An der nunmehr dritten Versammlung des flüchtlingsfeindlichen „Bürgerbündnisses Rathenow“ haben sich wieder mehrere hundert Menschen beteiligt. Schätzungen gehen von ungefähr 400 Personen aus. Die Veranstaltung wurde erstmals auch als Demonstration durch einen Teil der Stadt durchgeführt. Während des Marsches durch die Goethestraße entzündeten mehrere bekannte Neonazis aus Rathenow und Premnitz auch Brandfackeln und verliehen dem Aufzug so den Charakter eines Fackelmarsches. Allerdings blieb die Anzahl der Versammlungsteilnehmer_innen, die dem neonazistischen Milieu zugeordnet werden konnten, relativ konstant bei ungefähr 50–60 Personen, also innerhalb der Versammlung deutlich in der Minderheit. Dennoch war wieder zu beobachten, dass diese Personenkreise die Veranstaltung benutzten um sich zu inszenieren. Weiterhin war die Steigerung einer aggressiven Grundstimmung bei einem Großteil der Versammlungsteilnehmer_innen deutlich spürbar. Eine Gegenveranstaltung gab es übrigens nicht. Das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ wollte jeglichen möglichen Konflikt aus dem Weg gehen. Stattdessen wurden an Straßenlampen Schilder angebracht, die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen entkräften sollten. Zudem wurde durch die Kirche ein Friedensgebet als Protest zur der Veranstaltung des Bürgerbündnisses angeboten. An diesem beteiligten sich ungefähr 30 Menschen. Den Versuch eines direkten Protestes gab es hingegen nur in der Berliner Straße, wo sich eine kleine Gruppe von ungefähr zehn alternativen bzw. antifaschistischen Jugendlichen gesammelt hatte.
Ton wird schärfer
Deutlich mehr Menschen standen hingegen wieder auf dem Märkischen Platz, wo ab 18.30 Uhr die Auftaktkundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ stattfand. Viele kamen auch wieder mit der Nationalflagge oder der Fahne des Landes Brandenburg. Akzeptiert wurde aber anscheinend auch revisionistisch anmutende Beflaggung des heute zur Republik Polen gehörenden Gebietes „Westpreußen“ sowie die seit den 2010er Jahren hauptsächlich von Gruppen der extremen Rechten genutzte, so genannte „Wirmer-Flagge“. Bisher sind die Veranstalter_innen offenbar um eine Geschlossenheit ihres „Volkes“ bemüht. Bemerkenswert ist diesbezüglich auch eine schleichende Radikalisierung in der Gestaltung der Reden. Nicht nur Ressentiments gegen Flüchtlinge werden immer wieder ausgiebig artikuliert, sondern auch Menschengruppen, die sich nicht dem kollektiven Rausch der Demagogen auf dem Märkischen Platz hingeben, als „Lügenpresse“ oder „Volksverräter“ verunglimpft. Dabei wird zum Teil auch nicht davor zurückgeschreckt bewusst Unwahrheiten zu verbreiten, um das „Volk“ anzustacheln. Die permanente Abwertung dieser Feindbilder, bei zunehmender Aggressivität wirkt, von außen betrachtet, immer bedrohlicher und könnte in Zukunft durchaus zu einer Senkung der Hemmschwelle zur Ausübung physischer Gewalt führen, zumal in den Reihen des „Bürgerbündnisses“ auch viele bekannte Gewalttäter mitlaufen.
Wieder einschlägige Neonazi-Ordner
Zum Teil waren beispielsweise bei der zweiten Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“ in der vergangenen Woche sogar gewalttätige und diesbezüglich vorbestrafte Neonazis, die zudem mehrfach an NPD Versammlungen teilnahmen, als Veranstaltungsordner eingesetzt. Zwar wurde die Parteinähe der Ordner durch den Sprecher des havelländischen „Bürgerbündnisses“, Nico Tews, in einem wohlwollenden Interview mit einer Lokalzeitung beharrlich bestritten, diese Personen aber andererseits bei der jüngsten Kundgebung auch nicht mehr aufgestellt. Dafür wurde auf andere, ebenfalls bekannte Neonazis zurückgegriffen. Beispielsweise auf Andy K., einem in den 2000er Jahren aktiven Sympathisanten des NPD Ortsbereiches Rathenow, der wegen Gewalt- und Propagandadelikten vorbelastet ist. Er und eine weitere Person aus dem neonazistischen Milieu sollen u.a. am 11. August 2005 einen 20-Jährigen in der Goethestraße mit einer Bierflasche gegen das Kinn geschlagen haben. Weiterhin war auch der Rathenower Neonazi Thomas L. als Ordner eingesetzt. L. gilt ebenfalls als NPD Sympathisant und nahm in der Vergangenheit an zahlreichen Versammlungen dieser Partei teil. Zu einer Kundgebung der NPD im Jahr 2008 in Premnitz erschien er sogar eindeutig in Parteikluft. Auf alten, damals öffentlich einsehbaren Bildern in einem sozialen Internetnetzwerk posierte er zu dem vor einer Fahne der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN). Heute tritt L. vor allem als „nationaler“ Liedermacher unter dem Pseudonym „TOitonicus“ auf.
Neonazis inszenierten Fackelmarsch
Neben den einschlägig bekannten Ordnern war auch wieder eine Gruppe von 50–60 weiteren Neonazis Teil der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“. Dabei handelte es sich vor allem um bekannte Akteure aus Rathenow, Premnitz, Nauen und Ketzin/Havel. Diese suchten auch heute wieder die Veranstaltung des „Bürgerbündnisses“ für sich zu vereinnahmen. Nach Beendigung der Kundgebung auf dem Märkischen Platz, mit Beginn des vom Veranstalter Christian Kaiser als „Abendspaziergang“ bezeichneten Demonstrationszuges durch die Goethestraße, die Nauener Straße, die Friesacker Straße sowie der Forststraße, entzündeten mehrere bekannte Neonazis aus Rathenow und Premnitz Brandfackeln und verliehen dem gesamten Aufzug so den Charakter eines „Fackelmarsches“.
