Kategorien
Uncategorized

Schulen sind gewarnt

(MAZ, 12.8., Vio­la Vol­land) POTSDAM Noch scheint das “Pro­jekt Schul­hof” in Bran­den­burg nicht ange­laufen zu sein.
Bish­er habe keine Schule gemeldet, dass bei ihr Neon­azis CDs verteilt hät­ten, sagte der Sprech­er des Bil­dungsmin­is­teri­ums, Thomas Hainz, gestern der MAZ. Anfang Juli hat­te das Innen­min­is­teri­um vor der rechtsextremen
Pro­pa­gan­da-Aktion gewarnt. 50 000 Mul­ti­me­dia-CDs mit dem Titel “Anpas­sung ist Feigheit — Lieder aus dem Unter­grund” seien gepresst wor­den, um sie auf Schul­höfen zu verteilen, hieß es damals. Bil­dungsmin­is­ter Reiche hat­te daraufhin in der ver­gan­genen Woche an alle Schulleit­er einen
Maß­nah­menkat­a­log verteilt, der den Lehrern Ratschläge gibt, wie mit der CD inhaltlich und for­mal umge­gan­gen wer­den soll. “Die Schulleit­er sind sen­si­bil­isiert”, sagte Hainz gestern. 

In vie­len Schulen heißt es nun, man füh­le sich gewapp­net. “Wir haben sehr viele Instru­mente, wie wir reagieren kön­nen”, sagte die Lei­t­erin der Neu­rup­pin­er Alexan­der-Puschkin-Schule, Inge Wehrmann. “Jed­er Lehrer hat das Mate­r­i­al des Min­is­teri­ums zur Hand, jed­er kann deshalb argu­men­tieren”, so Wehrmann. Im Unter­richt werde nun Aufk­lärung betrieben. Auch in der Hen­nigs­dor­fer Albert-Schweitzer-Schule (Ober­hav­el) wird auf “präven­tive
Gespräche” im Unter­richt geset­zt, wie Schullei­t­erin Sybille Kutschke-Stange sagte. “Wir haben sehr wache Ohren und passen genau auf, aber es hat keinen Sinn, jet­zt hys­ter­isch zu wer­den”, sagte Kutschke-Stange. Ähn­lich äußerte
sich der Schulleit­er der Pots­damer Carl-Friedrich-Benz-Realschule, Dirk Lenius: “Ich habe meine Kol­le­gen informiert, alle sind aufmerk­sam, aber wir machen im Vor­feld keine Panik.” In der Voltaire-Gesamtschule in Pots­dam haben Schüler inzwis­chen eine schulin­terne Ini­tia­tive angeregt, sich als Schule von der CD-Aktion zu distanzieren. 

Das Bil­dungsmin­is­teri­um stuft die CD inhaltlich auch deshalb als gefährlich ein, weil sie sich auf eine sub­tile Art an labile Schüler richte, denen sie recht­sex­treme Ide­olo­gie als Prob­lem­lös­er anbi­eten, berichtete Sprech­er Thomas Hainz. Strafrechtlich gebe es aber wenig Hand­habe gegen die
verk­lausulierten Texte. “Die Texte bewe­gen sich in der Grau­zone des Strafrechts”, informierte auch der Sprech­er des Innen­min­is­teri­ums, Heiko Homburg. 

Auf der wahrschein­lich im Aus­land pro­duzierten CD seien in der Szene ein­schlägig bekan­nte Bands vertreten, unter ihnen die bran­den­bur­gis­che Skin­head­band “Frontalkraft”. Es gebe aber keine Hin­weise darauf, dass Bran­den­burg­er mit der Pro­duk­tion zu tun hat­ten. Die Spur führe nach
Westdeutschland. 

Hom­burg beze­ich­nete recht­sex­treme Musik als “Ein­stiegs­droge” in die Szene. Sie fungiere als “Bindeglied” zu der Grup­penkul­tur. 616 recht­sex­treme Ton­träger habe allein die Mobile Ein­satztruppe gegen Aus­län­der­feindlichkeit im ersten Hal­b­jahr dieses Jahres beschlagnahmt.

Kategorien
Uncategorized

18-jähriger Neuruppiner zu einer Bewährungsstrafe verurteilt

NEURUPPIN Vor zwei Wochen waren zwei Polizeibeamte bei ein­er Auseinan­der­set­zung mit ein­er Gruppe rechts­gerichteter Jugendlich­er auf dem Gelände der Shell-Tankstelle an der Neu­rup­pin­er Hein­rich-Rau-Straße ver­let­zt worden. 

