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(Anti-)Rassismus Law & Order

Wir sind die Seebrücke“ – Kundgebung in Frankfurt (Oder)

Am Son­ntag, dem 30. Sep­tem­ber 2018, 15.00 Uhr, find­et an der Frank­furter Oder­brücke eine Kundge­bung der Ini­tia­tive „See­brücke“ für sichere Fluchtwege, ein offenes Europa und eine sol­i­darische und weltof­fene Gesellschaft statt. Zu der Ver­anstal­tung ruft das Frank­furter Bünd­nis „Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder)“, beste­hend aus zivilge­sellschaftlichen Ini­tia­tiv­en, Vere­inen, Ver­bän­den und Vertreter*innen von Parteien auf. Dazu erk­lärt der Sprech­er des Bünd­nis Kein Ort für Nazis Jan Augustyniak:
„Men­schen auf dem Mit­telmeer ster­ben zu lassen, um die Abschot­tung Europas weit­er voranzubrin­gen und poli­tis­che Machtkämpfe auszu­tra­gen, ist unerträglich und spricht gegen jegliche Human­ität. Dieser Tage muss sog­ar das let­zte noch verbliebene pri­vate Seenot-Ret­tungss­chiff „Aquar­ius II“ auf dem Mit­telmeer darum kämpfen, Men­schen vor dem Ertrinken ret­ten zu dür­fen. Dabei war und ist Migra­tion schon immer Teil unser­er Gesellschaft. Wir brauchen ein offenes Europa, sol­i­darische Städte und sichere Häfen – und keine geschlosse­nen Grenzen.“
Die „See­brücke“ ist eine inter­na­tionale Bewe­gung, getra­gen von ver­schiede­nen Ini­tia­tiv­en und Akteur*innen der Zivilge­sellschaft. Das Bünd­nis „Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder)“ sol­i­darisiert sich mit allen Men­schen auf der Flucht und fordert von der deutschen und europäis­chen Poli­tik sichere Fluchtwege, eine Entkrim­i­nal­isierung der Seenotret­tung und eine men­schen­würdi­ge Auf­nahme der Men­schen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind.
„Für diese Forderun­gen wollen wir an der Oder­brücke ein­ste­hen und Frank­furt zu einem Teil ein­er sol­i­darischen und weltof­fe­nen Gesellschaft für alle machen. Orange ist die Farbe des „Seebrücke“-Bewegung: Mit der Farbe der Ret­tungswest­en zeigen wir unsere Sol­i­dar­ität mit flüch­t­en­den Men­schen und Seenotret­tung­sor­gan­i­sa­tio­nen.“, so Augusty­ni­ak weiter.
Weit­ere Infor­ma­tio­nen zum Bünd­nis „Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder)“: www.kein-ort-fuer-nazis.org
Weit­ere Infor­ma­tio­nen zur Ini­tia­tive „See­brücke“: www.seebruecke.org

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Vor dem Gesetz sind alle gleich — außer Ausländer

Frank­furt (Oder) — Bestürzt haben wir vom Utopia e.V. die Äußerun­gen des Frank­furter Ober­bürg­er­meis­ters wahrgenom­men, mit denen er auf den gewalt­täti­gen Angriff auf die Gäste des Clubs „Frosch“ reagiert hat. Als „Kehrtwende“ beze­ich­net René Wilke selb­st seine neue Posi­tion zum Umgang mit Geflüchteten, die die Ausweisung bei entsprechen­den Straftat­en vor­sieht. Wir sind über diese Entwick­lung besorgt und empört.
Wie alle Bürger*innen dieser Stadt waren auch wir entset­zt über den gewalt­täti­gen Über­griff im Frosch-Club, mit dem wir bei unseren Ver­anstal­tun­gen gerne zusam­me­nar­beit­en. Bei dem Über­griff waren zudem Freund*innen von uns anwe­send, die zum Glück unver­let­zt blieben.
Für uns war direkt danach klar: Die Strafver­fol­gungs­be­hör­den sind jet­zt am Zug, die Polizei und die Staat­san­waltschaft wer­den sich des Fall­es annehmen, es wird Fes­t­nah­men, einen Gericht­sprozess und Verurteilun­gen geben. Kör­per­ver­let­zung mit Faust und Mess­er ist eine ern­ste Sache. Wenn Staat und Stadt in der Folge ihre Hausauf­gaben machen, dann wer­den Sozialarbeiter*innen der Frage nachge­hen, was die Entste­hungs­be­din­gun­gen der zur Diskus­sion ste­hen­den gewalt­täti­gen Clique sind und ver­suchen, diese zu ändern. Und schließlich wird der Frosch-Club ein wirkungsvolles Sicher­heits-Konzept ausar­beit­en, um seine Gäste in Zukun­ft bess­er zu schützen.
So disku­tierten wir die Entwick­lun­gen, doch davon kein Wort mehr, denn inzwis­chen hat sich die Lage drastisch verän­dert: Der Ober­bürg­er­meis­ter sah sich anscheinend gezwun­gen, vom Lauf der rechtsstaatlichen Dinge abzu­lenken und kramte aus der Mot­tenkiste der kom­mu­nalen Volkssou­veränität ein — wie es im juris­tis­chen Jar­gon heißt — beson­deres “Ausweisungsin­ter­esse” hervor.
Es ist offen­sichtlich, was hin­ter sein­er Entschei­dung ste­ht, sich so zu äußern: jene Frankfurter*innen anzus­prechen, die ras­sis­tisch sind, die Migra­tion nur als Bedro­hung empfind­en und demokratis­che Werte ver­acht­en. Und er ver­sucht jene zu besän­fti­gen, für die rechtsstaatliche Maß­nah­men gegen nicht-deutsche Gewalttäter*innen nicht weit genug gehen kön­nen. Das sind genau jene Men­schen, die mit zweier­lei Maß messen.
Wir verurteilen den Angriff auf den Frosch-Club entsch­ieden. Gle­ichzeit­ig stellen wir uns gegen die Instru­men­tal­isierung der Herkun­ft der Täter*innen für pop­ulis­tis­che Forderun­gen. Damit ver­schärft sich die Debat­te um Geflüchtete weit­er und ver­schiebt sich nach rechts. Wir sind überzeugt, dass dieser Schachzug nicht funk­tion­ieren wird: Nun den recht­en Forderun­gen ent­ge­gen­zukom­men wird nicht helfen, rechte Posi­tio­nen abzuschwächen. Im Gegen­teil, damit wer­den sich diejeni­gen in ihrer Hal­tung bestätigt fühlen, die zu den Men­schen­recht­en ein zwiespältiges, rein tak­tis­ches Ver­hält­nis haben und Geflüchteten ablehnend bis feindlich gegenüber stehen.
Wir sind empört über diesen Recht­sruck unseres Ober­bürg­er­meis­ters. Wir sind aber — und das ist vielle­icht fast noch beschä­mender für Frank­furt (Oder) — empört über eine Gemen­ge­lage aus Betrof­fen­heit, Aktion­is­mus und Angst vor rechter Stim­mungs­mache, die die Poli­tik unter einen völ­lig wider­sin­ni­gen Zugzwang set­zt. Mit Rück­sicht auf die Stim­mung in der Stadt wird aus ein­er Angele­gen­heit für das Strafrecht eine irra­tionale Kaf­feesat­zle­serei rund um das Phänomen “gefühlte Sicher­heit”. Damit Frank­furt (Oder) nicht der­art in die Schlagzeilen ger­ate wie Cot­tbus oder Chem­nitz, nehmen viele Politiker*innen die “Stim­mung in der Stadt” zum Aus­gangspunkt, um den Bürger*innen ihr “Sicher­heits­ge­fühl” wiedergeben zu wollen.
Hal­lo Sahra Wagenknecht: “Wer Gas­trecht miss­braucht, hat Gas­trecht ver­wirkt.” Hal­lo NPD: “Krim­inelle Aus­län­der raus!” Das kann doch nicht ern­sthaft eine ser­iöse Antwort auf soziale Prob­leme und Gewalt sein! Falls doch, kön­nten wir eine lange Liste mit sehr deutschen Namen auf­stellen, für die eben­falls eine Ausweisung geprüft wer­den sollte.
Das Prob­lem ist die Unehrlichkeit: Wir kön­nen die Gewalt und das Böse in dieser Gesellschaft nicht ein­fach “rauss­chmeißen”. Wer den Anschein erweckt, dass dies möglich sei, han­delt ver­ant­wor­tungs­los. Krim­i­nal­ität und Gewalt müssen inner­halb ein­er Gesellschaft gek­lärt und bekämpft wer­den. Abschiebun­gen dür­fen nie ein legit­imes Mit­tel von Poli­tik sein. Wer glaubt, man könne sich so aktiv Prob­leme vom Hals schaf­fen, gibt das unteil­bare Ver­sprechen von Gle­ich­heit auf, für das sich Linke ver­bür­gen — zuallererst vor dem Gesetz. Wir fordern eine Gle­ich­be­hand­lung von deutschen und nicht-deutschen Per­so­n­en – rechtsstaatliche Prinzip­i­en müssen für alle hier leben­den Men­schen gle­icher­maßen gelten!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order Sonstiges

