfach in Härtefällen
engagiert hat, teil. Platzeck und sein Stellvertreter Schönbohm sprachen
sich dabei auch für im Bundesrecht verankerte Härtefallregelungen
und ‑kommissionen aus. Platzeck sagte, bei der Debatte über das
Zuwanderungsgesetz müssten Entscheidungsspielräume benannt werden. Schönbohm
sagte: “Wir haben in dieser Frage eine Chance als große Koalition.”
Bischof Huber erklärte, mit der Einigung sei noch einmal Spielraum für den
Vietnamesen und seinen Sohn erreicht worden. Beide befinden sich weiter im
Asyl, das ihnen die Kirchengemeinde Schwante seit November gewährt. Am
Montag vergangener Woche hatten Polizisten das dortige Gemeindehaus
erfolglos nach den Flüchtlingen durchsucht.
Platzeck betonte zugleich, bei dem Gespräch sei festgestellt worden, dass Ha
nicht unter die Altfallregelung falle und dass er seine rechtlichen
Möglichkeiten ausführlich genutzt habe. Alle Asylanträge des Mannes waren
abgewiesen worden. “Die Richter haben entschieden”, betonte der
Regierungschef.
Regierung: Kirchenasyl wird auch künftig respektiert
Potsdam — Das Kirchenasyl wird auch künftig vom Land Brandenburg
respektiert, versprachen Ministerpräsident Matthias Platzeck und
Innenminister Jörg Schönbohm gestern im Gespräch mit dem evangelischen
Bischof von Berlin und Brandenburg, Wolfgang Huber. «Das Land wird den
Beistand aus christlicher Motivation in ausweglos erscheinenden Situationen
selbstverständlich respektieren», sagte Platzeck. An dem Gespräch nahm auch
der Landrat des Kreises Oberhavel, Karl-Heinz Schröter (SPD), teil.
Die Polizei hatte — in Brandenburg bis dato einmalig — das Pfarrhaus in
Schwante (Oberhavel) durchsucht, in dem der von Abschiebung bedrohte
Vietnamese Xuan Ha mit seinem Sohn untergetaucht war. Dies wurde von
Kirchenvertretern scharf kritisiert.
Nun soll der Vietnamese weiter so lange «geduldet» werden, bis geklärt ist,
ob ihm bei der Rückkehr nach Vietnam tatsächlich Gefahren für Leib und Leben
drohen. «Er kann sich jetzt wieder frei bewegen,» sagte Pfarrer Johannes
Kölbel.
“Wir haben nicht vor, Kirchen zu stürmen”
Regierung respektiert Kirchenasyl / Vietnamesen geduldet
(Berliner Zeitung, Jens Blankennagel) POTSDAM. Eigentlich ging es am Dienstag in der Staatskanzlei in Potsdam um
einen Einzelfall. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Innenminister
Jörg Schönbohm (CDU) und der evangelische Bischof von Berlin und Brandenburg
Wolfgang Huber diskutierten über das weitere Schicksal des alleinerziehenden
Vietnamesen Xuan Khang Ha und dessen fünfjährige
m Sohn. Beide sind wegen
drohender Abschiebung seit November in Schwante (Oberhavel) im Kirchenasyl.
Dort hatte die Polizei am Montag vergangener Woche erstmals in der
Geschichte des Landes ein Pfarrhaus durchsucht, um jemanden abzuschieben.
Dieser erste Bruch eines Kirchenasyls wurde zum Politikum und führte am
Dienstag zu einer grundsätzlichen Aussage: Das Land Brandenburg will
weiterhin das gesetzlich nicht legitimierte Kirchenasyl respektieren. “Wir
haben nicht vor, Kirchen zu stürmen”, sagte Platzeck. Schönbohm wies darauf
hin, dass der Vietnamese wegen seiner Vorstrafen nicht unter die
Altfallregelung für Vertragsarbeiter falle. Gleichzeitig sprach auch er sich
für eine bundesweit einheitliche Härtefallregelung im neuen Ausländerrecht
aus. “Jedoch: Auch auf Basis einer solchen möglichen Neuregelung hätte der
Fall Ha nicht anders entschieden werden können”, sagte er.