NPD sucht Anschluss
Auch die NPD, insbesondere in Person des Rathenower Stadtverordneten und Kreistagsabgeordneten Michel Müller, war ebenfalls wieder auf der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ vertreten. Die Partei sucht offenbar nach wie vor eine Brücke zu den bürgerlichen Versammlungsteilnehmer_innen zu schlagen. In der Nacht von Montag zu Dienstag verteilten mehrere Sympathisant_innen der Partei auch Flyer im Stadtgebiet von Rathenow, auf denen u.a. das Konterfei Müllers und sowie flüchtlingsfeindliche bzw. rassistische Parolen abgedruckt waren.
Aktionsbündnis zog sich zurück
Nach dem bekannt wurde, dass sich das „Bürgerbündnis Havelland“ am Dienstagabend erneut auf dem Märkischen Platz sammeln und anschließend sogar als Demonstrationsblock durch die Stadt laufen würde, nahm das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ Abstand von der Ausrichtung einer eigenen Kundgebung mit „Herz statt Hetze“. Als Begründung wurde die Vermeidung einer „weitere(n) Polarisierung“ der Lager angegeben. Ein „Aufbau von Fronten“ sei „mit Sicherheit nicht der Weg zu Lösungen im Sinne eines Miteinanders in der Stadt Rathenow“, so das Aktionsbündnis weiter. Um sich dennoch zu positionieren versuchte „Rathenow zeigt Flagge“ das bürgerliche Publikum des „Bürgerbündnisses Havelland“ mit Fakten und Argumenten zu überzeugen. So wurden beispielsweise bereits am Nachmittag Pappschilder aufgehängt, auf dem jeweils ein Vorurteil und eine entsprechend sachliche Entkräftung abgedruckt waren. Nico Tews vom „Bürgerbündnis Havelland“ ging in seiner Hetzrede tatsächlich auch auf diese Plakate ein, tat sie jedoch als „Wisch“ und „Steuergeldverschwendung“ ab. Ähnlich fruchtlos blieb das Friedensgebet in der Lutherkirche, dass ebenfalls auch als Dialog angeboten wurde. Die „besorgten Bürger_innen“ zogen im Schein der Brandfackeln ohne Gesprächsinteresse an der Kirche vorbei. Immerhin wurde drinnen zumindest über eine künftige Verfahrensweise mit derartigen Veranstaltungen beraten und mögliche Optionen erörtert. Konkrete Gegenaktionen stehen aber momentan offenbar immer noch nicht zur Diskussion, obwohl die Aufgabe eines Standortes für direkte Gegenproteste indes von einigen Menschen als „Rückzug“ vor den Hetzern und ihren teilweise extrem rechten Anhang kritisiert wurde. Die Motivation für eventuelle Gegenveranstaltungen scheint in der Zivilgesellschaft momentan jedoch auch an dem Missverhältnis der Zahlen zu liegen. Zweimal wurde zu Gegenkundgebungen aufgerufen, zweimal war „Rathenow zeigt Flagge“, trotz für Rathenower Verhältnisse erheblichen Interesses, in der Minderheit. Am Dienstagabend sammelten sich zu dem auch nur ungefähr zehn alternative bzw. antifaschistische Jugendlichen für spontanen Protest in der Berliner Straße.
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Kategorie: Antifaschismus
9. November 1938. Überall in Deutschland werden jüdische Einrichtungen angegriffen. Schaufenster werden eingeschlagen, Menschen verprügelt und umgebracht. An vielen Orten wie hier in Potsdam brennen damals die Synagogen. Die Reichspogromnacht war nur der Auftakt für ein noch viel größeres Verbrechen: den zweiten Weltkrieg und die geplante Vernichtung von Millionen von Menschen in ganz Europa. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.
9. November 2015. 77 Jahre danach. Überall in Deutschland gedenken Menschen der Ereignisse von damals, viele wollen aus der Geschichte gelernt haben, wollen eine Welt in der Auschwitz oder ähnliches nicht wieder geschehen könne. Doch nicht alle haben verstanden, nicht alle gelernt, nicht alle suchten die Auseinandersetzung. Wenn heute wieder tausende Menschen gegen Geflüchtete demonstrieren, Heime angreifen, Menschen durch die Städte hetzen, ist klar, dass der Hass und der Rassismus nicht weg sind. Mit dem Abschwächen der rechten Bewegungen Ende der 90er Jahre und dem Rückzug von einigen von ihnen in den Untergrund erschien das Problem eine Zeit lang marginalisiert. Aufmärsche wurden reihenweise gestoppt, eine faschistische Hegemonie konnte dank entschiedener Interventionen durch Bildung, linke Subkultur oder militante Angriffe in vielen Dörfern und Städten gebrochen werden.
Doch scheinbar plötzlich sind sie wieder da. Sie sind viele. Der ganz normale Bürger ist vorn mit dabei. Es gibt kaum Möglichkeiten der Auseinandersetzung. Die Argumente sind irrational. Ängste, Gefühle oder abstruseste Theorien sind in den Augen derer gerade wahr genug um Geflüchtete anzupöbeln oder anzugreifen. Parolen die nichts erklären, eine Kritik durch Angepasste an Allem und am Problem vorbei.
Die Gesellschaft steckt in einer Krise. Die Reproduktionsmöglichkeiten der kapitalistischen Ökonomie stocken. Nur ein Zeichen davon ist die noch die noch nie dagewesene Staatsverschuldung, ein Anderes, menschlicheres die Fluchtbewegung von Millionen aus der ausgebeuteten und verarmten südlichen Hemisphäre in den reichen Norden. In weiten Teilen der Welt fehlt zunehmend die Grundlage menschenwürdigen Lebens. Noch nie waren die Warensammlung und die Produktivkräfte so groß; und noch nie war die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums ungerechter. Niemals war klarer, dass der Kapitalismus keine angemessene Gesellschaftsform für eine solidarische, selbstbestimmte gerechte Zukunft sein kann, nie war klarer, dass Naturbeherrschung und technische Rationalität nicht Reichtum und Nahrung für alle bedeuten werden. Ganz im Gegenteil.
