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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

AfD-Königer machte gegen das Holocaust-Mahnmal mobil

INFORIOT Die Rede von Björn Höcke [1] in dieser Woche in Dres­den, in der er das Berlin­er Holo­caust-Mah­n­mal als “Denkmal der Schande” beze­ich­nete, ist nicht der erste Vor­fall dieser Art. Mit der Erin­nerung an nation­al­sozial­is­tis­che Ver­brechen haben so manche, die heute für die AfD Poli­tik machen, so ihre Prob­leme. Ein­er von ihnen ist Stef­fen Königer, der seit den Wahlen 2014 als Abge­ord­neter für die AfD im Land­tag sitzt. Der ehe­ma­lige Junge-Frei­heit-Autor hat ein parteipoli­tis­ches Vor­leben. Unter anderem war er 1999 Mit­glied der recht­spop­ulis­tis­chen Partei Bund Freier Bürg­er (BfB). Im gle­ichen Jahr trat er als Direk­tkan­di­dat für diese Partei bei den Land­tagswahlen an.
Offen­bar war er auch auf der Straße aktiv. Der Bund freier Bürg­er machte — wie zahlre­iche Neon­azis und extrem Rechte, darunter der inzwis­chen wegen Holo­caustleug­nung vielfach verurteilte Neon­azi Horst Mahler — gegen die dop­pelte Staats­bürg­er­schaft und das damals in der Pla­nungsphase befind­liche Denkmal für die ermorde­ten Juden Europas mobil.

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Stef­fen Königer demon­stri­ert 1999 in Berlin gegen das Holo­caust-Mah­n­mal. Quelle: apabiz

Fotos zeigen Königer, wie er am 19. Juni 1999 vor der Neuen Wache Unter den Lin­den in Berlin bei ein­er BfB-Demon­stra­tion gegen das Mah­n­mal auf­marschiert. Mit von der Par­tie sind auch die Berlin­er Neon­az­i­funk­tionäre René Bethage und Andreas Storr. Es wer­den Schilder hochge­hal­ten mit den Parolen “Damals SA heute Antifa” und “Holo­caust-Denkmal NEIN!!!”.
Die Agi­ta­tion gegen das Holo­caust-Mah­n­mal war ein geschicht­spoli­tis­ch­er Schw­er­punkt von Königers BfB. Auf einem Flug­blatt wurde polemisch gefragt: “Deutsche, wollt ihr ewig zahlen?”. Ein ange­blich­er “Mach­tanspruch jüdis­ch­er US-Organ­i­sa­tio­nen” wurde in der Schrift beklagt.
Auch wenn die Tätigkeit­en von Königer gegen ein Holo­caustge­denken in Berlin einein­halb Jahrzehnte zurück­liegen — das Bild, welche geschicht­spoli­tis­chen Hin­ter­gründe in der AfD zu find­en sind, verdichtet sich durch diese Episode. Von Königers Bran­den­burg­er Frak­tion­skol­le­gen Andreas Kalb­itz sind eben­falls harsche Zitate bekan­nt. In der extrem recht­en Zeitschrift „Fritz“ schrieb Kalb­itz 2003 über einen „Bewußt­sein­seth­nozid in den Köpfen der bun­desre­pub­likanis­chen Jugend“. Die Erin­nerung an Nazi-Ver­brechen sei eine „Ver­ständ­nisim­plan­ta­tion von 12 Jahren als 99% deutsch­er Geschichte“.
Die Neonaziaktivisten René Bethage und Andreas Storr vor der Neuen Wache in Berlin. Quelle: apabiz.
Die Neon­azi­ak­tivis­ten René Bethage und Andreas Storr vor der Neuen Wache in Berlin. Quelle: apabiz.

