Am Sonntag, dem 30. September 2018, 15.00 Uhr, findet an der Frankfurter Oderbrücke eine Kundgebung der Initiative „Seebrücke“ für sichere Fluchtwege, ein offenes Europa und eine solidarische und weltoffene Gesellschaft statt. Zu der Veranstaltung ruft das Frankfurter Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“, bestehend aus zivilgesellschaftlichen Initiativen, Vereinen, Verbänden und Vertreter*innen von Parteien auf. Dazu erklärt der Sprecher des Bündnis Kein Ort für Nazis Jan Augustyniak:
„Menschen auf dem Mittelmeer sterben zu lassen, um die Abschottung Europas weiter voranzubringen und politische Machtkämpfe auszutragen, ist unerträglich und spricht gegen jegliche Humanität. Dieser Tage muss sogar das letzte noch verbliebene private Seenot-Rettungsschiff „Aquarius II“ auf dem Mittelmeer darum kämpfen, Menschen vor dem Ertrinken retten zu dürfen. Dabei war und ist Migration schon immer Teil unserer Gesellschaft. Wir brauchen ein offenes Europa, solidarische Städte und sichere Häfen – und keine geschlossenen Grenzen.“
Die „Seebrücke“ ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen Initiativen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ solidarisiert sich mit allen Menschen auf der Flucht und fordert von der deutschen und europäischen Politik sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind.
„Für diese Forderungen wollen wir an der Oderbrücke einstehen und Frankfurt zu einem Teil einer solidarischen und weltoffenen Gesellschaft für alle machen. Orange ist die Farbe des „Seebrücke“-Bewegung: Mit der Farbe der Rettungswesten zeigen wir unsere Solidarität mit flüchtenden Menschen und Seenotrettungsorganisationen.“, so Augustyniak weiter.
Weitere Informationen zum Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“: www.kein-ort-fuer-nazis.org
Weitere Informationen zur Initiative „Seebrücke“: www.seebruecke.org
Kategorie: Law & Order
Frankfurt (Oder) — Bestürzt haben wir vom Utopia e.V. die Äußerungen des Frankfurter Oberbürgermeisters wahrgenommen, mit denen er auf den gewalttätigen Angriff auf die Gäste des Clubs „Frosch“ reagiert hat. Als „Kehrtwende“ bezeichnet René Wilke selbst seine neue Position zum Umgang mit Geflüchteten, die die Ausweisung bei entsprechenden Straftaten vorsieht. Wir sind über diese Entwicklung besorgt und empört.
Wie alle Bürger*innen dieser Stadt waren auch wir entsetzt über den gewalttätigen Übergriff im Frosch-Club, mit dem wir bei unseren Veranstaltungen gerne zusammenarbeiten. Bei dem Übergriff waren zudem Freund*innen von uns anwesend, die zum Glück unverletzt blieben.
Für uns war direkt danach klar: Die Strafverfolgungsbehörden sind jetzt am Zug, die Polizei und die Staatsanwaltschaft werden sich des Falles annehmen, es wird Festnahmen, einen Gerichtsprozess und Verurteilungen geben. Körperverletzung mit Faust und Messer ist eine ernste Sache. Wenn Staat und Stadt in der Folge ihre Hausaufgaben machen, dann werden Sozialarbeiter*innen der Frage nachgehen, was die Entstehungsbedingungen der zur Diskussion stehenden gewalttätigen Clique sind und versuchen, diese zu ändern. Und schließlich wird der Frosch-Club ein wirkungsvolles Sicherheits-Konzept ausarbeiten, um seine Gäste in Zukunft besser zu schützen.
So diskutierten wir die Entwicklungen, doch davon kein Wort mehr, denn inzwischen hat sich die Lage drastisch verändert: Der Oberbürgermeister sah sich anscheinend gezwungen, vom Lauf der rechtsstaatlichen Dinge abzulenken und kramte aus der Mottenkiste der kommunalen Volkssouveränität ein — wie es im juristischen Jargon heißt — besonderes “Ausweisungsinteresse” hervor.
Es ist offensichtlich, was hinter seiner Entscheidung steht, sich so zu äußern: jene Frankfurter*innen anzusprechen, die rassistisch sind, die Migration nur als Bedrohung empfinden und demokratische Werte verachten. Und er versucht jene zu besänftigen, für die rechtsstaatliche Maßnahmen gegen nicht-deutsche Gewalttäter*innen nicht weit genug gehen können. Das sind genau jene Menschen, die mit zweierlei Maß messen.
Wir verurteilen den Angriff auf den Frosch-Club entschieden. Gleichzeitig stellen wir uns gegen die Instrumentalisierung der Herkunft der Täter*innen für populistische Forderungen. Damit verschärft sich die Debatte um Geflüchtete weiter und verschiebt sich nach rechts. Wir sind überzeugt, dass dieser Schachzug nicht funktionieren wird: Nun den rechten Forderungen entgegenzukommen wird nicht helfen, rechte Positionen abzuschwächen. Im Gegenteil, damit werden sich diejenigen in ihrer Haltung bestätigt fühlen, die zu den Menschenrechten ein zwiespältiges, rein taktisches Verhältnis haben und Geflüchteten ablehnend bis feindlich gegenüber stehen.
