(TAZ) Der Rechtsextremismus ist in Brandenburg weiterhin das größte Problem bei der politisch motivierten Gewaltkriminalität. Im vergangenen Jahr seien 87
rechts motivierte Gewalttaten registriert worden, 6 mehr als im Vorjahr, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern in Potsdam. Damit sei erneut das Niveau von 2001 erreicht. Zugleich sei aber die Aufklärungsquote
rechter Gewalttaten von 72 auf 82 Prozent gestiegen.
Unter den rechts motivierten Gewalttaten waren 4 Brandstiftungen, 77 Körperverletzungen und 2 versuchte Morde durch Brandstiftungen bei ausländischen Imbissbetreibern in Hennigsdorf und Pritzwalk. Damit weicht
die offizielle Statistik erneut von der des Vereins Opferperspektive ab. Dieser registrierte mit 116 rechten Gewalttaten deutlich mehr Delikte.
Laut Schönbohm sind 84 Prozent der Täter 2003 erstmals im Bereich Rechtsextremismus in Erscheinung getreten, 75 Prozent waren jedoch bereits durch allgemeine Straftaten bekannt. Die Gesamtzahl rechts motivierter
Straftaten ist von 983 im Jahr 2002 auf 993 im vergangenen Jahr gestiegen.
Leichter Anstieg der politisch motivierten Straftaten
Hohe Gewaltbereitschaft — Brandanschlag gegen ausländischen Imbiss-Betreiber
(BM, Peter Schelling) Potsdam — Was hat die Landesregierung nicht alles getan, um der politisch
motivierten Gewalt Herr zu werden. Eine eigene schnelle Eingreiftruppe
namens Mega gegründet, die Brennpunkte im Auge behält. Ein Aktionsprogramm
namens Tomeg ins Leben gerufen, bei dem notorische Straftäter kontinuierlich
beobachtet werden. Und doch haben alle repressiven Maßnahmen eines nicht
geschafft: die Zahl extremistisch — und das heißt in Brandenburg fast
ausschließlich rechtsextremistisch — motivierter Gewalttaten zu verringern.
Gestern musste Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) für 2003 einen leichten
Anstieg der Zahlen bekannt geben. Schönbohm räumte ein: “Mit polizeilichen
Mitteln sind wir langsam am Ende.” Vielmehr müsse man sich gesellschaftlich
viel mehr Gedanken machen, wie des Problems Herr zu werden sei. Insgesamt
hat die Polizei im vergangenen Jahr 1571 politisch motivierte Straftaten
gezählt (2002: 1530). Das Spektrum reicht dabei von versuchten
Tötungsdelikten bis zu einem zweimal zwei Zentimeter großen, in ein
Fahrradschutzblech eingeritzten Hakenkreuz. “Auch solche Kleinigkeiten sind
wir nach einer Bundesverordnung gehalten, als Straftat zu verfolgen”, so der
Innenminister. Daran halte sich Brandenburg, auch wenn der Sinn fraglich
sei. Viel schwerer wiegt für Schönbohm, dass auch die Zahl der politisch
motivierten Gewalttaten auf hohem Niveau verharrt. Bei Körperverletzungen
mit 83 Delikten (2002: 75) und bei versuchten Tötungsdelikten mit drei
(2002: 2) musste sogar ein Anstieg verzeichnet werden. Da tröstet auch
wenig, dass die Aufklärungsquote auf 42 Prozent insgesamt (2002: 39) und bei
Gewalttaten auf 52 Prozent (2002: 46) verbessert worden ist. Auffällig sei,
dass 75 Prozent aller wegen politischer Straftaten von rechtsaußen dingfest
Gemachten schon vorher mit gewöhnlichen Straftaten auffällig gewesen waren.
Die meisten Straftaten geschehen aus der Gruppe heraus. “Vor allem die
Zunahme der Gewaltbereitschaft ist bedenklich”, so Schönbohm.
Zu der gesamten Bilanz passt eine Meldung aus der Nacht zum gestrigen
Freitag: Da wurde auf einen türkischen Imbiss in Brück (Potsdam-Mittelmark)
ein Brandsatz geschleudert. Der Besitzer befand sich in dem Imbiss. Mit Mühe
konnte er den Brand löschen. Wegen der guten Spurenlage, so die Polizei,
konnten schon gestern Morgen die Täter ermittelt werden. Sie waren
einschlägig als Rechtsextreme bekannt, handelten alkoholisiert und
wahrscheinlich aus der Gruppe. Auf sie wartet jetzt ein Prozess wegen
versuchten Totschlages.
