„Wir brauchen jetzt endlich dauerhafte gesellschaftliche und politische Solidarität mit Opfern rassistischer, rechter und antisemitischer Gewalt. Leugnen, Verharmlosen und Kleinreden stärkt hingegen die Täter*innen.“
Die unabhängigen Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt verzeichnen derzeit ein besorgniserregendes Ausmaß politisch rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalt. Dies gilt nicht nur für Chemnitz und Sachsen, sondern auch bundesweit. „Seit Beginn der rassistischen Mobilisierungen durch Pro Chemnitz, PEGIDA, AfD und organisierte Neonazis, die den gewaltsamen Tod des 35-jährigen Daniel H. in Chemnitz instrumentalisieren, fühlen sich organisierte Rassist*innen und Neonazis überall in Deutschland ermutigt“, warnt Robert Kusche vom Vorstand des Verbands der Opferberatungsstellen (VBRG). „Für die Angegriffenen – insbesondere Migrant*innen, Geflüchtete, Schwarze Deutsche und Menschen, die sich gegen Neonazismus und für Geflüchtete engagieren – ist es ein weiterer Schlag ins Gesicht, wenn rechte Gewalt und rassistische Hetzjagden durch politisch Verantwortliche geleugnet werden. „Damit werden die Täter*innen gestärkt und den Opfern wird signalisiert, dass ihre Erfahrungen, ihre Angst und ihre Verletzungen nicht relevant sind,“ kritisiert Robert Kusche. „Wir brauchen dringend klare Signale politischer Solidarität für die Opfer rechter und rassistischer Gewalt. Leugnen, Verharmlosen und Kleinreden stärkt hingegen die Täter und ihre Sympathisant*innen“, betont Robert Kusche.
Die RAA Opferberatung Sachsen hat alleine seit dem 26. August 2018 insgesamt 24 Körperverletzungen und 11 Fälle von Nötigung/Bedrohung in Chemnitz registriert, die sich gegen Migrant*innen, Journalist*innen und Gegendemonstrant*innen richteten.[1] „Wir erfahren täglich von weiteren rechten Gewalttaten in Chemnitz. Bestürzt hat uns, dass vermummte Angreifer am Montag, den 3.9. auch den Inhaber des jüdischen Restaurants „Shalom“ in Chemnitz verletzt und dabei „Judenschwein, verschwinde aus Deutschland“ gerufen haben“, sagt Andrea Hübler von der RAA Sachsen. „Wir befürchten, dass dem für den morgigen Freitag, den 7.9.2018 angekündigten Aufmarsch von Pro Chemnitz[2] weitere Angriffe folgen werden.“
Organisierte Rassist*innen und Neonazis begreifen die Parole „holen wir uns unser Land zurück“, mit der am Sonntag, den 26. August 2018 für die rassistische Hetzjagd in Chemnitz mobilisiert wurde, die unzureichende Strafverfolgung und die nachfolgenden Mobilisierungen in Chemnitz als Aufforderung, in Sachsen und bundesweit zuzuschlagen.
Bundesweite Nachahmungstaten
Beispielhaft zeigt sich dies anhand der nachfolgenden Fälle: In München (BY) versammelte sich spätabends am 25./26. August 2018 im Stadtbezirk Bogenhausen eine 30-köpfige Gruppe bundesweit aktiver IB-Kader, um „Heil Hitler“ und andere NS-Parolen brüllend Passanten anzupöbeln und an Treffpunkten politischer Gegner NS-Parolen zu hinterlassen.[3] Schon am 23. August 2018 hatten in Berg am Laim zwei Männer an einer roten Ampel unvermittelt die Tür eines Autos mit drei jungen Migranten aufgerissen, den Fahrer getreten und geschlagen und dabei rassistische Parolen gerufen.[4] In Altena (NRW) wurde am 29. August 2018 ein 17-jähriger Syrer kurz vor Mitternacht auf der Straße rassistisch beleidigt und von drei Männern angegriffen, die ihn u.a. im Gesicht verletzten.[5] In Wismar (MV) wurde am späten Abend des 29. August ein 20-jähriger Flüchtling aus Syrien durch drei extrem rechte Angreifer in einem Park gezielt mit Schlagringen ins Gesicht und auf den Oberkörper geschlagen und rassistisch beschimpft.[6] In Sondershausen (TH) wurde am 29. August 2018 ein 33-jähriger Eritreer von vier Männern, die der rechten Szene angehören, schwer verletzt.[7] Am Abend des 30. August 2018 hatte ein Asylsuchender aus Eritrea drei Einschusslöcher in den Fenstern seiner Wohnung in einer Gemeinschaftsunterkunft in Dresden-Gorbitz festgestellt.[8] Am Abend des 1. September wurde in Essen-Borbeck (NRW) ein Mitglied des Essener Integrationsbeirats vor einer Pizzeria angegriffen, auch ein afghanischer Flüchtling, der dem Betroffenen zu Hilfe, wurde von den Angreifern geschlagen.[9] In Brandenburg/Havel (BB) beleidigte am 29. August ein 36-Jähriger seinen 19-jährigen Nachbarn eritreischer Herkunft mit den Worten „Du bist ein Ausländer, du hast hier nichts zu suchen“, bedrohte ihn mit einem Messer und verfolgte ihn anschließend auf offener Straße.[10] Am Abend des 2. September 2018 versuchten sich in einer Kleinstadt bei Leipzig zwei maskierte Männer rassistische Parolen grölend gewaltsam Zutritt zu der Wohnung eines pakistanischen Menschenrechtsaktivisten zu verschaffen. Weil sie damit scheiterten, zogen die Angreifer zum Kleingarten der pakistanischen Familie weiter und schlugen dort auf deren Pkw ein. Im Juli 2018 hatten Neonazis dem Menschenrechtsaktivisten bei einem rassistischen Angriff beide Hände gebrochen.[11] Am Abend des 3. September griff an der S‑Bahnstation in Rostock-Marienehe (MV) ein ca. 45-jähriger Mann drei Studierende aus Aserbaidschan mit einem Knüppel an, brüllte rassistische Parolen und verletzte einen der Studenten.[12]
In Wismar hatte Bürgermeister Thomas Beyer (SPD) den Angriff auf den 20-jährigen Syrer als Ausdruck einer „Pogromstimmung“ bezeichnet und eine zivilgesellschaftliche Mahnwache für friedliches Zusammenleben ausdrücklich begrüßt. „Die klaren Worte von Angela Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert und das Beispiel von Wismar zeigen, dass politisch Verantwortliche Handlungsspielräume haben: Sie können sich auf die Seite der Angegriffen stellen und rechte Gewalt verurteilen und damit wichtige Signale setzen“, sagt Robert Kusche. „Deshalb begrüßen wir auch ausdrücklich, dass sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey für ein Demokratieförderungsgesetz auf Bundesebene einsetzt“. Der Verband hoffe, dass dann auch die Angriffe auf wichtige Träger von Opferberatungsstellen wie beispielsweise in Sachsen-Anhalt durch die dortige AfD-Landtagsfraktion und Teile der CDU ins Leere laufen.
