INFORIOT In der Nacht vom 6. auf den 7. Mai sind in Luckenwalde zahlreiche neonazistische Parolen geschmiert worden. Unter anderem wurde ein Hakenkreuz an der Gedenktafel für Rudi Dutschke am Friedrich-Gymnasium angebracht. Dutschke, in Luckenwalde geboren, war ein wichtige Persönlichkeit in der 68er-Bewegung. Er starb 1979 an den Folgen eines bereits 1968 verübten Attentats eines Rechtsradikalen. Weitere Schmierereien aus der Nacht: Ebenfalls am Friedrich-Gymnasium wurde die Parole „Deutschland dem Deutschen!“ (inklusive des hier wiedergegebenen Grammatikfehlers) gesprüht, wieder mit Hakenkreuzen. Mit Sprühschablone wurde der Code “HKN KRZ” angebracht, das Schild “Schule ohne Rassismus” war übersprüht. Am Jobcenter wurden die Parolen “Frei – sozial — national” und “Deutsch und frei” hinterlassen. Über Sprühschablonen aufgebracht wurden die Sprüche “Unser Kiez – unsere Regeln”, versehen mit mit Hammer und Schwert sowie “Ein Ring geschmiedet uns zu knechten”, versehen mit EU-Sternen. Am Stadttheater wurde “Luckenwalde bleibt braun” geschmiert. Laut eines Presseberichts ermittelt die Polizei wegen Sachbeschädigung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Erwähnt werden auch Schmierereien an einem “orientalischen Lebensmittelgeschäft”.
Autor: Curtis
Kundgebung
Donnerstag, 12. Mai um 18:30 Uhr
Weltspiegel Cottbus
(Rudolf-Breitscheid-Straße 78, 03046 Cottbus)
Der Stichwortgeber des Rechtsrucks, Thilo Sarrazin, ist auf Werbetour für sein neues Buch. Wie kein anderer hat er in der Vergangenheit dazu beigetragen rassistische und sozialchauvinistische Hetze in Deutschland wieder salonfähig zu machen. Zu seinen Feindbildern gehören Muslim*innen, Flüchtlinge und Menschen, die von Armut betroffen sind. Seine Bücher und Vortragsreisen sind Teil einer Kampagne, die diese Menschen in der öffentlichen Wahrnehmung herabwürdigen soll.
Getarnter Rassismus
Die Bild-Zeitung bewirbt Sarrazins neues Buch „Wunschdenken“ tatkräftig und bezeichnet ihn als „Klartext-Politiker“, dabei verbreitet er vor allem Rassismus, den er mit Fachsprache tarnt. Statt von „Rasse“ spricht Sarrazin von „Kultur“ und „kognitiver Intelligenz“. Er begründet die Einstufung unterschiedlicher Menschen als höher- und minderwertig mit Versatzstücken der Genforschung. Für ihn ist es unvorstellbar, dass Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Religion in der Lage sind friedlich zusammen zu leben, dabei war genau das in Europa für Jahrtausende Realität. Erst durch den aufkommenden Nationalismus und seine Vorstellungen von ethnischer und kultureller Reinheit ist es zu Pogromen und Genoziden gekommen. Die Enthumanisierung und Entindividualisierung der vermeintlich „Fremden“ rechtfertigt in letzter Konsequenz die Aberkennung der Menschenrechte und ihre Auslöschung. Die Forderungen nach der Entrechtung von Muslim*Innen in Deutschland und die Abschottung gegen Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen sind wieder ein Ausdruck dieser nationalistischen Reinheits- und Vernichtungsphantasien.
Soziale Spaltung
Sarrazins Grenzziehungen verlaufen nicht nur entlang rassistischer Trennlinien. Er ist auch einer der radikalsten Vertreter einer neoliberalen Ideologie, die Menschen die Lebensgrundlage entziehen will, wenn sie sich nicht bedingungslos dem kapitalistischen Verwertungsdruck unterwerfen. Den staatlichen Einsatz für sozialen Ausgleich diffamiert er als „Gleichheitsideologie“, die den deutschen Wirtschaftsstandortes im globalen Wettbewerb schwächt. Die Verantwortung für Armut und Arbeitslosigkeit soll stattdessen von der Gesellschaft auf die einzelnen Individuen verlagert werden. Dies entspricht der Strategie der sozialen Spaltung, wie sie mit der Agenda 2010 umgesetzt wurde. Sarrazin gehörte Anfang der 2000er-Jahre zu den lautesten Vertretern einer Diffamierungskampagne gegen Erwerbslose und sozial Schwache. Als SPD-Mitglied, Finanzsenator von Berlin und Vorstandsmitglied der Deutschen Bank wirkte er aktiv beim Radikalumbau des Sozialstaats mit.
Teile und Herrsche
Sarrazin ist kein Rassist unter vielen. Er inszeniert sich als neutraler Kommentator, Tabubrecher und Rebell gegen das Establishment, dabei war und ist er selbst Teil der herrschenden Elite. Nur deswegen hat er die Möglichkeit seine menschenverachtenden Theorien über die großen Medien zu verbreiten. Besonders der Axel-Springer-Verlag und die Bild-Zeitung profitieren von diesen immer wieder selbst produzierten Schlagzeilen und auch Sarrazin kann durch den Bücherverkauf sein Vermögen weiter vergrößern. Die Karten für die Veranstaltung im Weltspiegel werden für 15 € pro Stück verkauft. Der Moderator des Abends ist Dr. Klaus Rost. Er war von 1995 bis 2012 Chefredakteur der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Alexander Gauland, der heutige Kopf der AfD Brandenburg, war dort 10 Jahre lang sein Arbeitgeber. In dieser exklusiven Runde geht es nicht um eine offene Debatte, sondern um die Selbstbestätigung von Rassist*innen und Sozialchauvinist*innen. Hier werden die Argumente für die Gewalt auf der Straße und in den Amtsstuben zurechtgelegt.
Sie wollen HarzIV-Empfänger*Innen und Flüchtlinge gegeneinander ausspielen! Ohne uns!