Gauland im „Kunsthaus Premnitz“ – über Konservatismus und die Flüchtlingsdebatte

PREMNITZ — Das „Kun­sthaus Prem­nitz“ will die kul­turelle Land­schaft im west­lichen Havel­land bere­ich­ern. Regelmäßig find­en dort Ver­anstal­tun­gen mit klas­sis­ch­er Musik, Ausstel­lun­gen und Lesun­gen statt. Darüber hin­aus suchen die Kun­stschaf­fend­en, allen voran Ste­fan Behrens, aber auch das Gespräch und bieten Son­derver­anstal­tun­gen mit Gästen aus der hohen Politik.
Ex-Bun­des­fi­nanzmin­is­ter Peer Stein­brück (SPD) war im Mai da. Ex-Bun­de­saußen­min­is­ter Josch­ka Fis­ch­er (GRÜNE) wird Mitte Okto­ber erwartet.
Gestern hieß der Gast Alexan­der Gauland, seines Zeichens Bun­desvor­sitzen­der der „Alter­na­tive für Deutsch­land“ (AfD). Ein nicht unum­strit­ten­er Gast, der wegen sein­er rel­a­tivieren­den Äußerun­gen zur NS-Zeit kaum noch zu TV-Talk­shows ein­ge­laden wird und dessen Partei immer offen­er zu Sym­pa­thien für die extreme Rechte, wie zulet­zt in Chem­nitz, zur Schau trägt. Die grundle­gende Frage lautete deshalb vor­ab: Darf diesem Men­schen den­noch ein öffentlich­es Podi­um geboten werden?
Boykott oder Gespräch?

2018.09.04 Premnitz - Gespraech mit Alexander Gauland AfD Kunsthaus (1)
Protes­tak­tion im Vorfeld

Unbekan­nte gaben darauf offen­bar bere­its am Mor­gen ihre Antwort. Im Ein­gangs­bere­ich zum Grund­stück des Kun­sthaus­es lagen, so zeigen es Fotos eines Anwohnen­den, dutzende bunte Zettel, die mit anti­ras­sis­tis­chen Losun­gen bedruckt waren. Ein Stromkas­ten am „Kun­sthaus“ war zudem mit einem „Fuck AfD“-Graffiti verziert worden.
Doch so ein­fach wollte es sich Ste­fan Behrens anscheinend nicht machen. Er wollte dem „Phänomen Gauland“ auf den Grund gehen, ihm zuhören, seine Grund­hal­tung erforschen und schließlich die Kon­se­quen­zen daraus in Bezug auf seine gesellschafts- und staat­spoli­tis­che Debat­ten­führung analysieren. Hat der AfD-Chef „mit­tler­weile die Posi­tion eines Kon­ser­v­a­tiv­en ver­lassen“? Und nähert er sich „reak­tionären, frem­den­feindlich, men­schen­ver­ach­t­en­den, nation­al­sozial­is­tis­chen Posi­tio­nen“ an? Das schienen die entschei­den­den Grund­fra­gen, welche den Gast­ge­ber bewegten, dass „Phänomen Gauland“ in sein Haus zu lassen.
Der Ein­stieg

2018.09.04 Premnitz - Gespraech mit Alexander Gauland AfD Kunsthaus (10)
Ste­fan Behrens ist Chef des Kun­sthaus­es. Er lud zum Gespräch ein.

