Eine öffentliche Stadtverordnetenversammlung ist am frühen Donnerstagabend völlig eskaliert. Dutzende Sympathisanten der Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“ hatten durch die permanente Unterbrechung der Sitzung und das Skandieren von ausländerfeindlichen Parolen die Räumung des Publikumsbereich im Sitzungssaal provoziert. Außerhalb des Gebäudes sammelten zudem NPD Funktionäre, die auch ein Banner der „Nein zum Heim“ Kampagne mit sich führten, sowie Sympathisanten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ weitere Personen um sich und versuchten die Stadtverordnetenversammlung von draußen, durch das Schlagen gegen die Scheiben sowie das Rufen von Losungen zu stören.
Ausgangssituation
Hintergrund des Tumults war die geplante Abstimmung der Stadtverordneten zum Verkauf eines Grundstückes am Nauener Waldemardamm an den Landkreis Havelland, damit dieser dort eine Unterkunft für Asylsuchende bauen kann.
Eine erste Abstimmung zu dem Fall war bereits am 26. Januar 2015 gescheitert, da einige Abgeordnete das Vorgehen der Stadt als intransparent kritisierten. Anschließend wurde ein neuer Termin auf den heutigen Tag verlegt.
Allerdings fand die heutige Sitzung, nicht wie sonst üblich, im Rathaus statt, sondern wurde aufgrund des erheblichen öffentlichen Interesses in den Evangelischen Gemeindesaal in der Hamburger Straße verlegt.
Außerdem lud der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Hartmut Siegelbert (SPD), die Bürgerinitiativen „Nein zum Heim in Nauen“ und „Zukunft Nauen“ bzw. deren Sprecher ein, um in einer geplanten Bürgersprechstunde mit ihnen in Dialog zu treten. Diese Initiativen hatten ihr kommen im Vorfeld ohnehin durch eine massive Plakataktion am vergangenen Samstag angekündigt. Allerdings war offenbar niemand aus der Stadt auf eine so rege Anteilnahme von Bürger_innen vorbereitet. Lediglich 150 Personen konnten deshalb nur, neben den Stadtverordneten, hereingelassen werden. Die übrigen 50 Bürger_innen blieben vor der Tür und versammelten sich dann vor der Fensterfront des Sitzungssaales.
Ablauf der Sitzung
Dann begann die eigentliche Stadtverordnetenversammlung mit der Einleitungsrede des Bürgermeister Detlef Fleischmann (SPD). Da der Stadt im Hinblick auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück für den Bau einer Unterkunft für Asylsuchende Intransparenz vorgeworfen wurde, erläuterte Fleischmann den bisherigen Entscheidungsprozess sehr detailliert. Seinen Angaben zu Folge habe die Stadt Nauen weder Wohnraum noch geeignete Gebäude für die Unterbringung von Asylbewerber_innen. Deshalb wurden alle in Frage kommenden Liegenschaften hinsichtlich der Pro- und Kontrakriterien geprüft. Dabei handelt es sich um insgesamt 16 Grundstücke: u.a. der Sägewerksplatz, das ehemalige Gaswerk, der Bahnhofsvorplatz, der Goetheweg, die Oranienburger Straße, Am Bahndamm, der Waldemardamm, der Lietzowplatz, das Gewerbegebiet Nauen-Ost, zum Kirchberg (im OT Berge), die Gäertnerei (im OT Groß Behnitz), in Quermathen (im OT Groß Behnitz), der Brennereiweg (im OT Ribbeck), die Brieselanger Straße (in der Waldsiedlung) sowie der Falkenberg (ebenfalls Waldsiedlung).
Als geeignetsten hatte die Stadt dann den Standort Waldemardamm 20 ausgewählt.
Bei seiner Ausführung wird der Bürgermeister immer wieder vom Publikum unterbrochen. Ein vernünftiges referieren ist kaum noch möglich, doch Fleischmann macht weiter. Er wirkt hilflos, versucht beschwichtigend auf die Provokateure im Publikum einzugehen. Doch die haben anscheinend gar kein Interesse an einem vernünftigen und sachlichen Sitzungsablauf. Draußen vor dem Fenster ist die dort postierte Menge ebenfalls unruhig. Angestimmt vom Neuruppiner Stadtverordneten Dave Trick (NPD) und dem ehemaligen Nauener Stadtrat Maik Schneider (NPD) sowie Sympathisanten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ werden dort nun Parolen, wie „Nein zum Asylantenheim“ und ähnliches skandiert. Dazu schlagen die draußen befindlichen Personen im Takt ihrer Losungen mit den Fäusten gegen die Fensterfront, so dass diese droht aus der Verankerung zu fallen. Maik Schneider zeigt zu dem ein Banner mit der Aufschrift: „Asylbetrug ist kein Menschenrecht – Nein zum Heim“.
Nur mit Mühe kann Detlef Fleischmann dann seinen Vortrag kurzzeitig fortsetzen. Als er aber von seiner Idee einer gelebten Willkommenskultur spricht, wird er wiederum vom Publikum in unfleglicher Weise unterbrochen.