Bischof Huber begrüßte die angekündigte Respektierung der kirchlichen Hilfe:
“Ich bin erleichtert, dass Kirchenasyl nicht durch Polizei beendet werden
soll.” Vielmehr sei Einigkeit erzielt worden, dass ein Kirchenasyl zu einer
nochmaligen Prüfung des Falls veranlasst. “Denn Kirchenasyl wird nicht
leichtfertig gewährt”, sagte der Sprecher der evangelischen Kirche Reinhard
Lampe. Es käme nur bei wichtigen humanitären Gründen in Frage oder wenn die
Behörden ihren rechtlichen Spielraum nicht im Sinne der Betroffenen
ausgenutzt hätten. “Das trifft auf diesen Fall zu”, sagte er. Der 48-jährige
Vater sei in Deutschland in zwei vietnamesischen Exil-Vereinen aktiv
gewesen, deren Mitgliedern in ihrer alten Heimat politisch verfolgt werden.
Ob Xuan Khang Ha nach seiner Abschiebung bedroht ist, sollen Gutachten des
UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und von Amnesty International klären. Mit
deren Hilfe soll ein Gericht den Asylfall noch einmal prüfen. “Bis das
Gericht entscheidet, sprechen wir eine Duldung aus”, sagte die Sprecherin
der Kreisverwaltung Patricia Schuster. Dies gelte vorerst bis Mitte Februar.
“Die beiden Vietnamesen sind sehr froh”, sagte Pfarrer Johannes Kölbel,
dessen Gemeinde den Schutz gewährte. “Unsere Forderungen wurden erfüllt, es
war richtig zu kämpfen.” Ein Problem sei aber, dass der Mann vor dem
Kirchenasyl weitgehend integriert war, nun aber Arbeit und Wohnung verloren
habe. “Wir hoffen auf eine deutliche Hilfe der Behörden, damit er
schnellstmöglich wieder selbstständig leben kann”, sagte Kölbel.
Mehr Infos im Inforiot-Archiv
(PNN, Gabriele Hohenstein) „Wir machen manchmal Durchsuchungen im Wald. Da haben wir auch schon Zecken
gefunden“, erklärt Detlef B. (41) allen Ernstes im Zeugenstand. Diese Tierchen
müsse man dann beim Namen nennen. Ansonsten – so der POlizeibeamte –
nähmen weder er noch seine Kollegen besagten Begriff als Synonym für Angehörige der
Hausbesetzerszene in den Mund. Bei der Räumung des alternativen Wohnprojekts
Rudolf-Breitscheid-Straße 6 am 25. August vorigen Jahres durch die
Landeseinsatzeinheit (LESE) im Anschluß an Auseinandersetzungen zwischen
Fußballanhängern von Babelsberg 03 und Hertha-Fans sei das Wort Zecke definitiv
nicht gefallen. (das haben deren Bewohner anders im Ohr.) „Wir haben die Leute
höflich und per Sie angeredet“, betont auch Polizist Frank K. (32). Nachdem es
ihm gelungen sei, mit etwa fünf bis sieben Mann die von den Bewohnern zugehaltene
Tür aufzudrücken, sei man in den Flur gestürmt. „Die Leute, die sich dort
befanden, wurden zur Seite gedrängt und abgelegt. Wir haben die untere Etage mit
einfacher körperlicher Gewalt sehr schnell im GRiff gehabt“, erzählt er. Zwar
habe man den Tonfa (Schlagstock mit Griff) dabei gehabt, schließlich gehörte er zur
Schutzausrüstung der LESE, wie der Hammer zum Zimmermann. Doch wegen der Enge des
Raumes sei es überhaupt nicht möglich gewesen, ihn einzusetzen. Niemand der
Festgenommenen – so seine Aussage – sei durch Schläge oder TRitte
verletzt worden.
