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Antifaschismus Law & Order

Pressemitteilung: Verurteilung nach rechtem Angriff auf Jugendliche

Bernau — Am heuti­gen 22. April wurde der Bernauer Chris­t­ian Kohnke vom Amts­gericht Bernau wegen Belei­di­gung und tätlich­er Belei­di­gung zu ein­er Geld­strafe von 60 Tagessätzen sowie der Über­nahme der Ver­fahren­skosten verurteilt. Ihm war vorge­wor­fen wor­den am 10. Juni 2012 eine junge Frau am Getränke­stand des Jugendtr­e­ff DOSTO während des Bernauer Hus­siten­festes belei­digt und bespuckt zu haben.

Wir, die Jugendlichen des Jugendtr­e­ff DOSTO, begrüßen dieses Urteil. Es zeigt, dass neon­azis­tis­che Angriffe in Bernau nicht geduldet wer­den.“, sagte Sophie Thiede, Vor­stand des Jugend­bil­dungs- und Freizei­tini­tia­tive Bernau e.V. Obwohl der Angeklagte vor Gericht geständig war, macht­en er und seine Begleit­er um ihre neon­azis­tis­chen Ein­stel­lun­gen keinen Hehl und führten die Bedro­hun­gen gegenüber den Jugendlichen am Rande der Ver­hand­lung fort, indem sie die Anwe­senden ein­schüchterten und abfo­tografierten. Der Vor­sitzende Richter Müller fühlte sich ver­an­lasst die Polizei zu rufen. Thiede weit­er: „Wir sehen unsere Jugendlichen und die Ein­rich­tung als weit­er­hin gefährdet“. Nach den Angrif­f­en im ver­gan­genen Jahr kam es zu mehreren Vor­fällen im Zusam­men­hang mit unserem Jugendtr­e­ff, u.a. wur­den Jugendliche bedro­ht und die Ein­rich­tung mit Neon­azi­parolen beschmiert.

Am Woch­enende des Hus­siten­festes war es zu zwei Angrif­f­en durch Neon­azis gekom­men. Neben dem Vor­fall am 10. Juni wur­den Jugendliche am Fre­itagabend von 15 Neon­azis bedro­ht, zwei junge Erwach­sene dabei geschla­gen.

 

Jugendtr­e­ff DOSTO (Träger Jugend­bil­dungs- und Freizei­tini­tia­tive Bernau e.V.)

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Arbeit & Soziales Law & Order

Bildung ohne Geheimdienst — Bildung ohne Verfassungsschutz

 

Aus aktuellem Anlass hat das DJB gemein­sam mit den JungdemokratInnen/Junge Linke Lan­desver­band Bran­den­burg und dem Jugend­bil­dungsnet­zw­erk bei der Rosa-Lux­em­burg-Stiftung die Han­dre­ichung “Bil­dung ohne Geheim­di­enst” veröf­fentlicht, die ab sofort unter bog at djb-ev punkt de bestellt oder als PDF (450 KB) herun­terge­laden wer­den kann. In der Broschüre zeigen wir Prob­leme auf, die sich aus der Neuori­en­tierung des Ver­fas­sungss­chutzes als Bil­dungsak­teur für die poli­tis­che Bil­dungsar­beit ergeben.

Demokratis­che Bil­dung ist eine Grund­lage ein­er offe­nen Gesellschaft. Sie muss frei sein von staatlich­er Ein­mis­chung. Dieser Grund­satz ist momen­tan durch die selb­st­gewählte Neuaus­rich­tung des Ver­fas­sungss­chutzes gefährdet: Der deutsche Inlands­ge­heim­di­enst Ver­fas­sungss­chutz ist ver­stärkt im Bil­dungs­bere­ich aktiv. Geheim­di­en­st­mi­tar­bei­t­erin­nen und ‑mitar­beit­er treten bei öffentlichen Ver­anstal­tun­gen und Fach­ta­gun­gen auf, brin­gen sich in zivilge­sellschaftliche Debat­ten ein und ent­deck­en Schü­lerin­nen und Schüler als Ziel­gruppe für ihre Arbeit.

Darum sagen wir: Bock auf Bil­dung — ohne jeden Geheimdienst!

 

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Antifaschismus Law & Order

Noten des Hasses aus Guben

Am Abend des 20. Juli 2002 lösten Beamte des Berlin­er Lan­deskrim­i­nalamtes (LKA) ein Konz­ert von NS-Met­al-Bands auf, das in Berlin-Marzahn stat­tfind­en sollte. Sie nah­men drei der etwa hun­dert anwe­senden Neon­azis fest. Unter ihnen war der damals 27-jährige Toni Stadler, über Jahre eine zen­trale Fig­ur der Szene in Cot­tbus und Guben. Der Zugriff war kein Zufall. Das LKA hat­te gegen Stadler ermit­telt und ihn überwacht, weil er in die Pro­duk­tion der CD „Noten des Has­s­es“ des Musikpro­jek­ts White Aryan Rebels involviert war. Die Beamten gin­gen offen­bar davon aus, dass an jen­em Abend Pläne für eine zweite Auflage der kon­spir­a­tiv hergestell­ten CD besprochen wer­den soll­ten. In ihren Songs dro­ht­en die White Aryan Rebels Mord und Ter­ror an.

Durch eine Abhör­maß­nahme hat­te das LKA auch erfahren, was Toni Stadler wenig später selb­st einge­s­tand: Er war V‑Mann des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes und fühlte sich dadurch in seinem Han­deln gedeckt und bestärkt. Die Affäre wurde in den fol­gen­den Monat­en zu einem Skan­dal um die Unter­stützung recht­sex­tremer Struk­turen und Straftat­en durch den Ver­fas­sungss­chutz. An ihrem Ende erhielt Stadler eine Bewährungsstrafe und im Zeu­gen­schutz eine neue Iden­tität. Ein Ver­fahren gegen den VS-Mann, der ihn „betreute“ und dem unter anderem Strafvere­it­elung vorge­wor­fen wor­den war, wurde 2005 wegen Ger­ingfügigkeit eingestellt. Etliche Fra­gen blieben offen. Inzwis­chen kom­men neue hinzu. Toni Stadler hat­te auch Kon­tak­te in das Umfeld der Ter­ror­gruppe Nation­al­sozial­is­tis­ch­er Unter­grund (NSU).