Wir sind empört über diesen Rechtsruck unseres Oberbürgermeisters. Wir sind aber — und das ist vielleicht fast noch beschämender für Frankfurt (Oder) — empört über eine Gemengelage aus Betroffenheit, Aktionismus und Angst vor rechter Stimmungsmache, die die Politik unter einen völlig widersinnigen Zugzwang setzt. Mit Rücksicht auf die Stimmung in der Stadt wird aus einer Angelegenheit für das Strafrecht eine irrationale Kaffeesatzleserei rund um das Phänomen “gefühlte Sicherheit”. Damit Frankfurt (Oder) nicht derart in die Schlagzeilen gerate wie Cottbus oder Chemnitz, nehmen viele Politiker*innen die “Stimmung in der Stadt” zum Ausgangspunkt, um den Bürger*innen ihr “Sicherheitsgefühl” wiedergeben zu wollen.
Hallo Sahra Wagenknecht: “Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt.” Hallo NPD: “Kriminelle Ausländer raus!” Das kann doch nicht ernsthaft eine seriöse Antwort auf soziale Probleme und Gewalt sein! Falls doch, könnten wir eine lange Liste mit sehr deutschen Namen aufstellen, für die ebenfalls eine Ausweisung geprüft werden sollte.
Das Problem ist die Unehrlichkeit: Wir können die Gewalt und das Böse in dieser Gesellschaft nicht einfach “rausschmeißen”. Wer den Anschein erweckt, dass dies möglich sei, handelt verantwortungslos. Kriminalität und Gewalt müssen innerhalb einer Gesellschaft geklärt und bekämpft werden. Abschiebungen dürfen nie ein legitimes Mittel von Politik sein. Wer glaubt, man könne sich so aktiv Probleme vom Hals schaffen, gibt das unteilbare Versprechen von Gleichheit auf, für das sich Linke verbürgen — zuallererst vor dem Gesetz. Wir fordern eine Gleichbehandlung von deutschen und nicht-deutschen Personen – rechtsstaatliche Prinzipien müssen für alle hier lebenden Menschen gleichermaßen gelten!
PREMNITZ — Das „Kunsthaus Premnitz“ will die kulturelle Landschaft im westlichen Havelland bereichern. Regelmäßig finden dort Veranstaltungen mit klassischer Musik, Ausstellungen und Lesungen statt. Darüber hinaus suchen die Kunstschaffenden, allen voran Stefan Behrens, aber auch das Gespräch und bieten Sonderveranstaltungen mit Gästen aus der hohen Politik.
Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) war im Mai da. Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer (GRÜNE) wird Mitte Oktober erwartet.
Gestern hieß der Gast Alexander Gauland, seines Zeichens Bundesvorsitzender der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Ein nicht unumstrittener Gast, der wegen seiner relativierenden Äußerungen zur NS-Zeit kaum noch zu TV-Talkshows eingeladen wird und dessen Partei immer offener zu Sympathien für die extreme Rechte, wie zuletzt in Chemnitz, zur Schau trägt. Die grundlegende Frage lautete deshalb vorab: Darf diesem Menschen dennoch ein öffentliches Podium geboten werden?
Boykott oder Gespräch?

Unbekannte gaben darauf offenbar bereits am Morgen ihre Antwort. Im Eingangsbereich zum Grundstück des Kunsthauses lagen, so zeigen es Fotos eines Anwohnenden, dutzende bunte Zettel, die mit antirassistischen Losungen bedruckt waren. Ein Stromkasten am „Kunsthaus“ war zudem mit einem „Fuck AfD“-Graffiti verziert worden.
Doch so einfach wollte es sich Stefan Behrens anscheinend nicht machen. Er wollte dem „Phänomen Gauland“ auf den Grund gehen, ihm zuhören, seine Grundhaltung erforschen und schließlich die Konsequenzen daraus in Bezug auf seine gesellschafts- und staatspolitische Debattenführung analysieren. Hat der AfD-Chef „mittlerweile die Position eines Konservativen verlassen“? Und nähert er sich „reaktionären, fremdenfeindlich, menschenverachtenden, nationalsozialistischen Positionen“ an? Das schienen die entscheidenden Grundfragen, welche den Gastgeber bewegten, dass „Phänomen Gauland“ in sein Haus zu lassen.
Der Einstieg

Das Kunsthaus am Premnitzer See ist ein recht ansehnliches Anwesen, eine in den Jahren 1917/18 errichtete Direktorenvilla mit großen Grundstück und viel Platz für Werke der modernen Kunst. Etwas rustikal und aristokratisch wirkt hingegen der Ort, in dem sich Behrens mit Gauland trifft. Es ist das holzvertäfelte Kaminzimmer, welches mit seinen vielen Gemälden, auch wenn diese eindeutig der Moderne zuzuordnen sind, den Charakter eines konservativen Fürstensitzes vermittelt und somit durchaus geeignet scheint, um den AfD Chef auf „Augenhöhe“ zu begegnen.