Die Polizei durchsuche ein besetztes Haus bzw. ein alternatives Wohnprojekt genauso
wie eine Villa. Daß die Uniformierten aus Mißachtung der Bewohner der
Rudolf-Breitscheid-Straße 6 in deren Partyraum oder die Polstermöbel uriniert,
Schränke umgeworfen, Computerfestplatten herausgerissen, Plattenspieler samt
Tonträgern demoliert, Geld gestohlen und sich an den Getränken im Haus bedient
hätten, sei schlichtweg unwahr, versichert LESE-Zugführer Christian H. (32).Doch
genau dies behauptete Lutz Boede, Mitglied der Kampagne gegen Wehrpflicht,
Zwangsdienste und Militär, in einem Schreiben, das im September 2001 auszugsweise in
den „PNN“ veröffentlicht wurde. Seit dem 6. Januar muß sich Boede wegen
übler Nachrede vor dem Amtsgericht verantworten. Am ersten Verhandlungstag
bekräftigte er seine Vorwürfe. Ein Bewohner des geräumten Hauses berichtete von
„unvorstellbarer, nicht angebrachter Brutalität“ während des
Polizeieinsatzes, der ihm laut ärztlichem Attest eine Nierenquetschung, eine
Quetschung des Oberbauchs sowie Schürfwunden im Gesicht bescherte.
Marie-Luise H. (25), gelernte Krankenschwester und Studentin, besuchte am Tag der
Erstürmung des Hauses Freunde. „Drei Beamte rissen mich zu Boden. Ich bin
richtig hart gefallen“, erinnert sie sich am zweiten Prozeßtag. Dann sei sie
auf den Bauch gerollt, ihre Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken fest
zusammengeschnürt worden. „Ich wurde auf dem Bürgersteig abgelegt, mitten
hinein in dort verstreute Scherben. Einer der Polizisten sagte das Wort
Schlampe.“ Neben Schnittwunden im Gesicht, an Armen und Beinen diagnostizierte
der Arzt eine verstauchte Hand bei der jungen Frau. Drei Wochen war sie krank
geschrieben.
Daß Marie-Luise H. nicht übertreibt, beweist ein während der Verhandlung gezeigtes
Polizeivideo von besagtem Tag. Es dokumentiert, wie grob die Beamten das zierliche
Persönchen, aber auch die anderen Bewohner des Hauses behandeln. Mit auf den Rücken
gebundenen Armen liegen sie reihenweise im Dreck. Ihre Augen sind angstgeweitet oder
glühen vor Wut. Ein Polizistenstiefel tritt gegen einen der Wehrlosen. Sie werden
geduzt, ihre Bleibe als abartiger Saustall“ tituliert. Die Verhandlung wird am
kommenden Montag u.a. mit der Vorführung von Fernsehbeiträgen, die die lt. Polizei
„durchsuchungsbedingte Unordnung“ zeigen, fortgesetzt.
Weitere Infos
Am Montag, 20.01.03, geht es im Amtsgericht mit Videos und den Vernehmungen des LESE-Chefs Alms, des Einsatzleiters Merten, zweier Journalisten und weiterer Zeugen weiter.
Der Beginn der Verhandlung wurde auf 9.30 Uhr vorverlegt, um die Videos zu zeigen.
Der erste Prozesstag: Angeklagtes Kampagnenmitglied entlastet
Weitere Hintergründe: polizeikontrollstelle.de
NEURUPPIN
Im Prozess um den Tod des 24 Jahre alten Russlanddeutschen Kajrat Batesov im Mai 2002 in Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) bleibt nach wie vor unklar, wer den 17 Kilogramm schweren Feldstein auf die beiden Opfer geworfen hat.Ein weiterer Angeklagter hat gestern vor dem Landgericht Neuruppin ein Teilgeständnis abgelegt. Er habe auf einen der beiden Russlanddeutschen eingeprügelt, wisse jedoch nicht genau, wie es dazu gekommen sei, sagte der 21-jährige Holzmechaniker. Von dem Stein wisse er nichts. Ähnlich hatten sich zuvor schon drei der fünf Angeklagten geäußert.
Die fünf 20 bis 22 Jahre alten Männer sollen die beiden Aussiedler vor einer Discothek im Wittstocker Ortsteil Alt Daber mit Fäusten, Fußtritten und dem Feldstein attackiert haben. Ihnen werden Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der 24-Jährige starb am 23. Mai an den Folgen schwerster innerer Verletzungen; sein Freund, Maxim Kartagusov, wurde schwer verletzt.