Wir bleiben solidarisch gegen die rassistische und soziale Spaltung unserer Gesellschaft!
Kundgebung als Event bei Facebook
Brandanschlag in Vetschau
Zum 30. April mobilisierte der neurechte Verein „Zukunft Heimat“ zum ersten Mal zu einer Demonstration nach Vetschau im Spreewald. Engagierte Bürger*innen gestalteten im Vorfeld gemeinsam mit Geflüchteten den Eingang zur Stadt mit bunten Ballons und Transparenten, um zu zeigen, dass rassistische Hetze in ihrem Ort nicht erwünscht ist. In der Nacht vor der Demonstration wurde diese Protestaktion von Unbekannten verwüstet und der Maibaum sowie ein Heuschober in Brand gesetzt. Zudem wurden „Nein zum Heim“-Plakate an Ortseingangsschildern angebracht.
Seit Mitte 2015 war „Zukunft Heimat“ mehrmals in Lübben und Lübbenau aufmarschiert und konnte jeweils mehrere hundert Teilnehmer*innen dazu gewinnen. Am Samstag versammelten sich etwa 200 Personen zu der Demonstration in Vetschau. Die Teilnehmendenzahlen haben sich im Vergleich zu den vorherigen Aufmärschen verringert, doch die Radikalität im Auftreten des Vereins steigt weiter an. Bereits zu Beginn der Demonstrationen in Lübben und Lübbenau konnten dem Verein personelle Überschneidungen zum verbotenen neonazistischen Spreelichter-Netzwerk nachgewiesen werden. Der Angriff auf eine symbolische Protestaktion des „Netzwerks für ein tolerantes Vetschau“ gegen die Demo von „Zukunft Heimat“ zeigt nun auch offen, wie gewaltbereit die Anhänger*innen des Vereins sind.
Die Lausitzer Rundschau schreibt dazu:
„Die bunten Luftballons fand Christoph Bernd ‘lächerlich’. Unbekannte Täter fühlten sich durch sie offenbar sogar provoziert. Wie die Polizei bestätigt, wurde in der Nacht zum Samstag an der Calauer Kreuzung die Dekoration zerstört. Ein Heuschober, Teil des Ensembles mit Maibaum, wurde angezündet. Gegen 3.30 Uhr musste die Feuerwehr den Brand löschen.“
Was in Vetschau passiert ist, ist ein gezielter Einschüchterungsversuch in Richtung von politischen Gegner*innen und Geflüchteten, die in Vetschau leben. Am Samstag brannte symbolisch die bunte Protestaktion. Die an den Ortseingängen angebrachten „Nein zum Heim“-Plakate verweisen deutlich auf die Absicht der Brandstifter*innen — vielleicht brennen beim nächsten Mal Treffpunkte Engagierter oder Geflüchtetenunterkünfte in Vetschau.
Dies gilt es in jedem Fall zu verhindern! Wir müssen endlich aus unserer Komfortzone heraus kommen und deutlichen Widerstand leisten. „Zukunft Heimat“ ist nun nicht mehr nur geistiger Brandstifter in der Region. Eine Solidarisierung aller, die sich gegen den Verein stellen, ist notwendig, um der Hetze von „Zukunft Heimat“ ein Ende zu bereiten. Kein Naziterror in Südbrandenburg!
Zeigt Euch solidarisch mit den Menschen die vor Ort mit „Zukunft Heimat“ zu kämpfen haben und unterstützt ihre Proteste. Am 28. Mai 2016 wird es in Lübben eine Demonstration geben, die von der Initiative „Laut für den Spreewald“ , welche sich gegen „Zukunft Heimat“ zusammen geschlossen hat, organisiert wird. Startzeit ist 14 Uhr.
INFORIOT Das Land Brandenburg soll im Juni Schauplatz eines großen Neonazi-Musikevents werden. Vom 17. bis zum 19. Juni soll das “Sonnentanz Festival” stattfinden, für das zurzeit im Internet geworben wird. Als Hauptattraktion werden Auftritte von “H8Machine” und von “Makss Damage” benannt. In der Internetwerbung wird — den Gepflogenheiten bei Neonazikonzerten entsprechend — kein Veranstaltungsort aufgeführt. Das Land Brandenburg wird in internen Mails jedoch als Schauplatz angekündigt. Das Gelände des Neonazis Klaus Mann in Finowfurt (Barnim) dürfte als möglicher Veranstaltungsort infrage kommen. Als Ansprechpartner in der Mailkommunikation tritt der NPD-Lokalpolitiker Robert Wolinski auf. Der Neonazi verbirgt sich hinter der in der Werbung genannten Kontaktadresse “mvd.info@gmx.de”.
Das Festival soll offenbar als Großevent aufgezogen werden. Drei Tage soll die Veranstaltung dauern, die Teilnehmenden können zelten, als Verpflegung soll es “vegane Hausmannskost” geben. Die Auftritte bekannter Neonazibands könnten viele hundert Neonazis anziehen.
Hauptact sollen die US-amerikanischen “H8Machine” werden. Die Hardcoreband aus New Jersey bekennt sich schon in ihrem Gruppennamen zum Nationalsozialismus. Das “H8” ist nicht nur eine szenetypische Umschreibung von “Hate” (Hass), sondern auch eine Umkodierung von “88” beziehungsweise “HH” als Abkürzung für “Heil Hitler”. Die Band hat im April ein neues Album beim deutschen Neonazilabel “Gjallarhorn Klangschmiede” veröffentlicht, das dem Neonazi-Skinhead-Netzwerk der “Hammerskins” nahe steht. 2007 äußerten sich “H8Machine” im Interview mit dem “Sunset Mailorder” wie folgt: “Eure Regierung muss zerstört und komplett wieder aufgebaut werden. Ich kann nicht glauben, wie viel Macht die J… haben in Eurem Land.” Mit “J…” sind “Juden” gemeint.