Die eine Hälfte des Saales applaudiert dem Gast aus Potsdam, als dieser das Kaminzimmer betritt. Zwei bekannte Funktionäre der AfD, darunter auch der Premnitzer Stadtverordnete der Partei, sitzen im Raum, ebenso wie vier Aktive der extrem rechten Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ und offenbar weitere Sympathisierende Gaulands. Die andere Hälfte des Saales, darunter der Bürgermeister von Premnitz, Ralf Tebling (SPD), weitere Stadtverordnete, u.a. von den Linken, sowie zivilgesellschaftlich Engagierte wirken eher passiv, abwartend.
Dann eröffnet Stefan Behrens, nach einer kurzen Begrüßung, das Gespräch, beginnt mit der Betrachtung der Biografie von Alexander Gauland.
Der junge Gauland – Studium statt Tagebau

Der heutige AfD Chef wurde 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg, in der Zeit des Nationalsozialismus, den er später einen „Vogelschiss“ in der langen Geschichte Deutschlands nennen wird, geboren. Der Vater von Alexander Gauland war sächsischer Offizier, soll seinen Sohn nach einem russischen Zaren benannt haben. Das Wohnumfeld ist großbürgerlich. Seine Schule im nunmehr in „Karl-Marx-Stadt“ umbenannten Chemnitz trägt den Namen „Friedrich Engels“. Trotz aller späteren Differenzen zur DDR lobte Gauland gestern deren Erziehungssystem. Er durfte dort sogar 1959 Abitur machen – ein außergewöhnliches Privileg in diesem Land. Ein Studium zu beginnen, soll ihm aber versagt gewesen sein. Dies war aber anscheinend nicht der allein ausschlaggebende Grund für seine nun folgende Flucht in die Bundesrepublik, so Gauland gestern in Premnitz. Vielmehr sollte sich der heutige Vorsitzende der selbsternannten „neuen Arbeiterpartei“ AfD in der Produktion bewähren und in einem Tagebau in Lauchhammer arbeiten. Davon hielt Gauland jedoch aber nichts und floh daraufhin nach West-Berlin, wo er in der Notaufnahmeeinrichtung Marienfelde aufgenommen wurde. Einen politischen Hintergrund für seine Flucht dementierte der AfD Chef gestern noch einmal deutlich. Später siedelte er in die Bundesrepublik über und konnte dort in Marburg und Gießen Jura studieren
Der konservative Gauland
In den 1970er Jahren machte Gauland schnell Karriere in der CDU, war u.a. in deren Bundestagsfraktion in Bonn tätig und traf dort auf prominente Vertreter des „nationalkonservativen Flügels“ der CDU. Insbesondere Alfred Dregger deutete er gestern als persönliches Vorbild an.
Tatsächlich blieb der Konservatismus ein Lebensthema für Gauland. Auch gestern war sein Buch: „Anleitung zum Konservativsein“ eine Stunde lang Hauptgesprächsstoff zwischen ihm und Moderator Stefan Behrens. Ausführlich wurde über die darin hauptsächlich vorkommenden historische Figuren, Edmund Burke und Friedrich der Große, sowie über ihre staatspolitischen Ansichten debattiert. Nicht allerdings zur Freude des Publikums, welches augenscheinlich dem Zwiegespräch zwischen Behrens und Gauland nicht immer folgen konnte.
Erst als die Aussagen des AfD-Chefs kerniger wurden, seine Abneigung gegenüber den 68ern – die er quasi als „Urkatastrophe“ der heutige Verhältnisse bzw. als Hauptgegner des Konservatismus sieht – deutlich zur Sprache kamen und hinsichtlich der Flüchtlingssituation die Töne nationalistischer wurden, wurde der Saal wieder munterer. Die Diskussion hatte nun Gaulands Lieblingsthema erreicht.
Ohne Alternativen für Deutschland

Ausgiebig äußerte sich der AfD Chef nun über vermeintliche Ängste in der Bevölkerung und zu Übergriffen von Geflüchteten. Zu anderen Themen, wie Jugend oder Rente, wollte er sich hingegen nur sehr kurz positionieren.
Eine jüngere Frau, die fragte ob die „Alternative für Deutschland“ auch für Jugendliche aktiv ist, erhielt die knappe Antwort: Ja, wir haben einen Jugendverband.
Eine ältere Frau, die nachfragte was zur Rente im Bundesprogramm der AfD steht, wurde sinngemäß mit den Worten abgefertigt: Geben sie mir ihre Emailadresse, dann schicke ich es ihnen.
Selbst auf die Frustration mancher „besorgter Bürger“ hatte Gauland, zumindest wenn es um prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Altersarmut oder Mittellosigkeit ging, keine tragfähige Lösungen oder auch nur den Ansatz eines Konzeptes parat.
Resümee
Die AfD bediene sich lediglich Projektionen, um Politik zu machen, so eine ehemalige Psychologin am Ende des Premnitzer Gesprächs in einem Statement an Gauland. Es werden keine politischen Lösungen gesucht, sondern der Frust auf die Schwächsten in der Gesellschaft abgewälzt und so vor allem in Geflüchteten „Schuldige“ an der vermeintlichen „Misere“ im Land gefunden.