AfD-Frak­tion­schef Alexan­der Gauland vertei­digt aktuell die Rede Höck­es zum Mah­n­mal. Gegenüber der DPA sagte er: „Björn Höcke hat in kein­er Weise Kri­tik an der Erin­nerung an den Holo­caust geübt.“ Wenn Höcke darauf hin­weise, dass die Leis­tun­gen der deutschen Geschichte im öffentlichen Diskurs oft­mals „unter der Erin­nerung an diese zwölf Jahre“ ver­schwän­den, sei dies für ihn nachvollziehbar.
Gauland zeigte schon im ver­gan­genen Jahr erstaunlich offen, wie er selb­st die nation­al­sozial­is­tis­chen Ver­brechen einord­net; wen oder was er als die eigentlichen Opfer des Nation­al­sozial­is­mus ansieht. Im Inter­view mit der Wochen­zeitung Die Zeit im April 2016 befand er, dass “Auschwitz, auch als Sym­bol, viel in uns zer­stört hat”. Der Redak­teur fragt zurück: “Waren es nicht wir, die da etwas zer­stört haben?”. Gauland: “Richtig, eber es ist dabei viel mehr kaputtge­gan­gen (…) Der Nation­al­stolz (…) ist doch bei uns enorm hin­ter­fragt.” Das deutsche Nation­al­be­wusst­sein ist für Gauland nicht eine lei­t­ende Idee des indus­triellen Juden­mordes. Son­dern das Nation­al­be­wusstein sei dadurch beschädigt wor­den, die Deutschen erscheinen als die eigentlichen Opfer der Nazis: “Hitler hat den Deutschen das Rück­grat gebrochen”.
[1] Eine aus­führliche Analyse der NS-Rhetorik von Höcke find­et sich im Text von Andreas Kem­per im AIB 113 (4.2016)
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(Anti-)Rassismus

Rathenow: Rechtes Bürgerbündnis gründet Verein

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Das rechte „Bürg­er­bünd­nis Havel­land”, welch­es in Rathenow regelmäßig Ver­samm­lun­gen und Aktio­nen durch­führt, hat sich als einge­tra­gen­er Vere­in neu­formiert. Eine entsprechende Ein­tra­gung find­et sich im Vere­in­sreg­is­ter des Amts­gericht­es Potsdam.
Der Name der Vere­ini­gung lautet nun­mehr „Bürg­er­bünd­nis Havel­land e.V.“ und ist in Rathenow ansäs­sig. Als Vor­sitzen­der fungiert der bish­er presserechtlich Ver­ant­wortliche, Chris­t­ian Kaiser. Zwei weit­ere Per­so­n­en wer­den als Kassen­wart und stel­lvertre­tender Vor­sitzen­der benan­nt. Die Satzung ist nicht öffentlich zugängig. Die nach wie vor aktive Social­me­dia-Seite des recht­en Bürg­er­bünd­niss­es benen­nt jedoch die deutschna­tionale Grun­de­in­stel­lung der Vere­ini­gung: „Aus Liebe zum Deutschen Volk. Aus Liebe zur Deutschen Heimat. Aus Liebe zu Deutschland.“
Während im Inter­net noch immer­hin 689 Social­me­dia-Pro­file mit der seit Okto­ber 2015 existieren­den Grup­pierung sym­pa­thisieren, nehmen an den regelmäßi­gen Ver­samm­lun­gen kaum mehr als 30 reale Per­so­n­en teil. Bei der let­zten Kundge­bung am 17. Jan­u­ar 2017 waren es sog­ar nur 20.
Den­noch sieht sich das „Bürg­er­bünd­nis“, nach wie vor, als lokale Speer­spitze des „Wider­standes“ gegen die momen­tane Bun­desregierung. Der Vere­insvor­sitzende kündigte bei der let­zten Kundge­bung, trotz sink­enden Inter­ess­es an seinen Ver­samm­lun­gen, auch weit­ere regelmäßige Aktio­nen und Ver­anstal­tun­gen, min­destens bis zur Bun­destagswahl am 17. Sep­tem­ber 2017, an. Aus sein­er Sym­pa­thie für die recht­spop­ulis­tis­che „Alter­na­tive für Deutsch­land“ (AfD) machte er dabei eben­falls keinen Hehl. Erst am Mon­tagabend nahm Kaiser an ein­er Ver­samm­lung der AfD-Pots­dam teil.