Eine Neon­azi-Kar­riere

Toni Stadler entwick­elte sich seit Anfang der 1990er Jahre zu einem Pro­tag­o­nis­ten der Neon­azi-Szene in Cot­tbus und Guben. Als Jugendlich­er soll er Mit­glied der Frei­heitlichen Deutschen Arbeit­er­partei (FAP) gewe­sen sein, die 1995 auf­grund ihrer offen­sichtlichen Nähe zum Nation­al­sozial­is­mus und ihres aggres­siv­en Auftretens ver­boten wurde. Nach seinem Bun­deswehr­di­enst zog er nach Cot­tbus um und wurde in der Musik­szene und in neuen Organ­i­sa­tio­nen aktiv.

Stadler war zusam­men mit dem Cot­tbuser Ivo H. Mitte der 1990er an der Grün­dung der Wan­der­ju­gend Gibor (WJG) beteiligt. Die WJG prak­tizierte eine recht­sex­treme Nach­wuch­sar­beit im Sinne der 1994 ver­bote­nen Wik­ing-Jugend. Sie organ­isierte Wan­der­aus­flüge in die Säch­sis­che Schweiz, Kam­er­ad­schaftsabende und Son­nen­wend­feiern und ver­band dies mit ide­ol­o­gis­chen Schu­lun­gen. Neben den Gemein­schaft­ser­leb­nis­sen und der „kör­per­lichen Ertüch­ti­gung“ ver­mit­telte die WJG ihren Anhängern ein Welt­bild aus ger­man­isch-völkisch­er Mytholo­gie und nation­al­sozial­is­tis­chen Ideen. In Guben zeigte sich eine Gruppe jugendlich­er Neon­azis beson­ders empfänglich für diese Ange­bote. Ein­er von ihnen, Alexan­der Bode, wurde 1999 ver­ant­wortlich für den Tod Farid Guen­douls und ist heute stel­lvertre­tender Vor­sitzen­der des NPD-Kreisver­bands Lausitz.

In Guben grün­dete Toni Stadler 1997 zudem eine Bun­deswehr-Reservis­tenkam­er­ad­schaft (RK). Als Oberge­fre­it­er d.R. war er zeitweise ihr Vor­sitzen­der. Die RK Guben nutzte die Möglichkeit­en des Reservis­ten­ver­ban­des und unter­hielt eigene Räum­lichkeit­en in Jän­schwalde-Ost, ver­anstal­tete Wehrübun­gen und Kam­er­ad­schaftsabende. Immer mit dabei: der harte Kern der Neon­azi-Szene aus Guben und Cot­tbus. Stadler soll intern ins­beson­dere für die Übun­gen auf Schieß­plätzen der Bun­deswehr gewor­ben haben. Erst nach­dem der V‑Mann 2002 aufge­flo­gen war, wurde der Hin­ter­grund dieser Aktiv­itäten dem Reservis­ten­ver­band bekan­nt, der dann intervenierte.

Der Inter­ne­tauftritt der RK Guben war zeitweise unter der sel­ben Domain zu find­en wie die Web­site der Cot­tbuser Neon­azi-Band Frontalkraft. Doch nicht nur als Bun­deswehr-Reservis­ten fan­den Stadler und die Band zusam­men. Nach Aus­sage von Szeneken­nern soll Stadler die Musik­er bei der Pro­duk­tion der ersten Frontalkraft-CD „Wenn der Sturm sich erhebt“ 1996 ins Ton­stu­dio begleit­et haben und ein wesentlich­er Ver­ant­wortlich­er für den Ver­trieb gewor­den sein. Daneben habe Stadler einige Auftritte für den schon genan­nten Ivo H. organ­isiert, der als Lie­der­ma­ch­er unter dem Pseu­do­nym Iwolf unter­wegs war und das WJG-Konzept auch in per­sona ver­mit­telte. Dieses „Schaf­fen“ von Ivo H. war prä­gend für eine Szene jün­ger­er, in hohem Maße völkisch ori­en­tiert­er Neonazis.

Seinen Ein­stieg ins Musikgeschäft erweit­erte Toni Stadler um den Ver­trieb recht­sex­tremer Musik-CDs. Anfangs soll es sich noch um Raubkopi­en gehan­delt haben, aber Stadler pro­fes­sion­al­isierte den Han­del. Er wurde in der Region zu „der Adresse“ für die Szene und eröffnete in Guben-Ober­sprucke das Ladengeschäft Top One (später in Hate­crime umbe­nan­nt), wo er neben den CDs auch szene­typ­is­che Bek­lei­dung und Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­alien anbot. Der Laden Top One wurde ein­er der Anlauf­punk­te für Guben­er Recht­sex­treme. Dort traf man sich und dort kon­nte man sich mit allem ver­sor­gen, was nötig ist, um sich einen All­t­ag als Neon­azi zu gestal­ten: Ideen, Unter­hal­tung und Zugehörigkeit.

1997 wurde Toni Stadler wegen der Ver­wen­dung von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen zu ein­er Geld­strafe verurteilt. Ab 2001 ermit­telte die Cot­tbuser Staat­san­waltschaft eben­falls wegen Pro­pa­gan­dade­lik­ten gegen ihn.

Eine V‑Mann-Kar­riere

In den gut zehn Jahren sein­er Neon­azi-Kar­riere machte sich Stadler über die Region hin­aus einen Namen und baute ein umfan­gre­ich­es Netz von Kon­tak­ten auf. Ver­mut­lich war das ein­er der Gründe, warum er für den bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutz als Quelle inter­es­sant erschien. In einem späteren Gerichtsver­fahren hieß es, dass Stadler im Som­mer 2000 infolge eines von ihm began­genen Verkehrs­de­lik­ts als V‑Mann „gewor­ben“ wurde. Etwa zur sel­ben Zeit stieg er in die Pro­duk­tion zweier CDs ein, die in der Neon­azi-Szene Kult­sta­tus erlangten.