Zweitplatziert im Lineup des Festivals ist der Gütersloher Rapper Julian Fritsch, der unter dem Künstlernamen “Makss Damage” auftreten soll. Der Musiker ist einer der führenden Vertreter des so genannten “NS Rap” in Deutschland. 2011 rappte er: “Setzte mich für mein Blut und unsere Tugend ein, das Zeckenpack wollte mich brechen, sie haben es sicher gut gemeint, ich steckte sie alle gemeinsam in den nächsten Zug nach Buchenwald [Sample Pistolenschüsse]. Wasch mich mit der Seife ab, genieß den Lampenschirm.” Texte wie diese brachten dem Musiker, der sich vor seinem Wechsel in den Neonazismus im Umfeld stalinistischer Gruppen bewegte, Hausdurchsuchungen, Indizierungen und Verurteilungen ein.
Schon diese beiden Hauptacts lassen erahnen, dass im Rahmen des Festivals mit massiven rechtsextremen Straftaten zu rechnen ist. Als weitere Bands sind unter anderem angekündigt: “2nd Class Citizen” aus Berlin, die italienische Neonaziband “Acciaio Vincente”, das ostdeutsche Neonazi-Hardcore-Projekt “Eternal Bleeding” sowie die NS-Hardcore-Bands “Fight Tonight”, “Painful Awakening” und “Thrima”, allesamt aus Mecklenburg-Vorpommern.
Für die Verpflegung während des Festivals soll offenbar “Balaclava Küche” sorgen. Dahinter verbirgt sich eine neonazistische Kochshow, die über Youtube abrufbar ist und die vegane Ernährung mit neonazistischer Ideologie verbindet. Einer der Initiatoren ist Patrick Kruse, der aus der Nähe von Hannover stammt und von dort nach Chemnitz verzog.
Der Festivalname “Sonnentanz” kann übrigens als Anspielung auf den NSU-Komplex gewertet werden. “Sonnentanz” hieß das Chemnitzer Szenegeschäft des NSU-Unterstützerehepaars Probst, in dem der Brandenburger Neonazi Carsten Szczepanski als Gefängnisfreigänger ein Praktikum absolvierte — just als er als Verfassungsschutzspitzel arbeitete und das Ehepaar die untergetauchten späteren NSU-TerroristInnen unterstützte.
Der mutmaßliche Mitorganisator des Festivals, Robert Wolinski, ist für seine Aktivitäten in der Neonazimusikszene bekannt. Nur ein Beispiel: 2014 wurde ein von Wolinski mitorganisiertes Konzert in Greifswald mit rund 500 teilnehmenden Neonazis von der Polizei aufgelöst. Wolinski ist Stadtverordneter für die NPD in seiner Heimatstadt Velten.
Provokation und Straßenpolitik
(von Sven Kames, gekürzte Vorabveröffentlichung aus Der Rechte Rand #159, April 2016) Und am Ende gab es doch keine Party für Alexander Gauland. Mit allem Pomp wollte der Landes- und Fraktionschef der AfD im März diesen Jahres im Brandenburger Landtagsschloss seinen 75. Geburtstag feiern. Die Parlamentsverwaltung sagte die Feier ab: Es gebe keinen Bezug zur politischen Arbeit der Fraktion und im Landtag dürften keine Privatevents stattfinden.
Gut eineinhalb Jahre ist der AfD-Erfolg im September 2014 nun her, als die neue Partei aus dem Stand 12,2 Prozent der Stimmen errang und mit elf Mandaten in den Landtag einzog. Bisher konnte die AfD mit ihrer Politik kaum überzeugen. Eine Umfrage im März ergab, dass gerade einmal vier Prozent der brandenburgischen WählerInnen der Ansicht sind, die AfD habe im Bundesland schon etwas zum Besseren bewirkt. Sogar unter erklärten AfD-AnhängerInnen liegt dieser Wert bei desaströsen 14 Prozent. Die anhaltende Debatte zur „Flüchtlingskrise“ auf Bundesebene spielt der AfD gleichwohl in die Hände. Gleiche Umfrage: Satte 19 Prozent würden die AfD wählen, wenn Landtagswahlen anstünden.
Isolation durch Provokation
In der parlamentarischen Praxis isoliert sich die AfD derweil mit gezielten Provokationen. Gauland nennt Flüchtlingsheime in Landtagsdebatten „Brutstätten der Gewalt“ und FlüchtlingshelferInnen beschimpft er als „nützliche Idioten“. Nachdem in Nauen Neonazis eine als Flüchtlingsunterkunft vorgesehene Turnhalle niedergebrannt hatten, kommentierte Gauland, dass die „Verantwortung für solche Taten in erster Linie bei den Politikern der Altparteien“ liege.
Solchen Ausfällen ist es geschuldet, dass die gewohnheitsmäßig so genannten „Kartellparteien“ Distanz halten – keine gemeinsame Arbeit, keine Kooperation auf Fraktionsebene. Anträge der AfD werden abgelehnt; bei Debatten zu Flüchtlingsthemen haben die restlichen Parteien vereinbart, dass jeweils nur ein Abgeordneter im Namen aller vier Fraktionen auf Anträge der AfD antwortet. Dieser Umgang schmerzt die AfD reichlich, hat er doch sein Vorbild im Umgang des Landtags in Mecklenburg-Vorpommern mit der neonazistischen NPD. Die einzige erkennbare Ausnahme zum Abgrenzungskurs ist die ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig. Die Rechtsauslegerin ist inzwischen gefühlt häufiger bei AfD-Veranstaltungen als bei denen ihrer eigenen Partei anzutreffen.
Genauso, wie die AfD provoziert und pöbelt, will sie aber auch ankommen im landesweiten Politikbetrieb. Der Versuch, eine Geburtstagsparty im Landtag ausrichten, ist in diesem Sinne zu verstehen, genauso die dauernden Lamenti über angebliche Benachteiligungen. Die Abgeordneten versuchen auch außerhalb des Landtages eine Beteiligung durchzusetzen. Als der Landesjugendring eine Anmeldung des AfD-Abgeordneten Steffen Königer zu einem Workshop über Arbeit mit Flüchtlingsjugendlichen zurückwies, lief die Partei Sturm gegen den Jugendverband.
