Das Forschungsinstitut der Bundesrepublik für verteidigungs- und sicherheitspolitische Fragen namens “Potsdam Center for Transatlantic Security and Military Affairs” wurde heute an der Potsdamer Universität Potsdam gegründet. Die Anwesenden 8 Gegendemonstranten konnten trotz Zahlenmässiger Unterlegenheit gegenüber Feldjägern, Polizei und Wachschutz ein klein wenig “reissen”.
Die Sonne geht auf über der Potsdamer Universität. Die ehemaligen Pferdeställe, nun ist dort die Caféteria sowie Matheinstitut untergebracht, erscheint im wohligschönem Gelb. Ein fast alltäglicher Morgen. Ein fast alltäglicher Morgen?
Ein paar Wachschützer mehr als sonst überblicken den Innenhof, wo der Protokollarbeamte der Universität die Hausmeister anweist, die letzten Zigaretten-Kippen in den entferntesten Ecken zu entfernen. Dieser Mann soll noch die nächsten Stunden aufgeregt den Hof auf und abrennen. Und überwachen dass für die Autos stets genug Platz ist. Aber wenden wir uns vielleicht “wichtigeren” Leuten zu.
Noch Stunden vor Veranstaltungsbeginn kommt Bewegung in die Sache. Polizei. Kriminalpolizei. Sprengstoffspürhunde. Feldjäger und noch ein paar Wachschützer.
Alle wollen dabei sein.
Und irgendwann auch die Gäste. Soldaten in schmucken Uniformen. Viele Soldaten. Soldaten aus In- und Ausland. Heer-Marine-Luftwaffe. Es müssen um die 200 gewesen sein. Ein paar wenige Professoren. Erstaunlich wenige Professoren. Obwohl es auch kein Wunder war — denn nur sehr wenige von ihnen waren eingeladen worden. Studenten? Hat ein Institut an einer Universität mit Studenten zu tun? Anscheinend nicht. Dann war es wohl gerechtfertigt, diese nicht einzuladen. Überhaupt wurde um diese Feier ein großes Geheimnis gemacht. Keinerlei Information im voraus durch die Universität an irgendjemanden, der nicht eingeladen war. Sperrung der Cafeteria erst heute mitgeteilt.
Dennoch wird versucht, einen normalen Betrieb zu gewährleisten. Keine Absperrungen. Keine Personenkontrollen und Straßenbarrikaden schon hunderte Meter vom Campus entfert. Man erinnert sich an den Tag zurück an dem hier auf dem Ehrenhof des Neuen Palais das Gelöbnis stattfand. Man hat dazugelernt. Oder den Widerstand richtig eingeschätzt. Diesmal bleiben keine Kinder alleine in der Kita, weil die Eltern sie nicht abholen können. Diesmal gibt es keine total verstörten ausländischen Erstsemestler, deren erster Studientag in rüdester Art und Weise es erscheinen ließ, als ob Deutschland eine Militärdiktatur wäre. Diesmal keine Hunderte Mitarbeiter und Studenten, die nicht zu ihrer Arbeit und Veranstaltungen kamen.
Nein. Es bleibt ruhig.
Eine kleine Gruppe von Studenten, die später auf 8 Personen anwachsen wird, hängt vor den Augen der Polizei, die vor hinter und seitlich von ihnen steht ein paar Plakate an den Zaun des Universitätsgeländes. Ein Wachschützer kommt. Diskutiert. Geht. Ruft die Polizei, und es wird sich mit den Polizisten drauf geeinigt, die Plakate ein paar Meter entfernt an einem Baum, ausserhalb des Unigeländes aufzuhängen. Aber vielleicht ist “Achtung Militärischer Sperrbereich, Universität Potsdam” und “Hier trifft sich die Welt-Kriegs-Elite” doch ein wenig zu hart, für die netten Herren (ausser der Gründungsprofessorin, und ein paar weiblichen Fotographen, und einer größeren Gruppe von Hostessen, waren fast keine Frauen da). Man könnte fast sagen, dass unter den Gegendemonstranten etwa soviele Frauen waren, wie Frauen an der Veranstaltung als Gäste teilnahmen. Einer der Sprüche wird von Polizei sofort nach zurückwechseln der Gegendemonstranten zum Veranstaltungsort entfernt. Der andere hält noch eine Gnadenstunde.
Stichwort Gegendemonstranten. Die nächsten Aktionen stehen auf dem Plan — doch vorher kommt noch Besuch von den netten Herren in Grün. Ihre Identität wird aufgenommen — denn Herr Schönbohm hatte angeordnet, dass der Campus ein “gefährlicher Ort” sei. Und somit sei von den Plakataufhängern Namen und Anschrift aufzunehmen, weil es möglich wäre, dass sie Straftaten begingen.
Um 12 Uhr sind die meisten Gäste im Audimax. Nur noch Herr Scharping (Bundesminister der Verteidigung) und Herr Robertson (Generalsekretär der NATO) fehlen. Die Presse wartet draussen gespannt — oder besser gesagt, man langweilt sich. Es ist also anscheinend die beste Zeit für eine Protestaktion. Zwei Plakate werden ausgepackt: “Krieg ist scheisse” und “Kriegsminister wollen wir nicht”. Die Presse stürzt sich drauf. Etwa 15 Fotographen und 2 Kamerateams. Den Protestierern ist sichtlich unwohl. Und nach einiger Zeit stecken sie die Plakate wieder ein.
Weiteres warten. Warten. Und dann erscheinen die Limousinen des Verteidungsministers. Er bequemt sich, im Gegensatz zum später kommenden Robertson, auch einen größeren Weg zu Fuss zu gehen. Schnell werden die Plakate wieder ausgekramt und in seine Richtung gehalten. Er liest “Krieg ist scheisse”. Und sein Kommentar — die Gegendemonstranten sind bei späteren Befragungen nicht sicher, die eine Hälfte verstand “Stümper”. Was sehr trocken und unheimlich cool rüberkommt. Und ein Kommentar der bei der mangelnden Kunstfertigkeit und dem handgemalten Schildern, sowie der geringen Anzahl der Teilnehmer dieser spontanen Kundgebung, auch sehr verständlich ist. Doch vielleicht hat er auch einfach nur “Stimmt” gesagt.
Herr Robertson der lange danach kommt, denn zu diesem Zeitpunkt landet gerade sein Flugzeug, und Hubschrauber und Limousinenkolonnen brauchen trotz Diplomatischer Imunität gegenüber Verkehrspolizisten auch eine gewisse Weile, wird nicht ganz so souverän sein. Er sieht die Gruppe von jungen Leuten — und winkt ihnen zu und spricht ein fröhliches “hello” — worauf diese in Lachen ausbrechen.
Ein Lachen was schnell in Staunen übergeht, denn nach dessen Verschwinden im Gebäude beginnt seine Kolonne auf dem kleinen Innenhof des Matheinstitutes eine Halbrunde — in irrwitziger Geschwindigkeit und ganz im Gegensatz zu den 2 Stunden Wartezeit, die die Fahrer jetzt dort verbringen müssen.
Insgesamt, so scheint es, dass die Öffentlichkeitswirksamkeit einer Aktion von nur sehr wenigen Leuten doch noch besser gewesen zu sein, als dies oft bei einer Friedensdemonstration der Fall ist (Zeitungsnotiz: “gestern nachmittag blockierte eine Demonstration den Verkehr in Innenstadt, aufgrund weitläufiger Umleitungen kam es jedoch zu keinen großen Verspätungen im Busverkehr”).
Zum Nachmachen empfohlen.