Rechte Gewalttaten leicht angestiegen
Höhere Aufklärungsquote / Schönbohm mahnt Familie und Schulen zur Wachsamkeit
(Berliner Zeitung, Martin Klesmann) POTSDAM. Eigentlich wollte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Freitag nur
die neuesten Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität im Lande bekannt
geben. Doch zunächst einmal musste er über den jüngsten Brandanschlag der
rechtsextremistischen Szene in Brandenburg berichten. In der Nacht zum
Freitag hatten junge Neonazis einen Brandbeschleuniger in einen türkischen
Imbiss in Brück (Potsdam-Mittelmark) geworfen. Der Imbissbesitzer befand
sich noch im Gastraum und konnte den Brand schnell löschen. “Vor einer
halben Stunde habe ich erfahren, dass die Polizei bereits am Freitagmorgen
drei Tatverdächtige festgenommen hat”, sagte Schönbohm. Die jungen Männer
seien bereits als Rechtsextremisten polizeibekannt und gehörten einer
gewaltbereiten Gruppierung an.
Zwei Tötungsversuche
Dann kam der Minister auf die Statistik für das Jahr 2003 zu sprechen. Die
Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten stieg im Vergleich zum
Vorjahr leicht um sechs Delikte an. 87 rechtsextremistische Gewaltdelikte
waren es laut Innenministerium im vergangenen Jahr, darunter vier
Brandstiftungen, 77 Körperverletzungen sowie zwei versuchte Tötungsdelikte
durch Brandstiftungen gegen vietnamesische und türkische Imbissbetreiber in
Pritzwalk und Hennigsdorf. “Damit liegen wir im Vergleich der Bundesländer
leider mit an der Spitze”, sagte Rainer Grieger vom Landeskriminalamt.
Insgesamt ermittelte die Polizei 993 Straftaten mit rechtem Hintergrund, dar
unter viele so genannte Propagandadelikte wie das Zeigen verbotener Symbole.
Von diesen Straftaten hatten 211 Fälle einen fremdenfeindlichen Bezug, 96
waren antisemitisch motiviert.
Schönbohm verwies zugleich auf die gestiegene Aufklärungsquote der Polizei.
Bei 82 Prozent aller rechten Gewalttaten konnten laut Innenministerium im
vergangenen Jahr die Täter ermittelt werden — eine Steigerung von zehn
Prozent gegenüber dem Vorjahr. “So langsam kennen wir unsere Klientel”,
sagte Schönbohm. Gegen spontane Gewaltausbrüche aus einer alkoholisierten
Gruppe heraus könne die Polizei aber nur bedingt präventiv tätig werden.
Schönbohm machte klar, dass viele rechte Schläger bereits vorher als
Kriminelle bekannt geworden seien. Nach ersten statistischen Erhebungen
seien 46 Prozent jener Gewalttäter Schüler und Auszubildende, 15 Prozent
Facharbeiter und 34 Prozent sind arbeitslos. “Viele Täter sind also
gesellschaftlich eingebunden”, sagte Schönbohm. Familie und Schule seien
hier gefordert.
Den einzigen Terrorakt in Brandenburg verübten indes Linksextreme. Im
Februar 2003 verübte die “Militante Gruppe” einen Brandanschlag auf
Bundeswehrfahrzeuge in Strausberg. Die Ermittlungen übernahm die
Bundesanwaltschaft.
Rechte Gewalt bleibt auf hohem Niveau
Zehn Prozent mehr Delikte aufgeklärt
(MAZ, Frank Schauka) POTSDAM Die rechtsextreme Gewalt in Brandenburg hat 2003 leicht zugenommen
und sich auf hohem Niveau stabilisiert — trotz verstärkten Verfolgungsdrucks
der Polizei und einer Aufklärungsquote von 82 Prozent bei Gewaltdelikten.
206 Tatverdächtige aus der rechtsextremen Szene hatten 87 Gewalttaten
verübt, sechs mehr als 2002. Die Bekämpfung der rechten Gewalt bleibe ein
Schwerpunkt der Polizeiarbeit, betonte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU)
gestern in Potsdam bei der Vorstellung der Bilanz zur politisch motivierten
Kriminalität für das Jahr 2003.