Anschließend versuchte der Havelländische Landrat Burkhard Schröder (SPD) seinen Redebeitrag zu halten. Doch auch er hat mit dem ungemütlichen Nauener Publikum zu kämpfen. Selbst als Schröder erklärt kein „Gutmensch“ zu sein und hier – im Hinblick auf die Aufnahme von Flüchtlingen – nur seine Pflicht zu tut, lässt ihn keiner ausreden. Immer wieder wird dazwischen geredet. Schröder will nun mit den positiven Erfahrungen im Landkreis Havelland punkten, als er wieder unterbrochen wird: „Alle Einrichtungen…“. „…werden abgefackelt“, murmelt eine Bürgerin vor sich hin. „…machen keine Probleme“, beendet der Landrat seinen Satz.
Schließlich geht die Versammlung nun direkt in eine Bürgersprechstunde über, bei der zunächst der Bürger Dennis Naumann von der Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“ das Wort ergreift. Er weiß, dass er die Mehrheit, der im Saal sitzenden Bürger_innen, hinter sich hat und zeichnet ein sehr dramatisches Bild. Schule, Kindergarten, Wohngebiet, Kleingartenanlage, Garagen – alles wäre angeblich zu Nahe an der künftigen Unterkunft für Asylsuchende. Das Grundstück sei damit untragbar für das Umfeld und schaffe nur „soziale Brennpunkte“. Kräftiger Applaus hallt durch den Saal. Die Stimmung ist angespannt, das emotionale Hoch der Heimgegner_innen ist deutlich zu spüren.
Der Bürger Heiko Kürchner, ebenfalls von der Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“, versucht anschließend daran anzuknüpfen und die heutige ausführliche Information der Stadt zum Heim als den Erfolg seiner Initiative darzustellen. Wiederum wird applaudiert. Dann wird Kürchner frech und versucht den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung gegen den Bürgermeister auszuspielen. Beide versuchen sich dann auch noch zu rechtfertigen und geben kein gutes Bild als Entscheidungsträger ab.
Schließlich wird die Veranstaltung völlig zur Farce als ein junger Mann das Mikrofon ergreift und fragt: was ihm die Asylbewerber_innen eigentlich brächten. „Die kriegen Begrüßungsgeld und fahren alle Mercedes“, glaubt er zu wissen. Nun werden alle Klischees bedient, ein Mann raunt im Publikum, dass die Flüchtlinge nur Krankheiten bringen, eine Bürgerin beschwert sich, dass sie andern die Arbeit wegnehmen würden.
Diesem und ähnlichen „Argumenten“ will eine junge Frau begegnen, die sich zwischenzeitlich das Mikrofon geschnappt hat. „Asylsuchende bekommen gar keine Arbeitserlaubnis“, versucht sie der aufgewühlten Sympathisantin zu entgegnen. Doch die Bürgerin reagiert ablehnend, will sich nicht belehren lassen. Stattdessen wird nun die junge Frau heftig verbal attackiert. Außerdem werden nun auch im Saal lauthals Parolen, wie „Ausländer raus“ oder „Wir wollen kein Asylantenheim“, gegrölt.
Dann hat auch der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung die Nase voll und ordnet an den Sitzungssaal für die Öffentlichkeit zu räumen. Doch auch hier mangelt es an Durchsetzungsfähigkeit. Erst nach langem überreden, erst durch den Wachschutz, dann durch zwei Polizeibeamt_innen und schließlich dem Bürgermeister selber, sind die letzten Sympathisanten der Bürgerinitiative bereit den Saal zu verlassen.
Sie gesellen sich zu den anderen Personen, welche die ganze Zeit über draußen waren und immer noch vor der Fensterfront stehen. Abermals werden Parolen gebrüllt.
Erst als die Polizei Verstärkung erhält, gelingt es die Störer zu zerstreuen. Als erstes wurde dabei der mutmaßliche Rädelsführer Maik Schneider des Grundstückes verwiesen. Dann folgten die restlichen Störer, darunter auch Dave Trick und weitere Neonazis aus den „Freien Kräften“.
Sie sammelten sich noch kurz vor dem Tor und pöbelten gegen Journalist_innen, bis sie schließlich verschwanden.
Stadtverordnetenversammlung stimmt für Grundstücksverkauf
Die Stadtverordneten tagten inzwischen unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter. Bei der Abstimmung über den Verkauf des Grundstücks für die künftige Asylsuchendenunterkunft an den Landkreis sprachen sich schließlich 13 Abgeordnete dafür aus, zehn enthielten sich, ein Abgeordneter stimmte dagegen.
Die NPD ist übrigens mit ihrem Abgeordneten Erik Brüning in der Nauener Stadtverordnetenversammlung vertreten.
Fotos: hier
Monat: Februar 2015
Anlässlich der geplanten Kundgebung von Neonazis und Rassist_innen am kommenden Samstag rufen das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ und andere städtische Initiativen zu einer Demonstration unter dem Motto „Für die Freiheit – für das Leben! Solidarität mit Geflüchteten“ auf. Die Auftaktkundgebung mit Musik und Redebeiträgen
beginnt um 10:00 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz. Im Anschluss wird der Demonstrationszug lautstark und bunt durch die Innenstadt laufen, um ein entschlossenes Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung zu setzen. An der Friedensglocke werden die Proteste durch Solidaritätserklärungen und ein kulturelles Rahmenprogramm begleitet.