Fotos der Ver­samm­lung vom 17.01: hier

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Potsdam: AfD Kundgebung, Proteste und Antifa-Spontandemo

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An ein­er Ver­samm­lung der recht­spop­ulis­tis­chen Alter­na­tive für Deutsch­land (AfD) in Pots­dam beteiligten sich am Mon­tagabend zwis­chen 80 und 100 Per­so­n­en. Die halb­stündi­ge Kundge­bung auf dem Johannes-Kepler-Platz stand unter dem Mot­to: „30 Minuten für Deutsch­land“. Haup­tred­ner war der AfD Frak­tionsvor­sitzende im Meck­len­bur­gis­chen Land­tag, Leif-Erik Holm. Neben Partei­funk­tionären aus der bran­den­bur­gis­chen Kom­mu­nal- und Lan­despoli­tik nah­men auch Sympathisant_innen der recht­en Vere­ini­gun­gen „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ und „PEGIDA Havel­land“ sowie ein ehe­ma­liger Press­esprech­er von POGIDA an der Kundge­bung teil.
Proteste
Der AfD Kundge­bung ent­ge­gen standen am Mon­tagabend unge­fähr 200 Men­schen, die offen­bar den Protes­taufrufen des zivilge­sellschaftliche Bünd­nis „Pots­dam beken­nt Farbe“ oder von Antifa-Grup­pen fol­gten. Der laut­starke Protest der Gegendemonstrant_innen verteilte sich an drei Punk­ten in Hör- und Sichtweite zur Ver­samm­lung der blauen Partei. AfD Kundge­bung und Gegen­ver­anstal­tun­gen wur­den jedoch teil­weise recht weiträu­mig polizeilich getren­nt, was nur zu vere­inzel­ten ver­balen Kon­fronta­tio­nen führte. Beson­ders heikel schien sich lediglich der polizeilich gesicherte Abzug der ehe­ma­li­gen Kundgebungsteilnehmer_innen vom Johannes-Kepler-Platz durch die Rei­hen der Gegendemonstrant_innen in der Galileis­traße zu gestal­ten. Aber auch hier blieb Auseinan­der­set­zung auf ver­baler Ebene beschränkt.
Antifa-Spon­tande­mo
Spon­tan formierte sich jedoch noch ein antifaschis­tis­ch­er Demon­stra­tionszug mit bis zu 100 Teilnehmer_innen, der unter dem Mot­to: „Keine Tol­er­anz für Rassist*innen“ durch die östlichen Wohnge­bi­ete Pots­dams lief. Wie später bekan­nt wurde, soll der Aufzug auch an Woh­nun­gen von bekan­nten AfD-Funk­tionären Halt gemacht haben.
Weit­ere AfD Ver­samm­lun­gen geplant
Laut Ankündi­gung, will die Alter­na­tive für Deutsch­land am 13. Feb­ru­ar 2017 eine weit­ere Kundge­bung auf dem Johannes-Kepler-Platz in Pots­dam abhal­ten. Darüber wurde auch noch auf weit­ere Ver­anstal­tun­gen in Rathenow (21. Jan­u­ar 2017) und Fin­ster­walde (16. Feb­ru­ar 2017) hingewiesen.

Fotos: hier

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Antifaschismus Law & Order

Halbzeit im Nauener Prozess

Der seit Ende Novem­ber am Landgericht Pots­dam ver­han­delte Prozess um eine Gruppe Bran­den­burg­er Neon­azis um den NPD-Poli­tik­er Maik Schnei­der (29) befind­et sich in der Hal­bzeit. Den sechs angeklagten Män­nern wird neben der Bil­dung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung auch schwere Brand­s­tiftung und Sachbeschädi­gung vorge­wor­fen. Seit 2015 sollen sie unter anderem ein Auto in Brand gesteckt, eine Zylin­der­bombe gezün­det sowie schließlich in der Nacht zum 25. August eine Turn­halle niederge­bran­nt haben, die als Flüchtling­sun­terkun­ft vorge­se­hen war. (bnr.de berichtete)
Die Tat­en verur­sacht­en Schä­den in Mil­lio­nen­höhe. Organ­isiert hat­ten sich die Neon­azis über eine What­sApp-Gruppe namens „Heimat im Herzen“, als ihr Kopf gilt NPD-Mann Schnei­der, der deswe­gen auch als Rädels­führer der Neon­azi-Zelle angeklagt ist. Die Polizei hob die Gruppe Anfang 2016 aus und nahm mehrere Per­so­n­en in Unter­suchung­shaft. (bnr.de berichtete)