Die Band Landser, 1992 gegrün­det und seit­dem kon­spir­a­tiv agierend, wurde in den 1990er Jahren die bekan­nteste deutsche Neon­azi-Band. Ihre Songs waren immer wieder der Sound­track zu recht­sex­tremen Gewalt­tat­en – so motivierten sich zum Beispiel am 13. Feb­ru­ar 1999 in Guben die elf Jugendlichen auf ihrer Jagd nach Aus­län­dern mit Musik von Landser im Autoradio.

1999 began­nen Landser mit der Arbeit an ihrer CD „Ran an den Feind“. Mit der Pro­duk­tion beauf­tragten sie den Chem­nitzer Jan W., Inhab­er des Labels Move­ment Records und zeitweilig Chef der säch­sis­chen Sek­tion des Blood&Honour-Net­zw­erks. Nach­dem dieser mit der Band im Stu­dio war, über­gab er die Mas­ter-Auf­nah­men im Som­mer 2000 an den Seb­nitzer Mirko H., der die CD-Pres­sung organ­isierte. Mirko H., Ham­mer­skin-Aktivist und ver­mut­lich V‑Mann des Bun­de­samtes für Ver­fas­sungss­chutz, gestal­tete auch ein CD-Book­let und beauf­tragte Toni Stadler mit dessen Druck. Stadler ließ daraufhin das Book­let in ein­er pol­nis­chen Druck­erei fer­ti­gen. Dass er in der Pro­duk­tions­kette kein sub­al­tern­er Dien­stleis­ter war, legt nicht nur die kon­spir­a­tive Organ­i­sa­tion nahe, son­dern auch eine spätere Aus­sage von Mirko H. vor Gericht: „Ohne Toni Stadler lief in der Szene damals gar nichts.“ Den bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutz soll Stadler erst dann umfan­gre­ich über den Pro­duk­tion­s­ablauf informiert haben, als der Ver­trieb bere­its ange­laufen war.

Im Som­mer 2000 beteiligten sich Toni Stadler und Mirko H. daneben auch an Pro­duk­tion und Ver­trieb der ein­gangs genan­nten CD „Noten des Has­s­es“. Ini­tia­tor des Pro­jek­ts White Aryan Rebels war der Berlin­er Lars B., wie Stadler ehe­ma­liger FAP-Aktivist. Zu dritt bracht­en sie knapp 3000 Exem­plare in Umlauf. Die Song­texte gaben Hass und Bru­tal­ität wieder und riefen zu Mor­dak­tio­nen auf, so hieß es: „Mit der Lizens zum Töten ziehen wir dann durch das Land, dann wird alles Kranke erschla­gen und niederge­bran­nt“ oder „Nen­nt sie Nig­ger, denn das sind ihre Namen, hängt die Nig­ger auf und habt kein Erbar­men“. Mit dem Song „Die Kugel ist für dich“ wur­den ver­schiedene Promi­nente des öffentlichen Lebens bedro­ht. Stadler soll seinen V‑Mann-Führer detail­liert über die Ver­trieb­swege informiert haben. Kon­se­quen­zen fol­gten daraus nicht.

2002 planten die Mach­er eine Neuau­flage der CD – wiederum mit Ken­nt­nis des Ver­fas­sungss­chutzes. Erst die Ermit­tlun­gen der Berlin­er Polizei, die Toni Stadler in Unter­suchung­shaft nahm und ihn als V‑Mann auf­fliegen ließ, stoppten das Vorhaben. Im Novem­ber 2002 eröffnete das Landgericht Berlin ein Ver­fahren gegen Stadler unter anderem wegen Volksver­het­zung. Dies­mal war er es selb­st, der seine Rolle in der CD-Pro­duk­tion her­vorhob: „Lars B. wäre ohne Mirko H. und mich nicht in der Lage gewe­sen, die erste Auflage so ein­fach zu verbreiten.“

Im Gerichtsver­fahren kam darüber hin­aus in Gespräch­spro­tokollen abge­hörter Tele­fonate zur Sprache, wie der bran­den­bur­gis­che Ver­fas­sungss­chutz Stadler darin unter­stützte. Der V‑Mann-Führer mit dem Deck­na­men „Dirk Bar­tok“ habe Stadler immer wieder Hil­fe bei Prob­le­men mit Behör­den ver­sichert. Er habe Stadler ange­hal­ten, seine Woh­nung von strafrechtlich rel­e­van­ten Din­gen zu „säu­bern“, was dieser als War­nung vor polizeilichen Ermit­tlun­gen ver­ste­hen musste. Stadler soll außer­dem einen daten­freien Ersatz­com­put­er zur Tar­nung erhal­ten haben, um seinen eige­nen ver­steck­en zu kön­nen. Auf Anrat­en von „Bar­tok“ habe Stadler ein geson­dertes Lager für hun­derte CDs mit straf­baren Inhal­ten angelegt. Er hätte seine Geschäfte „niemals in so großem Stil aufge­zo­gen, wenn die Pots­damer mir nicht Straf­frei­heit zuge­sagt hät­ten“, sagte Stadler vor Gericht aus.

Das Landgericht verurteilte Stadler zu ein­er Frei­heitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung aus­ge­set­zt wurde, und stellte fest, dass er die Straftat­en mit Wis­sen und Bil­li­gung des Ver­fas­sungss­chutzes verübte. Dass sich der Angeklagte in seinem Han­deln gedeckt fühlte, wirk­te sich mildernd auf das Straf­maß aus. Darüber hin­aus forderte der Vor­sitzende Richter eine Aufk­lärung des Fall­es durch einen Par­la­men­tarischen Unter­suchungsauss­chuss in Brandenburg.

Während Stadler aus der Unter­suchung­shaft ent­lassen wurde und im Zeu­gen­schutzpro­gramm unter­tauchte, eröffnete die Cot­tbuser Staat­san­waltschaft ein Ermit­tlungsver­fahren gegen den VS-Mitar­beit­er „Bar­tok“. Im Juli 2003 soll die Staat­san­waltschaft dem Beschuldigten 5000 Euro Geld­strafe ein­schließlich eines Schuldeingeständ­niss­es vorgeschla­gen haben. Ende 2004 beantragte sie beim Landgericht Cot­tbus die Ein­stel­lung des Ver­fahrens wegen Ger­ingfügigkeit. Der VS-Mitar­beit­er berief sich darauf, in sein­er Aus­bil­dung gel­ernt zu haben, dass V‑Leute „szene­typ­is­che Straftat­en“ verüben dürften. Im Feb­ru­ar 2005 fol­gte das Gericht dem Antrag.