Am ersten Prozesstag hatte bereits einer der fünf Angeklagten — ein 21-jähriger Maurerlehrling — ein Geständnis abgelegt. Er sei nach einem Streit um Zigaretten “total ausgerastet” und habe auf beide Aussiedler eingetreten, hatte er erklärt. Bei ihm soll es sich um den mutmaßlichen Haupttäter der Gruppe handeln. Vier der fünf Angeklagten haben bisher vor Gericht ausgesagt.
Als vierter Angeklagter erklärte gestern ein 20-jähriger Bundeswehrsoldat, dass er zwar in der Disko gewesen sei, sich aber wegen starken Alkoholkonsums an nichts erinnern könne. Ihm wird vorgeworfen, eines der Opfer noch getreten zu haben, obwohl er schon nicht mehr stehen konnte und sich am Pfahl eines Verkehrsschildes festhielt. Andere sollen ihn weggezogen haben.
Als Motiv für den Totschlag nannten drei der Angeklagten bisher, sie seien nach Ende der Disco von einem Aussiedler “aggressiv” wegen Zigaretten angesprochen worden, woraus sich eine Rangelei entwickelt habe. Der Prozess wird heute fortgesetzt. Dann sollen die ersten der 44 Zeugen gehört werden, darunter der damals schwer verletzte Maxim Kartagusov. Mit einem Urteil wird frühestens für den 31. Januar gerechnet.
Opfer von Messer-Attacke gesucht
(Berliner Zeitung, KBI, 7.1.03) BERNAU. Nach einem offenbar rechtsradikalen Überfall in einem S‑Bahnzug von Bernau (Barnim) nach Berlin fahndet die Polizei sowohl nach Tätern als auch nach dem Opfer der Tat. “Wir suchen Zeugen, die uns etwas zu dem Vorfall, die sich am Montag der vorigen Woche gegen 19.30 Uhr zugetragen haben soll, berichten können”, sagte Polizeisprecher Toralf Reinhardt am Montag. Die linke Gruppierung “Bernauer Antifas” hatte im Internet von dem Überfall Anfang voriger Woche in einer S‑Bahn berichtet. Demnach war einem nicht näher beschriebenen Opfer, das sich zuvor im Jugendclub DOSTO aufgehalten habe, von vier Personen mit einem Messer ein Hakenkreuz in den Bauch geritzt worden. In Zepernick habe das Opfer fliehen können.
Bei der Polizei liegt bisher keine Anzeige vor. Sie nahm jedoch nach Bekanntwerden der Vorwürfe aus dem Internet von Amts wegen die Ermittlungen wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung auf. “Wir haben in dem Jugendclub nachgeforscht, dort ist man aber nicht sehr kooperativ”, sagte Reinhardt. Man wisse nur vage, dass es sich bei dem Opfer vermutlich um ein etwa 15-jähriges Mädchen handelt, dessen Eltern den Besuch des Clubs verboten hätten.
Eigenartig sei, hieß es bei der Polizei, dass die Internetseite am Wochenende gelöscht worden sei. Man nehme den Vorfall ernst, könne jedoch nicht ausschließen, dass es die Tat nicht gegeben habe. Hinweise nimmt die Polizei unter 03338/3610 entgegen.
Ein ähnlicher Vorfall beschäftigte in der vorigen Woche die Fahnder in Guben. Eine 14-Jährige hatte bei der Polizei angegeben, ihr sei bei einem Überfall ein Hakenkreuz in die Wange geritzt worden. Später gestand sie, die Tat vorgetäuscht und sich das Hakenkreuz selbst ins Gesicht geschnitten zu haben.
Etwa 400 Menschen folgten am Samstag dem Aufruf eines breiten Bündnisses aus linken und bürgerlichen Gruppen und beteiligten sich an einer antifaschistischen Demonstration in Potsdam, nachdem in der Sylvesternacht das Vereinshaus des “Chamäleon e.V.” aus einem Mob von 50 Nazis angegriffen wurden.