In Zeiten, in denen das ohnehin schon marginale Recht auf Asyl und die UN-Menschenrechtskonvention wieder öffentlich in Frage gestellt werden, ruft das Bündnis alle Bürgerinnen und Bürger guten Willens auf, ein deutliches Zeichen für demokratische Verantwortung zu setzen. Flucht und Migration sind, im Gegensatz zu Rassismus, kein Verbrechen! Geflüchtete haben ein Recht – auch über die symbolische Solidarität am kommenenden Samstag hinaus – auf praktische Unterstützung sowie demokratische und kulturelle Teilhabe.
Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ setzt auf den zivilgesellschaftlichen Schulterschluss von zahlreichen Initiativen und allen demokratischen Kräften für den kommenden Samstag. „Frankfurt ist mit seiner Anbindung nach Polen eine weltoffene und tolerante Stadt. Frankfurt ist kein Platz für Nazis. Ich freue mich, das ein breites Bündnis aus der Stadt dazu aufgerufen hat, dieses Signal auszusenden und unterstütze dieses Anliegen. Deshalb werde ich am Samstag auch selbst in Frankfurt sein.“, so beispielsweise der stellvertrende Ministerpräsident
Helmuth Markov.
Weitere NPD-Runde in Oranienburg
INFORIOT Zum dritten Mal zogen Rassist*innen und Neonazis unter Vorwand einer “gerechten Asylpolitik” durch Oranienburg. Auf beiden Seiten gingen die Teilnehmer*innenzahlen zurück. An dem „Anbendspaziergang“ nahmen ungefähr 200 Personen teil. Da das Bündnis „Oberhavel Nazifrei“ jedoch zuerst eine Strecke über die Bernauer Straße zum Schloss angemeldet hatte, war der „Abendspaziergang“ gezwungen, seine Route in die Neustadt zu verlegen. An der Bündnisdemonstration von “Oberhavel Nazifrei” unter den Motto „Oberhavel für alle” — Oranienburg ist anders.weltoffen.bunt!“ nahmen ungefähr gleichviele Menschen teil. Das Bündnis “Oberhavel Nazifrei” hatte für eine Willkommenkultur im Landkreis demonstriert.
Erneut nahmen bekannte NPD Mitglieder und Neonazis aus dem Hooligan-Milieu an dem „Abendspaziergang“ teil. Unter ihnen auch der Stadt- und Kreistagsverorndete Detlef Appel, sowie der Veltener Stadtverordnete Robert Wolinski und Reimar Leibner. Auch übernahmen bekannte NPD/JN Mitglieder Aufgaben der Demonstration und wirkten mit den Anmelder Carlo-Eik Christopeit sehr vertraut. Erneut wurde die Technik durch die NPD/JN betreut, an dem Ordnerdienst beteiligte sich das NPD Mitglied Sebastain Blöhe, welcher seine Ordnerbinde in laufe der Demonstration abnahm. Ebenfalls trat erneut das JN/NPD Mitglied Martin Ulbricht als Redner auf. In seiner Rede sprach Ulbricht Geflüchteten ihre Grundrechte ab und kostruierte eine „noch nie dargewesenen Asylflut“. Ebenso hat er wieder behauptet, dass Schüler*innen der Torhorst-Gesamtschule und dieses Mal auch des Runge-Gymnasiums für die Teilnahme an der Gegendemonstration schulfrei bekämen. Tage zuvor hatten die Torhorst Schüler*innen hieru eine Richtigstellung geschrieben und die Behauptung dementiert — die Neonazis scheint dies nicht zu interessieren.
„Wie sind Deutsche. Wir sind ruhig“
Der Anmelder Carlo-Eik Christopeit rief zu seinem „friedlichen“ Aufzug auf mt den Worten: „Wir sind Deutsche. Wir sind ruhig“. Doch bereits zum Auftakt der Demonstration kam es zu einer kleinerer Rangelei, bei der Versammlungsteilnehmer*innen einen Pressevertreter angingen. Am Rande der Willkommensdemonstration zeigte ein Neonazi den Hitlergruß. Er wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen. Im weiteren Verlauf stieß die Veranstaltung der Heimgegener*innen auf 0 Gegenwehr, allerdings liefen die Neonazis und Rassist*innen zum Teil durch unbewohntes Gebiet. Zum Abschluss wurde erneut ein offenes Mikrophon angeboten. Als eine Rednerin trat Melanie G.auf, die in ihrere Rede ein Ende der „Schuldkultur“, einen Begriff, der eher in rechten Kreisen verwendet wird, forderte. Im Eingang ihrere Rede konstatierte sie aber, dass sie und die Teilnehmer*innen des “Abendspazierganges” keine Neonazis seien. Ein anderer Redner forderte ein härteres durchgreifen bei „Kinderschändern“ in der Politik. Eine weitere Frau griff die vermeintliche Falschbehauptung der „Nein zum Heim in Oranienburg“-Seite auf, die über angeblich desasteröse Zustände in der Sammelunterkunft in Hennigsdorf in einem mutmaßlich gefälschten Leserbrief berichtete. Für den 04. März wurde eine weitere Demonstration angekündigt.