1 Details zu den Angriffen in: Pressemitteilung der RAA Sachsen vom 3.9.2018 Chemnitz eine erste Bilanz: Mehr als 30 Angriffe in einer Woche im Zuge rechter Demonstrationen, www.raa-sachsen.de/newsbeitrag/hemnitz-eine-erste-bilanz.html
2 https://www.facebook.com/144635458901463/posts/2031998376831819/
3 vgl. München-Chronik von a.i.d.a, BEFORE und firm: https://muenchen-chronik.de/25–26-august-2018-ib-ns-parolen-und-neonazistische-poebeleien/
4 vgl. München-Chronik von a.i.d.a, BEFORE und firm: https://muenchen-chronik.de/23-august-2018-rassistischer-angriff/
5 www.presseportal.de/blaulicht/pm/30835/4048938
6 Festnahme nach Angriff auf Syrer, www.taz.de/!5532435/ 7 www.presseportal.de/blaulicht/pm/126723/4049280
8 www.dnn.de/Dresden/Polizeiticker/Einschussloecher-in-Fenstern-einer-Fluechtlingsunterkunft-Staatsschutz-ermittelt
9 www.focus.de/regional/essen/essen-aufgelauert-ueberfall-auf-essener-linken-politiker-staatsschutz-ermittelt-war-das-motiv-rassismus_id_9538126.html
10 https://polizei.brandenburg.de/pressemeldung/bedrohung-mit-messer/1149971
11 vgl. amnesty international: Erneut rassistisch motivierter Angriff auf Menschenrechtler bei Leipzig, www.amnesty.de/informieren/aktuell/erneut-rassistisch-motivierter-angriff-auf-menschenrechtler-bei-leipzig
12 vgl. Mann verprügelt ausländischen Studenten, www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Rostock/Mann-schlaegt-auslaendischen-Studenten-mit-Knueppel
Autor: Kelly
PREMNITZ — Das „Kunsthaus Premnitz“ will die kulturelle Landschaft im westlichen Havelland bereichern. Regelmäßig finden dort Veranstaltungen mit klassischer Musik, Ausstellungen und Lesungen statt. Darüber hinaus suchen die Kunstschaffenden, allen voran Stefan Behrens, aber auch das Gespräch und bieten Sonderveranstaltungen mit Gästen aus der hohen Politik.
Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) war im Mai da. Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer (GRÜNE) wird Mitte Oktober erwartet.
Gestern hieß der Gast Alexander Gauland, seines Zeichens Bundesvorsitzender der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Ein nicht unumstrittener Gast, der wegen seiner relativierenden Äußerungen zur NS-Zeit kaum noch zu TV-Talkshows eingeladen wird und dessen Partei immer offener zu Sympathien für die extreme Rechte, wie zuletzt in Chemnitz, zur Schau trägt. Die grundlegende Frage lautete deshalb vorab: Darf diesem Menschen dennoch ein öffentliches Podium geboten werden?
Boykott oder Gespräch?

Unbekannte gaben darauf offenbar bereits am Morgen ihre Antwort. Im Eingangsbereich zum Grundstück des Kunsthauses lagen, so zeigen es Fotos eines Anwohnenden, dutzende bunte Zettel, die mit antirassistischen Losungen bedruckt waren. Ein Stromkasten am „Kunsthaus“ war zudem mit einem „Fuck AfD“-Graffiti verziert worden.
Doch so einfach wollte es sich Stefan Behrens anscheinend nicht machen. Er wollte dem „Phänomen Gauland“ auf den Grund gehen, ihm zuhören, seine Grundhaltung erforschen und schließlich die Konsequenzen daraus in Bezug auf seine gesellschafts- und staatspolitische Debattenführung analysieren. Hat der AfD-Chef „mittlerweile die Position eines Konservativen verlassen“? Und nähert er sich „reaktionären, fremdenfeindlich, menschenverachtenden, nationalsozialistischen Positionen“ an? Das schienen die entscheidenden Grundfragen, welche den Gastgeber bewegten, dass „Phänomen Gauland“ in sein Haus zu lassen.