Das Kun­sthaus am Prem­nitzer See ist ein recht ansehn­lich­es Anwe­sen, eine in den Jahren 1917/18 errichtete Direk­torenvil­la mit großen Grund­stück und viel Platz für Werke der mod­er­nen Kun­st. Etwas rustikal und aris­tokratisch wirkt hinge­gen der Ort, in dem sich Behrens mit Gauland trifft. Es ist das holzvertäfelte Kam­inz­im­mer, welch­es mit seinen vie­len Gemälden, auch wenn diese ein­deutig der Mod­erne zuzuord­nen sind, den Charak­ter eines kon­ser­v­a­tiv­en Fürsten­sitzes ver­mit­telt und somit dur­chaus geeignet scheint, um den AfD Chef auf „Augen­höhe“ zu begegnen.
Die eine Hälfte des Saales applaudiert dem Gast aus Pots­dam, als dieser das Kam­inz­im­mer betritt. Zwei bekan­nte Funk­tionäre der AfD, darunter auch der Prem­nitzer Stadtverord­nete der Partei, sitzen im Raum, eben­so wie vier Aktive der extrem recht­en Vere­ini­gung „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ und offen­bar weit­ere Sym­pa­thisierende Gaulands. Die andere Hälfte des Saales, darunter der Bürg­er­meis­ter von Prem­nitz, Ralf Tebling (SPD), weit­ere Stadtverord­nete, u.a. von den Linken, sowie zivilge­sellschaftlich Engagierte wirken eher pas­siv, abwartend.
Dann eröffnet Ste­fan Behrens, nach ein­er kurzen Begrüßung, das Gespräch, begin­nt mit der Betra­ch­tung der Biografie von Alexan­der Gauland.
Der junge Gauland – Studi­um statt Tagebau

2018.09.04 Premnitz - Gespraech mit Alexander Gauland AfD Kunsthaus (13)
Alexan­der Gauland (AfD) im Gespräch

Der heutige AfD Chef wurde 1941, mit­ten im Zweit­en Weltkrieg, in der Zeit des Nation­al­sozial­is­mus, den er später einen „Vogelschiss“ in der lan­gen Geschichte Deutsch­lands nen­nen wird, geboren. Der Vater von Alexan­der Gauland war säch­sis­ch­er Offizier, soll seinen Sohn nach einem rus­sis­chen Zaren benan­nt haben. Das Wohnum­feld ist großbürg­er­lich. Seine Schule im nun­mehr in „Karl-Marx-Stadt“ umbe­nan­nten Chem­nitz trägt den Namen „Friedrich Engels“. Trotz aller späteren Dif­feren­zen zur DDR lobte Gauland gestern deren Erziehungssys­tem. Er durfte dort sog­ar 1959 Abitur machen – ein außergewöhn­lich­es Priv­i­leg in diesem Land. Ein Studi­um zu begin­nen, soll ihm aber ver­sagt gewe­sen sein. Dies war aber anscheinend nicht der allein auss­chlaggebende Grund für seine nun fol­gende Flucht in die Bun­desre­pub­lik, so Gauland gestern in Prem­nitz. Vielmehr sollte sich der heutige Vor­sitzende der selb­ster­nan­nten „neuen Arbeit­er­partei“ AfD in der Pro­duk­tion bewähren und in einem Tage­bau in Lauch­ham­mer arbeit­en. Davon hielt Gauland jedoch aber nichts und floh daraufhin nach West-Berlin, wo er in der Notauf­nah­meein­rich­tung Marien­felde aufgenom­men wurde. Einen poli­tis­chen Hin­ter­grund für seine Flucht demen­tierte der AfD Chef gestern noch ein­mal deut­lich. Später siedelte er in die Bun­desre­pub­lik über und kon­nte dort in Mar­burg und Gießen Jura studieren
Der kon­ser­v­a­tive Gauland
In den 1970er Jahren machte Gauland schnell Kar­riere in der CDU, war u.a. in deren Bun­destags­frak­tion in Bonn tätig und traf dort auf promi­nente Vertreter des „nation­alkon­ser­v­a­tiv­en Flügels“ der CDU. Ins­beson­dere Alfred Dreg­ger deutete er gestern als per­sön­lich­es Vor­bild an.
Tat­säch­lich blieb der Kon­ser­vatismus ein Leben­s­the­ma für Gauland. Auch gestern war sein Buch: „Anleitung zum Kon­ser­v­a­tiv­sein“ eine Stunde lang Haupt­ge­sprächsstoff zwis­chen ihm und Mod­er­a­tor Ste­fan Behrens. Aus­führlich wurde über die darin haupt­säch­lich vork­om­menden his­torische Fig­uren, Edmund Burke und Friedrich der Große, sowie über ihre staat­spoli­tis­chen Ansicht­en debat­tiert. Nicht allerd­ings zur Freude des Pub­likums, welch­es augen­schein­lich dem Zwiege­spräch zwis­chen Behrens und Gauland nicht immer fol­gen konnte.
Erst als die Aus­sagen des AfD-Chefs kerniger wur­den, seine Abnei­gung gegenüber den 68ern – die er qua­si als „Urkatas­tro­phe“ der heutige Ver­hält­nisse bzw. als Haupt­geg­n­er des Kon­ser­vatismus sieht – deut­lich zur Sprache kamen und hin­sichtlich der Flüchtlingssi­t­u­a­tion die Töne nation­al­is­tis­ch­er wur­den, wurde der Saal wieder munter­er. Die Diskus­sion hat­te nun Gaulands Lieblings­the­ma erreicht.
Ohne Alter­na­tiv­en für Deutschland