Linksmotivierte Straftaten sind demnach weiter ein Randphänomen. Von den 104
politisch motivierten Gewalttaten entfielen 87 auf die rechte und 14 auf die
linke Szene. Nur vier der insgesamt 83 politisch motivierten
Körperverletzungen wurden von linken, 77 von rechten Tätern verübt.
Der Anstieg rechtsextremer Gewalt ist nicht auf Nachlässigkeiten der
Polizeibeamten zurückzuführen. Die Spezialeinheit “Mega” hat den Druck auf
die Szene sogar erhöht und 24 543 Personen kontrolliert, 3700 Personen mehr
als 2002. Dabei wurden 521 Personen vorläufig festgenommen. “Diese Zahlen
belegen deutlich, dass die Mega präsent ist und in erheblichem Umfang
handelt”, sagte Schönbohm.
Ein zusätzlicher Kontroll- und Ermittlungsdruck ist laut Schönbohm
“praktisch nicht zu erreichen”. Deshalb seien “in besonderem Maße alle
gesellschaftlichen Instanzen gefordert, besonders Familien und Schulen”.
Untersuchungen zeigen, dass rechtsextreme Gewalt hauptsächlich spontan
verübt wird. 63 Prozent der Gewalttaten entstehen ungeplant aus der
Situation heraus, in mehr als 75 Prozent der Fälle kannten sich Täter und
Opfer zuvor nicht. Gruppendynamik und Alkohol fördern rechtsextreme Gewalt
zudem. Etwa 70 Prozent der Delikte wurden aus einer Clique heraus begangen,
45 Prozent der Täter standen unter Alkoholeinfluss.
Dass rechtsextreme Gewalt wesentlich mit hoher Arbeitslosigkeit in
Brandenburg erklärbar sei, wies Schönbohm zurück. Zwar sind 34 Prozent der
rechten Tatverdächtigen ohne Arbeit, 46 Prozent sind hingegen Schüler und
Lehrlinge, 15 Prozent Facharbeiter.
Wie Schönbohm betonte, begehen rechtsextreme Gewalttäter oft auch
unpolitische Straftäter. 75 Prozent seien im Vorfeld bereits durch
allgemeine Straftaten in Erscheinung getreten. “Wir haben es hier also nicht
mit einseitig politisch motivierten Straftätern zu tun, sondern im
wesentlichen mit gemeinen Kriminellen, die ihre kriminellen Biographien um
politisch motivierte Taten lediglich erweitern.”
Diese Analyse dürfe “kein Vorwand werden”, rechtsextreme Gewalt “nur als ein
kriminelles Randphänomen abzutun”, warnte der Vorsitzende des
Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit,
Heinz Joachim Lohmann. Der Wittstocker Superintendent wies zudem auf die
vermutlich hohe Dunkelziffer hin, weil viele Opfer rechtsextremer Gewalt es
erfahrungsgemäß nicht wagten, Anzeige zu erstatten.
Gefährliche Kleinigkeiten
MAZ-Kommentar von Frank Schauka
Ein zwei Zentimeter großes Hakenkreuz in einer Schulbank wird in Brandenburg
in der Statistik für politisch motivierte Kriminalität konsequent als
Straftat registriert. Das Beispiel von Innenminister Schönbohm ist auf den
zweiten Blick dennoch nicht geeignet, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu
karikieren. Denn es veranschaulicht im Detail die Verbreitung von
Fremdenhass bei Jugendlichen und ist insofern ein Symbol für die Erkenntnis,
dass 46 Prozent der rechtsextremen Gewalttäter Schüler und Lehrlinge sind.
Nur wenn die Polizeistatistik solche vermeintlichen Kleinigkeiten aufführt,
geht der Blick für den schleichenden Übergang vom Bagatelldelikt zur
Gewalttat nicht verloren. 2003 waren 84 Prozent der rechtsextremen Schläger
Ersttäter. Der sich seit Jahren stetig erneuernde Kreis prügelnder Neonazis
rekrutiert sich auch aus anfänglichen Schmierfinken. Deshalb müssen ihnen
schon frühzeitig mit den Mitteln des Rechtsstaats Grenzen aufgezeigt werden.
Rechte Schläger waren meist schon vorher kriminell
Leicht gestiegene Aufklärungsquote bei politisch motivierten Delikten
(Tagesspiegel) Potsdam. Es passte bestens zu der Bilanz, die Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) am Freitag vorstellte: Nur einen Tag nach einem Brandanschlag auf
einen türkischen Imbiss in Brück bei Potsdam hat die Polizei gestern drei
Tatverdächtige festgenommen. Die drei Männer aus der Region seien durch
einschlägige, politisch motivierte Straftaten bekannt, sagte Schönbohm. Da
sich der Inhaber im Imbiss befand, geht die Staatsanwaltschaft von einem
versuchten Tötungsdelikt aus.