Die Rolle des Verfassungsschutzes

Es gibt Neon­azis auch ohne Ver­fas­sungss­chutz. Mit Ver­fas­sungss­chutz wer­den sie offen­bar nicht weniger.

In Bezug auf die Musikpro­duk­tio­nen wurde zuweilen gefragt, wieviele V‑Leute es braucht, um eine Neon­azi-CD herzustellen. Es ist davon auszuge­hen, dass der bran­den­bur­gis­che Ver­fas­sungss­chutz von Toni Stadler Infor­ma­tio­nen erhal­ten hat – soweit er sie gab. Gle­ichzeit­ig ges­tat­tete der Geheim­di­enst, dass CDs in tausender Stück­zahlen in Umlauf gebracht wur­den, die zum Übel­sten an Hass- und Gewal­taufrufen gehören, was die Szene bietet.

Ähn­lich muss die Rolle des Ver­fas­sungss­chutzes hin­sichtlich der lokalen Sit­u­a­tion in Guben eingeschätzt wer­den. Nicht nur, dass mit Stadler ein V‑Mann verpflichtet wurde, der über Jahre die Neon­azi-Szene mit aufge­baut und gestal­tet hat. Er fühlte sich durch die Tätigkeit für den Geheim­di­enst in seinem Tun bestätigt. Es ist nicht bekan­nt, in welchem Umfang Stadler über die Guben­er Szene Bericht erstat­tete, aber man kann annehmen, dass der Ver­fas­sungss­chutz von den lokalen Neon­azis wusste. Es liegt auch auf der Hand, dass Stadlers ver­stärk­te Aktiv­itäten mit dem Ladengeschäft und seinen Ange­boten sta­bil­isierend und fördernd auf die lokale recht­sex­treme Szene gewirkt haben. Und dies in ein­er Sit­u­a­tion, als die Prob­leme in der Stadt längst offenkundig gewor­den waren.

Offene Fra­gen

Die fehlende Aufar­beitung des Fall­es Toni Stadler lässt eine Rei­he von Fra­gen über seine Zusam­me­nar­beit mit dem bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutz offen. Bere­its 2002 äußerte zum Beispiel das Antifaschis­tis­che Infoblatt (AIB) Zweifel am Zeit­punkt der Anwer­bung Stadlers. Die Zeitschrift ver­wies auf wider­sprüch­liche Dat­en und fand den genan­nten Grund sein­er Mitar­beit – ein Verkehrs­de­likt – nicht überzeu­gend, da Stadler bere­its in den 1990ern in ähn­lich­er Weise aufge­fall­en sei. Auch auf­grund des „sehr lax­en Ver­hal­tens bei seinen strafrechtlich rel­e­van­ten Aktiv­itäten“ hielt das AIB einen anderen Anwer­bezeit­punkt nicht für ausgeschlossen.

Aus heutiger Per­spek­tive müssen auch Stadlers Kon­tak­te in das Unter­stützerum­feld des NSU hin­ter­fragt wer­den. Aktuell liegt dem NSU-Unter­suchungsauss­chuss im Bun­destag eine Liste von 129 Recht­sex­tremen vor, die zum näheren und weit­eren Umfeld der Ter­ror­gruppe gehört haben sollen. Ein mut­maßlich­er NSU-Helfer ist Jan W., mit dem Toni Stadler im Jahr 2000 an der Landser-CD „Ran an den Feind“ arbeit­ete. Der Chem­nitzer soll den Aufen­thalt­sort von Zschäpe, Mund­los und Böhn­hardt gekan­nt haben, nach­dem sie 1998 unter­ge­taucht waren. Er soll sich um Unter­stützung für das Trio in Form von Geld und Waf­fen bemüht haben. Es wird ver­mutet, dass Chem­nitzer Neon­azis den NSU bis min­destens 2003 gedeckt haben.

Was sagt der per­sön­liche Kon­takt von W. und Stadler? Sie haben zusam­men kon­spir­a­tiv Straftat­en geplant und began­gen. Dabei waren erhe­bliche Geld­sum­men im Spiel, das heißt es ging auch um wirtschaftliche Exis­ten­zen. Dieses gegen­seit­ige Wis­sen und die Abhängigkeit­en lassen auf ein beson­deres Ver­trauensver­hält­nis zwis­chen zwei wichti­gen Sze­neak­teuren schließen. Es stellt sich die Frage, wie weit diese Beziehung ging. Welch­es Wis­sen teil­ten die bei­den noch? Wusste Stadler auch vom NSU und seinen Helfern?

2000 war Stadler wie beschrieben V‑Mann des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes. Dieser will nach eige­nen Angaben bere­its im Herb­st 1998 durch seinen V‑Mann Carsten Szczepan­s­ki („Pia­to“) erfahren haben, dass W. auf der Suche nach Waf­fen für die unter­ge­taucht­en Thüringer Neon­azis war. Das wirft die Fra­gen auf, ob Stadler zwei Jahre später auch in dieser Hin­sicht als Quelle zu W. abgeschöpft wurde und Infor­ma­tio­nen lieferte, und wenn nicht, warum es unterblieb. Im Sep­tem­ber 2000 beg­ing der NSU seinen ver­mut­lich ersten Mordanschlag.

Die Infor­ma­tion­spoli­tik des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes zu seinen V‑Mann-Affären ste­ht vielfach in Kri­tik. Zulet­zt sprach der Bun­destags-Unter­suchungsauss­chuss zum NSU von einem „ver­heeren­den Bild“ der Geheim­di­en­star­beit im Fall „Pia­to“. Eine Recherche des Neuen Deutsch­lands stellte darüber hin­aus die Aus­sage in Frage, dass Szczepan­s­ki die einzige Bran­den­burg­er VS-Quelle im NSU-Umfeld gewe­sen sei.