Ein­er von ihnen war Chris­t­ian G. Der 18-jährige wurde gestern vor dem Neu­rup­pin­er Amts­gericht in einem beschle­u­nigten Ver­fahren verurteilt: neun Monate Frei­heitsstrafe wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung und Wider­stands gegen Voll­streck­ungs­beamte. Die Strafe wurde zur Bewährung aus­ge­set­zt. Zusät­zlich muss Chris­t­ian G. 400 Euro an eine Gemein­nützige Ein­rich­tung Zahlen.
Mehr oder weniger zufäl­lig will Chris­t­ian G. in die Gruppe an der Tankstelle ger­at­en sein. Dabei wollte er gegen zwei Uhr mor­gens nur noch Alko­hol besor­gen. Da er nach seinen Angaben, bere­its eine halbe Flasche Klaren, gemis­cht mit Orangen­saft, vier kleine Schnaps­gläs­er Kirsch­likör und zwei bis drei Schnaps­gläs­er Gin getrunk­en – und das alles in knapp drei Stun­den. Deshalb könne er sich auch nicht mehr erin­nern, ob eine Flasche in der Hand gehal­ten und damit zugeschla­gen habe, als die Beamtin ihn fes­thielt. Vor­sor­glich hat­te sich der Gas-Wasserin­stal­la­teurlehrling noch vor Ort bei ihr entschuldigt. Falls er sie aus Versehn getrof­fen habe, täte es ihm Leid. 

An ein Versehn mochte Kath­leen W. nicht recht glauben. Als sie den Flüch­t­en­den zufassen bekam, habe Chris­t­ian G. aus­ge­holt und mit ein­er Flasche zugeschla­gen. Vor Schmerz ließ sie ihn los. Noch heute ist ihr Arm ban­dagiert. Ein Kol­lege kon­nte Chris­t­ian G. fes­thal­ten. Warum er auf Zuruf der Polizei nicht ste­hen blieb, wusste der 18-Jährige nicht: „Ich hat­te Angst, dass es so kommt, wie es kam.“ Für seinen Vertei­di­ger eine typ­is­che Jugend­ver­fehlung. Ohne Sinn und Ver­stand habe sich sein Man­dant da hinein­gerit­ten, obwohl er keinen Grund hat­te zu fliehen. 

Wegen der Alko­holisierung von Chris­t­ian G. ging der Vertei­di­ger von ein­er ver­min­derten Schuld­fähigkeit aus. Er beantragte eine Geld­strafe von 80 Tagessätzen. Ein Alko­holtest vier Stun­den nach der Tat hat­te 0,66 Promille ergeben. Auf die Beamtin hat­te Chris­t­ian nor­mal gewirkt. Auch das Gericht glaubte seinen Trinkmen­gen nicht. 

Der Vertreter der Jugen­drecht­shil­fe sprach sich für die Anwen­dung von Erwach­se­nen­strafrecht aus – weil Chris­t­ian G. de fac­to erwach­sen sei. Gegen ihn spreche auch, dass er schon ein­mal wegen Kör­per­ver­let­zung vor Gericht stand, so Richter Pries. Er stand dem 18-Jähri­gen aber eine gün­stige Sozial­prog­nose zu.

Kategorien
Uncategorized

Antifaschistische Demonstration am Freitag

Für kom­menden Fre­itag, den 13.08.2004, rufen wir zu ein­er antifaschis­tis­chen Demonstration
in Frank­furt (Oder) auf. Sie ste­ht unter dem Mot­to: „DEM GRAUEN EIN ENDE SETZEN –
WÄHREND ANSTÄNDIGE NUR AUFSTEHEN, GREIFEN WIR AN!“. 

Die Demon­stra­tion begin­nt um 19.00 Uhr am Einkauf­szen­trum HEP im Stadt­teil Neu­beresinchen mit ein­er Kundge­bung und führt von dort in die Innen­stadt. Ver­anstal­ter ist ein Bünd­nis antifaschis­tis­ch­er Grup­pen aus Bran­den­burg und Berlin. Anlass sind die jüng­sten Angriffe Frank­furter Neon­azis, die durch eine beson­dere Bru­tal­ität der Täter gekennze­ich­net waren. 

So grif­f­en am 16.April zum wieder­holten mal recht­sex­treme Gäste der Diskothek „B5“ in den Lennè Pas­sagen Frank­furter Asyl­be­wer­ber an. Dabei wurde ein Mann aus Togo schw­er am Kopf verletzt. 

Am 5.Juni über­fie­len fünf Frank­furter Neon­azis einen jun­gen Mann im Stadt­teil Neu­beresinchen, ver­schleppten, mis­shan­del­ten und folterten ihn.
Als beson­ders erschreck­end kri­tisieren wir dabei den gesamt­ge­sellschaftlichen Umgang mit den Tat­en. So zeigte sich an den aktuellen Fällen erneut, wie Angriffe durch Neon­azis in unser­er Stadt zur Bewahrung ein­er lokalen Idylle durch Medi­en, Stadt und Polizei
ver­schwiegen und klein­gere­det werden. 

Dazu die Sprecherin der aaf­fo Sabine Schmäske: „Wir fordern die fehlende
Auseinan­der­set­zung mit Tat­en und Tätern. Wer dem recht­sex­tremen Main­stream in der Frank­furter Bevölkerung nicht ent­ge­gen­tritt, macht sich mitschuldig an solchen Gewaltexzessen.“ 

Alle Frank­fur­terIn­nen die wie wir gegen diese unhalt­baren Zustände ein­treten wollen, sind her­zlich zur Teil­nahme an der Demon­stra­tion eingeladen. 