Die Partei „für den kleinen Mann“
Politisch versucht sich die AfD als Interessenvertretung des „kleinen Mannes“ zu profilieren, in Konkurrenz zur mitregierenden Linkspartei, in zwangsläufiger Feindschaft zu den oppositionellen Grünen und in Abgrenzung zur als linksgewendet verstandenen CDU. Wirtschaftsliberale Töne sind von der brandenburgischen AfD kaum zu vernehmen; zum Beispiel betont die Partei, dass man selbstverständlich zum gesetzlich verbindlichen Mindestlohn stehe. Die Abwahl Bernd Luckes auf Bundesebene zog in Brandenburg gerade einmal rund 30 Parteiaustritte nach sich und die AfD-Abspaltung „Alfa“ ist völlig bedeutungslos.
Hauptthemen sind die als solche identifizierten Sorgen des „kleinen Mannes“. Das war im Landtagswahlkampf 2014 vor allem die Kriminalität in den Regionen nahe der polnischen Grenze. Seit Sommer 2015 ist es die Ablehnung von Flüchtlingen. Zahlreiche Tiraden in Landtagsdebatten, dutzende parlamentarische Anfragen in immer neuen Variationen deuten darauf hin. Engagiert zeigt sich die frühzeitig von elf auf zehn Abgeordnete reduzierte Fraktion auch in der Formulierung von Anfragen zum Thema „Linksextremismus“. Auf der Suche nach möglichen Skandalen wird etwa gefragt, wie viele offene Haftbefehle es gegen „Linksextreme“ im Land gebe. Weil die Anfragen kaum fundiert sind, fallen die Regierungsantworten in der Regel einsilbig aus: „Im Land Brandenburg ist derzeit keine entsprechende Person gemeldet“. Die Mitarbeit der AfD-Abgeordneten in den Fachausschüssen beschränkt sich ebenfalls größtenteils auf provokante Nachfragen, die Detail- und Sacharbeit steht hintenan.
Die AfD auf der Straße
Weniger beachtet, aber für die AfD-Entwicklung immens bedeutsam: Die Partei hat sich seit dem Herbst 2015 als regelrechte Bewegungspartei den flüchtlingsfeindlichen Mobilisierungen im Bundesland angedient. Die Stellungnahmen für die Dresdener Pegidademonstrationen aus Brandenburg waren nur ein Anfangspunkt. Die Partei veranstaltet Aufzüge, geht Bündnisse mit rassistischen Initiativen ein, unterstützt durch Redebeiträge. Zwischen die rassistischen Straßenaktivitäten und die AfD passt kein Blatt. Wer kann schon genau sagen, ob zum Beispiel eine Demonstration im vergangenen Herbst in Prenzlau von der AfD oder den extrem rechten „BB-Patrioten“ veranstaltet wurde – beide warben auf ihren Kanälen dafür, Neonazis nahmen massenhaft teil, am Rande wurde der Hitlergruß gezeigt. Hauptredner und Einheizer: AfD-Parlamentarier Andreas Kalbitz. Im Spreewald beteiligen sich AfDlerInnen fleißig an den Aufmärschen der Initiative „Zukunft Heimat“, deren stilistische und womöglich auch personelle Verquickung mit der verbotenen Neonazigruppe „Spreelichter“ Gegenstand mancher Presseartikel war. Schaden tut’s nicht, im Gegenteil. Bei den Bürgermeisterwahlen in Lübbenau im März holte der vorneweg mitdemonstrierende AfD-Kandidat Marian von Stürmer satte 34 Prozent der Stimmen.
Am rechten Rand
Verbiegen muss sich die AfD für solche Bündnisse nicht. Formelle Bekenntnisse gegen Rechtsextremismus sind billig zu haben. Aber Gaulands Diktum „Wer früher in NPD oder DVU war, darf bei uns nicht Mitglied werden“, gilt im Ernstfall dann doch nicht. Dass der 22-jährige Fraktionsmitarbeiter Alexander Salomon jahrelang NPD-Mitglied war, wurde nach Bekanntwerden zunächst abgestritten. Als dann Beweise vorlagen, schwenkte Gauland um: „Herr Salomon war im Alter von 15 oder 16 Jahren in der NPD. Ich finde es nicht richtig, ihm das ein Leben lang vorzuhalten.“ Auch andere Fraktionsmitarbeiter sind einschlägig bekannt, aber nicht Gegenstand von öffentlichen Kontroversen. Lion Edler etwa, Mitarbeiter in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, ist nebenbei eifriger Autor für das neu-rechts-libertäre Blatt „eigentümlich frei“. Mit der AfD schwappen neu-rechtes Personal, Sprachduktus und Argumentationslinien in die Brandenburger Politik.
Diejenigen Abgeordneten, die ein nennenswertes politisches Vorleben haben, sind zumeist der extremen Rechten nicht fern gewesen: Andreas Galau („Republikaner“), Sven Schröder („Pro Deutschland“), Rainer van Raemdonck, Thomas Jung (beide „Die Freiheit“), Steffen Königer („Bund Freier Bürger“, Redakteur „Junge Freiheit“). Eine Auflistung der Verstrickungen des Abgeordneten Andreas Kalbitz in die extreme Rechte würden den Rahmen dieses Textes sprengen. Zuletzt hatte er erst nach massiver öffentlicher Kritik und den üblichen Leugnungs- und Kleinredepirouetten den Vorsitz beim eindeutig extrem rechten „Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit e.V.“ niedergelegt. Gauland referiert seit der Wahl immer wieder bei einschlägigen Rechtsaußenvereinen, wie der Berliner „Bibliothek des Konservatismus“, bei einer „Friedenskonferenz“ des Compact-Magazins und bei der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ in Hamburg. Von der Abgeordneten Birgit Bessin ist kein politisches Vorleben bekannt, sie tritt seit 2015 jedoch ebenfalls als Exponentin des äußersten rechten Flügels der Partei in Erscheinung, etwa anhand ihrer Kontakte zum Organisationsteam der Dresdener Pegida oder als Unterzeichnerin der „Erfurter Resolution“ für einen Rechtsschwenk der Partei.