Der Einstieg

Das Kunsthaus am Premnitzer See ist ein recht ansehnliches Anwesen, eine in den Jahren 1917/18 errichtete Direktorenvilla mit großen Grundstück und viel Platz für Werke der modernen Kunst. Etwas rustikal und aristokratisch wirkt hingegen der Ort, in dem sich Behrens mit Gauland trifft. Es ist das holzvertäfelte Kaminzimmer, welches mit seinen vielen Gemälden, auch wenn diese eindeutig der Moderne zuzuordnen sind, den Charakter eines konservativen Fürstensitzes vermittelt und somit durchaus geeignet scheint, um den AfD Chef auf „Augenhöhe“ zu begegnen.
Die eine Hälfte des Saales applaudiert dem Gast aus Potsdam, als dieser das Kaminzimmer betritt. Zwei bekannte Funktionäre der AfD, darunter auch der Premnitzer Stadtverordnete der Partei, sitzen im Raum, ebenso wie vier Aktive der extrem rechten Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ und offenbar weitere Sympathisierende Gaulands. Die andere Hälfte des Saales, darunter der Bürgermeister von Premnitz, Ralf Tebling (SPD), weitere Stadtverordnete, u.a. von den Linken, sowie zivilgesellschaftlich Engagierte wirken eher passiv, abwartend.
Dann eröffnet Stefan Behrens, nach einer kurzen Begrüßung, das Gespräch, beginnt mit der Betrachtung der Biografie von Alexander Gauland.
Der junge Gauland – Studium statt Tagebau

Der heutige AfD Chef wurde 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg, in der Zeit des Nationalsozialismus, den er später einen „Vogelschiss“ in der langen Geschichte Deutschlands nennen wird, geboren. Der Vater von Alexander Gauland war sächsischer Offizier, soll seinen Sohn nach einem russischen Zaren benannt haben. Das Wohnumfeld ist großbürgerlich. Seine Schule im nunmehr in „Karl-Marx-Stadt“ umbenannten Chemnitz trägt den Namen „Friedrich Engels“. Trotz aller späteren Differenzen zur DDR lobte Gauland gestern deren Erziehungssystem. Er durfte dort sogar 1959 Abitur machen – ein außergewöhnliches Privileg in diesem Land. Ein Studium zu beginnen, soll ihm aber versagt gewesen sein. Dies war aber anscheinend nicht der allein ausschlaggebende Grund für seine nun folgende Flucht in die Bundesrepublik, so Gauland gestern in Premnitz. Vielmehr sollte sich der heutige Vorsitzende der selbsternannten „neuen Arbeiterpartei“ AfD in der Produktion bewähren und in einem Tagebau in Lauchhammer arbeiten. Davon hielt Gauland jedoch aber nichts und floh daraufhin nach West-Berlin, wo er in der Notaufnahmeeinrichtung Marienfelde aufgenommen wurde. Einen politischen Hintergrund für seine Flucht dementierte der AfD Chef gestern noch einmal deutlich. Später siedelte er in die Bundesrepublik über und konnte dort in Marburg und Gießen Jura studieren
Der konservative Gauland
In den 1970er Jahren machte Gauland schnell Karriere in der CDU, war u.a. in deren Bundestagsfraktion in Bonn tätig und traf dort auf prominente Vertreter des „nationalkonservativen Flügels“ der CDU. Insbesondere Alfred Dregger deutete er gestern als persönliches Vorbild an.
Tatsächlich blieb der Konservatismus ein Lebensthema für Gauland. Auch gestern war sein Buch: „Anleitung zum Konservativsein“ eine Stunde lang Hauptgesprächsstoff zwischen ihm und Moderator Stefan Behrens. Ausführlich wurde über die darin hauptsächlich vorkommenden historische Figuren, Edmund Burke und Friedrich der Große, sowie über ihre staatspolitischen Ansichten debattiert. Nicht allerdings zur Freude des Publikums, welches augenscheinlich dem Zwiegespräch zwischen Behrens und Gauland nicht immer folgen konnte.
Erst als die Aussagen des AfD-Chefs kerniger wurden, seine Abneigung gegenüber den 68ern – die er quasi als „Urkatastrophe“ der heutige Verhältnisse bzw. als Hauptgegner des Konservatismus sieht – deutlich zur Sprache kamen und hinsichtlich der Flüchtlingssituation die Töne nationalistischer wurden, wurde der Saal wieder munterer. Die Diskussion hatte nun Gaulands Lieblingsthema erreicht.
Ohne Alternativen für Deutschland

Ausgiebig äußerte sich der AfD Chef nun über vermeintliche Ängste in der Bevölkerung und zu Übergriffen von Geflüchteten. Zu anderen Themen, wie Jugend oder Rente, wollte er sich hingegen nur sehr kurz positionieren.
Eine jüngere Frau, die fragte ob die „Alternative für Deutschland“ auch für Jugendliche aktiv ist, erhielt die knappe Antwort: Ja, wir haben einen Jugendverband.
Eine ältere Frau, die nachfragte was zur Rente im Bundesprogramm der AfD steht, wurde sinngemäß mit den Worten abgefertigt: Geben sie mir ihre Emailadresse, dann schicke ich es ihnen.
Selbst auf die Frustration mancher „besorgter Bürger“ hatte Gauland, zumindest wenn es um prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Altersarmut oder Mittellosigkeit ging, keine tragfähige Lösungen oder auch nur den Ansatz eines Konzeptes parat.