Autonome Antifa Frank­furt (Oder)(aaffo)

Kategorien
Uncategorized

Verfassungsschutz: Rechte wollen Demos für sich nutzen

Schön­bohm sieht Unwis­senheit über Hartz IV in der Bevölkerung — “Infor­ma­tion­skam­pagne der Bun­desregierung kommt zu spät”

(BM, Gudrun Mall­witz) Pots­dam — Der Ver­fas­sungss­chutz rech­net damit, dass sich das recht­sex­treme Spek­trum den wach­senden Wider­stand der Bevölkerung gegen die
Arbeits­mark­tre­form Hartz IV zu Nutze machen wird. “Es gibt in der Szene Vor­bere­itun­gen, die Demon­stra­tio­nen für sich zu nutzen”, bestätigte der Chef der Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde, Hein­er Wegesin, der Berlin­er Morgenpost. 

“Die Recht­sex­tremen wer­den darstellen wollen, dass es sich bei Hartz IV ‚um einen Aus­beu­tungs­feldzug der Geg­n­er unseres Volkes han­delt”, so der oberste
Verfassungsschützer. 

Aktiv wer­den kön­nten vor allem Kam­er­ad­schaften wie der rechtsextreme
Märkische Heimatschutz und das Bünd­nis Neue Ord­nung (BNO), eine Abspaltung
der NPD

Bei den bish­eri­gen Anti-Hartz-Demon­stra­tio­nen in Bran­den­burg ist es zu
keinen Störun­gen gekom­men. Tausende Men­schen hat­ten, wie berichtet, am
Mon­tagabend gegen die Arbeits­mark­tre­form protestiert. In Senftenberg
ver­sam­melten sich knapp 2000 Demon­stran­ten. Am Mon­tag zuvor hat­ten sich in
der früheren Braunkohle-Stadt rund 1000 Men­schen zusam­menge­fun­den. In
Per­leberg in der Prig­nitz rief die PDS zum Protest auf, auch in Wittberge
und Kyritz gin­gen die Men­schen auf die Straße. Die PDS will ihre Aktionen
mit dem “Bünd­nis gegen Sozial­ab­bau” koor­dinieren. Bun­deskan­zler Gerhard
Schröder (SPD) wird am Sonnabend am Rande des Parteitags in
Brandenburg/Havel sowie am 24. August bei der Eröff­nung des sanierten
Bahn­hofs von Wit­ten­berge eine aufge­brachte Menge vorfinden. 

In Sach­sen organ­isiert die NPD, die dort bei den Land­tagswahlen antritt,
eigene Demos. Die in Bran­den­burg erneut für die Land­tagswahl am 19.
Sep­tem­ber kan­di­dierende rech­tex­treme DVU verzichtet darauf. Allerd­ings hat
sie das Land mit Protest-Plakat­en über­zo­gen. Innen­min­is­ter Jörg Schönbohm
(CDU) sieht die Gründe für die Mobil­isierung der Extrem­is­ten vom linken und
recht­en Spek­trum vor allem in der Unwis­senheit der Bevölkerung. “Die
Unken­nt­nis ist Grund­lage des starken Dif­famierungspoten­zials”, sagt
Schön­bohm zur Mor­gen­post. Durch Fehlentschei­dun­gen und Ungeschick der
rot-grü­nen Regierung wür­den die Äng­ste in der Bevölkerung geschürt. Dazu
zählten die Buschzu­lage für West­beamte, das Vorhaben, die Kindersparbücher
zu berück­sichti­gen, und der Ver­such, im Jan­u­ar kein Geld an die Betroffenen
auszuzahlen. Scharf kri­tisiert Schön­bohm, dass “die Infor­ma­tion­skam­pagne der
Bun­desregierung viel zu spät kommt”. Im Aufruf der rechtspopulistischen
“Partei Rechtsstaatliche Offen­sive” zu ein­er Demon­stra­tion gegen Hartz IV
und gegen die “raben­schwarze Zukun­ft Bran­den­burgs”, sieht der Innenminister
“den Ver­such der Schill-Partei, wieder ins Geschäft zu kom­men”. Allerdings
sei die PDS “in ihrem Pop­ulis­mus und ihrer Dem­a­gogie von keinem zu
übertr­e­f­fen. Sie spielt sich auf wie die linke DVU.” Mit dumpfen Parolen
“Hartz IV — das ist ein Gesetz der Armut! Weg damit!” führe die PDS einen
Wahlkampf, wie man ihn bish­er nur von der DVU kenne. 

Anders als Sach­sens Min­is­ter­präsi­dent Georg Mil­bradt (CDU) schließt
Schön­bohm aus, sich an Demon­stra­tio­nen zu beteili­gen. Zudem wider­sprach er
Matthias Platzeck (SPD): “Die Neuau­flage der Mon­tags­demon­stra­tio­nen ist eine
Mis­sach­tung der­jeni­gen, die 1989 auf die Straße gegan­gen sind”, sagte
Schön­bohm. Platzeck hat die Demon­stra­tio­nen verteidigt.