Das System hat sich mit seiner Logik tief in das menschliche Bewusstsein eingebrannt. Es gibt kein Außen, keine Wirtschaft ohne Tausch. Das Verhältnis zwischen den Menschen und das von Mensch und Natur ist von Ausbeutung und dem Streben nach Mehrwert geprägt. Eine radikale Kritik daran scheint verstellt. Verstellt auch durch die Komplexität der Zusammenhänge. Da liegt die Flucht in einfache Erklärungen nahe. Doch nicht nur die dumpfen
Herrenmenschen mit ihrer deutschen Überlegenheitsphantasie verfallen darin, vor allem die sozialen Verwerfungen auf wahlweise Ausländer, Kommunisten oder Juden zur projizieren. Auch linke Kritik darf sich nicht an der Regierung, an den scheiß; Nazis oder den Banken erschöpfen, sie muss das gesellschaftliche Verhältnis ins Visier nehmen, analysieren, in Frage stellen und in der Konsequenz umwälzen.
November 1918. In Europa tobt der Erste Weltkrieg. Um Territorium und Einflusssphären der imperialen Länder zu vergrößern verrotten Millionen in den Schützengräben in Ost- und Westeuropa. Das erste Mal seit Menschengedenken töten sich Menschen nach industrieller Logik gegenseitig, die Befehlshaber sprechen dabei von “Materialschlachten”, weil Unmengen von Kriegs- und in ihren Augen Menschenmaterial an den Fronten verheizt werden.
Doch am 9. November 1918 ist Schluss damit. Überall im Deutschen Reich, dem maßgebenden Aggressor dieses Krieges revoltieren wie schon 1917 in Russland in allen großen Städten die Arbeiter_innen und Soldaten gegen Krieg, Hunger und Kapitalismus. Sie machen Revolution, viele wollen sich nicht länger ausbeuten und ermorden lassen und lehnen es auch ab die Menschen auf der anderen Seite der Front sinnlos abzuschlachten. In Deutschland wird der Kaiser gestürzt der Krieg beendet und schließlich die Revolution blutig niedergeschlagen.
97 Jahre später ist heute die Erinnerung nur noch blass. Eine radikale Linke ist marginalisiert in Deutschland, eine Arbeiter_innenbewegung, die diesen Namenverdient ist nicht in Sicht, jede Revolte wurde integriert, jeder Aufschrei ist doch wieder verstummt. Doch der Gedanke nach Veränderung ist noch nicht erloschen und wir durch die gesellschaftlichen Verhältnisse täglich neu reproduziert.
Jahr ein Jahr aus wird uns die Alternativlosigkeit herrschender Politik versichert. Nur wer arbeitet und sich ausbeuten lässt hat Anrecht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, nur die Ansiedlung und Subventionierung großer Unternehmen steigert den Konsum und verbessert die Lebensbedingungen, nur die Deregulierung der Märkte verheißen Wohlstand und Reichtum, nur der kapitalistische Staat und seine Institutionen entscheiden was richtig ist und was falsch, Wahlen dienen lediglich zur Legitimierung nicht zur Mitbestimmung. Doch nichts von alledem ist wahr. Die Welt und mit ihr die Menschheit steht am Abgrund. Die Natur wird in einem unvergleichlichen Ausmaß verödet, ausgebeutet und vergiftet, Tierarten ausgerottet, obwohl es anders möglich wäre, zerstört der Mensch seine eigene Reproduktionsgrundlage.
Es ist höchste Zeit dem ein Ende zu bereiten. Die Logik des Kapitals hat abgewirtschaftet. Lasst uns gemeinsam verstehen und hinterfragen, lassen wir uns nichts mehr gefallen, lernen wir wieder zu kämpfen! Kapitalismus ist ein
soziales Verhältnis und hat eine blutige und grausame Geschichte. Dies müssen wir uns klar machen! Denn es heißt, diese Geschichte hat ein Anfang und ein Ende!
Kurzfristig müssen wir unsere Apathie Überwinden, den Faschisten und i“ch bin ja kein Nazi-aber”-Idiot_innen das Leben schwer machen und rassistische Hetze unmöglich machen.
Langfristig bleibt die Aussicht: Befreite Gesellschaft oder Barbarei!
Am Morgen des 07. November nahmen circa 25 Personen an einer Gedenkkundgebung für den von Neonazis ermordeten Rolf Schulze in Lehnin teil. Das Gedenken findet seit dem Jahr 2012 regelmäßig auf dem Markgrafenplatz im Ortszentrum statt, denn der Ort, an dem der wohnungslose 52-jährige im Jahr 1992 ermordet wurde, befindet sich am Kolpinsee. Dieser liegt inmitten eines Waldes in der Nähe Lehnins. Vermutlich aus diesem Grund, identifizieren sich viele Lehniner_innen nicht mit dem Mord. Des Weiteren fehlt eine intensive Auseinandersetzung im Rahmen der Lokalpolitik.