Doch, und das wurde gestern in Premnitz ebenfalls klar, es geht der AfD eben nicht nur, um die Ausschaffung von Geflüchteten, egal ob straffällig oder nicht.
Gauland will die ideologische Wende, die Revision der bundesrepublikanischen Werte seit Ende der 1960er Jahre. Seine „Alternative für Deutschland“ steht für einen neuen Konservatismus, der nicht nur die demokratischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte überwinden will, sondern auf dem besten Wege ist, den historischen Fehler der „alten“ Konservativen zu wiederholen: mit den Völkischen gemeinsam „Staatspolitik“ betreiben zu wollen.
Am Samstag, dem 1. September, folgten dem Aufruf eines Bündnisses, bestehend aus zivilgesellschaftlichen Akteur_innen und Vereinen, mehrere hundert Menschen zur Demonstration unter dem Motto „Kein Raum für rechte Hetze“ nach Neuenhagen.
Bunt, laut und engagiert sammelten sich junge Menschen, aber auch Familien und vor allem viele Anwohner_innen. Alle einigte ihre Empörung und Wut über die im „Bürgerhaus Neuenhagen“ stattfindende Tageskonferenz der „Alternative für Deutschland“. Wir möchten an dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Teilnehmenden senden. Mit großem Engagement, den Sprechchören, Transparenten und Schildern haben wir deutlich gezeigt, dass wir es nicht zulassen, dass sich die AfD ohne Protest versammeln und hetzen kann.
Es ist immer wichtig eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen, die AfD-Meinung kritisch zu begleiten und eine konträre Position, in der wir klar machen, dass es um ein gutes Leben für alle geht, zu artikulieren. Um über die Demonstration und deren Inhalte zu informieren, wurden, sowohl nebenher als auch im Vorfeld, Flyer an Anwohner_innen der Gemeinde Neuenhagen verteilt. Dabei zeigte sich, dass ein Großteil gar nicht wusste, was die AfD im „Bürgerhaus Neuenhagen“ veranstaltet. Gleichzeitig empörten sich viele, dass ein kommunales Gebäude für Neo-Nazis, Faschisten und rechte Hetze bereit gestellt wird. Provokationen und Pöbeleien am Rande der Demonstration gab es nur vereinzelt. Während der Demonstration informierten Redebeiträge die rund 400 Teilnehmenden und die Anwohner_innen über die Konferenz und ihre Protagonist_innen – über Jürgen Elsässer und sein verschwörungstheoretisches „Compact-Magazin“, legten die menschenverachtenden Inhalte der rechten Partei offen und setzten die Konferenz in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen.
Die AfD, und ihre Konferenz, trägt ihren Teil zur politischen Stimmungsmache bei und ist somit auch untrennbar von den Geschehnissen in Chemnitz zu betrachten. Besonders deutlich zeigt sich dies u.a. bei Andreas Kalbitz (MdL Brandenburg/ Landes- und Fraktionsvoritzender), der zuerst bei der Tageskonferenz sprach und danach weiter nach Chemnitz (Sachsen) fuhr, um u.a. neben Bernd Höcke, „PEGIDA“ und dem völkisch-nationalistischem Netzwerk „Pro Chemnitz“ an der Großdemonstration teilzunehmen. Die Konferenz selbst war für die AfD ein Flop – von den im Vorfeld angekündigten knappen 500 Plätzen, war nur ein Bruchteil belegt – nicht einmal 150 Anwesende zählte die Veranstaltung und der Hauptteil der Teilnehmenden war alt und männlich. Vor allem die organisierende Kreisstruktur trat vor dem „Bürgerhaus“ auf, um die vorbei kommende Demonstration und die von einem Parteienbündnis organisierte Kundgebung abzufilmen. Im Vordergrund dessen stand der Hauptinitiator Lars Günther.
Abschließend bleibt noch die Kriminalisierung der friedlichen Demonstration durch die eingesetzte Polizei zu thematisieren. Bereits im Vorfeld fanden Observationen der drei im Landkreis stattfindenden Informationsveranstaltungen durch Zivilbeamte des Staatsschutzes statt. Auch das geplante „Demokratiefest“ vom Parteienbündnis musste abgesagt werden, da die Polizei im Vorfeld den Besitzer der geplanten Fläche drängte, diese nicht zur Verfügung zu stellen. Grund für beide Maßnahmen war die Einschätzung der Polizei, dass„links-autonome“ Aktivitäten erwartet werden. Diese völlig irrationale Einschätzung äußerte sich dann in einem Großaufgebot der Brandenburger Polizei, welche die Demo begleitete, das „Bürgerhaus“ vollständig abriegelte, sogar den immer Samstag stattfindenden Wochenmarkt absagen ließ und alle ortsansässigen Vereine für den Tag aus dem „Bürgerhaus“ verwies. Das Aufgebot der Polizei bestand deutlich aus jungen, unerfahrenen, teils vermutlich noch in der Ausbildung steckenden Beamt_innen – diese traten an mehreren Stellen völlig grundlos eskalierend auf. Die vielen sich um und auf der Demo bewegenden Zivilpolizist_innen, eine Festnahme, sowie die Feststellung mehrerer Personalien bildeten den Höhepunkt der Provokationen und Eskalation der Polizei. Dabei ist zusätzlich verwerflich, dass scheinbar nicht voll ausgebildete Polizist_innen in Situationen gebracht wurden, um „Erfahrungen“ zu sammeln und dort über eigene Gewaltanwendung zu verrohen. Trotz der stetigen Provokationen und der im Vorfeld prognostizierten Szenarien blieb die Demo friedlich, aber trotzdem wütend, entschlossen, bunt und lautstark über die Frechheit, dass der AfD ein kommunales Gebäude für ihre Hetze zur Verfügung gestellt wurde.