2018.09.04 Premnitz - Gespraech mit Alexander Gauland AfD Kunsthaus (9)
Diskus­sion im Kaminzimmer

Aus­giebig äußerte sich der AfD Chef nun über ver­meintliche Äng­ste in der Bevölkerung und zu Über­grif­f­en von Geflüchteten. Zu anderen The­men, wie Jugend oder Rente, wollte er sich hinge­gen nur sehr kurz positionieren.
Eine jün­gere Frau, die fragte ob die „Alter­na­tive für Deutsch­land“ auch für Jugendliche aktiv ist, erhielt die knappe Antwort: Ja, wir haben einen Jugendverband.
Eine ältere Frau, die nach­fragte was zur Rente im Bun­de­spro­gramm der AfD ste­ht, wurde sin­ngemäß mit den Worten abge­fer­tigt: Geben sie mir ihre Emailadresse, dann schicke ich es ihnen.
Selb­st auf die Frus­tra­tion manch­er „besorgter Bürg­er“ hat­te Gauland, zumin­d­est wenn es um prekäre Beschäf­ti­gungsver­hält­nisse, Alter­sar­mut oder Mit­tel­losigkeit ging, keine tragfähige Lösun­gen oder auch nur den Ansatz eines Konzeptes parat.
Resümee
Die AfD bedi­ene sich lediglich Pro­jek­tio­nen, um Poli­tik zu machen, so eine ehe­ma­lige Psy­cholo­gin am Ende des Prem­nitzer Gesprächs in einem State­ment an Gauland. Es wer­den keine poli­tis­chen Lösun­gen gesucht, son­dern der Frust auf die Schwäch­sten in der Gesellschaft abgewälzt und so vor allem in Geflüchteten „Schuldige“ an der ver­meintlichen „Mis­ere“ im Land gefunden.
Doch, und das wurde gestern in Prem­nitz eben­falls klar, es geht der AfD eben nicht nur, um die Auss­chaf­fung von Geflüchteten, egal ob straf­fäl­lig oder nicht.
Gauland will die ide­ol­o­gis­che Wende, die Revi­sion der bun­desre­pub­likanis­chen Werte seit Ende der 1960er Jahre. Seine „Alter­na­tive für Deutsch­land“ ste­ht für einen neuen Kon­ser­vatismus, der nicht nur die demokratis­chen Errun­gen­schaften der let­zten Jahrzehnte über­winden will, son­dern auf dem besten Wege ist, den his­torischen Fehler der „alten“ Kon­ser­v­a­tiv­en zu wieder­holen: mit den Völkischen gemein­sam „Staat­spoli­tik“ betreiben zu wollen.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Resumee: “Kein Raum für rechte Hetze”-Demo

Am Sam­stag, dem 1. Sep­tem­ber, fol­gten dem Aufruf eines Bünd­niss­es, beste­hend aus zivilge­sellschaftlichen Akteur_innen und Vere­inen, mehrere hun­dert Men­schen zur Demon­stra­tion unter dem Mot­to „Kein Raum für rechte Het­ze“ nach Neuenhagen.
Bunt, laut und engagiert sam­melten sich junge Men­schen, aber auch Fam­i­lien und vor allem viele Anwohner_innen. Alle einigte ihre Empörung und Wut über die im „Bürg­er­haus Neuen­hagen“ stat­tfind­ende Tageskon­ferenz der „Alter­na­tive für Deutsch­land“. Wir möcht­en an dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Teil­nehmenden senden. Mit großem Engage­ment, den Sprechchören, Trans­par­enten und Schildern haben wir deut­lich gezeigt, dass wir es nicht zulassen, dass sich die AfD ohne Protest ver­sam­meln und het­zen kann.
Es ist immer wichtig eine Gegenöf­fentlichkeit zu schaf­fen, die AfD-Mei­n­ung kri­tisch zu begleit­en und eine kon­träre Posi­tion, in der wir klar machen, dass es um ein gutes Leben für alle geht, zu artikulieren. Um über die Demon­stra­tion und deren Inhalte zu informieren, wur­den, sowohl neben­her als auch im Vor­feld, Fly­er an Anwohner_innen der Gemeinde Neuen­hagen verteilt. Dabei zeigte sich, dass ein Großteil gar nicht wusste, was die AfD im „Bürg­er­haus Neuen­hagen“ ver­anstal­tet. Gle­ichzeit­ig empörten sich viele, dass ein kom­mu­nales Gebäude für Neo-Nazis, Faschis­ten und rechte Het­ze bere­it gestellt wird. Pro­voka­tio­nen und Pöbeleien am Rande der Demon­stra­tion gab es nur vere­inzelt. Während der Demon­stra­tion informierten Rede­beiträge die rund 400 Teil­nehmenden und die Anwohner_innen über die Kon­ferenz und ihre Protagonist_innen – über Jür­gen Elsäss­er und sein ver­schwörungs­the­o­retis­ches „Com­pact-Mag­a­zin“, legten die men­schen­ver­ach­t­en­den Inhalte der recht­en Partei offen und set­zten die Kon­ferenz in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen.
Die AfD, und ihre Kon­ferenz, trägt ihren Teil zur poli­tis­chen Stim­mungs­mache bei und ist somit auch untrennbar von den Geschehnis­sen in Chem­nitz zu betra­cht­en. Beson­ders deut­lich zeigt sich dies u.a. bei Andreas Kalb­itz (MdL Brandenburg/ Lan­des- und Frak­tionsvoritzen­der), der zuerst bei der Tageskon­ferenz sprach und danach weit­er nach Chem­nitz (Sach­sen) fuhr, um u.a. neben Bernd Höcke, „PEGIDA“ und dem völkisch-nation­al­is­tis­chem Net­zw­erk „Pro Chem­nitz“ an der Großdemon­stra­tion teilzunehmen. Die Kon­ferenz selb­st war für die AfD ein Flop – von den im Vor­feld angekündigten knap­pen 500 Plätzen, war nur ein Bruchteil belegt – nicht ein­mal 150 Anwe­sende zählte die Ver­anstal­tung und der Haupt­teil der Teil­nehmenden war alt und männlich. Vor allem die organ­isierende Kreis­struk­tur trat vor dem „Bürg­er­haus“ auf, um die vor­bei kom­mende Demon­stra­tion und die von einem Parteien­bünd­nis organ­isierte Kundge­bung abzu­fil­men. Im Vorder­grund dessen stand der Haup­tini­tia­tor Lars Günther.
Abschließend bleibt noch die Krim­i­nal­isierung der friedlichen Demon­stra­tion durch die einge­set­zte Polizei zu the­ma­tisieren. Bere­its im Vor­feld fan­den Obser­va­tio­nen der drei im Land­kreis stat­tfind­en­den Infor­ma­tionsver­anstal­tun­gen durch Zivil­beamte des Staatss­chutzes statt. Auch das geplante „Demokratiefest“ vom Parteien­bünd­nis musste abge­sagt wer­den, da die Polizei im Vor­feld den Besitzer der geplanten Fläche drängte, diese nicht zur Ver­fü­gung zu stellen. Grund für bei­de Maß­nah­men war die Ein­schätzung der Polizei, dass„links-autonome“ Aktiv­itäten erwartet wer­den. Diese völ­lig irra­tionale Ein­schätzung äußerte sich dann in einem Großaufge­bot der Bran­den­burg­er Polizei, welche die Demo begleit­ete, das „Bürg­er­haus“ voll­ständig abriegelte, sog­ar den immer Sam­stag stat­tfind­en­den Wochen­markt absagen ließ und alle ort­san­säs­si­gen Vere­ine für den Tag aus dem „Bürg­er­haus“ ver­wies. Das Aufge­bot der Polizei bestand deut­lich aus jun­gen, uner­fahre­nen, teils ver­mut­lich noch in der Aus­bil­dung steck­enden Beamt_innen – diese trat­en an mehreren Stellen völ­lig grund­los eskalierend auf. Die vie­len sich um und auf der Demo bewe­gen­den Zivilpolizist_innen, eine Fes­t­nahme, sowie die Fest­stel­lung mehrerer Per­son­alien bilde­ten den Höhep­unkt der Pro­voka­tio­nen und Eskala­tion der Polizei. Dabei ist zusät­zlich ver­w­er­flich, dass schein­bar nicht voll aus­ge­bildete Polizist_innen in Sit­u­a­tio­nen gebracht wur­den, um „Erfahrun­gen“ zu sam­meln und dort über eigene Gewal­tan­wen­dung zu ver­ro­hen. Trotz der steti­gen Pro­voka­tio­nen und der im Vor­feld prog­nos­tizierten Szenar­ien blieb die Demo friedlich, aber trotz­dem wütend, entschlossen, bunt und laut­stark über die Frech­heit, dass der AfD ein kom­mu­nales Gebäude für ihre Het­ze zur Ver­fü­gung gestellt wurde.
Lei­der wurde die kraftvolle Demo bish­er kaum in den Medi­en widergespiegelt.
Wir kom­men wieder, immer wenn die AfD oder andere Faschis­ten het­zen und stellen uns gegen die Krim­i­nal­isierung von Protest!
Danke an alle Unterstützer_innen.
Venceremos!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Bürgerbündnis für eine weltoffene Stadt Angermünde