Mitangeklagte belasten NPD-Mann

Zum Auf­takt im Novem­ber belasteten mehrere Mitangeklagte den NPD-Poli­tik­er Schnei­der schw­er. Der 33-jährige Sebas­t­ian F. ließ über seinen Anwalt eine Erk­lärung ver­lesen, in der er sich geständig zeigte und beschrieb, wie er auf Schnei­ders Ini­tia­tive und mit dessen Wagen Fäss­er mit Öl und Ben­zin zur Turn­halle schaffte. Dort sollen die Gegen­stände zusam­men mit Autor­eifen und Holz­palet­ten gestapelt wor­den sein, eben­falls nach den Anweisun­gen Schnei­ders. Beim Ent­fachen des Feuers sei F. aber nicht mehr vor Ort gewe­sen. Nach der Tat habe NPD-Mann Schnei­der mit der Tat geprahlt und F. für seine Mith­il­fe gelobt.
Auch Chris­t­ian B. (32) erk­lärte, die Idee und Vor­bere­itun­gen zur Tat seien von Schnei­der gekom­men. Er habe beobachtet, wie dieser, F. und Den­nis W. (29) das Auto mit brennbaren Gegen­stän­den beladen hät­ten, bis er von Schnei­der aufge­fordert wor­den sei, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren, um nach der Polizei Auss­chau zu hal­ten, was B. auch tat. Andere Angeklagte äußerte sich am ersten Prozesstag ähn­lich und zeigten sich geständig, bestrit­ten aber alle­samt ein poli­tis­ches Motiv.

Signal“ gegen geplante Flüchtlingseinrichtung

Obwohl die meis­ten Mitangeklagten in der recht­sex­tremen Szene der Region ver­ankert sind, wurde medi­al vielfach das Bild ver­mit­telt, die Män­ner seien unpoli­tis­che, gescheit­erte Exis­ten­zen, die von Schnei­der mehr oder weniger „ver­führt“ wur­den. Allerd­ings liegt das wohl auch am Gericht, das in der Hin­sicht selb­st nicht son­der­lich bemüht ist, dieser Leg­ende auf den Grund zu gehen.
Schnei­der selb­st äußerte sich erst später am Tag und teil­weise geständig. Allerd­ings nan­nte er den Brand einen „Unfall“. In ein­er „spon­ta­nen Idee“ wollte er Reifen vor der Unterkun­ft anzün­den, als ein „Sig­nal“ gegen die geplante Flüchtling­sein­rich­tung. Die Fas­sade sollte lediglich ver­rußt wer­den, so der 29-Jährige, denn immer­hin sei sie „Volk­seigen­tum“. Zudem sei er ange­blich „ein Fre­und von Asyl­be­wer­bern“. Von langer Hand geplant, wie es seine Mitangeklagten behaupteten, sei die Tat nicht began­gen wor­den. Fast zwei Stun­den schwadronierte der Haup­tangeklagte, wich immer wieder vom The­ma ab.