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Klima & Umwelt Law & Order

Sammel-Prozess in Sachen Castor

Pots­dam — Wegen zwei erfol­gre­ichen spek­takulären Block­adeak­tio­nen in Hes­sen und der Pfalz muss sich am Mon­tag ein Aktivist vor dem Amts­gericht Pots­dam vertei­di­gen. „3 bzw. 5 Jahre nach den Vorkomm­nis­sen, nach­dem Par­al­lelver­fahren bei der anderen zuständi­gen Rich­terin bere­its eingestellt wur­den, hält Rich­terin Ahle es für nötig, zu unter­suchen, ob dabei nicht doch Ord­nungswidrigkeit­en began­gen wor­den seien. Schon 3 Mal stand ich für meine kör­per­liche Anwe­sen­heit ’08 in der Nähe eines Beton­block­es auf der Cas­torstrecke vor Gericht. Eine Straf­barkeit kon­nte nie fest­gestellt wer­den und nun, fast 5 Jahre danach, soll ich wegen dieses 150€-Bußgeldes schon wieder nahezu 500km quer durch die Repub­lik reisen. Dass muss man sich mal vorstellen!“ so Christof, der Betrof­fene. „Es mag für viele nicht nachvol­lziehbar sein, weswe­gen ich das Geld nicht ein­fach zahle, aber mein Gerechtigkeitswille und von mir aus auch Trotz ist größer als die Trägheit. Der poli­tisch motivierten Ver­fol­gung dafür, dass ich mich für eine intak­te Umwelt ein­set­ze, werde ich mich nicht beu­gen. Ger­ade angesichts des Trends zum Atom­ex­port z.B. durch die Uranan­re­icherungsan­lage Gronau und der Bren­nele­mente­fab­rik Lin­gen kann ich nicht an das Gerede von einem Atom­ausstieg glauben“

Nach ein­er inter­nen Reform der Bun­de­spolizei 2009 – also erst nach einem der ver­han­del­ten Vor­fälle – wer­den sämtliche Ord­nungswidrigkeit­en im Bere­ich der Bah­nan­la­gen in Pots­dam ver­han­delt. Somit wird das Recht auf den geset­zlichen Richter und Zugang zu Gericht, also der grundge­set­zlich garantierte „effek­tive Rechtss­chutz“ mit Füßen getreten, meinen die Aktivis­ten und macht­en dies erst let­zten Monat am Bran­den­burg­er Tor – einem der Wahrze­ichen Pots­dams deut­lich. Sie klet­terten die Säulen empor und hissten Trans­par­ente. „Wir wür­den andere Orte für die poli­tis­che Auseinan­der­set­zung wählen, aber wenn das Gericht uns zum Tanz ein­lädt, dann kom­men wir! Wir lassen uns nicht krim­i­nal­isieren. Der Protest gegen die Atom­kraft ist legit­im!“ erk­lärt Karsten, ein­er, dessen Ver­fahren zwecks Beteili­gung an der Klet­ter­ak­tion zum Cas­tor ’10 mit­tler­weile eingestellt wor­den ist.

Bei dieser Aktion hin­gen südlich von Kas­sel 2 Kletterer_innen an Seilen von ein­er gut 70m hohen ICE-Brücke wenige Meter über der Trans­port­strecke. Dem Betrof­fe­nen im Prozess wird vorge­wor­fen, auf der Brücke die Seile der Kletterer_innen gesichert zu haben und sich damit unbefugt auf den Bah­nan­la­gen aufge­hal­ten zu haben und eine betrieb­sstörende Hand­lung vorgenom­men zu haben. Nur ein Polizist ist – nach einigem Hin und Her — als Zeuge geladen und der­fand bis­lang in der Akte über­haupt keine Beach­tung. „Es scheint, als solle gar nicht inhaltlich ver­han­delt wer­den. Wie soll ein Zeuge, der mich – einem Form­blatt zufolge — lediglich dem Gewahrsam zuge­führt hat, Aus­sagen über all die juris­tis­chen Details, auf die es ankommt, tre­f­fen kön­nen? Dass für mich und meine Unter­stützer dafür etliche Tage an Arbeit draufge­hen, scheint Frau Ahle nicht zu stören!“ so Christof.

Der zweite am Mon­tag ver­han­delte Fall führt das gerichtlich Treiben ad absur­dum. 2008 soll Christof sich bei ein­er Beton­block-Anket­tak­tion bei Berg/Pfalz als Unter­stützer auf den Gleisen aufge­hal­ten haben. Damals wurde die Fahrt des Cas­torzuges um 12 Stun­den verzögert. Mit deut­lich mehr Verzögerung – näm­lich bis jet­zt – ging das juris­tis­che Nach­spiel voran. An mehreren Prozesster­mi­nen wurde bere­its ver­sucht, den Betrof­fe­nen in der Sache zu verurteilen – bis­lang erfol­g­los. Christof dazu: „Bere­its 2010 wur­den uns Ein­stel­lun­gen der Ver­fahren ver­sprochen — eine glat­te Lüge. Ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass Gerichte die Priv­i­legien der Herrschen­den absich­ern und die Atom­mafia in ihrem Treiben stützen, aber es macht doch immer wieder wütend.“

18. März, 10 Uhr am Amts­gericht Pots­dam, Jäger­allee 10–12, Saal 21

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Antifaschismus Law & Order

Weitere Repression gegen Antifaschist_Innen

Neu­rup­pin — Die staatlichen Repres­sionsver­suche gegen engagierte Antifaschist_Innen hören nicht auf. Am 24.09.2011 wurde in Neu­rup­pin eine Sitzblock­ade durch die Polizei bru­tal geräumt. Es gab mehrere Ver­let­zte – sog­ar mit Knochen­brüchen. Die Antifaschist_Innen wur­den dann in eine Seit­en­straße gedrängt und die Nazis nur wenige Meter an ihnen vor­beige­führt. Die Ereignisse schlu­gen Wellen und sog­ar der Land­tag beschäftigte sich damit.