„NPD light“
Für die Unterstützung der Straßenpolitik ist die Potsdamer Landtagsfraktion eine Basis. Dort gibt es eigens abgestellte Referenten für Veranstaltungen. Mitarbeiter Jean-Pascal Hohm ist gleichzeitig Landeschef der „Jungen Alternative“ und selbst Organisator entsprechender Aufmärsche. Hinzu kommen etliche als „Bürgerdialoge“ genannte Saalveranstaltungen. Die Wahlkreisbüros der Abgeordneten helfen zusätzlich beim Strukturaufbau, genauso die 180 kommunalen Mandate (davon 39 auf Kreisebene), die die Partei seit den Kommunalwahlen im Mai 2014 hält. Die AfD ist inzwischen flächendeckend im Land mit Kreisverbänden vertreten. Die Brandenburger Fraktion bemüht sich gleichzeitig um Anerkennung bei und Abgrenzung zu den „Kartellparteien“, dient sich rassistischen Straßenprotesten an, baut Strukturen aus. Solange das „Flüchtlingsthema“ zieht, bleibt die Partei wohl erfolgreich – als Protestkatalysator, als faktische „NPD light“, für die eine tatsächliche Grenzziehung nach Rechtsaußen inopportun ist.
Gaulands politische Karriere im Landtag Brandenburg wird wohl in nicht allzu ferner Zukunft enden. Er wolle sich lieber 2017 in den Bundestag wählen lassen, wenn die Gesundheit es denn zulasse, verkündete er kürzlich, auf Landesebene erneut anzutreten schloss er aus. Als „Kronprinz“ für seine Nachfolge im Landesverband wird Hardliner Andreas Kalbitz gehandelt, der seit November auch Vizechef des Landesverbandes ist. Eine Mäßigung der Brandenburger AfD ist dementsprechend nicht zu erwarten.
Seit Mitte 2015 organisiert der Verein “Zukunft Heimat” in den Spreewaldstädten Golßen, Lübben und Lübbenau regelmäßige Demonstrationen, Vorträge und andere Aktionen. Zu Beginn richtete sich ihr Protest “nur” gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in den Gemeinden, inzwischen folgen sie einer umfassenden völkisch-nationalistischen Agenda.
Das Bündnis von “Zukunft Heimat”
Zu den Bündnispartner des Vereins gehören die Brandenburger AfD, Pegida-Ableger aus der Region und die Gruppierung der Identitären. Zur möglichen Beteiligung des verbotenen neonazistischen “Spreelichter”-Netzwerkes an den öffentlichen Auftritten von “Zukunft Heimat” sind hier und hier Hintergrundartikel erschienen. Auf die dafür relevante Frage, wer denn an der Öffentlichkeitsarbeit von “Zukunft Heimat” beteiligt ist, reagierte der Vereinsvorsitzende Christoph Berndt Anfang des Jahres verschnupft:
“Wer die relativ professionellen Videos für den Internetauftritt des Vereins herstellt, will Berndt nicht sagen. Auch nicht, wer sie mit Tontechnik und Ähnlichem unterstützt: ‘Das sind Freunde aus der Region.’ Deren Namen könne er nicht preisgeben, der Druck und die Verdächtigungen gegen die Bürgerinitiative seien zu groß. Dass Rechtsradikale darunter seien, schließt er jedoch aus.” (Lausitzer Rundschau, 5. Januar 2016)
Später hat der Verein auf seiner Internetseite und auf Facebook den Kontakt zu “Spreelichter”-Neonazis der “Widerstandsbewegung in Südbrandenburg” immer wieder abgestritten und sogar eine gerichtliche Verfügung beim Landgericht Berlin eingeholt, die folgende Aussage untersagt: “In Südbrandenburg steuert die 2012 verbotene ‘Widerstandsbewegung’ Anti-Asyl-Proteste.” Der brandenburgische Verfassungsschutz äußerte sich nur vage:
“Zudem vermutet der Verfassungsschutz eine ‘Beteiligung von ehemaligen Mitgliedern’ des 2012 vom Innenministerium verbotenen Neonazi-Netzwerks ‘Widerstandsbewegung in Südbrandenburg’ an der ‘Produktion oder Verbreitung von Mobilisierungsvideos zu Pegida-Demonstrationen und des Vereins Zukunft Heimat (…) aufgrund gewisser Ähnlichkeiten in der Machart mit den Videos der verbotenen rechtsextremistischen Vereinigung’. Dies lasse ’sich aber nicht belegen’.” (PNN, 5. Februar 2016)
Es ist an der Zeit, diesem Versteckspiel ein Ende zu bereiten. Im Folgenden soll es um eine Person geben, die an der Produktion der Videos für den Verein maßgeblich beteiligt ist — um einen der ominösen „Freunde“ von Berndt.
Der Kameramann
Martin Muckwar ist in dem Dorf Schlepzig aufgewachsen und hat bis 2005 das Gymnasium in Lübben besucht. Seinen Abschluss als Diplom-Logistiker hat er 2010 an der Fachhochschule Wildau gemacht. Heute lebt er in Bestensee. Er bestreitet “Mixed Martial Arts”-Kämpfe für den “San Da Kempo Bestensee” e.V.. Für diesen Verein produziert er Videos und verantwortet die Internetseite für das dazugehörige Kampfsportzentrum.