Insgesamt wurden drei Redebeiträge verlesen. Der erste stammte von der „Linken Jugend Fläming“, in diesem wurden Gedenktage und ihre Bedeutung im historischen Kontext thematisiert. Im Anschluss wurde der Redebeitrag der Opferperspektive verlesen. Diese engagiert sich nicht nur im Bereich der Opferberatung sondern unterstützt zahlreiche Initiativen im Land Brandenburg die sich dem Gedenken an die Todesopfer rechter Gewalt widmen. Der Beitrag zeigte die Kontinuität der Diskriminierung von wohnungslosen Menschen seit 1993 bis heute auf. Schon während der Nazidiktatur wurden systematisch sogenannte „Asoziale“ verfolgt, eingesperrt und ermordet. Trotzdem wurde an sie keine Entschädigungen gezahlt. Die Diskriminierung setzt sich dann weiter fort, denn Polizeibedienstete, Ordnungsamtsmitarbeiter_innen und private Sicherheitsbedienstete verdrängen wohnungslose Menschen zunehmend aus Fußgängerzonen, Bahnhöfen und anderen öffentlichen Räumen. Zum Schluss ging der Redebeitrag noch auf den aktuellen Versuch von Neonazis ein, wohnungslose Menschen zu instrumentalisieren um gegen Geflüchtete zu hetzen. So kursieren unter anderem Sprüche wie „Ich helfe lieber einem deutschen Wohnungslosen als einem Asylanten“ im Netz. Gleichzeitig stellen wohnungslose Menschen eine nicht unbedeutende Gruppe unter den Todesopfer rechter Gewalt in der Bundesrepublik dar. Bei dem letzten Redebeitrag handelte es sich um den Aufruf der antifaschistischen Kampagne „fighting for 20 years“ von der Antifa Jugend Brandenburg, welcher unter http://fightingfor20years.blogsport.de/aufruf/ nachgelesen werden kann.
Wir werden auch in Zukunft wieder nach Lehnin kommen um an Rolf Schulze und die anderen Todesopfern zu erinnern, denn wenn wir vergessen, wohin Rassismus, Neonazismus und Kapitalismus führen, verliert unser Kampf für eine gerechte Welt seine Grundlage!
An einem „Abendspaziergang“ in Rheinsberg (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) nahmen am gestrigen Abend ungefähr 130 Personen teil. Der deutlich von NPD und „freien Kräften“ aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Oberhavel und Havelland geprägte Aufzug richtete sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. An der Demonstration nahmen vereinzelt auch so genannte „besorgte“ Bürger_innen teil. An einer Gegenveranstaltung nahmen ebenfalls über 100 Menschen teil. Am Rande des Abendspaziergangs kam es zu einzelnen Störaktionen durch Gegendemonstrant_innen. Zu größeren Zwischenfällen kam es jedoch nicht. Die Polizei hielt beide Lager auf Abstand.
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Am Samstagvormittag veranstalteten Neonazis eine Kundgebung auf dem Marktplatz in Wittstock/Dosse. Die Versammlung stand in Zusammenhang mit der Unterbringung weiterer Flüchtlinge im Stadtgebiet. Thematisch dazu planen Neonazis auch am 6. Dezember 2015 einen Fackelmarsch durch Wittstock/Dosse. An der heutigen neonazistischen Veranstaltung nahmen ungefähr 50 Personen aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Prignitz und Havelland teil. An einer Protestveranstaltung des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Wittstock bekennt Farbe“ in Hör- und Sichtweite beteiligten sich ungefähr 60 Menschen.
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An öffentlichen Versammlungen im Stadtgebiet von Velten (Landkreis Oberhavel) haben sich am frühen Abend insgesamt 300 Menschen beteiligt. Die Veranstaltungen bewegten sich im Kontext der bundesweit debattierten Kontroverse um die Aufnahme von Asylsuchenden. Am so genannten „1. Abendspaziergang für eine angemessene Asylpolitik“, der sich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Velten richtete, beteiligten sich ungefähr 200 Personen. Diese Veranstaltung wurde im Vorfeld hauptsächlich durch die NPD-nahe Internetinitiative „Nein zum Heim in Oranienburg“, beworben und durch nationaldemokratische Parteifunktionäre protegiert. Das Design des Internetaufrufs für den Abendspaziergang sowie Konzept und Ablauf knüpften zudem sehr deutlich an ähnliche Versammlungen in Oranienburg und Zehdenick (ebenfalls Landkreis Oberhavel) an. Unter dem Motto: „ Herz statt Hetze! Velten ist anders, weltoffen, bunt!“ protestierte die „Initiativgruppe gegen Rassismus und Gewalt Velten“ mit ungefähr 100 Menschen gegen die flüchtlingsfeindliche Demonstration.
Abendspaziergang nach NPD Konzept
Der so genannte „Abendspaziergang“ begann indes auf dem Veltener Marktplatz mit einer Auftaktkundgebung. Dabei wurde recht schnell klar, dass die gesamte Versammlung auf einem komplett aus Oranienburg importierten Konzept basierte. In der Kreisstadt des Landkreises Oberhavel hatten so genannte „besorgte Bürger_innen“ bereits seit Dezember 2014 ähnliche Aufzüge durchgeführt. Die regionalen NPD und JN Strukturen hatten dabei stets entscheidenden organisatorischen Anteil, vermieden es jedoch offen für die nationaldemokratische Partei zu werben. Die Mobilisierung lief stattdessen über deren virtuelle Tarnseite „Nein zum Heim in Oranienburg“, auf der auch für Velten mobilisiert wurde. Entsprechend deutlich war der Einfluss der von NPD und JN auch dort zu spüren. Zwar mögen auf dem „1. Abendspaziergang“ in Velten mehrheitlich tatsächlich so genannte „besorgte“ und „verängstigte“ Bürger_innen gewesen sein, viele Ausdrucksmittel, wie Schilder und Banner, verdeutlichten jedoch einen ganz offensichtlichen Bezug zur Ideologie der extremen Rechten. „Überfremdung ist auch eine Form von Völkermord“ stand beispielsweise auf einem Pappschild geschrieben. Ein mitgeführtes großes Banner mit der Aufschrift „Asylbetrug macht uns arm“ entsprach nahezu exakt dem Werbematerial der NPD, bis auf das deren drei Buchstaben nicht enthalten waren. Des Weiteren beteiligten sich auch wieder mehrere Kommunalpolitiker der Partei, allen voran deren örtlicher Stadtverordneter Robert Wolinski an der Demonstration.