Befangenheitsanträge gegen Schöffen

Kurzzeit­ig stand der Fort­gang des Prozess­es auf der Kippe. Schnei­ders unglaub­würdi­ge Geschichte ließ einen Schöf­fen dazu ver­leit­en, ihn zu fra­gen: „Bilden Sie sich ein, dass ein­er den Quatsch glaubt, den sie hier von sich geben?“ Nicht nur Schnei­der protestierte, auch Richter Theodor Horstköt­ter zeigte sich sichtlich irri­tiert. Es fol­gten Befan­gen­heit­santräge gegen den Schöf­fen und die Kam­mer, die von manchen Juris­ten in ver­schiede­nen Medi­en als dur­chaus erfol­gver­sprechend eingeschätzt wur­den. Es hätte den Abbruch des gesamten Prozess­es zur Folge gehabt. Allerd­ings entsch­ied das Landgericht, die Anträge abzulehnen und die Ver­hand­lung fortzusetzen.
Mitte Dezem­ber war der fün­fte und bis­lang let­zte Ver­hand­lungstag. Da sich der Prozess unter anderem wegen mehrere Befan­gen­heit­santräge aber auch durch die umfan­gre­ichen Vorkon­trollen in die Länge zog,  kam der 27-jährige Christo­pher L. unter Meldeau­fla­gen aus der Unter­suchung­shaft frei. Die anderen bei­den, Maik Schnei­der und Den­nis W. bleiben jedoch weit­er­hin in Haft. Zudem kamen Ermit­tler vom Lan­deskrim­i­nalamt als Zeu­gen zu Wort. Sie präsen­tierten Überwachungsvideos, die unter anderem Maik Schnei­ders PKW mehrfach in der Nacht aufgeze­ich­net auf dem Weg zur Turn­halle aufgeze­ich­net hat­ten. Mit­tler­weile ver­sucht Schnei­der das Ver­fahren in die Länge zu ziehen, stellte sel­ber Beweisanträge und will mehrere Zeu­gen vor­laden lassen, darunter den Bran­den­burg­er NPD-Poli­tik­er Frank Kit­tler, frak­tion­slos­er Kreistagsab­ge­ord­neter im Havelland.

Prozess bis Februar verlängert

Unter­dessen geri­eten auch zwei Frauen aus dem Umfeld der Angeklagten in den Fokus der Staat­san­waltschaft. Schnei­ders ehe­ma­lige Fre­undin (22) hat­te in ihrer Vernehmung zugegeben, die Palet­ten für den Anschlag auf die Turn­halle besorgt zu haben. Sie sagte bere­its in der Ver­hand­lung als Zeu­g­in aus und berichtete von Dro­hun­gen aus der recht­sex­tremen Szene in Nauen. Sog­ar Flug­blät­ter mit ihrem Gesicht und einem David­stern seien anonym in der Stadt ver­bre­it­et wor­den. Auch der Angeklagte B. wurde bedro­ht, fand nach dem ersten Prozesstag an seinem Auto einen Zettel, auf dem „Ver­räter“ stand. Eine 23-Jährige ist unter­dessen bere­its wegen Bei­hil­fe zur Brand­s­tiftung angeklagt, weil sie Brennstoff für den Bran­dan­schlag auf das Auto beschafft haben soll. Der Prozess ist schon für März terminiert.
Der Ver­hand­lung gegen die sechs Neon­azis wird am 5. Jan­u­ar fort­ge­set­zt und sollte eigentlich im gle­ichen Monat enden, wurde nun aber auf­grund der Verzögerun­gen bis in den Feb­ru­ar verlängert.

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Antifaschismus Gender & Sexualität

FLTI-Räume sind notwendig!