Bereits die Initiative “Pro Zützen” (Vorläuferorganisation von “Zukunft Heimat”) begleitete Muckwar bei ihrer Demonstration am 30. Juni 2015 in Golßen mit der Kamera und auch die späteren Demonstrationen in Lübben und Lübbenau wurden von ihm abgefilmt. Aus diesem Material entstanden die Videoclips, die oft kurz nach den Veranstaltungen von “Zukunft Heimat” auf YouTube online gestellt wurden. Diesen Zusammenhang offenbart ein Videoclip der AfD Brandenburg, die die Kundgebung in Golßen aus einer anderen Perspektive filmt und dabei auch Muckwar am Rand zeigt — er filmt genau aus dem Winkel, von dem aus offensichtlich der “Zukunft Heimat”-Clip gedreht ist.
Schon während seiner Schulzeit war Muckwar Teil der lokalen Neonaziszene, die sich damals um den „Bunker 88“ in Lübben gebildet hatte. Die Schließung dieses Nazi-Treffpunkts war Anlass für einen Aufmarsch am 12. April 2008 in Lübben, an dem etwa 300 Neonazis aus dem Spreewald, Cottbus, Berlin, Leipzig, Dresden und Hoyerswerda teilnahmen. Bei diesem Aufmarsch war Muckwar neben anderen Aktivisten der späteren „Spreelichter“ als Ordner eingebunden. Redebeiträge kamen vom späteren Anführer Marcel Forstmeier, auf einem Hochtransparent stand die spätere “Spreelichter”-Losung “Die Demokraten bringen uns den Volkstod”.
Ab dem 23. Februar 2009 tauchten die „Spreelichter“ mit neuen Aktionsformen auf. Als Sensenmänner verkleidet mischten sie sich in den Karnevalsumszug in Muckwars Heimatdorf Schlepzig. Sie verteilten Flyer und trugen wieder ein Transparent mit der Aufschrift „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“. In dem Video zu der Aktion ist zu erkennen, wie sie sich zu Beginn im Dachgeschoss eines Gebäudes vor Ort umziehen. Ob sich Muckwar an dieser Aktion beteiligt hat, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Beim Video einer der nächsten “Spreelichter”-Aktionen am 17. August 2009 ist zumindest eine Person mit genau der Jacke zu erkennen, die Muckwar bereits beim Aufmarsch 2008 getragen hatte. Mit einem „Hessmob“ auf dem Vetschauer Marktplatz wurde bei der Aktion an Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess gedacht. Diese Selbstinszenierung durch Videoclips nach den Aktionen spielte im “Spreelichter”-Netzwerk eine zentrale Rolle.
Fließende Grenzen
Die „Spreelichter“-Videos wurden bei YouTube bis 2010 über ein Profil mit dem Namen “xXxJocheNxXx” veröffentlicht. Auf Twitter gibt es ein Profil mit dem gleichen Namen, über das bis heute Tweets zur AfD, den „Identitären“ und dem Verein “Zukunft Heimat” verbreitet werden. Dass die Grenzen zwischen rechten Gruppierungen im Umfeld von „Zukunft Heimat“ inzwischen sehr fließend verlaufen, zeigt, dass das letzte Video der gleichen Machart von der Demo in Lübbenau am 19. März nicht vom Verein selbst, sondern auf dem YouTube-Kanal der “Identitären Berlin-Brandenburg” veröffentlicht wurde.
Der Verein „Zukunft Heimat“ vertritt offen völkische, nationalistische und rassistische Positionen. Dass die Widerstandsbewegung Südbrandenburg den Verein steuert ist wahrscheinlich zu viel gesagt, denn hier wirken auch anderen Personen mit. Doch zwischen den “Spreelichtern” und dem Verein “Zukunft Heimat” gibt es nicht nur eine inhaltliche sondern auch eine personelle Kontinuität, was an Martin Muckwar besonders deutlich wird.
Es gibt kein ruhiges Hinterland! Antifas aus Südbrandenburg
INFORIOT “Keep your fuckin’ politics out of metal!”, fordert das “Under the black sun”-Festival auf seiner Homepage. Seit 1998 findet die jährliche Metalparty im Land Brandenburg, in Helenenau in der Nähe von Bernau statt. Auch wenn “Under the black sun” als Anspielung auf das Nazisymbol der Schwarzen Sonne verstanden werden kann, will das Festival nichts mit Politik oder gar mit Neonazismus zu tun haben.
Allerdings: Wenn das Festival in diesem Jahr vom 30. Juni bis zum 2. Juli stattfindet, soll eine mehr als zweifelhafte Band auftreten. Angekündigt ist nämlich ein Konzert der lettischen Pagan-Metalgruppe Skyforger.
Die Gruppe betont ebenfalls, mit Politik nichts am Hut zu haben, verhält sich allerdings seit Jahren widersprüchlich. Im Bandlogo war jahrelang ein Hakenkreuz eingearbeitet. Die Band erklärt inzwischen, dieses Logo nicht mehr einzusetzen, weil es immer wieder zu “Missverständnissen” deswegen gekommen sei. Eigentlich sei das im Logo abgebildete Symbol kein Hakenkreuz, sondern ein Donnerkreuz, ein angeblich altes lettisches Zeichen. Und, das erwähnt die Band nicht — die “Donnerkreuzler” waren am Anfang des 20. Jahrhunderts zeitweise die führende faschistische Partei in Lettland. Auf der offiziellen Internetseite der Band werden Fanartikel mit den Hakenkreuzlogo weiter zum Verkauf angeboten.
Die Band spielte in ihrer lettischen Heimat auch Konzerte zu Ehren der lettischen Waffen-SS-Verbände. So trat sie 2012 im Rahmen des Programms des “Legionärstages” im Riga auf. Mehrere tausend Rechte gedachten an diesem Tag bei einem Gedenkmarsch der vorgeblichen Heldentaten der Waffen-SS, abends gab es ein ergänzendes Konzert mit “Skyforger” vor Hunderten Fans.
Mehrfach traten Skyforger mit der litauischen Neonaziband “Diktatura” auf, welche schon die Bühne mit den deutschen Neonazirockstars der Lunikoff-Verschwörung die Bühne teilten.