Darüber hinaus wurde der Abendspaziergang auch von einer Gruppe Neonazis aus dem Landkreis Havelland, um den verurteilten Terroristen Christopher H., unterstützt. H. wurde Anfang März 2005 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er eine Organisation namens „Freikorps Havelland“ aufgebaut, geleitet und in diesen Rahmen Brandanschläge auf Dönerstände und Asia-Imbisse durchgeführt haben soll.
Aus Berlin waren heute ebenfalls viele Personen nach Velten gereist. Ein „besorgter Bürger“ aus Marzahn-Hellersdorf ergriff bei der Abschlusskundgebung beispielsweise das Mikro und klagte sein Leid über die vermeintliche Überfremdung durch die Aufnahme von Flüchtlingen. Besonders übel stieß ihm dabei u.a. auf, dass „man heute nicht einmal mehr ‚Neger‘ sagen dürfe“.
Stadt bekennt sich gegen Rassismus
Für ein buntes und weltoffenes Velten traten hingegen heute die Bürger_innen ein, die sich am Abend an der evangelischen Kirche in der Viktoriastraße versammelt hatten. Diese Veranstaltung begann bereits eine Stunde vor dem „Abendspaziergang“ mit einem Friedensgebet. Später sprach dort auch Veltens Bürgermeisterin Ines Hübner. Sie begrüßte die Gegenveranstaltung und betonte das Velten „eine weltoffene Stadt ohne Rassismus“ sei.
Auf der Versammlung „Initiativgruppe gegen Rassismus und Gewalt Velten“ war heute weiterhin u.a. auch vom Kreisbrandmeister der Feuerwehr unterstützt, der heute demonstrativ Präsenz zeigte. Im Vorfeld war nämlich bekannt geworden das einer seiner Feuerwehrmänner nicht nur Flyer für die NPD verteilt, sondern auch den „Abendspaziergang“ angemeldet haben soll.
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Übergriff nach der Demonstration auf dem Altmarkt.
500 Menschen folgten am Mittwochabend dem Aufruf von Cottbus Nazifrei! und beteiligten sich an der Demonstration unter dem Motto „Herz statt Hetze“. In Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Akteuren wie dem Cottbuser Aufbruch, dem Filmfestival Cottbus, dem Humanistischen Jugendwerk Cottbus e.V. und der Initiative Flucht und Migration Cottbus wurde ein vielfältiges Programm gestaltet. Auch Personen des öffentlichen Lebens wie der Universitätspräsident Dr. Jörg Steinbach fanden klare Worte. Im Anschluss kam es zu einem Übergriff auf einen Demonstrationsteilnehmer.
Bis zu 500 Menschen setzten in den Abendstunden ein kraftvolles Zeichen für Solidarität und Menschlichkeit. „Wir stehen gemeinsam für eine vielfältige Stadt ohne Hass und rechte Gewalt!“, so Jakob Lupus von Cottbus Nazifrei!. Sämtliche Plätze in der Innenstadt wurden von der Demonstration eingenommen, sodass die Kundgebung der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ auf den Viehmarkt verdrängt wurde.
Ein engagierter Demonstrationsteilnehmer beobachtete im Anschluss an die Demonstration, wie Einzelpersonen ein Transparent auf dem Altmarkt zerstörten, das im Laufe der Demonstration entstanden war. Er forderte
die Störer auf, dies zu unterlassen und wurde daraufhin von bis zu 10 Menschen bedroht und tätlich angegriffen. „Wir lassen Betroffene von solchen Übergriffen nicht allein und lassen uns nicht einschüchtern,“ so Lupus weiter. Auch in Zukunft wird das Bündnis Cottbus Nazifrei! gegen rechte Gewalt und Hetze mobil machen.
An Versammlungen im Stadtgebiet von Rathenow nahmen heute mehrere hundert Menschen teil. Die Kundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ zog ungefähr 450 Versammlungsteilnehmer_innen, etwas weniger als letzte Woche. Die zivilgesellschaftliche Initiative „Rathenow zeigt Flagge“ zog mit ihrem Veranstaltungskonzept ungefähr 250 Menschen an, ebenfalls weniger als am vergangenen Dienstag. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht. Für den nächsten Dienstag wurde seitens des „Bürgerbündnisses Havelland“ eine weitere Kundgebung mit Demonstration durch die Stadt angekündigt. „Rathenow zeigt Flagge“ wird wahrscheinlich ebenfalls wieder präsent sein. Eine genaue Aktionsform steht zur Stunde aber noch nicht fest.
Bürgerbündnis polarisiert weiter
Die 450 Sympathisanten des „Bürgerbündnisses Havelland“, darunter wieder ungefähr 50 Neonazis, hatten sich, wie in der vergangenen Woche, wieder ab 18.30 Uhr auf dem Märkischen Platz versammelt. Sich dort einzufinden wurde zuvor u.a. wie Veranstaltungsseite in einem sozialen Internetnetzwerk sowie gedruckten und als Postwurfsendung verteilten Flyern kommuniziert. Gemäß Statement des „Bürgerbündnisses“ ging es bei der massiven Werbeaktion vor allem darum, mehr Versammlungsteilnehmer_innen anzulocken als in der Vorwoche. Die Zahl von 500, wie in der vergangenen Woche, wurde jedoch heute nicht erreicht. Auch die Stimmung war deutlich weniger euphorisch. Lediglich wenn die Redner_innen Begriffe, wie „Lügenpresse“, „Volksverräter“, „Merkel muss weg“ und „Wir sind das Volk“, in ihren Beiträgen nutzten, war eine mitreißende Atmosphäre erlebbar. Als Redner_innen traten heute hauptsächlich Christian Kaiser und Nico Tews auf. Des Weiteren wendeten sich eine Frau namens Susanne sowie ein älterer Herr an das versammelte Volk. Erstmals wurden vom „Bürgerbündnis Havelland“ auch Forderungen an die Politik gerichtet. Diese hatten hauptsächlich mit dem Thema Asyl zu tun. Unter anderem wurde ein Limit bzw. eine Höchstzahl für die Aufnahme von Flüchtlingen gefordert. Ansonsten wurde sich auch wieder von Nazis distanziert, ohne dass sich die Veranstalter_innen aber tatsächlich an ihre Worte gebunden sahen.