Zur Notwendigkeit von cis-Typen-freien Räu­men zur Selb­stre­flex­ion und als Empowerment
Gegen­wär­tig ver­anstal­ten wir eine Tour unter dem Namen “Skills for Inter­ven­tion”, in deren Rah­men Ver­anstal­tungswoch­enen­den in ver­schiede­nen Städten Bran­den­burgs stat­tfind­en. Es geht primär darum Frauen­Les­ben­TransIn­ter zu empow­ern und ihnen Räume zu eröff­nen, in denen sie sich trauen Dinge auszupro­bieren, die in der weib­lichen Sozial­i­sa­tion klas­sis­cher­weise nicht erlernt wer­den und/oder nicht zu den gesellschaftlichen Vorstel­lun­gen passen, „wie eine Frau zu sein hat“. Hierzu gehören ins­beson­dere tech­nis­che Fähigkeit­en, wie sie bei diversen prax­isori­en­tierten Work­shops erlernt wer­den kön­nen, oder aber selb­st­be­wusstes Auftreten und das Aufzeigen von Gren­zen, wie zum Beispiel im Work­shop zum Ver­anstal­tungs- und Projektschutz.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ohne cis-männliche# Präsenz und Blicke die Hemm­schwelle, zu sich zu ste­hen und sich auszupro­bieren, viel geringer ist. Außer­dem gibt es Work­shops, in denen es um den Aus­tauschen über Erfahrun­gen mit Sex­is­mus und mit sex­u­al­isiert­er Gewalt geht. Hier­für ist es notwendig, sicherere Räume zu schaf­fen. Meis­tens sind cis-Män­ner diejeni­gen, von denen sex­u­al­isierte Gewalt aus­ge­ht, weswe­gen ihr Auss­chluss für die Schaf­fung von Schutzräu­men bei diesen The­men wichtig ist.
Wir find­en es wichtig, sich an eini­gen Punk­ten solche geschützten Räume (auch gegen Wider­stand) anzueignen, um im Anschluss, durch den Aus­tausch und das Empow­er­ment untere­inan­der gestärkt, wieder herauszutreten.
Unter einem Sys­tem, dass alle Men­schen in nur zwei Kat­e­gorien, näm­lich “Mann” und “Frau”, ein­teilt und diesen ganz bes­timmte Eigen­schaften zuschreibt, lei­den natür­lich auch cis-Män­ner. Denn auch ihnen will dieses Sys­tem vorschreiben, wie sie sich ver­hal­ten sollen und wie sie ausse­hen müssen, was sie gut kön­nen und was sie auf gar keinen Fall tun dür­fen. Allerd­ings kön­nen wir dabei nicht vergessen, dass dieses Sys­tem eben im Ungle­ichgewicht zugun­sten von cis-Män­nern beste­ht: alles was mit Vorstel­lun­gen von Männlichkeit verknüpft wird, ist höher bew­ertet oder bess­er bezahlt. Daher haben cis-Män­ner, trotz ihrer eige­nen Betrof­fen­heit von Sex­is­mus, eben auch Priv­i­legien inne. Und auch sich selb­st als fem­i­nis­tisch beze­ich­nende cis-Män­ner kön­nen (unbe­wusst) patri­ar­chale Struk­turen repro­duzieren und dadurch anwe­sende Frauen­Les­ben­TransIn­ter einschränken.
Daher begrüßen wir es sehr, wenn sich cis-Typen inten­siv mit der ihnen zugewiese­nen Geschlechter­rolle sowie den sich daraus ergeben­den Ein­schränkun­gen und Priv­i­legien beschäfti­gen und find­en Work­shops zu z.B. kri­tis­ch­er Männlichkeit eine pri­ma Sache. Aber wir als Frauen*-Gruppe haben keine Lust, solch einen Work­shop für cis-Män­ner zu organ­isieren. Ein­mal, weil ein Teil der weib­lichen Sozial­i­sa­tion die Zuschrei­bung der Pflegerolle ist („Frauen küm­mern sich“) und wir diese nicht ständig repro­duzieren wollen. Ander­er­seits erwarten wir von kri­tis­chen cis-Män­nern, dass sie sich selb­st ihre Räume schaf­fen und sich selb­st um ihre Reflex­ion küm­mern. Wir ver­mit­teln gerne Kon­takt zu Men­schen, die solche Work­shops zu kri­tis­ch­er Männlichkeit anbi­eten, aber wir wer­den das nicht organ­isieren. Weil Sex­is­mus uns alle bet­rifft, soll­ten wir uns auch alle damit auseinan­der­set­zen und diese Auseinan­der­set­zung nicht wieder denen über­lassen, die stärk­er davon betrof­fen sind.
Wir haben den Sex­is­mus in dieser Gesellschaft noch lange nicht über­wun­den und solange das so ist, wollen und brauchen wir unbe­d­ingt cis-Typen-freie Räume und mehr wirk­lich kri­tis­che cis-Män­ner! YEAH!
#cis beze­ich­net das Gegen­teil von trans und meint, dass eine Per­son das Geschlecht haben möchte, das ihr bei der Geburt zugeschrieben wurde.
Mit dem * wollen wir deut­lich machen, dass die jew­eils markierten Beze­ich­nun­gen alle diejeni­gen meinen, die sich selb­st in ihnen verorten.