Resümee
Die AfD bediene sich lediglich Projektionen, um Politik zu machen, so eine ehemalige Psychologin am Ende des Premnitzer Gesprächs in einem Statement an Gauland. Es werden keine politischen Lösungen gesucht, sondern der Frust auf die Schwächsten in der Gesellschaft abgewälzt und so vor allem in Geflüchteten „Schuldige“ an der vermeintlichen „Misere“ im Land gefunden.
Doch, und das wurde gestern in Premnitz ebenfalls klar, es geht der AfD eben nicht nur, um die Ausschaffung von Geflüchteten, egal ob straffällig oder nicht.
Gauland will die ideologische Wende, die Revision der bundesrepublikanischen Werte seit Ende der 1960er Jahre. Seine „Alternative für Deutschland“ steht für einen neuen Konservatismus, der nicht nur die demokratischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte überwinden will, sondern auf dem besten Wege ist, den historischen Fehler der „alten“ Konservativen zu wiederholen: mit den Völkischen gemeinsam „Staatspolitik“ betreiben zu wollen.
Dieses Wir ist natürlich in all den Jahren stets in Veränderung. Immer wieder kommen und kamen neue Menschen, neue Ideen, neue Eindrücke. Eingesessene Menschen bleiben, ziehen weiter, lassen Spuren bei uns, kommen manchmal zurück.
Was uns aber immer verbindet, ist eine Idee von einer linken und gerechten Welt, die wir in unseren vergangenen Häusern und nun im gegenwärtigen Haus täglich versuchen im Kleinen zu verwirklichen. Nun ist es 25 Jahre her, als die Idee von einem selbstverwalteten, linken Hausprojekt in Neuruppin in den Köpfen und Herzen einiger Jugendlicher begann und durch eine Hausbesetzung 1993 umgesetzt wurde. Den Anfang und die gesamte Zeit, die bis heute mit unterschiedlichen theoretischen, politischen, kreativen und liebevollen Inhalten und Aktivitäten gefüllt wurde, wollen wir feiern!
Dafür laden wir euch zu unser Jahresfeier am 24.08 und 25.08 in der Bahnhofstrasse 10a in Neuruppin ein. Das Wochenende wird aus Konzerten, Work-Shops, Lesungen, Nachmittagsangeboten für Kinder, Kicker- und Flunkyballturnieren, Küfa und Sport bestehen.
Die Uhrzeiten und Inhalte der einzelnen Events, das LineUp, weiteres Programm, usw. werden in kommender Zeit noch veröffentlicht. Haltet euch also das Wochenende frei und bringt Freund*innen und gute Laune mit! Wir freuen uns auf euch.
Eure MittenDrin-Crew
Wir möchten uns bedanken bei allen, die das Camp so wundervoll gemacht haben. In erster Linie wollen wir ganz großes Lob an bei den Teilnehmenden aussprechen. Eure Mitwirkung, der respektvolle Umgang miteinander, auf einander aufpassen – es hat einfach alles gepasst. Über euer positives Feedback haben wir uns besonders gefreut und eure Anregungen nehmen wir uns sehr zu Herzen. Dann möchten wir uns natürlich für die vielen Helfer*innen vor Ort und im Vorfeld bedanken, die bei der Planung und der Durchführung des Camps unermüdlichen Einsatz gezeigt haben. Ein weiter Dank geht an die großartige KüFa und die tolle Zusammenarbeit mit dem Koch-Team. Außerdem wollen wir uns bei bei allen Referent*innen für die interessanten Inputs und anregenden Diskussionen bedanken. Ein weiterer Dank geht an die Opferpespektive. Nicht nur die Ausstellung, die an Opfer rechter Gewalt in Brandenburg nach 1990 erinnert, sondern auch die Exkursion nach Wittstock, bei der in einer kleinen Aktion an Kajrat Batesov gedacht wurde, führte uns die Dimension rechter Gewalt vor Augen. Ein weiterer Dank geht an Grandioso-Versand & Textildruck und das PCB – Kollektiv für die Unterstützung, und an Entartist, PC TOYS, Lady Lazy, Jameric, United And Strong, Kaput Krauts, FemHoolz, Schnöselpöbel und Rüpelhaft statt Einzelhaft, die uns die Abende und die Nächte versüßt haben. Und schließlich ein ganz spezieller Dank an die Locals für die tolle Zusammenarbeit und die Bereitstellung des schönen Geländes.
Natürlich ist nicht alles perfekt gelaufen. Im Großen und Ganzen wurden unsere Erwartungen fast schon übertroffen. Wir sind mehr als zufrieden und sehr motiviert das JWD Camp weiter zu führen!
Wir sind sehr gespannt wir ihr das Camp fandet. Falls ihr Lob, Kritik oder Anregungen habt, oder gerne mitmachen wollt, könnt ihr uns gerne über unsere Kontaktadresse kontakt [ät] jwd-camp.org erreichen.
So weit von uns.
Danke noch mal und vielleicht bis zum nächsten Jahr! <3
Das Frierock-Festival wird 20 Jahre alt
Die Besucher des alternativen Rock-Festivals gehen in diesem Jahr auf eine Zeitreise:
Bands aus zwei Jahrzehnten bringen die Freilichtbühne in Friesack zum Beben. Aus den verschiedensten Orten Deutschlands und der Welt reisen die Künstler zum Festival an und präsentieren eine Mischung aus Punk, Ska, Rock und Hardcore. Das Publikum darf sich erneut auf die Glam-Punk Kombo “Eat Lipstick” aus Berlin freuen, die mit ihrem schillernden Outfit und ausdrucksstarken Bühnenshow beeindrucken. Ausgelassene Stimmung bei der Aftershow Party am Freitag ist garantiert, denn “Anita Drink und The Shredder” werden auch in diesem Jahr an den Turntables rotieren.