Neonazis verteilten Flyer für Demo des „Bürgerbündnisses“
Für die heutige Versammlung hatten nämlich auch wieder bekannte Neonazis mobilisiert. Der Nauener Kommunalpolitiker Maik Schneider (NPD) hatte beispielsweise im Vorfeld auf seiner öffentlich einsehbaren Seite in einem sozialen Internetnetzwerk verkündet „die Rathenower“ wieder „unterstützen“ zu wollen. Bereits in der vergangenen Woche sei, seinen Angaben zu Folge, „ein kleiner Trupp der Nauner NPD“ vor Ort gewesen. Dieser hatte dort mehrere Banner mit rassistisch motivierten Parolen gezeigt. Die Aktion sollte nun offenbar nicht nur planmäßig wiederholt werden, sondern auch noch mehr Gesinnungsgenoss_innen anlocken. Schneider dazu auf seiner Seite: „Dass es diesmal noch mehr Bürger werden die gegen dieses asoziale System demonstrieren, haben wir im Vorfeld hundert von Briefkästen in Nauen mit Infomaterial versehen.“ Als Fotobeweis für die Verteilaktion präsentierte Maik Schneider mit Infoflyern des „Bürgerbündnisses“ bestückte Briefkästen. Sollten die Fotos und seine Angaben dazu authentisch sein, sind dies klare Indizien für eine Zusammenarbeit zwischen dem „Bürgerbündnis Havelland“ und der NPD.Tatsächlich nahm heute auch wieder eine Delegation Neonazis aus Nauen an der Kundgebung des „Bürgerbündnisses“ teil. Diese hatten sich vor den Redner_innen mit Bannern präsentiert, schwenkten Fahnen oder waren als Ordner eingesetzt.
Neonazis als Ordner
Rathenower Neonazis waren übrigens ebenfalls auf der Kundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ als Ordner erkenntlich, darunter der mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Peer D. Er saß mehrere Jahre in einer JVA ein, weil er sich u.a. mit weiteren Gesinnungsgenossen im Juni 2005 dazu verabredete, den Jugendclub in Premnitz anzuzünden. Des Weiteren hatte er 2008 einen Premnitzer Stadtverordneten der Linkspartei mit Reizgas angegriffen. Als Ordner wird D. offenbar trotzdem gerne genommen, nicht nur vom „Bürgerbündnis Havelland“. Auch bei Kundgebungen der NPD ist er öfter mit einer Ordnerbinde zu sehen.
„Rathenow zeigt Flagge“ sucht Dialog
Trotz des weiterhin sehr polarisierenden Charakters der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ sucht das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ weiter die Verständigung. Bewusst sei die Gestaltung der Kundgebung auf dem August-Bebel-Platz nicht als „Gegenveranstaltung“ beworben worden. Es würde weiter der Dialog gesucht. Vorurteile, Sorgen und Ängste, sollten, so die Veranstalter_innen, dadurch ausgeräumt werden. Es gab auf der Kundgebung auch die Möglichkeit, entsprechende Fragen oder Anregungen schriftlich und anonym zu stellen. An dem Motto: „Mein Rathenow, mit Herz statt Hetze“ hielt das Aktionsbündnis jedoch weiterhin fest, frei nach dem von Bürgermeister Ronald Seeger am heutigen Abend verwendeten Reim: „Mein Rathenow mit Herz und Verstand: bunt und tolerant“. Einfach über die andere Veranstaltung hinwegsehen und warten was da komme, wollten aber viele Menschen auch nicht. Vor allem junge Leute zeigten sich noch immer schockiert von der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ am vorhergehenden Dienstag. Eine junge Frau, die sich als Maria vom „Laut und bunt“-Jugendiniative vorstellte, meinte: „Was ich da gesehen habe, erinnerte mich an Szenen die ich nur aus Dokumentationen und Geschichtsbüchern kenne.“ Und für sie noch schlimmer: „…dass da drüben Menschen stehen, die einmal Freunde waren, meine Ansichten teilten und jetzt diesem Blödsinn zujubeln“.Der Ohnmacht ergeben wollte sich die junge Frau jedoch nicht, vielmehr sei es sehe jetzt an der Zeit „zu handeln“ und „ein Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit sowie gegen Rassismus und Fremdenhass zu setzen“.
Klare Trennlinie zwischen Versammlungen
Nach dem es in der vergangenen Woche zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Antifaschist_innen am Rande beider Veranstaltungen gekommen war, zeigte die Polizei heute massive Präsenz. Zwischen beiden Lager wurde nicht nur eine Polizeikette aufgestellt, sondern auch eine Sperre aus Fahrzeugen errichtet. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht. Auch die verbale Auseinandersetzung war deutlich abgeschwächter als in der vergangenen Woche.
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In Rathenow wird es am kommenden Dienstag eine Neuauflage der Kundgebungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ und des Aktionsbündnisses „Rathenow zeigt Flagge“ geben. Hintergrund ist die auch bundesweit kontrovers diskutierte Flüchtlingspolitik. Für die Gegner von pauschalisierender Hetze gegen Flüchtlinge sei es zudem wichtig, am Dienstag wieder ein klares Zeichen gegen Ressentiments zu setzen.