Trotz der Infor­ma­tion in der Presse, dass die Ver­fahren (es waren mehrere Hun­dert) eingestellt wer­den, sind uns min­destens zwei Per­so­n­en bekan­nt, die aktuell von Repres­sion betrof­fen sind. Ein junger Mann hat einen Straf­be­fehl über 517,00€ erhal­ten, wegen ange­blichem Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte und ver­suchter Kör­per­ver­let­zung. Der infla­tionäre Gebrauch dieser Vor­würfe durch die Polizei ist eben­so grotesk wie sys­tem­a­tisch. Indem sie behaupten ange­grif­f­en wor­den zu sein, legit­imieren die Polizist_Innen gle­ichzeit­ig ihre eigene Gewalt­tätigkeit als notwendi­ge, polizeiliche Zwangs­maß­nahme. Damit entziehen sich die Beamt_Innen möglichen Strafver­fol­gung, die ohne­hin nur min­i­mal­ste Chanchen hat zur Anklage zu kom­men – von Verurteilung ganz zu schweigen…

Ein weit­er­er junger Mann muss sich vor dem Amts­gericht eben­falls wegen ange­blichem „Wider­stand“ verantworten.

Die Rote Hil­fe Neu­rup­pin erk­lärt ihre Sol­i­dar­ität mit allen Betrof­fe­nen staatlich­er Repres­sion an diesem Tag. Wir wer­den 50% aller Kosten tra­gen, die den Bei­den durch die Krim­i­nal­isierungsver­suche des Staates aufer­legt wer­den (dazu gehören Strafe, Gerichts- und Anwalt­skosten im Falle eines Prozess­es). Soll­ten weit­ere Per­so­n­en betrof­fen sein, bit­ten wir diese sich bei uns zu melden: neuruppin@rote-hilfe.de

Antifaschis­mus ist notwendig!
Zivil­courage ist gefordert!
Zivil­er Unge­hor­sam ist legit­im!
Gemein­sam gegen die Ein­schüchterungsver­suche des Staates!

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(Anti-)Rassismus Gender & Sexualität Law & Order

Demonstration am 8. März

Am inter­na­tionalen Frauen­tag demon­stri­eren Flüchtlings­frauen und ihre Unter­stützerin­nen und Unter­stützer in Pots­dam zum bran­den­bur­gis­chen Sozialmin­is­teri­um um men­schen­würdi­ges Wohnen für Flüchtlings­frauen und ihre Kinder einzu­fordern. Die Flüchtlings­frauenor­gan­i­sa­tion ‘Women in Exile’1 fordert seit langem das Recht auf Pri­vat­sphäre für Flüchtlings­frauen in Bran­den­burg ein: „Frauen in den soge­nan­nten Gemein­schaft­sun­terkün­ften kämpfen dort um etwas, was wir dort nicht find­en kön­nen: Ein Zuhause, ein sicher­er Ort für uns und unsere Kinder.“ so Elis­a­beth Ngari, eine der Grün­derin­nen der Flüchtlings­frauen­gruppe ‘Women in Exile’. “Es ist unmöglich, die Lebens­be­din­gun­gen in soge­nan­nten Heimen so zu verbessern, dass sie zu annehm­baren Unterkün­ften wer­den.“ ‘Women in Exile’ kri­tisiert die Lan­desregierung, die trotz zahlre­ich­er Lip­pen­beken­nt­nisse offen­sichtlich wenig tut, um die Unter­bringungssi­t­u­a­tion von Flüchtlin­gen in Bran­den­burg zu verbessern. Seit dem Früh­jahr 2011 macht Sozialmin­is­ter Baaske immer neue Ver­sprechun­gen und der Land­tag immer neue Beschlüsse, die die Landes­regierung auf­fordern, die Unter­bringungssi­t­u­a­tion von Flüchtlin­gen men­schen­würdi­ger zu gestal­ten. Aber nichts davon wird in die Real­ität umge­set­zt: Die Lager sind total über­füllt, die Wohn­si­t­u­a­tion ist katas­trophal und die Enge führt zu enor­men Belas­tun­gen und Span­nun­gen unter den Bewohner­In­nen. Die ‘Mindestbe­dingungen für den Betrieb von Gemein­schaft­sun­terkün­ften’, die seit April 20011 geän­dert wer­den sollen, gel­ten unverän­dert bis Ende 2013 fort. Und immer noch wer­den neue Sam­melun­terkün­fte nach den gle­ichen Vor­gaben ein­gerichtet. Deshalb demon­stri­ert ‘Women in Exile’ gemein­sam mit anderen anti­ras­sis­tis­chen Ini­tia­tiv­en vor dem Sozialmin­is­teri­um, um Min­is­ter Baaske an seine Ver­sprechen zu erin­nern und ihre Ein­lö­sung einzu­fordern. Mehr Infor­ma­tion über Women in Exile unter http://womeninexile.blogsport.de

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Antifaschismus Law & Order

Freispruch für Spremberger Neonazi

INFORIOT — Das Amts­gericht Cot­tbus hat am Dien­stag einen 26-jähri­gen Sprem­berg­er von den Vor­wür­fen der Belei­di­gung und der öffentlichen Auf­forderung zu Straftat­en freige­sprochen. Die gesam­melten Indizien sei unzure­ichend, die Rich­terin urteilte darum “im Zweifel für den Angeklagten”.

Sozialdemokratis­che Menschenjagd”

René T. wurde vorge­wor­fen, im Okto­ber 2011 auf der Neon­azi­seite “Rev­o­lu­tionäres Sprem­berg”, einen Artikel unter dem Titel “Sozialdemokratis­che Men­schen­jagd” veröf­fentlicht zu haben. In dem Artikel wurde dazu aufgerufen, drei SPD-Poli­tik­er_in­nen aus der Region zu bespuck­en. Daneben standen Bilder der­sel­ben. Die Bilder waren offen­bar der SPD-Home­page ent­nom­men, was den SPD-Seit­e­nad­min­is­tra­tor Ben­ny Blatz ver­an­lasste, die Zugänge auf die Seite zu über­prüfen. Auf­fäl­lig war dabei laut Blatz eine IP-Adresse, die nach Abfrage des LKA zum Angeklagten T. führte.

Bei ein­er Haus­durch­suchung wur­den auf Rech­n­ern und Daten­trägern Sys­te­mein­träge gefun­den, die Indizien dafür seien, dass T. an der Erstel­lung des fraglichen Artikels beteiligt gewe­sen sein soll. Aus Reg­is­ter­files sei zu schließen, dass T. sowohl ein Doku­ment mit dem Titel “Sozialdemokratis­che Men­schen­jagd”, als auch die genan­nten Bilder besaß und wom­öglich nutze. Auch wurde aus fest­gestell­ten Chat­pro­tokollen deut­lich, dass T. über Zugangsrechte für den Blog “Rev­o­lu­tionäres Sprem­berg” ver­fügte. Die Bilder als auch Textfrag­mente für den Artikel wur­den jedoch nicht auf den beschlagnahmten Daten­trägern gefunden.