Unser Workshopreihe "Skills for Intervention" ist derzeit in Brandenburg unterwegs.
Unser Work­shoprei­he “Skills for Inter­ven­tion” ist derzeit in Bran­den­burg unterwegs.

Mehr Infos zur Work­shoprei­he find­et ihr unter www.fabb.antifa.cc/
P.S. Das queer_topia*Workshop-Kollektiv bietet z.B. Work­shops zu Kri­tis­ch­er Männlichkeit an
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Kontinuität des Terrors

Die Angeklagten im Nauen-Prozess ver­suchen, sich als größ­ten­teils unpoli­tisch darzustellen. Dabei han­delt es sich um organ­isierte Neon­azis, ein­er von ihnen ist sog­ar ein vorbe­strafter Rechtsterrorist.
Nur aus dem Suff her­aus, aus Frust, ohne große Ideen dahin­ter und bes­timmt nicht aus Ras­sis­mus – wortre­ich ver­suchen die Neon­azis aus Nauen und Umge­bung, ihre Tat­en kleinzure­den. Fast alle der sechs Män­ner, die zurzeit vor dem Landgericht Pots­dam unter anderem wegen Bil­dung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung angeklagt sind, bemühen sich, ihr Han­deln zu bagatel­lisieren. Haup­tan­klagepunkt neben etlichen kleineren Tat­en ist der Bran­dan­schlag auf eine Turn­halle im August 2015 in Nauen, die als Unterkun­ft für Geflüchtete genutzt wer­den sollte. Die ras­sis­tis­che Dimen­sion dieser Tat spielt jedoch im Prozess bish­er kaum eine Rolle. Staat­san­waltschaft und Richter hak­en nicht nach, arbeit­en Ide­olo­gie und Motive der Ter­ror­tat­en nicht her­aus. So dro­ht unpoli­tisch und als Ver­fehlung zu wirken, was real hoch­poli­tisch ist.
Alle der sechs Angeklagten beteiligten sich vor und par­al­lel zu ihrer Anschlagsserie im Laufe des Jahres 2015 an den Protesten gegen Flüchtlinge. So liegt es nahe, dass sie ihre Tat­en als mil­i­tan­ten Beitrag zu diesen ras­sis­tis­chen Protesten ver­standen. Der NPD-Kad­er und Haup­tangeklagte Maik Schnei­der mag der Anführer der Gruppe gewe­sen sein – aktiv und getrieben vom Ras­sis­mus waren sie alle.
Im Havel­land gibt es eine regel­rechte Kon­ti­nu­ität des Ter­rors. Schon 1992 zün­de­ten zwei Rechte ein Flüchtling­sheim in Ket­zin an, 44 dort unterge­brachte Men­schen befan­den sich in Lebens­ge­fahr. Am Ende des späteren Prozess­es gegen die Täter erschien dieser Bran­dan­schlag vor allem als eine unpoli­tis­che Hand­lung. Der Richter stellte in sein­er Urteils­be­grün­dung nicht etwa den Ras­sis­mus als zen­trales Tat­mo­tiv her­aus, son­dern die „unbe­friedigte Leben­shal­tung“ der Angeklagten.

Thomas E. - Angeklagter im Nauen-Prozess mit T-Shirt zum Gedenkmarsch für deutsche und ungarische Soldaten.
Thomas E. — Angeklagter im Nauen-Prozess mit T‑Shirt zum Gedenkmarsch für deutsche und ungarische Soldaten.

