(MAZ) LEIPZIG Der brutale Mord an dem 16-jährigen Marinus Schöberl in Potzlow (Uckermark)
wird die Justiz weiter beschäftigen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Leipzig
hob gestern die Urteile der Vorinstanz teilweise auf. Die Bundesrichter
erklärten zwar die Höhe der Freiheitsstrafen gegen den Haupttäter Marcel
Sch. von achteinhalb Jahren Jugendhaft sowie gegen dessen erwachsenen Bruder
Marco Sch. von 15 Jahren Gefängnis für rechtskräftig. Zugleich verschärfte
der 5. Senat aber die Schuldsprüche gegen Marco Sch. und den dritten
Angeklagten Sebastian F..
Die beiden Mittäter waren im Oktober 2003 vom Landgericht Neuruppin vom
Vorwurf des Mordes freigesprochen worden. Der BGH-Senat hob diese
Freisprüche jetzt auf und verurteilte die Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung mit Todesfolge. “Alle waren sich einig, das Opfer zu
demütigen und zu quälen”, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Clemens Basdorf.
Bei den schweren Misshandlungen des Opfers hätten sie mit dem Tod des
Jugendlichen rechnen müssen, hieß es in der Urteilsbegründung.
Den Fall von Sebastian F. verwiesen die Bundesrichter an eine andere
Jugendkammer des Landgerichts zurück, das nun über die Höhe der Strafe neu
verhandeln muss. Der zur Tatzeit 17-Jährige war ursprünglich wegen
versuchten Mordes angeklagt, dann jedoch nur wegen Körperverletzung und
Nötigung zu zwei Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Obwohl sich am
Strafmaß nichts ändert, muss sich das Landgericht auch mit dem Fall von
Marco Sch. noch einmal befassen. Die Richter haben zu klären, ob der heute
24-jährige persönlichkeitsgestörte Mann in Sicherungsverwahrung genommen
oder in einer Entziehungsanstalt untergebracht wird.
Basdorf sprach in seiner Urteilsbegründung von einem “außergewöhnlich
grauenvollen Tatgeschehen”. Die drei Angeklagten hatten im Juli 2002 ihr
16-jähriges Opfer stundenlang gequält und es schließlich in einem ehemaligen
Schweinestall bestialisch umgebracht. Danach verscharrten sie die Leiche in
einer früheren Jauchegrube.
Die Bundesrichter hatten neben den Revisionen der Staatsanwaltschaft auch
über die Revision von Marco Sch. zu entscheiden, der damit einen milderen
Schuldspruch erwirken wollte. Der Vorsitzende Richter nannte das Neuruppiner
Urteil von achteinhalb Jahren Haft gegen den Haupttäter Marcel Sch. “sehr
milde”. Es habe jedoch Bestand, da es keine Rechtsfehler enthalte.
Die Tat wurde nach Ansicht der Bundesanwaltschaft mit einem “unvorstellbaren
Maß an Brutalität” begangen. Das bereits stundenlang gedemütigte und
gequälte Opfer sei damals von allen drei Angeklagten gezwungen worden, nach
dem Vorbild einer brutalen Filmszene eine Hinrichtungsstellung einzunehmen.
Marinus habe in einen steinernen Schweinetrog beißen müssen. Dann sei der
zur Tatzeit 17-jährige Marcel Sch. dem Opfer auf den Kopf gesprungen und
habe ihn dabei tödlich verletzt. Schließlich warfen er und sein Bruder Marco
Sch. dem 16-Jährigen mehrfach einen schweren Stein an den Kopf, um ihn
endgültig zu töten.
Mord von Potzlow: Urteile zu mild
(MOZ) Leipzig/Potzlow/Berlin (dpa) Zwei Jahre nach dem Mord an dem Schüler Marinus
Schöberl aus Potzlow (Brandenburg) hat der Bundesgerichtshof (BGH) das
Urteil am Donnerstag verschärft. Der 5. Strafsenat in Leipzig sprach den
heute 19 und 25 Jahre alten Mittätern eine höhere Verantwortung an dem
grausamen Tod des 16-Jährigen im Juli 2002 zu. Die Bundesrichter
verurteilten die beiden wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Auf die Höhe der Strafen hat der Schuldspruch jedoch kaum Auswirkung, weil
in einem neuen Prozess keine wesentlichen Änderungen zu erwarten sind. So
bleibt es für den 25-Jährigen bei 15 Jahren Haft. Das Urteil für den
19-jährigen Haupttäter bleibt unverändert und ist damit rechtskräftig. Er
muss wegen Mordes achteinhalb Jahre Jugendstrafe verbüßen.
Der Mord an dem 16-Jährigen hatte bundesweit Entsetzen hervorgerufen. Die
Leiche war erst Monate nach der Tat skelettiert gefunden worden. Ein
Gedenkstein an der Friedhofsmauer in dem 570- Seelen-Dorf erinnert heute an
das grausame Geschehen.
Mit dem Urteil muss der Prozess nicht komplett neu aufgerollt werden. Der
Rechtsanwalt der Familie des Opfers, Thomas Weichelt, zeigte sich darüber
erleichtert: “Damit bleibt ihnen eine erneute starke emotionale Belastung
erspart.” Für die Anklagebehörde ist die Entscheidung jedoch nur ein
Teilerfolg. Sie hatte eine Verurteilung wegen Mordes für alle drei Täter
gefordert, die laut Urteil bekennende Rechtsradikale sind.
Nach dem Urteil der Bundesrichter müssen die Richter in Neuruppin die
Strafhöhe für den 19-jährigen Mittäter neu festsetzen. Er war zu zwei Jahren
Haft verurteilt worden. Bei dem 25-Jährigen ist außerdem zu prüfen, ob er in
Sicherheitsverwahrung kommt.
Nach dem Vorbild der Schlüsselszene im Film “American History X” zwang der
Haupttäter das Opfer, sich in einem Stall hinzuknien und in einen
Schweinetrog zu beißen. Dann sprang er mit seinen Springerstiefeln auf den
Kopf des Jungen. Um die Tat zu verdecken, schlugen er und sein Bruder
schließlich dem Schwerstverletzten mit einer Betonplatte auf den Kopf.
Angesichts dieser Grausamkeit erscheine die Strafe von achteinhalb Jahren
Jugendstrafe für den Haupttäter mild, sagte Basdorf.
Derweil soll der Tod von Marinus auf der Theaterbühne thematisiert werden:
Der Filmemacher Andres Veiel (“Black Box BRD”) plant ein Stück über den Mord
von Potzlow. Er wolle die Täter und die Opfer zeigen, das Menschliche an
ihnen und die Widersprüche, sagte Veiel dem “Tagesspiegel”. Ihn
interessierten die Motive und die Vorgeschichte der Täter. Aus diesem Stoff
will Veiel ein Ein-Personenstück machen, das möglicherweise im kommenden
Jahr im Theater Basel und im Maxim-Gorki-Theater in Berlin zu sehen sein
soll. Veiel will auch selbst Regie führen.