Leider wurde die kraftvolle Demo bisher kaum in den Medien widergespiegelt.
Wir kommen wieder, immer wenn die AfD oder andere Faschisten hetzen und stellen uns gegen die Kriminalisierung von Protest!
Danke an alle Unterstützer_innen.
Venceremos!
Anlässlich der jüngst verbreiteten Flyer und der Aktivitäten der
neonationalsozialistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ fand am
Dienstag, den 14.08.2018 ein Treffen des Bürgermeisters Frederik Bewer
und dem Bürgerbündnis für eine gewaltfreie, tolerante und weltoffene
Stadt Angermünde mit Vertretern des Staatsschutzes, des
Verfassungsschutzes, der Polizeiinspektion Uckermark, dem
Integrationsbeauftragten des Landkreises Uckermark und dem Mobilen
Beratungsteam statt.
Alle Teilnehmer waren sich in der klaren Ablehnung der Aktivitäten und
der dahinter stehenden Ideologie des „III. Weges“ einig.
Die Aktivitäten und die Ideologie dieser rechtsextremen Partei
orientieren sich fortwährend an der Weltanschauung des Dritten Reiches
und der in dieser Zeit herrschenden Nationalsozialisten.
In diesem Treffen wurden mit den Vertretern der genannten Institutionen
konkrete Maßnahmen vereinbart. Dabei geht es unter anderem um
Möglichkeiten die Menschen der Region Uckermark über diese
Splitterpartei, ihre Ideologie, ihre Aktivitäten und Ziele aufzuklären.
Dazu wurden weitere Treffen in diesem Rahmen verabredet.
Frederik Bewer und Wolfgang Rall für das Bürgerbündnis für eine gewaltfreie, tolerante und weltoffene Stadt Angermünde
Brandenburg schiebt wieder nach Afghanistan ab und ignoriert Abschiebehindernisse bei den Betroffenen
(Pressemitteilung vom 14.08.2018)
Heute soll der mittlerweile 15. Sammelabschiebeflieger nach Afghanistan vom Münchner Flughafen gehen, dafür vorgesehen und mittlerweile in Abschiebehaft befindlich sind auch drei junge Männer aus Brandenburg. Der skandalöse Richtungswechsel der Landesregierung wird durch die Ignoranz der Ausländerbehörden gegenüber Abschiebehindernissen, die bei den Betroffenen vorliegen, auf die Spitze getrieben: Zwei der drei jungen Männer sind suizidgefährdet. Die Abschiebung wäre auf Grund des gesundheitlichen Zustands der Betroffenen rechtswidrig.
Bisher hatte sich Brandenburg nur einmal im März 2017 an einer solchen Sammelabschiebung beteiligt (1). Die Landesregierung scheint nur auf die durch die Bundesregierung befürwortete Ausweitung der betroffenen Personengruppen gewartet zu haben: Im Juli gab die Zentrale Ausländerbehörde den kommunalen Ausländerbehörden bekannt, dass es nun auch für brandenburgische Afghanen keine Einschränkungen bei Abschiebungen mehr gäbe. Es können nun alle erwachsenen, ausreisepflichtigen Afghanen nach Kabul abgeschoben werden.
Damit übergehen die Ausländerbehörden und das Innenministerium einen Beschluss (2), der am 3.3.2017 im Landtag verabschiedet wurde. Dieser besagt, dass “Ausländerbehörden im Rahmen einer sorgfältigen Einzelfallprüfung die Ermessensspielräume der gesetzlichen Regelungen des Aufenthaltsrechts … nutzen” sollen. Außerdem soll sichergestellt werden, “ob eine besondere Schutzbedürftigkeit im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie vorliegt.”
Die Rechtsanwältin Myrsini Laaser schreibt auf Facebook jedoch über einen für die Abschiebung vorgesehenen Mandanten:
„Seit heute sitzt ein afghanischer Mandant von uns aus Brandenburg in Abschiebehaft, der morgen nach Afghanistan abgeschoben werden soll. Er ist kein Straftäter oder Gefährder. Er befindet sich noch im Erstverfahren. Sein Asylantrag wurde zwar abgelehnt, aber dagegen haben wir geklagt. Er ist psychisch sehr labil. War bereits wegen eines Suizidversuches in stationärer Behandlung. Er ist damals vor den Taliban geflohen. Sein Vater wurde von den Taliban ermordet. Erst im Mai 2018 wurde seine Familie erneut von den Taliban angegriffen und bedroht, bei diesem Angriff wurden seine Brüder schwer verletzt und Freunde getötet.“ (3)
Eine Einzelfallprüfung hat hier offenbar nicht stattgefunden, gesundheitliche Abschiebehindernisse werden wissentlich ignoriert. Welchen Gehalt und welche Glaubwürdigkeit hat ein Beschluss, wenn er derart nonchalant vom Innenministerium übergangen werden kann?