Kategorien
Uncategorized

Revisionsverhandlung nach Mord von Potzlow

Leipzig — Mehr als zwei Jahre nach dem gewalt­samen Tod des Schülers Marinus
Schöberl in Pot­zlow (Uck­er­mark) befasst sich der Bun­des­gericht­shof (BGH) mit
dem Straf­maß gegen die Täter. Am 19. August ste­ht die Revisionsverhandlung
in Leipzig an. Das Neu­rup­pin­er Landgericht hat­te die drei Täter im Oktober
zu Gefäng­nis­strafen zwis­chen 2 und 15 Jahren verurteilt. Sie hat­ten den 16
Jahre alten Mar­i­nus stun­den­lang gefoltert, dann mit Fußtrit­ten gegen den
Kopf getötet und in ein­er Jauchegrube verscharrt. 

Das Gericht verurteilte den heute 19 Jahre alten Haupt­täter wegen Mordes und
gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung zu ein­er Jugend­strafe von achtein­halb Jahren.
Die Staat­san­waltschaft akzep­tierte das Urteil nicht und ging in Revision.
Sie bean­standet nach BGH-Angaben, dass sich nicht alle Angeklagten wegen
gemein­schaftlichen vol­len­de­ten Mordes ver­ant­worten mussten. 

Der heute 25 Jahre alte Brud­er des Haupt­täters erhielt im Okto­ber eine
15-jährige Gesamt­frei­heitsstrafe wegen ver­sucht­en Mordes und gefährlicher
Köper­ver­let­zung. Gegen den drit­ten, 19 Jahre alten Tat­beteiligten verhängte
das Landgericht wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung eine Jugend­strafe von
zwei Jahren. 

Nach dem bis­lang nicht recht­skräfti­gen Landgerichts-Urteil wählten die drei
Täter ihr Opfer aus recht­sex­tremen Motiv­en willkür­lich aus und folterten es
die ganze Nacht hindurch.

Kategorien
Uncategorized

Deutsch-serbische Aktionstage gegen Rechtsextremismus

(Bonn, den 4.8.2004, DW-RADIO/Ser­bisch, Dinko Gruhon­jic) Nicht-Regierung­sor­gan­i­sa­tio­nen aus dem deutschen Bun­des­land Bran­den­burg und aus Novi Sad führen diese Woche eine mehrtägige Aktion unter der Beze­ich­nung “Land­karte des Recht­sex­trem­is­mus” vor. Mit dieser Aktion ver­fol­gen die Ver­anstal­ter das Ziel, die Öffentlichkeit auf die sich häufend­en chau­vin­is­tis­chen Über­griffe in Ser­bi­en aufmerk­sam machen, aber auch auf die Tat­sache, dass es solche Über­griffe auch in Deutsch­land gibt. 

Zoran Petakov von der Alter­na­tiv­en Kul­tur­or­gan­i­sa­tion erk­lärte gegenüber DW-RADIO, in Ser­bi­en werde der Recht­sex­trem­is­mus sys­tem­a­tisch tot­geschwiegen: “Darüber möchte nie­mand reden, ange­fan­gen von den unmit­tel­bar wegen ihrer Haut­farbe, Nation­al­ität oder Kon­fes­sion Betrof­fe­nen bis hin zu den zuständi­gen Staat­sor­ga­nen. Es scheint, als ob das The­ma wie bei ein­er Ver­schwörung tot­geschwiegen wird, weil der Glaube vorherrscht, dass, wenn man darüber schweigt, das Prob­lem auch nicht existiert. Diverse Beispiele demon­stri­eren indes, das es seit 2000 bis heute immer mehr solche Prob­leme existieren”. 

Philipp Otto von der Demokratis­chen Jugend Bran­den­burgs in Ost­deutsch­land sagte gegenüber DW-RADIO, in diesem Teil seines Lan­des sei der Recht­sex­trem­is­mus noch immer sehr präsent: “Nach dem Fall der Berlin­er Mauer und der deutschen Wiedervere­ini­gung dacht­en viele Men­schen: Deutsch­land ist endlich wiedervere­int! Das heißt, viele unter ihnen haben keine Lehre aus dem Zweit­en Weltkrieg gezo­gen, was zu ein­er Zunahme des Nation­al­is­mus führte. Fern­er sind nach dem Fall der Berlin­er Mauer viele Men­schen nach West­deutsch­land gezo­gen, und im Osten herrschte ein Gefühl der Leere vor. Die Men­schen haben ein­fach ihre Iden­tität verloren”. 

Die Teil­nehmer der mehrtägi­gen Wider­stand­sak­tion gegen den Recht­sex­trem­is­mus legten fern­er dar, dass in den ersten sechs Monat­en in Ser­bi­en 44 eth­nisch motivierte physis­che Angriffe gegeben habe sowie dass 32 Gräber geschän­det wor­den seien. Die Urhe­ber dieser Gewal­tak­tio­nen seien vornehm­lich junge Leute, die in Iso­la­tion, Kriegs­ge­bi­eten und in ein­er Zeit der gesellschaftlichen Unsicher­heit aufgewach­sen seien. 