Vom Luisenplatz ausgehend, demonstrierten am frühen Samstag Nachmittag etwa 400 Menschen unter dem Motto “Den rechten Vormarsch stoppen — in Potsdam und überall / Für eine emanzipierte Jugendkultur”. Die Demonstration wurde von einem breiten Bündnis organisiert, dem neben dem AStA Potsdam und der PDS auch viele kleinere antifaschistische und antirassistischen Gruppen wie die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, die unabhängigen Linken und die Opferperspektive angehören. Die Demonstration startete gegen 13.30h vom Luisenplatz und bewegte sich über die Charlottenstraße in die Friedrich Ebert Straße um über die Gutenbergstraße zum Vereinshaus in der Hermann Elflein Straße 32 zu gelangen.
Die Demonstration spiegelte die breite des Bündnisses wieder: neben autonomen Antifas, SchülerInnen und Studenten beteiligten sich auch viele Bürgerinnen und Bürger.
Dem voraus ging ein Angriff von Neonazis auf ein linkes Wohn- und Kulturprojekt in Potsdams Innenstadt. Zum Jahreswechsel zerschlugen etwas 50 Faschisten 48 Fensterscheiben des Hauses, im Obergeschoss entfachten sie mit einem gezielten Raketenschuss einen Brand. In dem Moment, in dem sie in das Haus stürmen wollten, kam die Polizei und nahm 6 Personen fest.
Die Polizei hielt sich während der gesamten Demo zurück. Mit Ausnahme einer handvoll Beamten hielten sie sich von der Demonstration fern; selbst auf die üblichen Vorkontrollen wurde verzichtet. Während der Demonstration wurde niemand verhaftet.
Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär kritisierte in ihrem Redebeitrag die Polizeistatistik rechter Übergriffe im Jahr 2002 in Potsdam und legten dar, dass diese nicht das ganze Ausmaß der rechten Gewalt darstellen. Viele rechte Übergriffe werden nicht als solche gewertet, sondern zählen als unpolitische Gewaltdelikte, was vermuten lässt das die Dunkelziffer weit über den von der Polizei gezählten ca. 40 Fällen liegt. Gegen die wachsende faschistische Bedrohung helfen keine Gesetzesverschärfungen und härtere Strafen, sondern nur eine starke emanzipierte Jugendbewegung die den Faschisten offensiv entgegentritt.
Der AstA Potsdam rief in seiner Rede dazu auf, Rassismus und Faschismus entschieden entgegenzutreten und kritisierte die gesellschaftlichen Umstände aus denen solche Ideologien heraus entstehen und wendete sich gegen den rechten Konsens der Deutschen.
Anschließend berichtete ein Flüchtling darüber wie er im letzten Jahr im Hauptbahnhof von einem Deutschen angegriffen wurde. Unvermittelt schlug dieser ihm ins Gesicht und skandierte “Sieg Heil”. “Talking is over” rief der Redner den Demonstranten zu und diese jubelten.
Folgend verlas ein Vertreter der Opferperspektive eine Redebeitrag in welchem die Folgen solcher Angriffe für die Betroffenen dargestellt wurden. Für die meisten sind sie ein traumatisches Erlebnis dass sehr schwer zu verarbeiten ist; oft quält die Opfer noch Monate nach den Übergriff die Angst erneut Opfer zu werden.
Resümierend sei gesagt dass die Demonstration als Erfolg gewertet werden kann; viele Mensche machten klar dass sie nicht gewillt sind den Terror der Faschisten stillschweigend hinzunehmen.
Bleibt zu hoffen, dass diesen Worten Taten folgen, und sie nicht nur ohnmächtigen Lippenbekenntnisse bleiben.