Anlässlich der jüngst ver­bre­it­eten Fly­er und der Aktiv­itäten der
neona­tion­al­sozial­is­tis­chen Kle­in­st­partei „Der III. Weg“ fand am
Dien­stag, den 14.08.2018 ein Tre­f­fen des Bürg­er­meis­ters Fred­erik Bewer
und dem Bürg­er­bünd­nis für eine gewalt­freie, tol­er­ante und weltoffene
Stadt Anger­münde mit Vertretern des Staatss­chutzes, des
Ver­fas­sungss­chutzes, der Polizei­in­spek­tion Uck­er­mark, dem
Inte­gra­tions­beauf­tragten des Land­kreis­es Uck­er­mark und dem Mobilen
Beratung­steam statt.
Alle Teil­nehmer waren sich in der klaren Ablehnung der Aktiv­itäten und
der dahin­ter ste­hen­den Ide­olo­gie des „III. Weges“ einig.
Die Aktiv­itäten und die Ide­olo­gie dieser recht­sex­tremen Partei
ori­en­tieren sich fortwährend an der Weltan­schau­ung des Drit­ten Reiches
und der in dieser Zeit herrschen­den Nationalsozialisten.
In diesem Tre­f­fen wur­den mit den Vertretern der genan­nten Institutionen
konkrete Maß­nah­men vere­in­bart. Dabei geht es unter anderem um
Möglichkeit­en die Men­schen der Region Uck­er­mark über diese
Split­ter­partei, ihre Ide­olo­gie, ihre Aktiv­itäten und Ziele aufzuklären.
Dazu wur­den weit­ere Tre­f­fen in diesem Rah­men verabredet.
Fred­erik Bew­er und Wolf­gang Rall für das Bürg­er­bünd­nis für eine gewalt­freie, tol­er­ante und weltof­fene Stadt Angermünde 

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Ein menschliches Armutszeugnis für die rot-rote Landesregierung

Bran­den­burg schiebt wieder nach Afghanistan ab und ignori­ert Abschiebe­hin­dernisse bei den Betroffenen
(Pressemit­teilung vom 14.08.2018)
Heute soll der mit­tler­weile 15. Sam­me­lab­schiebe­flieger nach Afghanistan vom Münch­n­er Flughafen gehen, dafür vorge­se­hen und mit­tler­weile in Abschiebe­haft befind­lich sind auch drei junge Män­ner aus Bran­den­burg. Der skan­dalöse Rich­tungswech­sel der Lan­desregierung wird durch die Igno­ranz der Aus­län­der­be­hör­den gegenüber Abschiebe­hin­dernissen, die bei den Betrof­fe­nen vor­liegen, auf die Spitze getrieben: Zwei der drei jun­gen Män­ner sind suizidge­fährdet. Die Abschiebung wäre auf Grund des gesund­heitlichen Zus­tands der Betrof­fe­nen rechtswidrig.
Bish­er hat­te sich Bran­den­burg nur ein­mal im März 2017 an ein­er solchen Sam­me­lab­schiebung beteiligt (1). Die Lan­desregierung scheint nur auf die durch die Bun­desregierung befür­wortete Ausweitung der betrof­fe­nen Per­so­n­en­grup­pen gewartet zu haben: Im Juli gab die Zen­trale Aus­län­der­be­hörde den kom­mu­nalen Aus­län­der­be­hör­den bekan­nt, dass es nun auch für bran­den­bur­gis­che Afgha­nen keine Ein­schränkun­gen bei Abschiebun­gen mehr gäbe. Es kön­nen nun alle erwach­se­nen, aus­reisepflichti­gen Afgha­nen nach Kab­ul abgeschoben werden.
Damit überge­hen die Aus­län­der­be­hör­den und das Innen­min­is­teri­um einen Beschluss (2), der am 3.3.2017 im Land­tag ver­ab­schiedet wurde. Dieser besagt, dass “Aus­län­der­be­hör­den im Rah­men ein­er sorgfälti­gen Einzelfall­prü­fung die Ermessensspiel­räume der geset­zlichen Regelun­gen des Aufen­thalt­srechts … nutzen” sollen. Außer­dem soll sichergestellt wer­den, “ob eine beson­dere Schutzbedürftigkeit im Sinne der EU-Auf­nah­merichtlin­ie vorliegt.”
Die Recht­san­wältin Myrsi­ni Laas­er schreibt auf Face­book jedoch über einen für die Abschiebung vorge­se­henen Mandanten:
„Seit heute sitzt ein afghanis­ch­er Man­dant von uns aus Bran­den­burg in Abschiebe­haft, der mor­gen nach Afghanistan abgeschoben wer­den soll. Er ist kein Straftäter oder Gefährder. Er befind­et sich noch im Erstver­fahren. Sein Asy­lantrag wurde zwar abgelehnt, aber dage­gen haben wir geklagt. Er ist psy­chisch sehr labil. War bere­its wegen eines Suizid­ver­such­es in sta­tionär­er Behand­lung. Er ist damals vor den Tal­iban geflo­hen. Sein Vater wurde von den Tal­iban ermordet. Erst im Mai 2018 wurde seine Fam­i­lie erneut von den Tal­iban ange­grif­f­en und bedro­ht, bei diesem Angriff wur­den seine Brüder schw­er ver­let­zt und Fre­unde getötet.“ (3)
Eine Einzelfall­prü­fung hat hier offen­bar nicht stattge­fun­den, gesund­heitliche Abschiebe­hin­dernisse wer­den wissentlich ignori­ert. Welchen Gehalt und welche Glaub­würdigkeit hat ein Beschluss, wenn er der­art non­cha­lant vom Innen­min­is­teri­um über­gan­gen wer­den kann?
„Wir sind empört, dass Men­schen in solch labilem Zus­tand in ein Land abgeschoben wer­den sollen, in dem sie alles andere als Unter­stützung erwartet. Diese Abschiebun­gen sind men­sche­nun­würdig und müssen gestoppt wer­den. Die Lan­desregierung sollte sich ihrer Ver­ant­wor­tung stellen und afghanis­che Geflüchtete real schützen. Die erneute Beteili­gung an Abschiebun­gen von dazu noch gesund­heitlich stark angeschla­ge­nen Men­schen nach Afghanistan ist eine Mis­sach­tung jeglich­er Erken­nt­nis­berichte und Einzelschicksale.
Die Lan­desregierung sollte zu dieser frag­würdi­gen Vorge­hensweise Stel­lung beziehen“,
so Lot­ta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Der Flüchtlingsrat fordert erneut: Alle Abschiebun­gen nach Afghanistan stop­pen. Bran­den­burg darf sich nicht an Abschiebun­gen in den Krieg beteiligen!