Bilder: hier und hier.
Unter dem Motto „Oberhavel für alle – Oranienburg ist anders. Weltoffen. Bunt!“ demonstrierten heute 200 Menschen in Oranienburg (Landkreis Oberhavel) für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in der Stadt sowie eine vielfältige Willkommenskultur. Zu der Veranstaltung aufgerufen hatte ein überparteiliches Bündnis aus Parteien, wie SPD, die Grünen und DIE.LINKE, und Initiativen, wie dem „Toleranten Brandenburg“ und „Willkommen in Oberhavel“. Die Demonstration richtete sich auch gegen den zeitgleich stattfindenden, dritten „Abendspaziergang“ von Asylgegner_innen, Hooligans, Neonazis und Rassist_innen. An diesem beteiligten sich heute ungefähr 200 Personen.
Kontroverse Diskussion zu Abendspaziergängen
Die „Abendspaziergänge“ werden mittlerweile auch von den regionalen Medien kritisch hinterfragt. Nico Scuteri vom Mobilen Beratungsteam für Gemeinwesenberatung, ein Experte für Rechtsextremismus im Landkreis Oberhavel, hatte in einem Interview mit der MAZ darauf hingewiesen, dass diese Veranstaltungen klar als „rechtsextrem“ zu werten sind, da NPD und JN Funktionäre nicht einfach nur mitlaufen, sondern auch an der Logistik der Versammlung beteiligt sind, in dem sie Lautsprecherwagen, Ordner und Redner_innen stellen. Dem Widersprach allerdings unlängst der Veltener Stadtverordnete Robert Wollinski (NPD). Nach seinen Erkenntnissen, war die JN überhaupt nicht und einige NPD Mitglieder nur als Mitläufer aktiv. Jedoch ist die Seriosität solcher Aussagen höchst zweifelhaft. Da selbst der politisch zuvor noch nicht aufgefallene Anmelder der Abendspaziergänge, Carlo-Eik Christopeit, zugab von einem bekannten JN Sympathisanten bei der Anmeldung beraten worden zu sein. Dieser soll im Übrigen beim zweiten Abendspaziergang auch als Redner aufgetreten sein. Wollinskis Widerspruch ist somit als Desinformation zu Werten, um die Anbiederung der extremen Rechten an die bürgerliche Mitte der Gesellschaft zu verschleiern.
Auch aktuell setzt sich diese Verschleierungstaktik fort. So rief die Bürgerinitiative „Nein zum Heim in Oranienburg“, einer mit der NPD verwobenen Socialmedia-Kampagne, anstatt der Parteiorganisation zur Teilnahme am heutigen „Abendspaziergang“ auf.
Wieder Neonazis im Gefolge
Insofern ist es wenig verwunderlich das auch wieder mehrere Neonazis am Aufzug teilnahmen, darunter die NPD Stadtverordneten Robert Wollinski aus Velten und Detlef Appel aus Oranienburg. Weiterhin wurden auch Aktivist_innen aus dem Oranienburger JN Spektrum erkannt. Deutlich geringer war hingegen die Anzahl auswärtiger Neonazis. Von diesen wurde nur Einzelpersonen aus dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin und Berlin erkannt.
Statt der offensichtlichen Vereinnahmung durch das neonazistische Milieu kristallisiert sich immer mehr eine verschworene Gemeinschaft von Asylgegner_innen, Hooligans, Neonazis und Rassist_innen heraus, die sich unter bürgerlichem Antlitz auf das Thema Asyl eingeschossen hat.
Alle Redebeiträge gingen in diese Richtung. Manche gaben einen objektiv-kritischen Blick vor, andere beinhalteten ausschließlich dumpfe Polemik gegen Flüchtlinge und Asylsuchende. Von den sieben Reden waren aber lediglich zwei Beiträge rhetorisch bemerkenswert, in denen unterschwellig auch neonazistische Ideologie transportiert wurde. Diese Reden hatten völkische und revisionistische Züge. Besonders bemerkenswert war diesbezüglich der Redebeitrag einer jungen Frau, die zunächst betonte nach 1945 geboren zu sein und nichts mit Konzentrationslagern zu tun zu haben, um dann vehement ein Ende der aus ihrer Sicht damit verbundenen so genannten „Schuldkultur“ zu fordern. Und das in einer Stadt in eines der ersten Konzentrationslager Nazideutschlands errichtet wurde.
Oberhavel Nazifrei besetzt Route
Zwar konnte der „Abendspaziergang“ auch ein drittes mal relativ ungestört durch Oranienburg ziehen, jedoch sorgte das Bündnis „Oberhavel Nazifrei“ dafür, dass dies nicht auf der sonst üblichen Route geschah. Die „Abendspaziergänger_innen“ hatten schlechtweg vergessen ihre Veranstaltung rechtzeitig anzumelden, so dass die Befürworter_innen einer Willkommenskultur ihnen bei der Anmeldung einer Demonstration zuvor kommen konnten. Der obligatorische „Abendspaziergang“ in der Innenstadt fiel somit aus. Stattdessen mussten die Teilnehmer_innen dieser Versammlung eine recht unattraktive Strecke, quasi einmal rund um die Bahnhaltestelle herum, nehmen.