Potsdamer demonstrieren für “Chamäleon”
Ein weiterer Bericht, gefunden auf Indymedia
Demonstration am 11. Januar in Potsdam anlässlich des Anschlages auf das Haus des linken Jugendkulturvereins Chmäleon e.V. in der Sivesternacht
Etwa 350 Menschen demonstrierten am 11. Jauar 2003 (Samstag) unter dem Motto «Den rechten Vormarsch stoppen — in Potsdam und überall. Für eine emanzipierte Jugendkultur» in der Brandenburgischen Landeshauptstadt demonstriert. Sie forderten von Politik und Gesellschaft, Ansätze Alternativen Lebens zu stärken und damit ein wirksames Zeichen gegen latenten Rechtsextremismus und Intoleranz zu setzen. Weiterhin setzten sich die Demonstranten für ein dauerhaftes Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt ein.
Anlass zu dieser Demonstration war der Überfall von 60 Neonazis auf das Jugendkulturzentrum “Chamäleon” in der Potsdamer Innenstadt. Dieser hatte in der Nacht von Silvester auf Neujahr erheblichen Sachschaden verursacht. Nur (spätes) Eintreffen der herbeigerufenen Polizei konnte ein Angriff auf die Nutzerinnen und Nutzer verhindert werden. Sechs Neonazis wurden festgenommen.
Die Stadt Potsdam hat nach Angaben des Vereins Opferperspektive mit insgesamt 13 Angriffen auf Ausländer die traurige Spitzenposition im Land Brandenburg übernommen. Aber auch linke Jugendliche wie Punks, Skater seien Ziel rechter Angreifer geworden.
An der Demonstration nahmen Vertreter aus Stadt- und Landespolitik (größtenteis PDS, etwa der Potsdamer Oberbürgermeisterkandidat Hans-Jürgen Scharfenberg und PDS-Landeschef Raölf Christoffers) teil. Fünfzehn Initiativen, Organisationen, Intitutionen und Verbände hatten zu der Aktion aufgerufen.
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(ddp-lbg). Hunderte Menschen haben am Samstag in Potsdam ein dauerhaftes Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt gefordert. Dieses würde es rechten Schlägern schwerer machen, Ausländer aus dem Land zu «vertreiben», sagte Kay Wendel vom Verein Opferperspektive auf einer Kundgebung gegen den Neonazi-Überfall auf den Potsdamer Jugendclub Chamäleon in der Silvesternacht. Er fügte hinzu, Brandenburgs Landeshauptstadt halte 2002 mit insgesamt 13 Angriffen auf Ausländer die traurige Spitzenposition im Land. Auch linke Jugendliche seien Ziel rechter Angreifer geworden. Nach Angaben der Veranstalter nahmen knapp 350 Menschen an der Demonstration mit anschließender Kundgebung teil, die Polizei sprach von 250 bis 300 Protestierenden.
Die Demonstration stand unter dem Motto «Den rechten Vormarsch stoppen — in Potsdam und überall. Für eine emanzipierte Jugendkultur». Zahlreiche linke Gruppen hatten zu der Aktion aufgerufen. Zu größeren Ausschreitungen kam es nach Polizeiangaben nicht. Bei einem Geschäft ging eine Scheibe zu Bruch, drei Personen wurden vorläufig festgenommen.
Laut Wendel haben sich einige Stadtteile wie Stern, Drewitz und Schlaatz zu «Zonen der Angst» entwickelt, wenngleich es in allen Gegenden Potsdams zu gewalttätigen Übergriffen gekommen sei. Gewalt sei nur «ein Teil des alltäglichen Rassismus», dem sich Ausländer in Potsdam fast täglich ausgesetzt sähen, sagte er.
Eine Gruppe von jungen Neonazis hatte in der Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar das Haus des Jugend- und Kulturvereins Chamäleon in Potsdam überfallen. Nach Polizeiangaben warfen die Angreifer Feuerwerkskörper auf das Haus und feuerten Schüsse aus einem Schreckschuss-Trommelrevolver ab. Außerdem wurden Fensterläden aufgebrochen und die Scheiben mit Kisten und Mülleimereinsätzen eingeschlagen. Die Einsatzkräfte nahmen sechs Personen im Alter von 17 bis 30 Jahren wegen Landfriedensbruchs fest. Zuvor war es im Potsdamer Stadtzentrum beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern zwischen rund 15 Neonazis und zehn linksorientierten Jugendlichen zu Streitigkeiten gekommen. Dabei wurde mehrfach «Sieg-Heil» gegrölt.