Kon­takt: Lot­ta Schwedler 0176 21 42 5057, Kirstin Neu­mann 0160 5633193
Flüchtlingsrat Bran­den­burg
R.-Breitscheid-Str. 164
14482 Pots­dam
Tel.: 0331–716499
Fax: 0331–887 15 460
E‑Mail:info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Auf keinen Fall abschieben, wenn jemand eine feste Arbeitsstelle hat“

Flüchtlingsrat Bran­den­burg fordert, den klaren Worten des Min­is­ter­präsi­den­ten entsprechende Tat­en fol­gen zu lassen.(Pressemitteilung vom 13.08.2018)
 
In der ver­gan­genen Woche hat­te sich Min­is­ter­präsi­den­ten Diet­mar Woid­ke im Mor­gen­magazin des ZDF kri­tisch darüber geäußert, dass selb­st Geflüchtete, die sich in ein­er Aus­bil­dung befind­en, nicht sich­er vor Abschiebung wären. „Auf keinen Fall abschieben, wenn jemand eine feste Arbeitsstelle hat“, forderte Woid­ke im Inter­view. Denn das sei nicht nur für die Betrof­fe­nen selb­st, son­dern auch für die Betriebe frus­tri­erend (1). Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg begrüßt die klare Posi­tion­ierung des Min­is­ter­präsi­den­ten zur Schaf­fung von Lebensper­spek­tiv­en für Geflüchtete, die sich in Arbeit und Aus­bil­dung befind­en und fordert ihn auf, seinen poli­tis­chen Hand­lungsspiel­raum entsprechend zu nutzen.
Die Prax­is in Bran­den­burg weicht ekla­tant von Woid­kes Forderung ab. „Einige Aus­län­der­be­hör­den ver­hin­dern durch restrik­tive Prax­is, das Geflüchtete eine qual­i­fizierten Beruf­saus­bil­dung aufnehmen kön­nen, selb­st bei Vor­lage eines unterze­ich­neten Aus­bil­dungsver­trags. Anderen wird die Beschäf­ti­gungser­laub­nis sog­ar nach Jahren der Beschäf­ti­gung bzw. nach Beginn der Aus­bil­dung ent­zo­gen.“, so Kirstin Neu­mann vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. So auch Amir Tun­je, er stellte Anfang Juli 2017 einen Antrag auf eine Aus­bil­dungs­dul­dung, legte der Aus­län­der­be­hörde Barn­im alle erforder­lichen Doku­mente samt Aus­bil­dungsver­trag zum Maschi­nen- und Anla­gen­führer bei ein­er Eber­swalder Met­all­bau­fir­ma vor. Kurz darauf erhielt er nicht etwa die Erlaub­nis, son­dern die Auf­forderung nach Kenia auszureisen — die Aus­län­der­be­hörde hat­te bere­its einen Flug gebucht. Über ein Jahr hat es gedauert bis die Behörde nach Durch­laufen ver­schieden­er Gerichtsin­stanzen und endgültiger Entschei­dung des OVG nachgeben und dem Aus­bil­dungs­be­ginn zum 01.08.18 zus­tim­men musste. Es ist dem Betrieb zu ver­danken, dass er trotz der behördlichen Hin­dernisse und Verzögerun­gen an der Aus­bil­dung für Her­rn Tun­je fest­ge­hal­ten hat.
 
Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg fordert die bran­den­bur­gis­che Lan­desregierung auf, Aus­län­der­be­hör­den anzuweisen ihre Ermessensspiel­räume zu nutzen. Bei der Erteilung von Arbeit­ser­laub­nis­sen und der Umset­zung von Bleiberecht­sregelun­gen wie der Aus­bil­dungs­dul­dung liegt es häu­fig im Ermessen der Aus­län­der­be­hör­den, diese zu ermöglichen. Momen­tan nutzen sie ihre Spiel­räume für das Bleiberecht und die Inte­gra­tion in Bran­den­burg nur sel­ten zugun­sten der Betrof­fe­nen. In Bezug auf die Aus­bil­dungs­dul­dung sollte der geset­zliche Anspruch durch eine Über­ar­beitung des Erlass­es vom 27.10.2017 (2) ermöglicht wer­den: Der Beset­zung ein­er Arbeits- oder Aus­bil­dungsstelle muss stets Vor­rang vor aufen­thalts­been­den­den Maß­nah­men gewährt wer­den. Auch berufsvor­bere­i­t­ende Maß­nah­men und Studi­um soll­ten vor Abschiebung schützen. „Es ist unbe­d­ingt erforder­lich, dass alle Geflüchtete in Arbeit oder Aus­bil­dung eine Aufen­thalt­ser­laub­nis und somit eine langfristige Per­spek­tive erhal­ten, wenn Woid­ke seine Stel­lung­nahme wirk­lich ernst meint.“, so Neu­mann weiter.
(1)https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/moma-vor-ort-woidke-100.html
(2)http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/erlnr_10_2017
Pressekon­takt: Kirstin Neu­mann 0160 56 33 193
 