Kleine Zwischenfälle am Rande
Sichtlich gefrostet konnten sich dabei auch wieder einige aggressive Demonstranten des „Abendspaziergangs“ nicht beherrschen und versuchten Pressevertreter_innen anzugreifen. Die Polizei verhinderte dies, gab aber auch den Hinweis an die Presse sich auf Distanz zur Demonstration zu halten, da sonst die Sicherheit nicht garantiert werden könne.
Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich in unmittelbarer Nähe der Willkommensdemo, dort versuchte ein junger Mann durch das Zeigen des „Hitlergrußes“ zu provozieren. Gegen ihn wird jetzt wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.
weitere Fotos: hier und hier
Wir waren schockiert, als am 17.01.2015 etwa 250 Menschen gegen Geflüchtete und für eine striktere Asylpolitik auf die Straße gingen. Dies war einer der größten rechten Aufmärsche der letzten Jahre in Brandenburg. Die Teilnehmenden stammten größtenteils aus einem Spektrum mit gefestigtem neonazistischen Weltbild. Es gab demnach viele Überschneidungen zu „typischen“ Demonstrationen der Extremen Rechten, die in der Vergangenheit vor allem durch die NPD organisiert und veranstaltet wurden. Etwa 70 Teilnehmer*innen kamen aus Frankfurt (Oder) selbst und sind bzw. waren aktiv in diversen neonazistischen Gruppierungen: von rechten Kameradschaften über gewaltbereite Hooligans
bis hin zu rechten Rockern. Anwesend war beispielsweise Sven Lemke, der 1997 einen Polen mit einem Vorschlaghammer angriff und verletzte. Oder auch diejenigen, die 2007 den Synagogengedenkstein schändeten. Anwesend war auch Alexander Bode aus Guben, der einen Algerier 1999 zu Tode hetzte; sowie Maik Emminger, der Bruder einer der Angeklagten im NSU-Prozess und selbst aktiver Neonazi und Aktivist bei “Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung”. Das hat viele bürgerliche Rassist_innen, die „nur“ ein bisschen PEGIDA spielen wollten, zögern
lassen. Umso erschreckender ist allerdings, dass auch viele junge Frankfurter*innen im Schulalter mitliefen: So wurde der Aufmarsch für die Neonazi-Szene zu einem Event der faschistischen Jugendarbeit.
Am 17.01.2015 waren also rechte Gewalttäter in der Oderstadt unterwegs und konnten ihre Hetze auf die Straße und die Köpfe junger Menschen tragen. Der erneute Versuch der Gruppe „Frankfurt (Oder) wehrt sich“ am 14.02.2015 ist ein Zeichen dafür, das die Neonazis durch den nicht vollends blockierten Aufmarsch vom 17.01.2015 Oberwasser bekommen haben.
Uns bleibt nur eines übrig: Am Samstag werden die demokratischen Kräfte im breiten Schulterschluß zeigen, dass Frankfurt (Oder) kein Ort für Nazis ist und dass Solidarität mit Geflüchteten unsere Antwort auf Rassismus und Faschismus ist. Wir hoffen auf breite Zustimmung in der Bevölkerung!
Treffpunkt ist der Bahnhof um 10:00 Uhr. Wir gehen mit unserer Demonstration „Für die Freiheit! — Für das Leben! Solidarität mit Flüchtlingen“ nach der Auftaktkundgebung durch die Innenstadt und werden uns den Neonazis, welche ihre Kundgebung am Holzmarkt abhalten wollen, lautstark entgegenstellen.
BraMM: Aller guten Dinge sind 3…
Wie auch schon bei den letzten Spaziergängen der BraMM, hat sich auch zu dieses Mal die Teilnehmer_innenzahl reduziert. Dem Aufruf der von den Republikanern gesteuerten Veranstaltung folgten circa 70 bis 80 Personen. Obwohl BraMM sich von Menschen, die nicht auf den Grundfesten der Demokratie stehen, zu distanzieren versucht, stellten Neonazis mehr als die Hälfte der Teilnehmer_innen. So nahmen wieder NPDler_innen aus dem Raum Bad Belzig und
Premnitz — Rathenow teil. Auch die neonazistische Gruppierung „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ war mit einem Transparent und zwei Schildern vor Ort. Des Weiteren nahmen Personen aus dem Umfeld der islamfeindlichen Internetpräsenz PI-News mit einem Transparent teil. Die Inhalte dieser sind von zahlreichen rechtspopulistischen und neonazistischen Inhalten geprägt. Auch war wieder der Totschläger Sascha L. und fünf weitere Neonazis aus der Havelstadt vor Ort. Abgerundet wurde das neonazistische Spektrum durch fünf bis zehn Personen aus dem lokalen Hooliganmilieu. Somit wurde die selbst gesetzte Maxime sich gegenüber von Personen die „Krawall machen oder extremistisches Gedankengut absondern“ zu distanzieren nicht umgesetzt. Auch wenn in einem Redebeitrag erwähnt wurde, man stehe zum Asylrecht, kann dies kaum als glaubwürdig gelten, da die meisten Teilnehmer_innen aus dem neonazistischem Spektrum kamen und „Angst“ vor einer fantasierten „Überfremdung“ haben. Die Veranstalter_innen geben den Neonazis somit eine Bühne und das obwohl die Republikaner sich von neonazistischen Parteien und Gruppen distanzieren.