Den Gästen aus Deutsch­land zufolge ist die Zahl der Über­griffe auf Migranten und Ange­hörige ander­er Rassen im Ost­teil des Lan­des gestiegen. In Bran­den­burg wirk­ten indes zahlre­iche Organ­i­sa­tio­nen, die ras­sis­tis­che und chau­vin­is­tis­che Ten­den­zen bekämpften, indem sie Aufk­lärungssem­inare, Demon­stra­tio­nen, Straßen­proteste, Konz­erte und Werk­stät­ten organisieren. 

In Ser­bi­en existieren solche Organ­i­sa­tio­nen bedauer­licher­weise prak­tisch gar nicht. Der Recht­sex­trem­is­mus existiert allerd­ings sehr wohl. Davor warnte gestern erneut und einge­hend auch der ungarische Außen­min­is­ter Las­z­lo Kovacs. Er über­mit­telte dem offiziellen Bel­grad, dass es den chau­vin­is­tis­chen Über­grif­f­en auf Vojvo­d­i­na-Ungarn Ein­halt gebi­ete oder es könne die Idee eines Anschlusses an die EU verwerfen. 

Die Behör­den in Ser­bi­en vertei­di­gen sich auch dies­mal dadurch, dass sie den Recht­sex­trem­is­mus totschweigen, wahrschein­lich in dem Glauben, dass wenn wir die Augen schließen, diese has­ser­füll­ten Men­schen, die andere Men­schen nur belästi­gen, weil sie ein­er anderen Nation, einem anderen Glauben oder ein­er anderen Rasse ange­hören, ein­fach – wie durch einen Zauber­trick – ver­schwinden. (md)

Kategorien
Uncategorized

Das Lager mit der Zelle 2008

(Jun­gle World, 11.8.04) In Eisen­hüt­ten­stadt ste­ht der Abschiebek­nast gle­ich neben der Zen­tralen Erstauf­nahmestelle für Asyl­be­wer­ber. mar­tin kröger (text) und tim zülch (fotos) haben sich dort umgesehen

Fah­n­dungsmäßige erste Über­prü­fung!« Keine Widerrede, Sie befind­en sich 30 Kilo­me­ter von der Staats­gren­ze ent­fer­nt. »Dass wir Ihre Per­son­alien kon­trol­lieren, ist ganz nor­mal«, sagt der Beamte des Bun­des­gren­zschutzes unwirsch, bevor er mit den einge­sam­melten Ausweisen in Rich­tung seines Dien­st­fahrzeugs marschiert, um tele­fonisch die Doku­mente in der Zen­trale über­prüfen zu lassen. 

»Her­zlich Willkom­men in Eisen­hüt­ten­stadt« kon­nte man kurz zuvor am Ort­sein­gangss­child zur »ersten sozial­is­tis­chen Stadt«, wie die ehe­ma­lige Stal­in­stadt in der DDR auch genan­nt wurde, lesen. Doch wer willkom­men ist und wer nicht, entschei­det in der Stadt an der Oder zunächst ein­mal der Bun­des­gren­zschutz, der trotz EU-Oster­weiterung über­all patrouilliert. 

Kon­trollen gibt es nicht nur wegen der nahen Gren­ze. Diejeni­gen, die nach Eisen­hüt­ten­stadt kom­men, um das Gelände der Zen­tralen Aus­län­der­be­hörde für Asyl­be­wer­ber des Lan­des Bran­den­burgs (ZABH) zu besuchen, dür­fen ihre Ausweise keine 50 Meter von der Kon­trolle des Bun­des­gren­zschutzes ent­fer­nt an der Schranke vor dieser Behörde erneut zücken. 

»Ohne gültige Per­son­alausweise kom­men Sie hier nicht rein«, erk­lärt ein mit grauer Hose und hell­blauem Hemd bek­lei­de­ter älter­er Wach­mann. Der Bedi­en­stete, der sich in einem Con­tain­er mit der Auf­schrift »Rezep­tion« ver­schanzt hat, gehört zur Fir­ma B.O.S.S. Das pri­vate Sicher­heit­sun­ternehmen betreibt im Auf­trag des Lan­des Bran­den­burg seit vier Jahren die Zen­trale Erstauf­nahmestelle für Asyl­be­wer­ber (Zast) und das Abschiebege­fäng­nis des Lan­des Bran­den­burg. Dass diese bei­den Insti­tu­tio­nen auf ein und dem­sel­ben Gelände liegen, ist einzi­gar­tig in der Bundesrepublik. 