Flüchtlingsrat Brandenburg
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration Law & Order

Hohe Zahl rechter Angriffe im ersten Halbjahr

97 Angriffe zählte die Opfer­per­spek­tive im ersten Hal­b­jahr 2018 im Land Bran­den­burg. Mit­tler­weile (Stand 1. August 2018) sind es über 100 Angriffe, die in diesem Jahr reg­istri­ert wur­den. Zum Ver­gle­ich: im ersten Hal­b­jahr 2017 wur­den 98 Fälle gezählt, im ganzen Jahr 171. Die weit über­wiegende Zahl der Fälle (80) war ras­sis­tisch motiviert, her­aus­ra­gen­der regionaler Schw­er­punkt Cot­tbus (22 Fälle). Angriffe waren zumeist Kör­per­ver­let­zungs­de­lik­te (ein­fache KV: 46, gefährliche KV: 33). Die Opfer­per­spek­tive fordert den Schutz der Betrof­fe­nen ern­stzunehmen und aktiv zu verfolgen.
Fast täglich reg­istri­eren die Berater_innen für Betrof­fene rechter Gewalt des Vere­ins Opfer­per­spek­tive neue Fälle. Da ist die Mut­ter, die mit ihrer Tochter im Super­markt Per­sisch spricht und deswe­gen ver­bal ras­sis­tisch ange­gan­gen wird und, als sie sich dies ver­bit­tet, geschla­gen wird. Da wer­den Moscheebesucher_innen mit Steinen bewor­fen. Da ist die schwan­gere Frau, die mit ihrem Fre­und von ver­mummten Recht­en ange­grif­f­en wird, weil Neon­azis glauben, dass sie rechte Aufk­le­ber abgekratzt hätten.
Es muss fest­gestellt wer­den, dass es in den let­zten Monat­en keinen Rück­gang rechter Gewalt­tat­en gegeben hat. Das Niveau ras­sis­tis­ch­er Gewalt bleibt sta­bil hoch, obwohl viele Gründe, die in den let­zten drei Jahren für den Anstieg rechter Gewalt­tat­en herange­zo­gen wur­den, derzeit nicht gegeben sind. Wed­er gibt es in diesem Jahr Land­tags- oder Bun­destagswahlen, noch kom­men derzeit in hoher Zahl Geflüchtete in Bran­den­burg an. Auch gibt es außer­halb des Cot­tbusser Großraums derzeit keine starken poli­tis­chen Aktiv­itäten rechter Grup­pen im öffentlichen Raum. Ras­sis­tis­che Gewalt ist in den let­zten drei Jahren für einen Teil der Bran­den­burg­er Bevölkerung offen­bar zu ein­er nor­malen und akzep­tierten Hand­lungsweise im Umgang mit Migrant_innen geworden.
Dabei stellen in Fällen ras­sis­tis­ch­er Gewalt die reg­istri­erten physis­chen Angriffe nur die Spitze des Erlebens der Betrof­fe­nen dar. Neben den physis­chen Angrif­f­en sind viele von ihnen täglich mit ras­sis­tis­ch­er Diskri­m­inierung kon­fron­tiert, wer­den nicht in Sport­stu­dios gelassen, in Läden nicht bedi­ent oder auf der Straße beschimpft. Das Erleben dieser alltäglichen Feind­seligkeit in Verbindung mit der ständi­gen Angst vor Gewalt belastet die Betrof­fe­nen psy­chisch stark. Für einen syrischen Asyl­be­wer­ber waren diese anhal­tenden Anfein­dun­gen und zwei tätliche Angriffe auf ihn in kurz­er Zeit Aus­lös­er einen Suizid­ver­such zu unternehmen.
Hannes Püschel, Berater der Opfer­per­spek­tive, berichtet: „Wir haben es derzeit mit vie­len Betrof­fe­nen, die schw­er­wiegende psy­chis­che Fol­gen davonge­tra­gen haben zu tun. Nach unser­er Beobach­tung sind staatliche Stellen, von der Polizei über die Jus­tiz bis hin zu Aus­län­der- und Sozial­be­hör­den immer wieder mit der aktuellen von mas­siv­er rechter Gewalt geprägten Sit­u­a­tion über­fordert und stellen kaum eine Hil­fe für die Betrof­fe­nen dar. Wir müssen erken­nen, dass seit drei Jahren anhal­tende Hoch­phase rechter Gewalt kein vorüberge­hen­des kurzfristiges Phänomen ist. Dementsprechend muss auf diese Lage seit­ens des Lan­des, der Kom­munen und der Zivilge­sellschaft reagiert wer­den und der Schutz der Betrof­fene höch­ste Pri­or­ität bekommen.“

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Viel heiße Luft bei warmen Temperaturen