Vermutlich handelt es sich bei den Musikern von Skyforger nicht um Neonazis und es ist nicht bekannt, dass sie ihre Konzerte für agitatorische Reden nutzen. Sie geben sich allerdings offenbar gern für Waffen-SS-Propaganda her, scheuen die Nähe zu Neonazis keineswegs, sondern treten für ein solches Publikum und mit entsprechenden Bands auf. Die Band verkauft — entgegen anderslautenden Behauptungen — weiterhin Fanartikel mit Hakenkreuzen. Man darf wohl meinen: Wenn das “Under the black sun”-Festival keine “Politics” haben will, dann haben sie mit “Skyforger” eine denkbar ungeeignete Band gebucht.
Der geplante Auftritt von Skyforger ist jedoch beileibe nicht die erste fragwürdige Bandbuchung in der Geschichte des “Under the black sun”. 2004 durfte dort zum Beispiel die finnische Neonaziband “Satanic Warmaster” spielen. Die schwulenhassenden und NS-Parolen “zur Provokation” singenden “Impaled Nazarene” durften beim Festival bereits mehrmals auftreten. Und auch “Skyforger” hatten schon einmal einen Auftritt, im Jahr 2006.
Mehr über “Skyforger” ist in einem Artikel bei “Berlin Rechtsaußen” zu erfahren.
INFORIOT Hauptsache alles so arrangieren, dass sich die NPD wohlfühlt. Dies scheint das Motto der Polizei in der Uckermark zu sein. Am vergangenen Samstag hielt die Neonazipartei eine rassistische Kundgebung in Templin ab. Von Seiten der Stadt wurde darum am historischen Rathaus Plakate mit der Aufschrift “Templin bleibt bunt” angebracht. Der Polizei war das offenbar zu viel und zu eskalierend: Sie ließ die Plakate mit Verweis auf das Versammlungsgesetz entfernen, aus “Deeskalationsgründen”. Die Aufschrift sei geeignet gewesen “die Befindlichkeiten der Veranstalter zu berühren”, also jene der Neonazis. Dies berichtet die Tageszeitung Nordkurier.
Von Seiten Templiner Stadtverordneter wird das Polizeihandeln inzwischen als “überzogen” kritisiert.
Es bleibt abzuwarten, ob die uckermärkische Polizei weiter auf solch eine neonazifreundliche “Deeskalation” setzen wird. Mögliche Termine dafür gibt es gleich zwei: Am kommenden Sonnabend will die Neonazikleinpartei “Der III. Weg” aufmarschieren und am Freitag, dem 18. März, plant “Templin gegen Asylmissbrauch” einen rassistischen “Abendspaziergang” durch die Stadt.
In der Uckermark gibt es immer wieder Vorfälle, die ein mehr als zweifelhaftes Licht auf die Polizei werfen. Um nur einige Beispiele zu nennen: In Schwedt verhinderten Polizisten die Strafverfolgung gegen “Sieg Heil”-rufende Neonazis. Ein Polizist nahm an einem Nazi-Gedenkmarsch in Seelow selbst teil. Der Vize-Chef der Polizeiinspektion hatte als Klingelton am Handy “Nachricht von der Ostfront” eingestellt. Eine Polizistin ist mit einem Neonazi verheiratet — bei der Hochzeit posierte dieser mit Hakenkreuzarmbinde.
INFORIOT Der Terrorverdacht gegen den Nauener NPD-Politiker Maik Schneider hat sich ausgeweitet. Ihm und vier bis fünf weiteren Neonazis werden inzwischen mehrere Brandanschläge zugerechnet, darunter auch jenen auf eine Turnhalle in Nauen, die als Unterkunft für Geflüchtete genutzt werden sollte. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt einige oder alle der Verdächtigen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Auch Ermittlungen wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung werden geprüft. Erst am Dienstag wurden mehrere Razzien in Nauen, Potsdam und Schönwalde-Glien durchgeführt. Maik Schneider, der als führender Neonazi in der Region gilt, sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Laut Informationen der PNN werden den mutmaßlichen Täter_innen neben dem Brandanschlag auf die Turnhalle mehrere Anschläge auf Autos von politischen Gegner_innen sowie Angriffe auf ein Parteibüro der Partei Die Linke (eine Auflistung aller Anschläge in Nauen findet sich ebenfalls bei der PNN) zugerechnet. Mitte Februar wurden in Nauen Flugblätter verteilt, in denen zum „absoluten Widerstand“ gegen Geflüchtete aufgerufen wurde und Anschlagsanleitungen abgedruckt waren. Weiterhin wird den Angaben zufolge ermittelt, ob es Verbindungen von Schneider und seiner Gruppe zum Anschlag auf einen Flüchtlingstreffpunkt in Jüterbog gibt. Schneider hatte nur Stunden vor dem Anschlag eine rassistische Demonstration in der Stadt angeführt.
Das sind die Verdächtigen:
Maik Schneider, Jahrgang 1987, ist ausgebildeter Erzieher und sitzt für die NPD in der Nauener Stadtverordnetenversammlung. Er ist seit vielen Jahren Organisator von und Redner bei Neonaziaufmärschen. Als Aktivist der „Freien Kräfte Neuruppin/ Osthavelland“ hält er enge Kontakte in das neonazistische Kameradschaftsspektrum. Schneider fiel in der Vergangenheit mehrfach am Rande von Demonstrationen auf, entweder um als unscheinbarer Passant Gegendemonstrant_innen auszuhorchen oder Versammlungen zu stören. Er versuchte zusammen mit Berliner Neonazis an einer Tierrechtsdemonstration in Berlin teilzunehmen.
Der 28-jährige Nauener Dennis W., der als Teilnehmer von Neonaziversammlungen aufgefallen ist, wurde am Freitagvormittag in Nauen festgenommen, nachdem die Polizei ihn am Dienstag nicht antraf, um den Haftbefehl zu vollziehen. Seinem Facebookprofil nach zu urteilen, interessiert sich W. für Tätowierungen und Drogen. Der Polizei ist er als Kleinkrimineller bekannt.