“Es zahlt sich aus, dass wir die Klientel inzwischen kennen”, kommentierte
Schönbohm den Fahndungserfolg, der mit der Bilanz des Innenministers
korrespondiert. Danach ist die Aufklärungsquote der Brandenburger Polizei
bei politisch motivierten Straftaten auf 42 Prozent gegenüber 39 Prozent im
Jahr 2002 gestiegen. Insgesamt wurden 1571 politisch motivierte Straftaten -
davon 993 mit rechtsextremem Hintergrund — registriert, im Jahr 2002 waren
es 41 Fälle weniger.
Dennoch sind diese drei Tatverdächtigen eher die Ausnahme: 82 Prozent der
Gewalttäter mit politischem Hintergrund sind bei diesen Delikten Ersttäter.
Schönbohm nannte dies Besorgnis erregend. Mit anderen Taten jedoch sind fast
70 Prozent dieser Straftäter vorher bereits aufgefallen. Schönbohm sagte, es
seien zumeist “gewöhnliche Kriminelle”, die irgendwann auch politische
Gewalttaten begingen.
Von diesen Taten zählte das Innenministerium wie im Vorjahr 104 — womit
Brandenburg weiterhin auch im Ländervergleich im Spitzenfeld liegt. 46
Prozent dieser Gewalttäter seien Schüler oder Auszubildende, 15 Prozent
Facharbeiter, nur 34 Prozent arbeitslos. Die Vorstellung, die hohe
Arbeitslosigkeit führe zu Rechtsextremismus, greife folglich zu kurz, so
Schönbohm. 70 Prozent der rechten Gewaltstraftaten würden aus Gruppen heraus
verübt, bei fast jeder zweiten sei Alkohol im Spiel.
Schönbohm an regte an, die Strategie für das “Tolerante Brandenburg” zu
überdenken — und insgesamt auf die wachsende Gewaltbereitschaft von
Jugendlichen zu reagieren, die die Keimzelle rechter Gewalt sei. Der
Kontroll- und Ermittlungsdruck auf den harten Kern der rechtsextremistischen
Szene sei nämlich kaum noch zu erhöhen.
Anstieg bei politisch motivierter Kriminalität
Minister: Schwerpunkt bleibt Kampf gegen Rechts
(LR) Die Fälle von politisch motivierter Kriminalität in Brandenburg haben im
vergangenen Jahr geringfügig zugenommen. Ihre Zahl stieg im Vergleich zu
2002 um 41 auf 1571 Fälle, wie Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern in
Potsdam mitteilte. Das sind 2,6 Prozent.
Zugleich sei die Aufklärungsquote um drei auf etwa 42 Prozent verbessert
worden. Bei Gewaltstraftaten in diesem Bereich wuchs die Quote sogar um zehn
auf 82 Prozent. Der leichte Anstieg wurde Schönbohm zufolge im Wesentlichen
durch eine Zunahme von Schmierereien verursacht (plus 49).
Im Bereich Terrorismus wurde mit einem linksextremistischen Brandanschlag
auf Bundeswehrfahrzeuge in Strausberg (Märkisch-Oderland) im Februar nur
eine Straftat im Land verzeichnet.
Nach Schönbohms Worten bleibt die Bekämpfung rechtsmotivierter Straftaten
ein Schwerpunkt polizeilichen Handelns. Auf diesem Gebiet wurden im
vergangenen Jahr mit 993 Fällen zehn mehr als ein Jahr zuvor registriert. Im
Zuge der Angleichung des bundesweiten Meldeverhaltens stufte das
Landeskriminalamt davon 982 Fälle als extremistisch ein. Insgesamt hatten
21,24 Prozent der Fälle (211) einen fremdenfeindlichen Bezug; 9,67 Prozent
(96) waren antisemitisch motiviert.
Schönbohm zeigte sich überzeugt, dass der hohe polizeiliche Druck auf die
rechtsextreme Szene Wirkung zeigt. So habe die Mobile Einsatzeinheit gegen
Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (Mega) im vergangenen Jahr mehr als 24 500
Personen kontrolliert, 521 fest-oder in Gewahrsam genommen sowie 2000
Platzverweise ausgesprochen.