Es sollte die große Abrech­nung mit Bran­den­burgs Sozialmin­is­terin Diana Golze (Linke) wer­den. Offen wurde bere­its in der Ver­anstal­tungsankündi­gung im Inter­net ihr Rück­tritt vom Min­is­ter­amt gefordert. Doch in den Rede­beiträ­gen von Chris­t­ian Kaiser und Elke Met­zn­er, die heute die Haup­tre­den­den bei der Kundge­bung des extrem recht­en Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land waren, blieben die Anfein­dun­gen gegen Golze und andere Poli­tik­er – im Ver­gle­ich zum üblichen Niveau der Ver­anstal­tungsrei­he – eher unspek­takulär und mar­gin­al. Stattdessen strotzten die Reden vor allem wieder von Anfein­dun­gen u.a. gegen Geflüchtete, „Arbeit­sun­willige“ und ins­beson­dere gegen den „linksver­sifften Mul­ti­kul­tistaat­sap­pa­rat der BRD“, der aus Sicht von Ver­anstal­tung­steil­nehmenden keine Poli­tik in ihrem Sinne mache. Entsprechend läge der Fehler schon längst nicht mehr im Sys­tem – das „Sys­tem“ sei „der Fehler“, so Kaiser in seinem Redebeitrag.
Für fehler­haft hielt der Vor­sitzende des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ e.V. offen­bar auch den Straftatbe­stand der „Volksver­het­zung“ und sol­i­darisierte sich erneut mit der verurteil­ten Holo­caustleugner­in Ursu­la Haver­beck. Zudem begrüßte er die „Schutzzonen“-Propaganda der NPD und äußerte sich pos­i­tiv gegenüber so genan­nten „Bürg­er­be­wehren“.
Ein ander­er Ver­anstal­tung­steil­nehmer sah hinge­gen vor allem anwe­sende Presse als Feind­bild und ver­suchte auf einen Fotografen loszuge­hen. Ein Secu­ri­ty-Mann ver­hin­derte schließlich Tätlichkeiten.
Trotz geringer Teil­nehmenden­zahl und poli­tis­ch­er Bedeu­tungslosigkeit geht von eini­gen Ver­anstal­tungs­gästen also nach wie vor eine hohe Aggres­siv­ität aus, die möglicher­weise aus ein­er Mix­tur aus einem falschen Rechtev­er­ständ­nis und Rechthaberei her­aus resultiert.
Zu dem scheinen die Ver­anstal­tenden auch nur bed­ingt Inter­esse zu haben, ihre Gäste im Zaum zu hal­ten. Red­ner, wie Wolf­gang Hoppe, scheinen jeden­falls an kein­er Deeskala­tion inter­essiert zu sein. Er dro­hte ein­mal mehr vom Podi­um aus, gegen einen namentlich genan­nten Pres­sev­ertreter vorzugehen.
Beina­he harm­los wirk­te dage­gen der let­zte Red­ner Ralf Maasch, der angesichts hoher Tem­per­a­turen kurz und knapp alle Zuhören­den auf­forderte für „arme Tiere“ ein biss­chen Wass­er her­auszustellen. Für Geflüchtete hat er allerd­ings kein Mit­ge­fühl, wenn die Botschaft auf seinem T‑Shirt richtig gedeutet wird. Darauf wer­den sie indi­rekt als krim­inelle Sub­jek­te ent­men­schlicht, für die „Poli­tik­er“ haften würden.
Ins­ge­samt nah­men 20 Per­so­n­en an der abendlichen Ver­samm­lung des „Bürg­er­bünd­niss­es“ teil.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Politisches Motiv im Urteil nicht benannt

Gestern verurteilte das Amts­gericht Sen­ften­berg nach einem Prozesstag den 19-jähri­gen Matthias W. zu ein­er Jugend­strafe von acht Monat­en, aus­ge­set­zt auf zwei Jahre Bewährung sowie zum Ableis­ten gemein­nütziger Arbeit im Umfang von 100 Stun­den wegen des Angriffes auf eine schwan­gere Frau sowie weit­er­er Frauen und Kinder. Die Opfer­per­spek­tive kri­tisiert die fehlende Nen­nung des poli­tis­chen Motives in der Urteilsbegründung.

Die Aus­sagen der Ver­let­zten, die als Zeug­in­nen gehört wur­den, waren bedrück­end: Der sichtlich angetrunk­ene Täter hat­te sich am 25. August 2017 auf einem Spielplatz in Großräschen ziel­stre­big vor ein­er Gruppe von vier türkischen Frauen und ihren elf Kindern aufge­baut, sie ras­sis­tisch belei­digt und dann mit dem Fin­ger auf einzelne Frauen gezeigt und sie nacheinan­der mit dem Tode bedro­ht. Er schlug ein­er offenkundig schwan­geren Frau zunächst ins Gesicht und trat ihr mit erhobe­nen Bein in den Bauch als sie sich mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm nicht schnell genug ent­fer­nen kon­nte. Einen 5‑jährigen Jun­gen, der vor ihm weglaufen wollte, trat er in den Rück­en. Ein weit­eres Mäd­chen flüchtete sich panisch auf die angren­zende befahrene Straße.

Nur durch glück­liche Umstände erlit­ten die Betrof­fe­nen keine schw­er­wiegen­den kör­per­lichen Schä­den, auch das Kind der Schwan­geren wurde gesund geboren. Die psy­chis­chen Tat­fol­gen dauern dage­gen bis heute an, schilderten die Betrof­fe­nen: Die Kinder hät­ten große Angst in der Öffentlichkeit und ver­mieden es z.B. auf Spielplätze zu gehen.

Anne Brüg­mann, Bera­terin beim Vere­in Opfer­per­spek­tive e.V., der die Betrof­fe­nen Frauen nach dem Angriff unter­stützt und im Ver­fahren begleit­et hat­te, kom­men­tierte den Prozess:

Aus Sicht der Betrof­fe­nen ist es pos­i­tiv, dass das Gericht mit der Ver­hän­gung ein­er Jugend­strafe die Schwere der Schuld des Täters anerkan­nt hat. Das Ver­fahren gab ihnen die Gele­gen­heit, aus­führlich von ihrem Erleben öffentlich zu bericht­en und wahrgenom­men zu wer­den. Allerd­ings war dies fast auss­chließlich durch eine engagierte Neben­klagev­ertre­tung möglich. Ins­beson­dere die Rich­terin hat sich so gut wie gar nicht für den ras­sis­tis­chen Hin­ter­grund der Tat und wenig für die Fol­gen für die Betrof­fe­nen inter­essiert. Es ist nicht nachvol­lziehbar, warum die poli­tis­che Moti­va­tion des Angriffs in der Urteils­be­grün­dung mit keinem Wort erwäh­nt wurde“.

Auch das Plä­doy­er des Staat­san­walts, die Tat sei „zwar aus­län­der­feindlich, aber nicht poli­tisch motiviert“ gewe­sen, ist aus Sicht der Opfer­per­spek­tive eine Farce. Es reduziert Ras­sis­mus bzw. „Aus­län­der­feindlichkeit“ auf einen ver­meintlichen Rand der Gesellschaft. Dabei sind es nicht allein organ­isierte Rechte, die poli­tisch motivierte ras­sis­tis­che Gewalt­straftat­en bege­hen. Der Angriff in Großräschen war die typ­is­che Tat eines Ras­sis­ten, der bei Gele­gen­heit vorsät­zlich han­delte. Wie alltäglich die Betrof­fe­nen den Ras­sis­mus erlei­den, zeigte sich auch an diesem Ver­hand­lungstag: „Zwar ver­ste­he ich kein deutsch, aber ‚Scheiß Aus­län­der’ kon­nte ich ver­ste­hen, da wir diese Worte wirk­lich sehr oft hören”, äußerte eine der Betroffenen.

Inforiot