Bürgerbündnis läutet zur zweiten Runde
Nach dem das „Bürgerbündnis Havelland“ am vergangenen Dienstag, aus dessen Sicht, erfolgreich gegen „die Islamisierung des Abendlandes“ und „unkontrollierter ´Zuwanderung“ sowie für die konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber“ protestiert hatte und dabei ungefähr 500 Sympathisant_innen auf dem Märkischen Platz versammelte, hatte Veranstalter Christian Kaiser noch am selben Abend die Fortsetzung der Veranstaltung angekündigt. Diese erneute Versammlung soll nun wieder an einem Dienstag, genauer gesagt am 3. November 2015, zur gleichen Zeit und am gleichen Ort stattfinden. In einem sozialen Internetnetzwerk wird bereits dafür ausführlich geworben. Des Weiteren ließ das „Bürgerbündnis Havelland“ auch heute wieder bedruckte, in schwarz-rot-goldenen Farben gehaltene Flyer als Veranstaltungshinweis in Briefkästen privater Haushalte einwerfen.
Vom Immobilienmakler zum Volkstribun
Aufgrund seines Engagements für das „Bürgerbündnis Havelland“ weiter in den Fokus des öffentlichen Interesses gerutscht ist, neben Versammlungsleiter Christian Kaiser, inzwischen auch der aus dem osthavelländischen Senzke stammenden Immobilienmakler Nico Tews. Er ist gesetzlicher Vertreter der Latinum Hausverwaltungs GmbH und in einem Maklerhaus in der Fontanestadt Neuruppin integriert. Als Hausverwalter setzte er in der Kreisstadt des Landkreises Ostprignitz-Ruppin im Jahr 2011 u.a. die Räumung einer insolventen Kindertagesstätte durch. Auf der letzten Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ auf dem Märkischen Platz soll er dagegen bekräftigt haben, sich angeblich für die Zukunft „unserer Kinder“ einzusetzen. Darüber gefiel er sich offenbar in der Rolle des Tribuns, der im Sinne des einfachen Volkes die vermeintliche „Lügenpresse“ und die Regierung Merkel anklagte. Auch die weiterhin in der Bundesrepublik angekommenen Flüchtlinge wurden thematisiert. Tews Meinung nach seien es zu viele, die in „unser Land“ kommen. Derartige Ansichten widersprechen allerdings der von der Bundesrepublik ratifizierten UN Menschenrechtserklärung, demnach Flüchtlinge, egal wie viele es sind, ein Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung haben, und somit nicht nur demokratische, sondern übrigens auch auf christliche Werte. Bei seinem Publikum, das freilich nicht nur aus bekannten Neonazis bestand, kam Tews trotzdem gut an. Dies heißt allerdings nicht, dass sein Redebeitrag unbedenklich ist. Tatsächlich hatte Tews Rede zum Teil recht demagogische Züge.
Die Scham des Erkannten
Im Gegensatz zu seinem selbstbewussten Auftreten und seiner recht freizügigen Rede vor seinem „Volk“ im Dunkel des Märkischen Platzes gab sich Tews, im Nachgang zu der Versammlung auf dem Märkischen Platz, einerseits getroffen und andererseits recht angriffslustig gegenüber Medien, die über ihn auch im Lichte der Öffentlichkeit berichteten. So verlangte er u.a. die Anonymisierung seines Namens und die Löschung von Bildern, auf dem sein Konterfei abgebildet sei. Als Unternehmer bzw. Hausverwalter hatte er allerdings bisher keine Probleme damit im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Im Impressum seiner Firma steht er mit vollem Name und Adresse, ebenso bei seiner Landiner Ferienwohnungvermietung. Und im Team des Maklerhauses Neuruppin ist er sogar mit Porträtfoto zu sehen. Nicht einmal als er die besagte Kindertagesstätte in der Fontanestadt zwangsräumen ließ und daraufhin in einer Lokalzeitung mit vollen Namen über ihn berichtet wurde, störte ihm das offenbar. Anders hingegen bei Berichten über die flüchtlingsfeindliche Kundgebung auf dem Märkischen Platz. Anscheinend sind ihm einige seiner dort vertretenen Positionen, möglicherweise im Zusammenhang seiner beruflichen Stellung, inzwischen peinlich. Für die nächste Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“, am 3. November 2015, wirbt er, im Gegensatz zu ersten Versammlung am 27. Oktober 2015 auch nicht mehr unter seinem eigenem Namen. Denkbar ist aber, dass die Flyer mit Hilfe von Tews Kapital finanziert werden. Das „Bürgeründnis“ hat sich übrigens mittlerweile auch eine eigene Seite in einem sozialen Internetnetzwerk zugelegt, mit der Anonym für die nächste Kundgebung geworben und Hetze gegen Flüchtlinge geschürt wird. Die dort veröffentlichten, ausnahmslos in einseitigem Kontext veröffentlichten Zeitungsartikel erinnern übrigens an die so genannten „Nein zum Heim“-Seiten der NPD.
Die Rolle der NPD
Die nationaldemokratische Partei selber scheint somit zwar einen gewissen Einfluss auf die Gestaltung der „Bürgerproteste“ zu haben, Veranstalter Christian Kaiser sympathisiert in einem sozialen Internetnetzwerk ja auch recht deutlich mit dieser Organisation, den Ton geben ihre Funktionäre jedoch bisher nicht an. Tews ist als Immobilienmakler schon beruflich höhergestellt als der ranghöchste regionale NPD Funktionär Michel Müller. Außerdem ist in Rathenow auffällig, dass an der Veranstaltung des Bürgerbündnisses verstärkt eher kleinbürgerliches Klientel, also kleinere Lädenbesitzer_innen oder Dienstleistungsunternehmer_innen, teilnahmen. Prekariat, prekarisiertes Proletariat oder Alkoholabhängige, wie beispielweise bei den klar von der NPD dominierten rassistischen Aufmärschen in Nauen, war in Rathenow anteilsmäßiger deutlich weniger vertreten. Auch wurde in der havelländischen Kreisstadt offensichtlich, dass die nationaldemokratische Partei bisher nur auf die Proteste aufgesprungen ist und möglicherweise nur aus taktischen Gründen mit dem „Bürgerbündnis Havelland“ sympathisiert. Die NPD ist nämlich momentan in der Region die einzige politische Partei der extremen Rechten die bei politischen Wahlen antritt und offensiv gegen Flüchtlinge hetzt. Das „Bürgerbündnis Havelland“ ist dagegen bisher nur eine lose Vereinigung, ohne konkreten politischen Einfluss oder entsprechenden Ambitionen. Die Option, dass die NPD, diese Organisationsschwäche ausnutzt, um zum einen in die so genannte gesellschaftliche „Mitte“ vorzustoßen und zum andern selber politisches Kapital daraus zu schlagen ist zumindest vorstellbar.