Straßenmusiker und Singersongwriter “Kay” aus Potsdam wird das Frierock-Festival mit melodischen Klängen auf der Gitarre eröffnen. Die Punkband mit Cello “Guts Pie Earshot” überzeugt mit ihrer experimentellen Mischung aus tanzbarem Techno, Breakbeat, Punk, Jazz und World Music. Extra für das Frierock-Jubiläum hat sich die Hardcore-Band “Entrophy” aus OPR wiedervereint. Auch zwei Bands aus Rostock sind vertreten. Die “Crushing Caspars” bringen Baltic Sea Hardcore nach Friesack: ein Mix aus Oldschool Hardcore, Punk Rock und brüllendem Rock’n’Roll. Die Rostocker Spaßkapelle “Antispielismus”, bestehend aus neun verrückten, sympathischen Musikern, reist mit diversen Zupf‑, Schlag- und Blasinstrumenten an und lädt mit Ska zum Tanzen ein. Mit “ABM” aus Rathenow, “Scrap” aus Brandenburg Havel und der Hausband “Punch up Pogos” aus Elstal gibt es Metal und Punkrock aus der Region auf die Ohren. Wer “Rage Against the Machine” mag, sollte auf keinen Fall “Maggies Farm” aus Potsdam verpassen. Die weiteste Anreise haben die Jungs von “Oferta Especial”, die feinsten rockigen Ska Punk aus Madrid im Gepäck haben. “Alle guten Dinge sind drei”, denken sich “A Pony Named Olga”, die aus Berlin eingeritten kommen. Mit akrobatischen Einlagen auf dem Kontrabass und Polkabilly haben sie die Frierock-Crowd längst in ihren Bann gezogen. Mit Posaunen, Akkordeon und Trompeten setzt das “SkaZka Orchestra” aus Berlin die Segel, um am Rhinkanal den Anker zu werfen. Den Ausklang geben mit “Mad Dub” Freunde des Festivals mit jazzigem Elektro-Dub aus Berlin.
Kulinarisch kommen die Besucher an diversen Essensständen mit fleischhaltigen, vegetarischen und veganen Speisen auf ihre Kosten. So etwa am Mexican-Food Truck aus Potsdam. Ebenfalls fährt ein Bierwagen vor und am Cocktailstand “Goldstaub” bekommen die Besucher den richtigen Mix. Auch das traditionelle Fußballturnier um den Frie-ROCK am Samstag gehört wie jedes Jahr dazu. Unter dem Motto ” Das Publikum macht mit” füllt der neugegründete Friesacker “Land in Sicht e.V.” mit einer interaktiven Performance einen neuen Programmpunkt. Mit der Fortführung der Frierock-Racker-Zone bleibt das Rockfestival bewusst familienfreundlich. Als visuelles Highlight sorgt in diesem Jahr eine Feuershow und anlässlich des großen Jubiläums erwartet alle eine ganz besondere Überraschung!
Tickets für das gesamte Wochenende, inklusive Camping, kosten 20 Euro. Sie sind ausschließlich an der Abendkasse erhältlich. Einlass ist am Freitag, den 10. August, ab 16 Uhr.
Wir würden uns freuen, wenn Sie unser kleines, feines Festival in Ihren Medien ankündigen und sind froh über jegliche Berichterstattung.
Hier noch der Link zur Homepage, ein Link zu einem tollen rbb-Heimatjournal-Beitrag und ein Link zum Video-Zusammenschnitt aus dem Jahr 2017.
Es sollte die große Abrechnung mit Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (Linke) werden. Offen wurde bereits in der Veranstaltungsankündigung im Internet ihr Rücktritt vom Ministeramt gefordert. Doch in den Redebeiträgen von Christian Kaiser und Elke Metzner, die heute die Hauptredenden bei der Kundgebung des extrem rechten Bürgerbündnisses Havelland waren, blieben die Anfeindungen gegen Golze und andere Politiker – im Vergleich zum üblichen Niveau der Veranstaltungsreihe – eher unspektakulär und marginal. Stattdessen strotzten die Reden vor allem wieder von Anfeindungen u.a. gegen Geflüchtete, „Arbeitsunwillige“ und insbesondere gegen den „linksversifften Multikultistaatsapparat der BRD“, der aus Sicht von Veranstaltungsteilnehmenden keine Politik in ihrem Sinne mache. Entsprechend läge der Fehler schon längst nicht mehr im System – das „System“ sei „der Fehler“, so Kaiser in seinem Redebeitrag.
Für fehlerhaft hielt der Vorsitzende des „Bürgerbündnisses Havelland“ e.V. offenbar auch den Straftatbestand der „Volksverhetzung“ und solidarisierte sich erneut mit der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Zudem begrüßte er die „Schutzzonen“-Propaganda der NPD und äußerte sich positiv gegenüber so genannten „Bürgerbewehren“.
Ein anderer Veranstaltungsteilnehmer sah hingegen vor allem anwesende Presse als Feindbild und versuchte auf einen Fotografen loszugehen. Ein Security-Mann verhinderte schließlich Tätlichkeiten.