Dynamischer Gegenprotest
Der Gegenprotest hat sich, ebenso wie schon eine Woche zuvor, weiterentwickelt. Nachdem die BraMM-Spazierer_innen ihren Auftaktort verlassen hatten, säuberten die Menschen symbolisch den Platz. Auch war die Stimmung durch den Auftritt der Band Patchwork ausgelassen. Die Menschen zeigten deutlich, dass sie auch die nächsten Montagabende bereit sind sich gegen BraMM zu positionieren.
Dass Protest nicht nur innerhalb der polizeilichen Regeln möglich ist, zeigten circa zehn entschlossene Antifaschist_innen, indem sie sich wenige Meter vor dem Spaziergang auf die Straße setzten. Die Polizei räumte die kurze Blockade daraufhin mit Gewalt und drängte die Personen in eine Nebenstraße. Diese Aktion zeigt deutlich, dass nicht alle Brandenburger_innen es weiter hinnehmen werden, dass Rassist_innen und Neonazis durch die Havelstadt marschieren. Wir finden das Engagement der Stadtführung und der Bürger_innen herausragend und werden auch in Zukunft die Aktionen dieser unterstützen. Gleichzeitig möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass Protest nicht nur auf stationäre Veranstaltungen beschränkt bleiben muss sondern so vielfältig erscheinen kann wie die Menschen die ihn tragen.
19. Todestag von Sven Beuter
Am 20. Februar jährt sich zum 19. Mal der Todestag von Sven Beuter. Er gehörte in den 1990er Jahren zur alternativen Szene der Stadt und wurde wiederholt Opfer von neonazistischen Übergriffen. In der Nacht vom 15. auf den 16. Februar traf er in der Grabenstraße auf Sascha L. Nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung schlug der bullige Naziskin auf Sven Beuter ein und verletzte ihn derart schwer, dass er fünf Tage später im Krankenhaus verstarb. L. wurde zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, anschließend zog er in die Schweiz. Spätestens im Jahr 2012 er nach Deutschland zurück gekehrt. Seither ist er wieder in der Szene aktiv und nimmt an zahlreichen Neonaziveranstaltungen in der ganzen Republik teil.
Anlässlich des Todestages von Sven Beuter wird es einen Gedenkspaziergang von seinem Wohnort in der Mühlentorstraße 13 über die Grabenstraße, dem Ort des Angriffs, bis in die Havelstraße, dort findet sich die Gedenkplatte für Sven Beuter, geben. Treffpunkt ist um 18 Uhr in der Mühlentorstraße 13.
Niemand ist vergessen!
Am 12. Februar steht in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung das von der Verwaltung ausgearbeitete Unterbringungskonzept zur Abstimmung. Es sieht vor, Flüchtlinge dezentral in Wohnungen statt in Sammelunterkünften unterzubringen. Der Flüchtlingsrat Brandenburg begrüßt diesen Schritt in die richtige Richtung.
Am Rande des „Asylgipfels“ am 23. Januar hatte der Vorsitzende des Landkreistages Wolfgang Blasig noch verkündet: „Die Frage von Wohnungen stellt sich nicht mehr.“ Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen sei eine Unterbringung nur noch in Gemeinschaftsunterkünften zu bewerkstelligen.
Die SVV Frankfurt straft ihn Lügen: Orientiert am Bericht der Landesregierung zum Unterbringungskonzept aus dem Jahr 2013 sollen Asylsuchende nach zwölf Monaten in einer Gemeinschaftsunterkunft in Wohnungen untergebracht werden, Flüchtlinge mit besonderem Schutzbedarf nach drei Monaten. Das Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft solle der
Vorbereitung eines selbstständigen Lebens in Wohnungen dienen, nicht wie bisher der bloßen Verwahrung.
Der Vorstoß der SVV Frankfurt ist besonders vor dem Hintergrund erfreulich, dass 2013 die Versuche der Landesregierung, ein Landesunterbringungskonzept zu entwickeln, gescheitert sind, obwohl dringender Handlungsbedarf besteht.Das Deutsche Institut für Menschenrechte hält die längere Unterbringung in Sammelunterkünften für nicht menschenrechtskonform. Anlässlich des „Asylgipfels“ hat auch der Flüchtlingsrat in einem Offenen Brief, der von mehr als 100 Initiativen, Organisationen und engagierten Einzelpersonen unterzeichnet wurde, ein Umsteuern in der Unterbringungspolitik gefordert. Abgelegene Massenunterkünfte in stillgelegten Kasernen mit bis zu 400 Plätzen, wie
jetzt im Landkreis Dahme-Spreewald geplant, führen in die Isolation und erzeugen Konflikte.