„Wir sind empört, dass Menschen in solch labilem Zustand in ein Land abgeschoben werden sollen, in dem sie alles andere als Unterstützung erwartet. Diese Abschiebungen sind menschenunwürdig und müssen gestoppt werden. Die Landesregierung sollte sich ihrer Verantwortung stellen und afghanische Geflüchtete real schützen. Die erneute Beteiligung an Abschiebungen von dazu noch gesundheitlich stark angeschlagenen Menschen nach Afghanistan ist eine Missachtung jeglicher Erkenntnisberichte und Einzelschicksale.
Die Landesregierung sollte zu dieser fragwürdigen Vorgehensweise Stellung beziehen“,
so Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Der Flüchtlingsrat fordert erneut: Alle Abschiebungen nach Afghanistan stoppen. Brandenburg darf sich nicht an Abschiebungen in den Krieg beteiligen!
Flüchtlingsrat Brandenburg fordert, den klaren Worten des Ministerpräsidenten entsprechende Taten folgen zu lassen.(Pressemitteilung vom 13.08.2018)
In der vergangenen Woche hatte sich Ministerpräsidenten Dietmar Woidke im Morgenmagazin des ZDF kritisch darüber geäußert, dass selbst Geflüchtete, die sich in einer Ausbildung befinden, nicht sicher vor Abschiebung wären. „Auf keinen Fall abschieben, wenn jemand eine feste Arbeitsstelle hat“, forderte Woidke im Interview. Denn das sei nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Betriebe frustrierend (1). Der Flüchtlingsrat Brandenburg begrüßt die klare Positionierung des Ministerpräsidenten zur Schaffung von Lebensperspektiven für Geflüchtete, die sich in Arbeit und Ausbildung befinden und fordert ihn auf, seinen politischen Handlungsspielraum entsprechend zu nutzen.
Die Praxis in Brandenburg weicht eklatant von Woidkes Forderung ab. „Einige Ausländerbehörden verhindern durch restriktive Praxis, das Geflüchtete eine qualifizierten Berufsausbildung aufnehmen können, selbst bei Vorlage eines unterzeichneten Ausbildungsvertrags. Anderen wird die Beschäftigungserlaubnis sogar nach Jahren der Beschäftigung bzw. nach Beginn der Ausbildung entzogen.“, so Kirstin Neumann vom Flüchtlingsrat Brandenburg. So auch Amir Tunje, er stellte Anfang Juli 2017 einen Antrag auf eine Ausbildungsduldung, legte der Ausländerbehörde Barnim alle erforderlichen Dokumente samt Ausbildungsvertrag zum Maschinen- und Anlagenführer bei einer Eberswalder Metallbaufirma vor. Kurz darauf erhielt er nicht etwa die Erlaubnis, sondern die Aufforderung nach Kenia auszureisen — die Ausländerbehörde hatte bereits einen Flug gebucht. Über ein Jahr hat es gedauert bis die Behörde nach Durchlaufen verschiedener Gerichtsinstanzen und endgültiger Entscheidung des OVG nachgeben und dem Ausbildungsbeginn zum 01.08.18 zustimmen musste. Es ist dem Betrieb zu verdanken, dass er trotz der behördlichen Hindernisse und Verzögerungen an der Ausbildung für Herrn Tunje festgehalten hat.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg fordert die brandenburgische Landesregierung auf, Ausländerbehörden anzuweisen ihre Ermessensspielräume zu nutzen. Bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen und der Umsetzung von Bleiberechtsregelungen wie der Ausbildungsduldung liegt es häufig im Ermessen der Ausländerbehörden, diese zu ermöglichen. Momentan nutzen sie ihre Spielräume für das Bleiberecht und die Integration in Brandenburg nur selten zugunsten der Betroffenen. In Bezug auf die Ausbildungsduldung sollte der gesetzliche Anspruch durch eine Überarbeitung des Erlasses vom 27.10.2017 (2) ermöglicht werden: Der Besetzung einer Arbeits- oder Ausbildungsstelle muss stets Vorrang vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gewährt werden. Auch berufsvorbereitende Maßnahmen und Studium sollten vor Abschiebung schützen. „Es ist unbedingt erforderlich, dass alle Geflüchtete in Arbeit oder Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis und somit eine langfristige Perspektive erhalten, wenn Woidke seine Stellungnahme wirklich ernst meint.“, so Neumann weiter.