Trotz geringer Teilnehmendenzahl und politischer Bedeutungslosigkeit geht von einigen Veranstaltungsgästen also nach wie vor eine hohe Aggressivität aus, die möglicherweise aus einer Mixtur aus einem falschen Rechteverständnis und Rechthaberei heraus resultiert.
Zu dem scheinen die Veranstaltenden auch nur bedingt Interesse zu haben, ihre Gäste im Zaum zu halten. Redner, wie Wolfgang Hoppe, scheinen jedenfalls an keiner Deeskalation interessiert zu sein. Er drohte einmal mehr vom Podium aus, gegen einen namentlich genannten Pressevertreter vorzugehen.
Beinahe harmlos wirkte dagegen der letzte Redner Ralf Maasch, der angesichts hoher Temperaturen kurz und knapp alle Zuhörenden aufforderte für „arme Tiere“ ein bisschen Wasser herauszustellen. Für Geflüchtete hat er allerdings kein Mitgefühl, wenn die Botschaft auf seinem T‑Shirt richtig gedeutet wird. Darauf werden sie indirekt als kriminelle Subjekte entmenschlicht, für die „Politiker“ haften würden.
Insgesamt nahmen 20 Personen an der abendlichen Versammlung des „Bürgerbündnisses“ teil.
Auch die Außenstelle des BAMF in Eisenhüttenstadt gehört zu den zehn Standorten, die aufgrund der vom Standard abweichenden Entscheidungen überprüft werden soll. Zurecht, denn in Brandenburg liegt die Anerkennungsquote bei Asylentscheidungen weit unter dem Bundesdurchschnitt, hiesige Quoten weichen zum Teil bis zu vierzig Prozent von diesem ab.
Brandenburgs verheerende Asyllotterie
Eine Verteilung nach Brandenburg bedeutet für viele Geflüchtete eine weit geringere Chance auf Schutz und Anerkennung ihrer Fluchtgründe. Das zeigen die Anerkennungszahlen des letzten Jahres im Vergleich zum Durchschnitt der Bundesländer:
Afghanistan: 31,7% in Brandenburg, 47,3% Bundesdurchschnitt
Iran: 16% in Brandenburg, 58,4% Bundesdurchschnitt
Irak: 51,8% in Brandenburg, 64,4% Bundesdurchschnitt
Somalia: 75,7% in Brandenburg, 83,1% Bundesdurchschnitt
Türkei: 6,8% in Brandenburg, 29,9% Bundesdurchschnitt
Das Recht auf ein faires Asylverfahren wird außerdem massiv eingeschränkt durch die fehlende Asylverfahrensberatung in der Erstaufnahmeeinrichtung in Brandenburg. Fehlende Beratung bedeutet für Schutzsuchende, dass sie Fluchtgründe im Rahmen des Asylverfahrens nicht in vollem Umfang geltend machen können sowie einen erschwerten Rechtsweg.
Tempo statt Sorgfalt bei Asylverfahren
Von der Politik angetrieben wurde nach 2015 alles unternommen, um mit schnell angeworbenen und schlecht geschulten Entscheider_innen bis zur Bundestagswahl ein Höchstmaß an Asylentscheidungen zu treffen. Deren Qualität war bis Herbst 2017 kein Thema. Gut bezahlte Unternehmensberatungsfirmen wurden engagiert, um die Abläufe zu optimieren. Im Vordergrund stand das Tempo. Genauigkeit und Sorgfalt der Entscheidungen, wie es für die Prüfung einer möglichen Grundrechtsgewährung angemessen ist, trat bundesweit in den Hintergrund. Dies hatte hunderttausende mangelhafte Asylentscheidungen zur Folge, was der eigentliche Skandal ist, über den kaum gesprochen wird.
Verwaltungsgerichte als Korrektiv für BAMF-Schlamperei
Auch bundesweit sind die Schutzquoten 2017 im Vergleich zu 2016 drastisch gesunken, obwohl sich die Situation in den Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge seit 2015 – wie etwa in Afghanistan – in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert hat.
Dies ist zurückzuführen auf neue Vorgaben und Leitsätze der BAMF-Führung und letztlich des Bundesinnenministeriums. Die politisch motivierte, systematische Absenkung der Zahl positiver Entscheidungen durch eine Änderung der Anerkennungskriterien und die inakzeptable Fehlerquote bei negativen Entscheidungen werden in der einseitigen öffentlichen Debatte nicht thematisiert. Die hohe Erfolgsquote der Klagen vor den Verwaltungsgerichten zeigt die strukturellen Mängel bei den BAMF Entscheidungen. Dabei folgte das BAMF offensichtlich der Devise: Unser Korrektiv sind die Verwaltungsgerichte – anstelle einer wirklichen Qualitätskontrolle im Hause selbst.
Ende 2017 waren über 370.000 Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anhängig. 2017 hatten 40,8 Prozent der Kläger_innen Erfolg (bereinigte Schutzquote). Fast die Hälfte der überprüften Asylbescheide wurde also durch die Verwaltungsgerichte korrigiert – bei syrischen und afghanischen Asylsuchenden waren es sogar über 60 Prozent. Etwa 32.500 Fehlentscheidungen des BAMF mussten im Jahr 2017 von den Gerichten zu Gunsten von Geflüchteten korrigiert werden. Hinzu kommen etwa 4.500 Fälle, in denen das BAMF die eigene Entscheidung im Sinne der Betroffenen korrigiert hat.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg fordert eine umfassende Qualitätskontrolle im Bundesamt, wie PRO ASYL und viele weitere Verbände und Organisationen dies schon seit Jahren fordern.