Während im Innern des Con­tain­ers fleißig die Per­son­alien notiert wer­den, fährt nebe­nan der Wagen eines örtlichen Unternehmens zur Schädlings­bekämp­fung vor. Der Ein­gang ist nicht nur durch einen Schlag­baum, son­dern auch durch Zäune und Kam­eras gesichert. »Sie brauchen diesen roten Passier­schein, um zum Abschiebege­wahrsam zu kom­men«, erläutert der Sicher­heits­mann, nach­dem er sich tele­fonisch rück­ver­sichert hat, dass die Besuche im Abschiebege­fäng­nis in Ord­nung gehen. Nach ein­er knap­pen Wegbeschrei­bung lässt er passieren. 

»Es ist total wichtig, die Leute im Gefäng­nis zu besuchen«, sagt Robert Claus, der bei der Alliance of Strug­gle mit­macht. Die Alliance, ein Zusam­men­schluss von Flüchtlings­grup­pen und anti­ras­sis­tis­chen Ini­tia­tiv­en, besucht regelmäßig die Insassen der Abschiebe­haf­tanstalt. »Die Idee zur Grün­dung der Alliance kam, nach­dem wir voriges Jahr ein anti­ras­sis­tis­ches Pfin­gst­camp hier in Eisen­hüt­ten­stadt gemacht haben«, erzählt Claus auf dem Weg über das ehe­ma­lige Kaser­nen­gelände. »In den let­zten Jahren gab es hier nur sehr wenige Men­schen, die die Häftlinge kon­tinuier­lich besucht haben«, berichtet er. 

Der Abschiebek­nast, ein zweistöck­iges Flach­dachge­bäude, befind­et sich in der hin­teren Ecke des Are­als. Hin­ter den sta­bilen, mehrere Meter hohen Stahlzäunen, die mit Rollen von Nato-Draht bestückt sind, spie­len ger­ade die männlichen Gefan­genen mit freien Oberkör­pern Fußball. Die Abschiebe­häftlinge hier haben täglich eine Stunde Freigang, erzählt Lena Holzapfel*, die gekom­men ist, weil sie Nina Alexandrowa* besuchen möchte. Wie Claus ist Holzapfel bei der Alliance of Strug­gle aktiv. Bevor sie allerd­ings ihre Mit­bringsel, Zigaret­ten, Zeitschriften und in der Hitze geschmolzene Schoko­lade, an Nina Alexandrowa über­re­ichen kann, gilt es, einige Hür­den zu nehmen: den zweit­en Ausweis­check, die Passier­scheinkon­trolle und eine abschließende Leibesvis­i­ta­tion im so genan­nten Durch­suchungsz­im­mer. Hier fällt beson­ders der große Kar­ton mit den Plas­tikhand­schuhen auf. 

Erst nach dieser Proze­dur kann die Besucherin, immer in Begleitung ein­er Wär­terin, zu Alexandrowa in den kahlen, schmuck­losen Besucher­raum gelan­gen. Die junge Russin, etwa Mitte 20, lächelt, als sie den Besuch erblickt. »Seit vier Monat­en bin ich hier«, erzählt sie. Dreimal hätte sich ihre Abschiebung nach Rus­s­land bere­its verzögert. »Im Gegen­satz zu anderen will ich unbe­d­ingt nach Hause, um meine Fam­i­lie wieder zu sehen«, sagt sie. Da sie aber ihren Pass ver­loren hat, schieben die deutschen Behör­den sie nicht ab, obwohl inzwis­chen die rus­sis­che Miliz aktuelle Doku­mente gefaxt hat, wie sie sagt. Von ihr vor Gericht ein­gere­ichte Beschw­er­den blieben genau­so erfol­g­los wie Anrufe in der rus­sis­chen Botschaft. Inzwis­chen hat sie jede Hoff­nung aufgegeben. »Hier werde ich ver­rückt, ich kann nicht mehr«, sagt sie. Als beson­ders belas­tend empfind­et sie, neben der Ver­weigerung der Aus­reise, die Monot­o­nie des All­t­ags. »Außer essen und schlafen mache ich nicht viel.« 

Die einzige Abwech­slung ist der tägliche Flirt mit den getren­nt ein­sitzen­den männlichen Insassen, mit denen sie sich beim Freigang durch die ver­git­terten Fen­ster unter­hal­ten kann. Direk­te Kon­tak­te zwis­chen den Geschlechtern sind jedoch unter­sagt. Dabei wün­scht sich Alexandrowa nichts sehn­lich­er »als Bier und einen Mann«. 

Unter­stützung erfährt sie immer­hin von ihren Mit­ge­fan­genen. Als sie beispiel­sweise nach den ersten Wochen im Abschiebek­nast unregelmäßige Blu­tun­gen bekam und ins Kranken­haus musste, waren ihr die anderen weib­lichen Insassen eine große Hil­fe. Bevor sie dort ein­geliefert wurde, hat­te die einzige Kranken­schwest­er sie eine Woche lang mit täglich dreimal verabre­icht­en Pillen zu heilen ver­sucht. »Sie haben mich mit Tablet­ten gefüt­tert«, sagt sie. Welche Wirk­stoffe das Medika­ment enthielt, sei ihr bis heute nicht bekan­nt. In Fällen psy­chis­ch­er Desta­bil­ität gebe es Psy­chophar­ma­ka. »Die machen dich ruhig und ein wenig glück­lich«, beschreibt Alexandrowa. 