Frauke K. wurde inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen. Die 22-jährige, die offenbar ursprünglich aus Potsdam stammt, könnte ebenfalls an einem Brandanschlag auf ein Auto beteiligt gewesen sein. Anhand ihres Facebook-Profil lassen sich persönliche Verbindungen zu Neonazis nachvollziehen. Nach einer Meldung der MAZ sei der Tatverdacht gegen Frauke K. weniger hart als gegen die anderen Verdächtigen, es könne sein, dass sie “kein Mitglied der Gruppierung” sei.
Christopher L. und Christian B. sind als Neonazis bekannt und schmücken sich auf ihren Facebookseiten mit Fotos von Neonaziversammlungen. L. hatte vor einer Antiflüchtlingsdemonstration im Juli 2015 in Frankfurt/Oder kommentiert, dass er sich auf eventuelle Gegendemonstrant_innen freue und dazu ergänzt: “Sport frei!”. Ihm werden Verbindungen zur neonazistischen “Europäischen Aktion” nachgesagt.
Um wen es sich bei dem sechsten Verdächtigen handelt, der in Presseberichten erwähnt wird, ist zurzeit nicht bekannt. Ob und wieviele weitere Personen neben den schon bekannten fünf an den Anschlägen beteiligt waren, wird von den Ermittlungsbehören geprüft. Neben Schneider sollen auch andere Verdächtige Mitglieder der neonazistischen NPD ein. Gegen die Partei läuft bekanntlich derzeit ein Verbotsverfahren bei Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Laut der Linkspartei-Politikerin Andrea Johlige soll die Gruppe über den Messengerdienst “WhatsApp” kommuniziert haben.
CDU-Mann verharmlost rassistische Gewalt
Für Empörung haben derweil Äußerungen des Havelländer CDU-Kreistagsabgeordneten Mike Krüger gesorgt. Auf Facebook schrieb dieser, dass es sich bei den Vorwürfen gegen die Neonazis um eine “übliche Vorverurteilung“ handeln könnte, dass tatsächlich “Fremdenfeindlichkeit” bei den Taten keine Rolle gespielt hätte. Er mutmaßte in Hinblick auf den Brandanschlag auf das Auto eines polnischen Mannes: “Vielleicht hat der Pole seiner Freundin nur an den Arsch gefasst und unser brauner Freund ist ausgetickt.”
AfD — “Return to Sender”
Eine Gruppe von linken Aktivist_innen hat indes in Berlin Überreste der ausgebrannten Nauener Turnhalle vor der Tür des Berliner Büros der Alternative für Deutschland (AfD) geschüttet. Nicht nur die NPD, sondern auch die AfD sei “Brandstifter in Nadelstreifen und Lautsprecher der Gewalt in einem”, heißt es von den Aktivist_innen. Nauen stehe stellvertretend für die vielen rassistischen Anschläge und Übergriff der letzten Monate. Die Aktion ist Teil der Kampagne “Nationalismus ist keine Alternative”. Ein Video ist auf der Plattform YouTube zu finden.
Compact zündelt mit
INFORIOT Am vergangenen Wochenende wurde in Nauener Briefkästen ein rassistischer Gewaltaufruf verteilt, in dem ein “absoluter Widerstand” gegen Flüchtlinge propagiert wird. Das Schreiben stützt sich massiv auf Texte aus dem Berliner Compact-Magazin. Diesen Zusammenhang hat das Berliner Apabiz recherchiert und nun auf Facebook veröffentlicht.
Ganze Passagen der Nauener Hetzschrift sind deteilgetreu aus “Compact — Magazin für Souveränität”, einer Zeitschrift des Publizisten Jürgen Elsässer, entnommen. In beiden Texten wird fast wortgleich behauptet, dass es in Deutschland einen politisch gewollten “Bevölkerungsaustausch” zu beklagen gebe:
“So wird das deutsche Volk abgeschafft! Das ist der große Bevölkerungsaustausch, den die Eliten wollen! […] Wie lange wollen wir uns das noch gefallen lassen?”
Verschwörungstheorien und Rassismus werden kombiniert:
“Aufgeweckte Zeitgenossen wissen: Deutschland ist ein besetztes Land. Wir sind nicht souverän, sondern eine Militärkolonie der USA. Was aber auch viele kluge Mitbürger nicht wahrhaben wollen: Es hat eine zweite Besatzung begonnen, und zwar durch sogenannte Flüchtlinge.”
Der Compact-Text fordert, man solle über geeignete Maßnahmen zur “Landesverteidigung” diskutieren und endet mit einer rhetorischen Frage: “Wann wollt Ihr endlich aufwachen?” Das Nauener Flugblatt gibt als Antwort die Anweisung, wie die “Landesverteidigung” aussehen und was auf das “Aufwachen” folgen soll. Das Flugblatt präsentiert auf einer zweiten Seite konkrete Tipps für den rassistischen Terror. Abgedruckt sind Anleitungen, wie Brandsätze, Bomben und Sprengstoff hergestellt werden.
Wie stark die rassistischen Kampagnen von “besorgten Bürgern” mit terroristischen Konzepten kompatibel sind, zeigt sich durch solche Textübernahmen eindrücklich.
Das Compact-Magazin wirbt in den letzten Wochen verstärkt bei Brandenburger Demonstrationen gegen Flüchtlinge — immer wieder sind bei den Aufzügen Werbeposter für die Zeitschrift zu sehen. Im Januar veröffentlichte Compact ein Werbevideo für die “Bürgerbewegungen” im Bundesland unter dem Titel “Asylflut: Brandenburg wehrt sich”.
In Nauen passt der Aufruf zum Terrorismus derweil ins Bild — “besorgte Bürger” haben sich dort schon mehrmals “gewehrt”. Im August 2015 wurde eine als Flüchtlingsunterkunft vorgesehene Turnhalle durch einem professionell durchgeführten Brandanschlag niedergebrannt. Erst vor einer Woche gab es einen neuerlichen Brandanschlag, diesmal auf das Auto von zwei “Die Linke”-Mitgliedern.