Verweise
1http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/003/1900385.pdf <https://deref-gmx.net/mail/client/-icjb_Svlio/dereferrer/?redirectUrl=http%3A%2F%2Fdip21.bundestag.de%2Fdip21%2Fbtd%2F19%2F003%2F1900385.pdf>_
2https://www.proasyl.de/news/breite-kritik-an-maengeln-in-asylverfahren-und-abschiebungen-ins-unsichere-afghanistan/
3https://www.proasyl.de/news/memorandum-zu-asylverfahren-zeigt-qualitaetsmaengel-beim-bamf/
4http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/013/1901371.pdf_
Das extrem rechte Bürgerbündnis Havelland setzte am Dienstagabend seine Kundgebungsserie auf dem Märkischen Platz in Rathenow fort. Es erschienen fünf bekannte Vereinsmitglieder aus Rathenow und Premnitz sowie zehn weitere Sympathisierende der Vereinigung aus Rathenow, Brandenburg an der Havel und Berlin.
Als Versammlungsleiter gab sich Ralf Maasch zu erkennen. Er und zwei weitere bekannte Vereinsmitglieder, darunter auch der, gemäß aktuellem Vereinsregisterauszug, amtierende Vereinsvorsitzende, hielten Redebeiträge. Eine weitere (geplante) Rednerin aus dem extrem rechten Berliner BÄRGIDA-Umfeld hat angeblich witterungsbedingt abgesagt.
Der Vereinsvorsitzende Christian Kaiser kommentierte, in einer für ihn typischen Art und Weise, den Bürgermeisterwahlkampf in Rathenow. Er bedankte sich bei den Wählenden, die für ihn stimmten, und rief dazu auf bei der kommenden Stichwahl den amtierenden Bürgermeister zu wählen: „Liebe Leute geht einfach hin und wählt lieber Ronald Seeger anstatt diese rote Brut. Das ist das Allerletzte. Lasst uns Golze verhindern mit aller Macht“, so Kaiser. Der Vorsitzende des Bürgerbündnisses war, neben Ronald Seeger (CDU) und Daniel Golze (LINKE), einer von fünf Kandidaten für das höchste Amt in der Stadt. Bei der Wahl am 25. Februar 2018 stimmten jedoch nur 813 Wählende für Kaiser, 8.829 hielten andere Kandidaten für geeigneter. Die Wahlbeteiligung lag bei 46,7 %.
Trotz des deutlich niedrigen Wahlergebnisses für Kaiser bekräftigte dieser auch am Dienstagabend seine Absichten auch künftig in der Kommunalpolitik mitmischen zu wollen. Zwar wolle er sich beim Bürgerbündnis vorerst von der Bühne zurückziehen, sich jedoch politisch weiter schulen. Dabei deutete Kaiser auch eine mögliche Kandidatur zu den Wahlen zur Rathenower Stadtverordnetenversammlung an.
Nach zwei weiteren kurzen Redebeiträgen von Vereinsmitgliedern aus Rathenow endete die Versammlung des Bürgerbündnisses Havelland witterungsbedingt vorzeitig nach 40 Minuten. Den Dauerdemonstrierenden war es offensichtlich zu kalt.
Der Landkreis Barnim hat die Entwicklung eines Konzepts für Sprachmittlung in Auftrag gegeben und will demnächst darüber beraten und entscheiden, ob und wie es umgesetzt wird. Dabei geht es darum, für Behördentermine, Arztbesuche, Beratungen u.ä. einfacher als bisher Sprachmittler_innen hinzuziehen zu können.
Das Fehlen von Sprachmittler_innen ist häufig ein Problem, für die Betroffenen, die (noch) nicht gut Deutsch sprechen ebenso wie für Ärzt_innen, Ämter und andere. Ärzt_innen können Menschen nicht sinnvoll beraten, wenn die Verständigung nicht funktioniert. Beim Grundsicherungsamt, Jobcenter und anderen Stellen haben die Angestellten häufig mehr Arbeit, wenn sie nicht richtig verstanden werden. Betroffene wiederum haben Rechte gegenüber den Ämtern und müssen ihre Rechte kennen, verstehen und dafür einstehen können. Wenn schon hier Aufgewachsene oft nur schwer bürokratische Begriffe und Vorgänge verstehen können, wie soll es dann jemand können, der noch nicht lange genug hier lebt, um die Sprache so gut zu beherrschen?
Diesen Problemen soll ein Sprachmittlungs-Konzept entgegenwirken. Die Initiative „Barnim für alle“ begrüßt es sehr, dass der Landkreis das Thema angeht. Bisher gibt es lediglich den Verein „Kontakt e.V.“ als unabhängige Stelle, die Sprachmittler_innen in begrenztem Umfang vermitteln kann und der für einzelne Übersetzungsleistungen vom Grundsicherungsamt eine Erstattung bekommt. Ein Sprachmittler_innen-Pool, über den Betroffene als auch Ämter, Ärzt_innen usw. unkompliziert Sprachmittler_innen für Termine buchen können, würde dem Abhilfe verschaffen. Der Landkreis hofft, einen solchen Sprachmittler_innen-Pool rein aus Ehrenamtlichen aufbauen zu können. In diesem Ansatz sieht die Initiative „Barnim für alle“ mehrere Probleme:
‑Nur eine angemessene Vergütung kann Professionalität und kontinuierliche Qualität sichern, denn ehrenamtliche Sprachmittler_innen sind davon schnell überfordert, wenn sie keine oder keine ausreichende Aus- und Fortbildung und Berufspraxis haben.