René T. hat­te dafür seine ganz eigene Erk­lärung: Er sei ein “poli­tisch inter­essiert­er Men­sch”, der auf diversen poli­tis­chen Seit­en unter­wegs sei. Für Freund_innen, die nicht über Inter­net ver­fü­gen, drucke er die Texte aus. Einige schicke er regelmäßig an Bekan­nte in den Gefäng­nis­sen in Wriezen und Bautzen.

Während der Ver­hand­lung nutzte René mehrfach die Gele­gen­heit, Zweifel an der Ein­schätzung der Staat­san­waltschaft und des sachver­ständi­gen Foren­sik­ers zu streuen. Zum Abschluss beteuerte er, dass er nicht wisse, warum er hier sitze: man wolle ihm wohl was anhän­gen, weil er der recht­en Szene angehöre.

Unzure­ichende Beweisauf­nahme der Ermittlungsbehörden

Für die Staat­san­waltschaft bestand nach der Anhörung zumin­d­est eine Beteili­gung des Angeklagten an der Erstel­lung des Artikels fest. Die Rich­terin entsch­ied jedoch für einen “Freis­pruch 2. Klasse; im Zweifel für den Angeklagten”, erk­lärte sie in der Urteilsverkündung.

Es sei kein lück­en­los­er Schluss möglich, dass der Angeklagte René T. für den Artikel ver­ant­wortlich sei. Die man­gel­hafte Über­prü­fung durch Polizei und LKA kann ein Grund dafür gewe­sen sein. So gab es u.a. wed­er eine Über­prü­fung des Blogs “Rev­o­lu­tionäres Sprem­berg”, über dessen Zugangs­dat­en T. ver­fügte, noch scheinen alle Daten­träger gesichtet wor­den zu sein.

Neon­azis mussten draußen bleiben

Der Inter­net­blog “Rev­o­lu­tionäres Sprem­berg” ist eine der “Wider­stands­be­we­gung Süd­bran­den­burg”, auch bekan­nt als “Spreelichter”, nah­este­hende Inter­net­seite. Der Angeklagte T. kam zusam­men mit sieben weit­eren Neon­azis im Alter zwis­chen 16 bis 20 Jahren zur Ver­hand­lung. Die jun­gen Neon­azis mussten jedoch draußen bleiben, da der Ver­hand­lungssaal ger­ade ein­mal für acht Zuschauer_innen Platz bot.

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Landgericht verurteilt Bisso G.

Ent­ge­gen ihrer Ankündi­gung, am 5. März das Urteil zu sprechen, machte die Vor­sitzende Rich­terin Eibisch heute kurzen Prozess. Der 35-jähri­gen Kameruner wurde zu ein­er Geld­strafe von 15 Tagessätzen à 2 Euro verurteilt. Das Amts­gericht Rathenow hat­te gegen ihn im Mai 2011 eine Strafe von 150 Euro verhängt.

 

Abgelehnt wur­den alle Anträge der Vertei­di­gung, u.a. zur Frage der Ver­fas­sungsmäßigkeit der ‘Res­i­den­zpflicht’. Dies war das erk­lärte Ziel von Bis­so G. und seines Vertei­di­gers, des Recht­san­walts Volk­er Gerloff, gewesen.

  • Ein Beweisantrag, dass „die Zustände in der Gemein­schaft­sun­terkun­ft Rathenow […] und in Rathenow selb­st zum Tatzeit­punkt der­art men­sche­nun­würdig für den Angeklagten waren, dass es für den Angeklagten unzu­mut­bar war, sich ständig in Rathenow aufzuhalten“.
  • Ein Antrag auf Aus­set­zung des Ver­fahrens und Vor­lage zum Bun­desver­fas­sungs­gericht, mit der Begrün­dung, dass „durch die räum­liche Beschränkung des Aufen­thalts […] das Recht auf Freizügigkeit nahezu voll­ständig aufge­hoben und unter einen ver­wal­tungsrechtlichen Erlaub­nisvor­be­halt gestellt [wird].“ Die ‘Res­i­den­zpflicht’ sei ein Ver­stoß gegen Art. 11 Grundge­setz („Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bun­des­ge­bi­et.“). Art. 11 gelte auch für Nicht-Deutsche, denn Art. 3 Abs. 3 GG ver­bi­ete eine Diskri­m­inierung wegen der Abstam­mung. Außer­dem ver­stoße die ‘Res­i­den­zpflicht’ gegen das Vierte Zusatzpro­tokoll zur Europäis­chen Men­schen­recht­skon­ven­tion (Art. 2. Abs. 1: „Jed­er­mann, der sich recht­mäßig im Hoheits­ge­bi­et eines Staates aufhält, hat das Recht, sich dort frei zu bewe­gen und seinen Wohn­sitz frei zu wählen.“), gegen die Bran­den­bur­gis­che Lan­desver­fas­sung (Art. 17: „Alle Men­schen haben das Recht auf Freizügigkeit.“) sowie gegen weit­ere Nor­men des Völkerrechts.
  • Ein Antrag auf Aus­set­zung des Ver­fahrens und Vor­lage zum Gericht­shof der Europäis­chen Union, mit der Begrün­dung, die Beschränkung des Aufen­thalts von Gedulde­ten auf das Bun­des­land ver­stoße gegen die Auf­nah­merichtlin­ie der EU. Denn diese fordere eine Einzelfall­prü­fung, ob das zugewiesene Gebi­et die unveräußer­liche Pri­vat­sphäre nicht beein­trächtigt und hin­re­ichend Spiel­raum geboten ist, dass Gewähr für eine Inanspruch­nahme der Vorteile aus dieser Richtlin­ie gegeben ist. Des Weit­eren sei die Straf­barkeit eines Ver­stoßes gegen die ‘Res­i­den­zpflicht’ gemein­schaft­srechtswidrig, denn die Aufen­thalt­srichtlin­ie sehe für solche Ver­stöße nur ver­wal­tungsrechtliche Sank­tio­nen vor.