Kritisch sieht der Flüchtlingsrat das in Frankfurt vorgesehene Verfahren, wonach die Genehmigung zum Auszug aus der
Gemeinschaftsunterkunft von Empfehlungen der Sozialarbeiter/innen abhängen soll. Eine solche Auffassung widerspricht dem Verständnis von Wohnen als Menschenrecht und zeugt von einer bevormundenden Haltung.
Andere Kommunen verzichten auf derartiges Schönreden der Sammelunterkünfte. So stellt der Bürgermeister von Trebbin Thomas Berger fest: „Bei der Unterbringung in vorübergehenden Sammelunterkünften stehlen wir diesen Menschen nur Lebenszeit, die sie wesentlich sinnvoller für eine schnelle Integration bei uns nutzen können.“ Der Flüchtlingsrat hofft, dass sich andere Landkreise und Kommunen diese Ansicht zu eigen machen.
*Presseanfragen:* Gabi Jaschke, Tel. 0176 45 64 75 80, Kay Wendel, Tel.
0170 9 65 90 42
Anlässlich einer Demonstration der von den rechtskonservativen REPUBLIKANERn (REP) gelenkten Initiative der „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ (BraMM) in Brandenburg an der Havel kam es wieder zu Protesten und Protestaktionen.
Vielfältige Proteste/Sitzblockade in der Jacobstraße
An einer Gegenkundgebung auf dem Neustädtischen Markt beteiligten sich ungefähr 200 Menschen, unter ihnen die Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg an der Havel, Dietlind Tiemann (CDU).
Gegenüber dem Startpunkt des BraMM-Aufzuges versammelten sich außerdem ungefähr 50 Linksalternative um ihren Unmut über diese Veranstaltung in Hör- und Sichtweite kundzutun. Allerdings wurde dies durch die Polizei de facto verhindert. Die Beamt_innen postierten mehrere Transportfahrzeuge und Bereitschaftspolizeieinheiten zwischen BraMM-Demo und Gegendemonstrant_innen, so dass ein Protest auf Augenhöhe so nicht möglich war. Ein Teil der Protestierer_innen mussten zu dem diesen Bereich auf Anordnung verlassen, darunter auch eine Gruppe junger Leute, die sich als Araber verkleidet hatten um vermeintliche Islamisierungsängste zu persiflieren.
In der Jacobstraße scheiterte zudem der Versuch einer Blockade des BraMM-Aufzuges. Als sich ungefähr zehn Jugendliche dort auf die Straße setzten und sich einhakten, stürmte sofort eine Gruppe der Bereitschaftspolizei auf sie zu. Ohne große Verhandlungen wurde die Blockade umgehend aufgelöst und die Blockierer_innen in eine Seitengasse abgedrängt. Weitere direkte Aktionen an der Strecke gab es nicht.
Lediglich am Startpunkt des BraMM-Aufzuges versammelte sich noch einmal die Koordinierungsgruppe für Toleranz und Demokratie in Brandenburg an der Havel, um den Antreteplatz unter dem Motto „BraMM aus der Stadt fegen“ symbolisch zu kehren.
BraMM stagniert/Neonazis dominieren
Tatsächlich werden die Teilnehmer_innen des BraMM-Aufzuges immer weniger. Waren es am 26. Januar 2015 immerhin 150 und am 2. Februar 2015 noch 100 Personen, sank die Zahl heute weiter auf ungefähr 80, darunter insgesamt höchstens 30 „Bürger_innen“, die Brandenburgs REPUBLIKANER Chef Heiko Müller mobilisieren konnte.
Die Mehrheit der Veranstaltungsteilnehmer_innen (ungefähr 50) wurden als Sympathisant_innen des neonazistischen Milieu aus Brandenburg an der Havel, Bad Belzig, Premnitz, Rathenow und Potsdam erkannt.
Die NPD war durch ihren mittelmärkischen Kreistagsabgeordneten André Schär vertreten, die neonazistische Bewegung „Ein Licht für Deutschland“ durch ein Banner und mehrere Plakate. Aus Potsdam war zudem der Sänger der Naziskinband „Preussenstolz“, Patrick D., angereist und aus Brandenburg an der Havel durfte Totschläger Sascha Lücke nicht fehlen.
Fotos: hier
Erneut ist die lokale und überregionale Unterstützung groß: So unterstützen fast 50 Gruppen und Initiativen sowie etliche Einzelpersonen den Aufruf vom Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“. „Wir freuen uns, dass auch der stellvertretende Ministerpräsident des Landes Brandenburg Helmuth Markov den Aufruf zum wiederholten Male unterstützt“, so Janek Lassau, Pressesprecher des Bündnisses.