‑Bezahlte Sprachmittler_innen können ihre Kenntnisse vertiefen, wenn sie regelmäßig dolmetschen und nicht einer anderen Vollzeit-Erwerbsarbeit nachgehen müssen.
‑Eine klare Rollentrennung zwischen Dolmetschen und ehrenamtlichem Unterstützen ist notwendig, um die Neutralität der Sprachmittlerin/ des Sprachmittlers zu sichern.
In vielen Städten und Landkreisen gibt es staatlich finanzierte Sprachmittlungs-Konzepte, die die Sprachmittler_innen angemessen bezahlen. In Städten wie Osnabrück und Hannover werden mind. 20,00 Euro/ Stunde bezahlt. In Hennigsdorf im Landkreis Oberhavel bekommen Sprachmittler_innen immerhin Aufwandsentschädigungen, wenn auch (noch) keine Honorare.
Die Inititative „Barnim für alle“ fordert den Landkreis auf, ein Sprachmittlungs-Konzept zu beschließen, das eine angemessene Vergütung vorsieht, um die nötige Qualität zu gewährleisten. Dazu müsste ein Finanzierungskonzept entwickelt werden, das beachtet, wie viel Arbeitszeit und damit Kosten den jeweils beteiligten staatlichen Stellen (Ämter, Schulen,…) zusätzlich entstehen, wenn es keine funktionierende Sprachmittlung gibt. Jede dieser staatlichen Stellen könnte sich an der Übernahme der Kosten beteiligen.
Unter dem Motto „Cottbus unerhört!“ lädt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) am 01. März 2018 zu einer zweifelhaften „Diskussionsplattform“, um über die Probleme in Cottbus zu debattieren, die laut Ankündigungstext seit Beginn des Jahres bestehen. Zur Veranstaltung sind auch der neurechte Verein Zukunft Heimat und eine lokale AfD-Vertreterin geladen. Wer aber politisch Andersdenkende als “Volksverräter” bezeichnet, kann kein Dialogpartner sein.
Auf den Demonstrationen von Zukunft Heimat gehören Rufe wie “Volksverräter” und “Lügenpresse” zum Standardritual - beinahe wie das Amen in der Kirche. Auch am 24. Februar riefen hunderte Demonstrationsteilnehmende “Volksverräter” während einer Rede des Geschäftsführers der AfD-Bundestagsfraktion Hansjörg Müller gegen alle anderen Parteien im Bundestag. Götz Kubitschek hatte zuvor Politik und Zivilgesellschaft zum Feind der Demonstrierenden erklärt — ebenfalls unter Volksverräter-Rufen.
Dazu erklärt Luise Meyer: “Wer Volksverräter ruft, will keinen Dialog. Er entzieht einem potentiellen Dialog die Grundlage, indem er politisch Andersdenkende, MedienvertreterInnen und PolitikerInnen zu Volksfeinden erklärt. In biederer Maske wollen AfD und Anhänger gerade keinen politischen Meinungsaustausch, sondern sie bereiten bereits die nächsten Demonstrationen vor, auf denen gegen politisch Andersdenkende und Flüchtlinge gehetzt wird — und Volksverräter-Rufe gehören zu jeder ihrer Demonstrationen.”
Während und nach den Demonstrationen von Zukunft Heimat kam es in der Vergangenheit zu mehreren gewalttätigen Übergriffen. “Menschen haben Angst in die Innenstadt zu gehen, wenn Zukunft Heimat dort demonstriert. Nachweislich befinden sich jedes Mal gewalttätige Neonazis unter den Teilnehmenden. Und diese rufen nicht nur Volksverräter, sondern werden handgreiflich.” fährt Luise Meyer fort. “Das politische Spiel ist doch ganz einfach: die AfD und ihre Vorfeldorganisation Zukunft Heimat schüren Ängste in der Bevölkerung, um sich dann selbst als Lösung anzubieten. Da spielen wir nicht mit.”
Darüber hinaus kritisiert Cottbus Nazifrei die zeitlich verkürzte Betrachtung von Vorfällen erst ab Januar 2018. So wurde beispielsweise am 28.06.2017 eine junge Afghanin auf dem Weg nach Hause mit ihren beiden Kindern von einer Frau angegriffen und mit einem Messer bedroht. Die Frau flüchtete in ihre Wohnung, die gerufene Polizei konnte das Messer kurze Zeit später sicherstellen. Am 23.06.2017 griffen in Guben mehrere Personen einen aus Afghanistan stammenden Vater und seinen 13-jährigen Sohn an, prügelten den Vater bewusstlos und verletzten seinen Sohn mit einem Messer. Weitere Übergriffe auf Geflüchtete und FlüchtlingshelferInnen sind auf der Internetseite des Vereins „Opferperspektive e.V.“ dokumentiert. Cottbus bildete in ganz Brandenburg 2016 die einsame Spitze bei Anzahl und Anstieg rassistischer und rechter Angriffe.
Der Verein Zukunft Heimat, der eng mit der AfD zusammenarbeitet, bereitete sich schon mindestens seit Mai 2017 auf seine Angstkampagne vor, die seit September im Vorfeld des Stadtfestes angekündigt wurde. Auch die Veranstaltung des rbb am 1. März ist also Ergebnis einer fremdenfeindlich motivierten und teilweise rassistischen Kampagne, die Angst in der Bevölkerung schüren und einen Keil zwischen CottbuserInnen und Geflüchteten treiben soll.