Einzelne Antifas machen mobil
In jedem Fall hat die Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ auch zu einer extremen Polarisierung der Lager geführt. Eine in Rathenow nicht näher bekannte Gruppe namens „Writer Antifas Rathenow“ mobilisiert beispielsweise seit letztem Freitag im Internet unter dem Motto „dem deutschen Volksmob entgegentreten“ für direkte Proteste gegen die flüchtlingsfeindliche Kundgebung. Als Vorabtreffpunkte werden u.a. Bahnhöfe in Berlin und Potsdam angegeben.
Rathenow will wieder Flagge zeigen
Auch das zivilgesellschaftliche Rathenower Aktionsbündnis für Demokratie und Toleranz will am kommenden Dienstag wieder Flagge zeigen. Mit „Zivilcourage und Entschlossenheit“ wollen die Akteure „den vielen Gerüchten, den Ressentiments und der Ignoranz“ entgegentreten. Die Versammlung des Aktionsbündnisses soll wieder um 18.00 Uhr auf dem August-Bebel-Platz (Postplatz) stattfinden. Neben dem Bekenntnis für ein Rathenow „mit Herz statt Hetze“ wird aber auch Gesprächsbereitschaft gegen über allen Interessierten signalisiert. Es sei, so das Aktionsbündnis in einer Pressemitteilung, „wichtiger, miteinander in Gespräch zu kommen, als nebeneinander Parolen nachzurufen“. „Ängste“ sollten so „besprochen und möglichst aufgelöst werden“ und so bestehende Ressentiments abgebaut werden.
Die heute von der NPD durchgeführte Kundgebung unter dem Motto „Gegen die Überfremdung unserer Heimat“ steht stellvertretend für Kundgebungen der NPD. Nach dem Verteilen der drei Banner, sechs Fahnen und fünf Schildern startete die Veranstaltung mit Musik, anschließend folgte die erste Rede, vorgelesen durch den NPD-Kreisverbandsvorsitzenden Michel Müller. Nach weiterer Musik folgte der Redebeitrag des NPD-Kommunalpolitkers André Schär. Nachdem auch er seinen Beitrag verlesen hatte, wurde recht zügig zusammengepackt und die ersten kleinen Gruppen der 29 Teilnehmer_innen, hauptsächlich aus dem Havelland und Mittelmark, entfernten sich. Mindestens sieben Personen kamen aus der kreisfreien Stadt. Vier von diesen nehmen regelmäßigen an rassistischen und neonazistischen Demonstrationen und Kundgebungen im Land Brandenburg teil. Auch das restliche Klientel war von ideologisch gefestigten Personen, etwa aus dem Umfeld der NPD, des III. Weges oder der Freien Kräfte, bestimmt. Die Themen der Redebeiträge stammen, wie das Motto der Veranstaltung, aus dem Standardrepertoire der NPD: es wurde gegen Geflüchtete gehetzt und der Untergang Deutschlands durch die gestiegene Zuwanderung konstruiert. Für Abwechslung sorgte nur der spontane Versuch auf den Protest einzugehen, da im Rahmen der Gegenkundgebung ein Transparent mit der Aufschrift „Gebt den Nazis die Straße zurück – Stein für Stein“ entfaltet wurde. Nach 90 Minuten war die NPD verschwunden.
Bunter Gegenprotest
Der Gegenprotest kann, für Brandenburger Verhältnisse, als voller Erfolg bezeichnet werden: es kamen ca. 200 Personen. Dennoch war effektiver Protest kaum möglich, da die Kundgebungen so weit wie auf dem Neustadt Markt nur möglich voneinander entfernt waren und Rufe oder Pfiffe kaum bei der NPD angekommen sein dürften. Die Lage war so eher für die Polizei optimal, als für den Protest.
Polizei – parteiisch as usual?
Die An- und Abreise von Teilnehmer_innen der NPD-Kundgebung erfolgte fast unkontrolliert. Kleine Gruppen konnten nah an der Gegenveranstaltung vorbei und anfangs sogar durch sie hindurch laufen. Erklären lässt sich diese Zurückhaltung der Polizeibediensteten womöglich dadurch, dass diese von Anfang an recht stark damit beschäftigt waren den Gegenprotest im Auge zu behalten. Ohne Gefährdungssituation wurden dem Protest keine spontanen Möglichkeiten eingeräumt, als Antifaschist_innen einen Meter auf die Steinstraße gingen, wurden diese zurückgeschickt.
Seit Beginn der Veranstaltungen lagen mehrere lose Pflastersteine auf dem Platz der Gegenveranstaltung, gegen Mitte der Veranstaltung wurden von einer Person, weil einer der Steine zufällig in seiner Nähe lag, die Personalien aufgenommen. Anschließend sammelten mehrere Polizeibedienstete die verstreut herumliegenden Steine ein. Ebenfalls war fast durchgängig eine Kamera auf die Veranstaltung gerichtet, es ist davon auszugehen, dass sie mindestens teilweise filmte. Durch derartige Maßnahmen soll antifaschistischer Protest eingeschüchtert und kriminalisiert werden. Wir werden uns durch solche Provokationen nicht einschüchtern lassen, sondern weiterhin gegen Neonazis und Rassist_innen auf die Straße gehen und für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung kämpfen.
AG Antifa [BRB]