Über 50 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. 173.000 Geflüchtete beantragten in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, 2014 Asyl. Nur gut 30 Prozent von ihnen gewährt die Bundesrepublik Schutz. In Frankfurt (Oder) sind es ein paar hundert Menschen, die vorübergehend oder dauerhaft Bürger_innen dieser Stadt sind oder werden. Die Rassist_innen entziehen sich nicht nur der völkerrechtlichen und humanitären Verantwortung gegenüber diskriminierten Minderheiten, politisch Verfolgten sowie Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten. Sie hetzen gegen eine vermeintliche „Asyl-Flut“ und fürchten sich mit ihrem nationalsozialistischen Weltbild vor einer vermeintlichen „Überfremdung“. Durch ihre Hetze bewerten sie Menschenleben in „wertvoll“ und „weniger wertvoll“. So wird deutlich: Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ und die beiden städtischen Initativen rufen für den 14. Februar und für die anderen 364 Tage im Jahr zu Solidarität mit Geflüchteten auf. Die drei Frankfurter Organisationen sind überzeugt, dass sich Demokrat_innen aller Couleur und mit
unterschiedlichen Perspektiven, auch über den kommenden Samstag hinaus, gemeinsam für die Rechte und Forderungen von Geflüchteten und einen antifaschistischen Konsens in der Gesellschaft einsetzen können. Ob Asylverfahrensberatung, Rassismuskritik, Deutschunterricht oder psychosoziale Betreuung – eine Frankfurter Willkommenskultur muss sich nach dem breiten zivilgesellschaftlichen Schulterschluss daran messen lassen, wie weit sie die Bedürfnisse der Geflüchteten als gemeinsames Vorhaben begreift.
Freischlag für Polizisten
Rückblick: 24.09.2011, Neuruppin. Anlässlich eines Naziaufmarsches in der Stadt kommt es zu friedlichen Sitzblockaden gegen diesen. Ein Neuruppiner im Rentenalter ist für das “Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt” als Ordner tätig. Er wird von zwei Polizisten aufgefordert, den Kreuzungsbereich auf dem die Blockade stattfindet, zu verlassen. Dabei stand die Person am Rande der Blockade und erklärte ihre Aufgabe wäre die Deeskalation der Situation. Sie wird trotzdem aufgefordert, zwecks Identitätsfeststellung in den Bereich des polizeilichen Kessels mitzukommen. Nach verbalem Widerspruch dagegen wird die Person von beiden Beamten gegriffen und abgeführt. Als der verbale Protest nicht aufhört, versetzt einer der Beamten ihm einen Faustschlag in die Rippen. Die betroffene Person fotografiert den schlagenden Polizisten und stellt Strafanzeige gegen ihn.
Es vergehen einige Jahre und schließlich kommt es zum Prozess gegen den Schläger. In der Verhandlung bestreitet er die Vorwürfe. Das Amtsgericht Neuruppin verurteilt ihn erstinstanzlich zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50,00€ (insgesamt 3.000,00€). Der Polizist legt Revision ein und der Fall wird an das Landgericht verwiesen.
Heute, am 09.02.2015 fand dieses Verfahren statt. Gleich zu Beginn der Verhandlung zeichnen sich Absprachen zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft ab. Der Beamte gesteht dann die Vorwürfe und begründet den Vorfall mit “einer Sicherung, die ihm kurzzeitig durchgeknallt sei”. Im Tausch gegen dieses Geständnis wird eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldsumme (siehe §153a) in Aussicht gestellt. Nach Beratung kommen die Richter zum Urteil, dass dieser Vorgehensweise zuzustimmen ist, da die Schuld gering (“nur” eine Prellung des Rippenbogens bei einem Rentner) und dem öffentlichen Interesse mit der Geldzahlung genüge getan wäre. Es sei angemerkt, dass die öffentliche Sitzung gut besucht war. Der Beamte zahlt jetzt also 3.000,00€ an einen Hospizverein und darf sich weiterhin als nicht vorbestraft bezeichnen. Dienstliche Konsequenzen wird es für ihn wohl nicht geben.
Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die sich Neonaziaufmärschen in den Weg stellen. Wir erwarten und haben in der Vergangenheit allerdings kein anderes Verhalten von der deutschen Justiz beobachtet. Verfahren gegen Polizeibeamte werden nicht zur Verurteilung gebracht.
Trotzdem halten wir es für notwendig, auf die offensichtliche Vertuschung von “ungerechtfertigter Gewaltanwendung” durch Polizeibeamte aufmerksam zu machen. An diesem Fall ist exemplarisch zu sehen, wie Beamte – selbst wenn sie ihre Straftaten zu geben – von der Justiz geschont werden. Zwar muss der Beamte eine Geldstrafe zahlen – der Fall wird aber in der Öffentlichkeit verzerrt wahrgenommen. Nochmal: Da gesteht ein Polizist eine Körperverletzung (zumal noch in einer Situation ohne jede Rechtsgrundlage) und das Verfahren gegen ihn wird trotzdem eingestellt! Polizeigewalt wird so zum privaten Problem der Betroffenen und nicht etwa Teil der öffentlichen Statistiken. Wer dann über Polizeigewalt sprechen möchte, kriegt dann zu hören: “Polizeigewalt? Welche Polizeigewalt? Es gibt doch fast keine Verurteilungen.” Genau das ist das Problem! Die deutsche Justiz ist schlicht nicht bereit, ihre Polizeibeamten für deren Gewaltexzesse zur Verantwortung zu ziehen.
Mit Hinblick auf den anstehenden sogenannten “Tag der deutschen Zukunft” am 06.06.2015 durch Neonazis in Neuruppin halten wir es für ein fatales Signal an gewaltbereite Polizisten und alle Menschen, die es nicht hinnehmen wollen, dass Faschisten ohne Widerstand aufmaschieren.