Ein­er der Angeklagten im derzeit­i­gen Nauen-Prozess ist Thomas E., geboren 1986. Bei sein­er Ein­las­sung vor Gericht unter­strich E., dass er kein son­der­lich poli­tisch denk­ender Men­sch sei. An ein­er Mit­glied­schaft in der NPD habe er beispiel­sweise nie Inter­esse gehabt. Vor allem sei er ein langjähriger und loyaler Fre­und des Haup­tangeklagten Maik Schnei­der. Allen­falls habe er mal Fly­er verteilt und nahm an eini­gen Vor­bere­itungstr­e­f­fen für Demon­stra­tio­nen teil. Seinen Farbbeutel­wurf auf ein Büro der Linkspartei erk­lärte er so: Im Anschluss an einen Kneipenbe­such und mit geschätzten acht Hal­blitern Bier und ein paar Schnäpsen im Blut habe er „die Idee mit den Farbbeuteln“ ganz ein­fach „lustig“ gefun­den. In diesem Zus­tand, so E., sei „poli­tis­che Ein­stel­lung nicht rel­e­vant“ gewesen.
Thomas E. ist bei weit­em nicht die Rand­fig­ur, als die er sich darstellt. Er ist ein verurteil­ter Recht­ster­ror­ist, der bei „Freiko­rps Havel­land“ aktiv war. Zwis­chen 2003 und 2004 über­zog die Gruppe die Region mit ein­er Welle ras­sis­tis­ch­er Bran­dan­schläge, um das Havel­land „von Aus­län­dern zu säu­bern“. Ins­ge­samt zehn Anschläge auf Imbisse gin­gen auf ihr Kon­to. Zu den elf ermit­tel­ten Tätern gehörte auch Thomas E. Über min­destens neun Monate war er Mit­glied des „Freiko­rps Havel­land“, an zwei Tat­en war er direkt beteiligt. Wegen Grün­dung und Beteili­gung an ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung wurde er 2005 zu ein­er Jugend­strafe von einem Jahr und vier Monat­en zur Bewährung verurteilt.
Auch damals insze­nierte sich Thomas E. als unpoli­tis­che Rand­fig­ur. Nur wegen sein­er Fre­und­schaft zum „Freikorps“-Anführer Christo­pher H. habe er sich an den Anschlä­gen beteiligt – von der Grün­dung der Gruppe habe er eigentlich nichts mit­bekom­men. Er habe seine „Fre­unde“ nicht ver­lieren wollen, deren „recht­es Gesabbel“ aber nicht geteilt. Vor Gericht schenk­te man ihm wei­thin Glauben. E. sei „kein­er fes­ten recht­sex­tremen oder aus­län­der­feindlichen Gesin­nung ver­haftet“, hieß es in der dama­li­gen Urteilsbegründung.
Seit dem Freiko­rps-Prozess sind über zehn Jahre ver­gan­gen. In der Zwis­chen­zeit hat E. sich auch weit­er­hin in der Neon­aziszene herumgetrieben, die ihn auch zu inter­na­tionalen Zusam­menkün­ften von Neon­azis führte. Unter anderem nahm er 2014 an einem Gedenkmarsch für deutsche und ungarische Sol­dat­en des zweit­en Weltkrieges in Budapest teil, zur Ehrung jen­er, die sich „helden­mütig gegen die bolschewis­tis­che Rote Armee“ einge­set­zt hätten.
Indi­vidu­elle Lebens‑, Alko­hol- und Dro­gen­prob­leme sind keine aus­re­ichen­den Erk­lärun­gen für die Tat­en der Neon­azi-Gruppe – sie alle eint ein ras­sis­tis­ches Welt­bild. Abzuwarten bleibt, ob Richter und Staat­san­waltschaft im laufend­en Nauen-Prozess nach den Beweg­grün­den und poli­tis­chen Werdegän­gen der Angeklagten fra­gen. Die Ide­olo­gie und damit das Motiv der Grup­pen­tat­en gehören offen gelegt.
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