Wer aggres­siv wird oder sich wehrt, kommt in eine der bei­den so genan­nten Beruhi­gungszellen. In den auch Zelle 2007 und Zelle 2008 genan­nten Räu­men liegt nach Angaben mehrerer Zeu­gen jew­eils eine Art Matratze auf den Boden, mehrere Fes­seln dienen dazu, die Häftlinge dort zu fix­ieren. Die Räume wer­den mit Kam­eras überwacht. 

Auf eine kleine Anfrage der PDS-Land­tags­frak­tion vom März dieses Jahres ges­tanden die Lan­desregierung und das Innen­min­is­teri­um unter Min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) die Exis­tenz solch­er »Ruhig­stel­lungsräume« ein. Als Gründe für die Unter­bringung von Per­so­n­en dort nan­nte die Lan­desregierung »Angriffe auf in der Abschiebe­haftein­rich­tung tätige Per­so­n­en oder andere Insassen, Sachbeschädi­gun­gen, Selb­stver­let­zung­shand­lun­gen, Suizid­ver­suche, vorsät­zliche Ver­schmutzung der Zellen mit Unrat und Exkre­menten«. Wer wie lange in den »Ruhig­stel­lungsräu­men« fest­geschnallt wird, entschei­det nach Angaben der Lan­desregierung der Schichtleit­er, ein­er der weni­gen staatlichen Bedi­en­steten im Abschiebege­fäng­nis. Bei der Inbe­trieb­nahme der Abschiebe­haf­tanstalt im August 1999 wur­den drei Mitar­beit­er, die seit­dem ihr Wis­sen in »inner­di­en­stlichen Fort­bil­dungs­maß­nah­men« weit­ergegeben haben, in der Benutzung der Gurt­sys­teme ausgebildet. 

»Die max­i­male Zeit ein­er Fix­ierung – allerd­ings nur mit Fußfes­seln – betrug in einem ganz außergewöhn­lichen gelagerten Einzelfall im Jahre 2001 29 Stun­den u
nd 25 Minuten.« Diese Maß­nahme sei nötig gewe­sen, weil »das Ver­hal­ten der unterge­bracht­en Per­son von ungewöhn­lich hoher Aggres­siv­ität geprägt war und bei Aufhe­bung der Fes­selung Selb­stver­let­zun­gen vorgenom­men wur­den (Schla­gen des Kopfes gegen die Wand.)«, schrieb das Innen­min­is­teri­um in der Antwort auf die kleine Anfrage. 

Bere­its im Jahr 2000 war das Europäis­che Komi­tee zur Ver­hü­tung von Folter und unmen­schlich­er oder erniedri­gen­der Behand­lung oder Strafe (CPT) auf ein­er sein­er Inspek­tion­sreisen in Eisen­hüt­ten­stadt auf die Zelle mit der Num­mer 2008 gestoßen. In ihrem Bericht schrieben die unab­hängi­gen Mit­glieder des CPT damals: »Die Bedin­gun­gen in ein­er der bei­den Beruhi­gungszellen in Eisen­hüt­ten­stadt (Zelle 2008) sind total unakzept­abel. Die Zelle ist mit vier Met­all­rin­gen, die im Boden ver­ankert waren, aus­ges­tat­tet, um eine Per­son an Hän­den und Füßen zu fes­seln. Hand- und Fußschellen sind im Raum ver­füg­bar.« Das Komi­tee forderte sein­erzeit die sofor­tige Ent­fer­nung der in den Boden ein­ge­lasse­nen Metallringe. 

Während das Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um damit die größten Män­gel in der Abschiebe­haf­tanstalt behoben sieht, bean­standen Organ­i­sa­tio­nen wie der Flüchtlingsrat Bran­den­burg weit­er­hin »die unhalt­baren Zustände« in Eisen­hüt­ten­stadt, da sich auch vier Jahre nach dem Besuch des CPT »nicht viel geän­dert hat«. 

Denn nicht nur die Ausstat­tung der Zellen wurde von den Inspek­teuren des CPT kri­tisiert. Die 13köpfige Del­e­ga­tion aus Ärzten, Juris­ten, Gefäng­nis- und Men­schen­recht­sex­perten des Europarates bemän­gelte zudem die Qual­i­fika­tio­nen des auf dem Gelände der ZABH einge­set­zten Per­son­als, zum Beispiel die fehlen­den Fremd­sprachenken­nt­nisse. »Ich habe noch nie einen Deutschen getrof­fen, der Englisch oder Franzö­sisch spricht«, erzählt Jeanne Ndumbe*, die erst seit eini­gen Wochen in Deutsch­land ist. Gemein­sam mit vie­len anderen ist sie in der 650 Plätze bietenden Erstauf­nah­meein­rich­tung für Asyl­be­wer­berIn­nen (Zast) des Lan­des Bran­den­burg unterge­bracht. Seit der deutschen Wiedervere­ini­gung wer­den dort Asyl­suchende reg­istri­ert und vom Bun­de­samt für die Anerken­nung aus­ländis­ch­er Flüchtlinge zu ihren Asylver­fahren ange­hört. Danach wer­den sie auf die ver­schiede­nen Heime im Land Bran­den­burg verteilt. 