(1)https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/moma-vor-ort-woidke-100.html
(2)http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/erlnr_10_2017
Pressekontakt: Kirstin Neumann 0160 56 33 193
Flüchtlingsrat Brandenburg
R.-Breitscheid-Str. 164
14482 Potsdam
Tel.: 0331–716499
Fax: 0331–887 15 460
E‑Mail:info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
www.fluechtlingsrat-brandenburg.de
97 Angriffe zählte die Opferperspektive im ersten Halbjahr 2018 im Land Brandenburg. Mittlerweile (Stand 1. August 2018) sind es über 100 Angriffe, die in diesem Jahr registriert wurden. Zum Vergleich: im ersten Halbjahr 2017 wurden 98 Fälle gezählt, im ganzen Jahr 171. Die weit überwiegende Zahl der Fälle (80) war rassistisch motiviert, herausragender regionaler Schwerpunkt Cottbus (22 Fälle). Angriffe waren zumeist Körperverletzungsdelikte (einfache KV: 46, gefährliche KV: 33). Die Opferperspektive fordert den Schutz der Betroffenen ernstzunehmen und aktiv zu verfolgen.
Fast täglich registrieren die Berater_innen für Betroffene rechter Gewalt des Vereins Opferperspektive neue Fälle. Da ist die Mutter, die mit ihrer Tochter im Supermarkt Persisch spricht und deswegen verbal rassistisch angegangen wird und, als sie sich dies verbittet, geschlagen wird. Da werden Moscheebesucher_innen mit Steinen beworfen. Da ist die schwangere Frau, die mit ihrem Freund von vermummten Rechten angegriffen wird, weil Neonazis glauben, dass sie rechte Aufkleber abgekratzt hätten.
Es muss festgestellt werden, dass es in den letzten Monaten keinen Rückgang rechter Gewalttaten gegeben hat. Das Niveau rassistischer Gewalt bleibt stabil hoch, obwohl viele Gründe, die in den letzten drei Jahren für den Anstieg rechter Gewalttaten herangezogen wurden, derzeit nicht gegeben sind. Weder gibt es in diesem Jahr Landtags- oder Bundestagswahlen, noch kommen derzeit in hoher Zahl Geflüchtete in Brandenburg an. Auch gibt es außerhalb des Cottbusser Großraums derzeit keine starken politischen Aktivitäten rechter Gruppen im öffentlichen Raum. Rassistische Gewalt ist in den letzten drei Jahren für einen Teil der Brandenburger Bevölkerung offenbar zu einer normalen und akzeptierten Handlungsweise im Umgang mit Migrant_innen geworden.
Dabei stellen in Fällen rassistischer Gewalt die registrierten physischen Angriffe nur die Spitze des Erlebens der Betroffenen dar. Neben den physischen Angriffen sind viele von ihnen täglich mit rassistischer Diskriminierung konfrontiert, werden nicht in Sportstudios gelassen, in Läden nicht bedient oder auf der Straße beschimpft. Das Erleben dieser alltäglichen Feindseligkeit in Verbindung mit der ständigen Angst vor Gewalt belastet die Betroffenen psychisch stark. Für einen syrischen Asylbewerber waren diese anhaltenden Anfeindungen und zwei tätliche Angriffe auf ihn in kurzer Zeit Auslöser einen Suizidversuch zu unternehmen.
Hannes Püschel, Berater der Opferperspektive, berichtet: „Wir haben es derzeit mit vielen Betroffenen, die schwerwiegende psychische Folgen davongetragen haben zu tun. Nach unserer Beobachtung sind staatliche Stellen, von der Polizei über die Justiz bis hin zu Ausländer- und Sozialbehörden immer wieder mit der aktuellen von massiver rechter Gewalt geprägten Situation überfordert und stellen kaum eine Hilfe für die Betroffenen dar. Wir müssen erkennen, dass seit drei Jahren anhaltende Hochphase rechter Gewalt kein vorübergehendes kurzfristiges Phänomen ist. Dementsprechend muss auf diese Lage seitens des Landes, der Kommunen und der Zivilgesellschaft reagiert werden und der Schutz der Betroffene höchste Priorität bekommen.“
Es sollte die große Abrechnung mit Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (Linke) werden. Offen wurde bereits in der Veranstaltungsankündigung im Internet ihr Rücktritt vom Ministeramt gefordert. Doch in den Redebeiträgen von Christian Kaiser und Elke Metzner, die heute die Hauptredenden bei der Kundgebung des extrem rechten Bürgerbündnisses Havelland waren, blieben die Anfeindungen gegen Golze und andere Politiker – im Vergleich zum üblichen Niveau der Veranstaltungsreihe – eher unspektakulär und marginal. Stattdessen strotzten die Reden vor allem wieder von Anfeindungen u.a. gegen Geflüchtete, „Arbeitsunwillige“ und insbesondere gegen den „linksversifften Multikultistaatsapparat der BRD“, der aus Sicht von Veranstaltungsteilnehmenden keine Politik in ihrem Sinne mache. Entsprechend läge der Fehler schon längst nicht mehr im System – das „System“ sei „der Fehler“, so Kaiser in seinem Redebeitrag.
Für fehlerhaft hielt der Vorsitzende des „Bürgerbündnisses Havelland“ e.V. offenbar auch den Straftatbestand der „Volksverhetzung“ und solidarisierte sich erneut mit der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Zudem begrüßte er die „Schutzzonen“-Propaganda der NPD und äußerte sich positiv gegenüber so genannten „Bürgerbewehren“.