Das Urteil und die pauschale Ablehnung aller Anträge erschüt­terten Bis­so G., der jedoch ankündigte, weit­er gegen das Unrecht der ‘Res­i­den­zpflicht’ kämpfen zu wollen. Dazu werde derzeit geprüft, ob Revi­sion­s­gründe vor­liegen. Würde das Ober­lan­des­gericht diesen stattgeben, würde das Ver­fahren erneut ans Landgericht Pots­dam ver­wiesen, dieses Mal aber an eine andere Kam­mer, die für die Fra­gen der Ver­fas­sungsmäßigkeit offen­er ist, so die Hoff­nung von Bis­so G.

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Urteil im Residenzpflicht Prozess

Pots­dam — Das Landgericht Pots­dam hat gestern Bis­so G. wegen eines Ver­stoßes gegen die ‘Res­i­den­zpflicht’ im Jahre 2009 verurteilt. Alle Anträge zur Prü­fung der Ver­fas­sungsmäßigkeit der ‘Res­i­den­zpflicht’ wur­den abgelehnt. Die Vertei­di­gung prüft, ob Revi­sion­s­gründe vorliegen.

Ent­ge­gen ihrer Ankündi­gung, am 5. März das Urteil zu sprechen, machte die Vor­sitzende Rich­terin Eibisch kurzen Prozess: Der 35-jähri­gen Kameruner wurde zu ein­er Geld­strafe von 15 Tagessätzen à 2 Euro verurteilt. Das Amts­gericht Rathenow hat­te gegen ihn im Mai 2011 eine Strafe von 150 Euro verhängt.

Abgelehnt wur­den alle Anträge der Vertei­di­gung, u.a. zur Frage der Ver­fas­sungsmäßigkeit der ‘Res­i­den­zpflicht’. Dies war das erk­lärte Ziel von Bis­so G. und seines Vertei­di­gers, des Recht­san­walts Volk­er Gerloff, gewesen.

Das Urteil und die pauschale Ablehnung aller Anträge erschüt­terten Bis­so G., der jedoch ankündigte, weit­er gegen das Unrecht der ‘Res­i­den­zpflicht’ kämpfen zu wollen. Dazu werde derzeit geprüft, ob Revi­sion­s­gründe vor­liegen. Würde das Ober­lan­des­gericht diesen stattgeben, würde das Ver­fahren erneut ans Landgericht Pots­dam ver­wiesen, dieses Mal aber an eine andere Kam­mer, die für die Fra­gen der Ver­fas­sungsmäßigkeit offen­er ist, so die Hoff­nung von Bis­so G.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: www.residenzpflicht.info
Mehr Infor­ma­tion zur Res­i­den­zpflicht auch in unserm näch­sten Jour Fixe am 20.2.2013

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Residenzpflicht vor Gericht

Am 12. Feb­ru­ar 2013 geht voraus­sichtlich ein Ver­fahren vor dem Landgericht Pots­dam zu Ende, bei dem ein Flüchtling wegen Ver­stoßes gegen die Res­i­den­zpflicht angeklagt ist. Der Betrof­fene soll sich im Mai 2009 in Berlin aufge­hal­ten haben, obwohl er Bran­den­burg nicht ohne Erlaub­nis ver­lassen durfte.

Dien­stag, 12. Feb­ru­ar 2013

10.00 Uhr Landgericht Pots­dam (Jäger­allee 10–12)
Saal 5

Für den Betrof­fe­nen, den 35-jähri­gen Flüchtling Bis­so G. aus Kamerun, hat der Prozess eine grund­sät­zliche Bedeu­tung. Bis­so G. stre­it­et nicht ab, dass er im Mai 2009 ohne Ver­lassenser­laub­nis von Rathenow nach Berlin gefahren war. Er kann jedoch nicht ver­ste­hen, warum die Inanspruch­nahme des Men­schen­rechts auf Bewe­gungs­frei­heit eine Straftat darstellen soll. Das ist der Grund, warum er, unter­stützt von seinem Vertei­di­ger, dem Recht­san­walt Volk­er Gerloff, die Ein­stel­lung des Ver­fahrens ablehnt und die Ver­fas­sungsmäßigkeit der ‘Res­i­den­zpflicht’ in Frage stellt.

Hin­ter ihm liegt ein Gerichts­marathon durch mehrere Instanzen. Im März 2010 wurde er zum ersten Mal vor dem Amts­gericht Rathenow zu ein­er Geld­strafe von 80 Euro verurteilt. Das Urteil wurde jedoch vom Ober­lan­des­gericht wegen »schw­er­wiegen­der Rechts­fehler« aufge­hoben. In ein­er zweit­en Ver­hand­lung in Rathenow wurde er im Mai 2011 erneut verurteilt, dieses Mal zu 150 Euro. Mit­tler­weile ist man in der zweit­en Beru­fungsver­hand­lung vor dem Landgericht Potsdam.

Die bish­eri­gen zwei Ver­hand­lungstage waren geprägt von Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen der Vor­sitzen­den Rich­terin Eibisch und dem Vertei­di­ger Gerloff über die Ver­hand­lungs­führung. Gerloff rügte, dass das Gericht Zeu­gen ver­nom­men hat, die zum angeklagten Ver­stoß gegen die Res­i­den­zpflicht nichts aus­sagen kön­nen. Das Gericht sei aber, so Gerloff, bemüht gewe­sen, weit­ere, hier nicht zur Anklage ste­hende, Strafvor­würfe zu kon­s­tu­ieren. Gerloff kündigte für Dien­stag eine Rei­he von Anträ­gen zur Ver­fas­sungs- und Euro­parechtswidrigkeit der Res­i­den­zpflicht an.

_»Wir kön­nen nur hoffen«_, so Kay Wen­del vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg, »dass das Gericht die schw­er­wiegen­den Bedenken gegen die Beschränkung der Bewe­gungs­frei­heit ernst nimmt. Es ist nicht nachvol­lziehbar, warum ein Bewohn­er Bran­den­burgs sich straf­bar machen soll, wenn er sich in Berlin aufhält, wo er sich doch ohne Prob­leme nach Cot­tbus oder Frank­furt begeben darf.«

Inforiot