Ein anderer Veranstaltungsteilnehmer sah hingegen vor allem anwesende Presse als Feindbild und versuchte auf einen Fotografen loszugehen. Ein Security-Mann verhinderte schließlich Tätlichkeiten.
Trotz geringer Teilnehmendenzahl und politischer Bedeutungslosigkeit geht von einigen Veranstaltungsgästen also nach wie vor eine hohe Aggressivität aus, die möglicherweise aus einer Mixtur aus einem falschen Rechteverständnis und Rechthaberei heraus resultiert.
Zu dem scheinen die Veranstaltenden auch nur bedingt Interesse zu haben, ihre Gäste im Zaum zu halten. Redner, wie Wolfgang Hoppe, scheinen jedenfalls an keiner Deeskalation interessiert zu sein. Er drohte einmal mehr vom Podium aus, gegen einen namentlich genannten Pressevertreter vorzugehen.
Beinahe harmlos wirkte dagegen der letzte Redner Ralf Maasch, der angesichts hoher Temperaturen kurz und knapp alle Zuhörenden aufforderte für „arme Tiere“ ein bisschen Wasser herauszustellen. Für Geflüchtete hat er allerdings kein Mitgefühl, wenn die Botschaft auf seinem T‑Shirt richtig gedeutet wird. Darauf werden sie indirekt als kriminelle Subjekte entmenschlicht, für die „Politiker“ haften würden.
Insgesamt nahmen 20 Personen an der abendlichen Versammlung des „Bürgerbündnisses“ teil.
Gestern verurteilte das Amtsgericht Senftenberg nach einem Prozesstag den 19-jährigen Matthias W. zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung sowie zum Ableisten gemeinnütziger Arbeit im Umfang von 100 Stunden wegen des Angriffes auf eine schwangere Frau sowie weiterer Frauen und Kinder. Die Opferperspektive kritisiert die fehlende Nennung des politischen Motives in der Urteilsbegründung.
Die Aussagen der Verletzten, die als Zeuginnen gehört wurden, waren bedrückend: Der sichtlich angetrunkene Täter hatte sich am 25. August 2017 auf einem Spielplatz in Großräschen zielstrebig vor einer Gruppe von vier türkischen Frauen und ihren elf Kindern aufgebaut, sie rassistisch beleidigt und dann mit dem Finger auf einzelne Frauen gezeigt und sie nacheinander mit dem Tode bedroht. Er schlug einer offenkundig schwangeren Frau zunächst ins Gesicht und trat ihr mit erhobenen Bein in den Bauch als sie sich mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm nicht schnell genug entfernen konnte. Einen 5‑jährigen Jungen, der vor ihm weglaufen wollte, trat er in den Rücken. Ein weiteres Mädchen flüchtete sich panisch auf die angrenzende befahrene Straße.
Nur durch glückliche Umstände erlitten die Betroffenen keine schwerwiegenden körperlichen Schäden, auch das Kind der Schwangeren wurde gesund geboren. Die psychischen Tatfolgen dauern dagegen bis heute an, schilderten die Betroffenen: Die Kinder hätten große Angst in der Öffentlichkeit und vermieden es z.B. auf Spielplätze zu gehen.
Anne Brügmann, Beraterin beim Verein Opferperspektive e.V., der die Betroffenen Frauen nach dem Angriff unterstützt und im Verfahren begleitet hatte, kommentierte den Prozess:
„Aus Sicht der Betroffenen ist es positiv, dass das Gericht mit der Verhängung einer Jugendstrafe die Schwere der Schuld des Täters anerkannt hat. Das Verfahren gab ihnen die Gelegenheit, ausführlich von ihrem Erleben öffentlich zu berichten und wahrgenommen zu werden. Allerdings war dies fast ausschließlich durch eine engagierte Nebenklagevertretung möglich. Insbesondere die Richterin hat sich so gut wie gar nicht für den rassistischen Hintergrund der Tat und wenig für die Folgen für die Betroffenen interessiert. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die politische Motivation des Angriffs in der Urteilsbegründung mit keinem Wort erwähnt wurde“.
Auch das Plädoyer des Staatsanwalts, die Tat sei „zwar ausländerfeindlich, aber nicht politisch motiviert“ gewesen, ist aus Sicht der Opferperspektive eine Farce. Es reduziert Rassismus bzw. „Ausländerfeindlichkeit“ auf einen vermeintlichen Rand der Gesellschaft. Dabei sind es nicht allein organisierte Rechte, die politisch motivierte rassistische Gewaltstraftaten begehen. Der Angriff in Großräschen war die typische Tat eines Rassisten, der bei Gelegenheit vorsätzlich handelte. Wie alltäglich die Betroffenen den Rassismus erleiden, zeigte sich auch an diesem Verhandlungstag: „Zwar verstehe ich kein deutsch, aber ‚Scheiß Ausländer’ konnte ich verstehen, da wir diese Worte wirklich sehr oft hören”, äußerte eine der Betroffenen.