Auf dem ehe­ma­li­gen Exerzier­platz, der zwis­chen den mehrstöck­i­gen Wohn­blöck­en liegt, haben es sich einige Flüchtlinge auf Holzbänken in der Abend­sonne gemütlich gemacht. In der Runde geht es immer wieder um die Prob­leme der Ver­ständi­gung mit den Behör­den. Eine junge Frau aus Kamerun, die mit Ndumbe befre­un­det ist, hat Angst um ihren eine Woche alten Säugling, weil sie glaubt, dass das Kind abgeschoben wer­den soll. »Dul­dung bedeutet doch Abschiebung, oder nicht?«, fragt sie in die Runde, während sie das winzige Mäd­chen durch die Luft wirbelt, damit es aufhört zu schreien. Von Deutsch­land hält sie nicht viel. »Im Kranken­haus haben sie mir nach der Geburt eine kleine Decke für den Säugling gegeben«, sagt sie. Danach sei sie sofort in die Zast zurück­geschickt worden. 

Nebe­nan sitzende Pak­ista­nis bieten an, ihre Unterkün­fte zu zeigen. Zu acht sind sie in einem spar­tanisch möblierten Raum untergekom­men. Die Matratzen und die Deck­en zeigen deut­liche Ver­schleißspuren. Aus einem alten Kas­set­ten­recorder dröh­nt Musik. »Das Essen aus der Kan­tine ist zwar nicht schlecht«, erzählt ein­er, »trotz­dem bevorzu­gen wir selb­st gekochte Sachen.« »Zehn Euro Taschen­geld pro Woche bekom­men wir für Lebens­mit­tel«, sagt ein ander­er. Behelf­s­mäßige Küchen sind vorhanden. 

Die Insassen im Abschiebek­nast kriegen noch weniger Geld. Von vier Euro, 75 Cent sprach Nina Alexandrowa, die junge Russin, bevor die ein­stündi­ge Besuch­szeit vor­bei war. Und dass von dem Betrag auch Dinge wie Haar­sham­poo oder Cremes gekauft wer­den müssten. 

Während Alexandrowa das, was sie braucht, nur im knasteige­nen Shop erwer­ben kann, dür­fen die Asyl­suchen­den aus der Zast im nur drei Minuten ent­fer­n­ten Mark­tkauf­cen­ter, ein­er der typ­is­chen überdi­men­sion­ierten Malls, einkaufen gehen. Aber das ist keine unge­fährliche Sache. Zwar ist es nicht mehr wie im Jahr 1992, als vor der mit 2000 Men­schen völ­lig über­füll­ten Zast jedes Woch­enende ein Mob von Neon­azis ran­dalierte, aber recht­sex­treme Über­griffe auf Flüchtlinge gibt es immer noch. So bedro­ht­en im Feb­ru­ar 2001 zwei rechte Jugendliche einen 30jährigen Türken in dem Einkauf­szen­trum, nach­dem sie zuvor einen Viet­name­sen in den Küchen­bere­ich des nahe gele­ge­nen McDonald’s gejagt hat­ten. Den dabei ver­wen­de­ten Base­ballschläger hat­ten sich die Jugendlichen in der Sportabteilung des Shop­ping­cen­ters besorgt. Das ist heute nicht mehr möglich. »Base­ballschläger haben wir nicht mehr im Sor­ti­ment«, sagt ein grin­sender Mitar­beit­er von Mark­tkauf, »weil damit zu viel Unfug getrieben wird.« 

»Unfug« heißt für die Nach­barIn­nen des Gelän­des der ZABH nicht rechte Gewalt, son­dern vielmehr die Ver­schmutzung des Weges vom Gelände zu Mark­tkauf, die den Asyl­be­wer­berIn­nen zur Last gelegt wurde, wie die Inte­gra­tions­beauf­tragte der Stadt, Katrin Hey­er, weiß. Erst seit Asyl­be­wer­berIn­nen in Arbeit­strup­ps für einen Euro pro Stunde den Weg reini­gen, sei der »Gewöh­nungsef­fekt« bei den Bürg­erIn­nen einge­treten, sagt die seit 1991 in dieser Funk­tion tätige Hey­er. Dass es so wenige Kon­tak­te zwis­chen den Eisen­hüt­ten­städ­terIn­nen und den Asyl­be­wer­berIn­nen gibt, liege ihrer Ansicht nach vor allem daran, dass die Flüchtlinge immer nur für wenige Wochen in der Stadt sind. »Auf­grund des kurzen Aufen­thalts kön­nen die Bürg­er keine regelmäßi­gen und fre­und­schaftlichen Beziehun­gen pfle­gen.« Allerd­ings muss sie eingeste­hen, dass solche Kon­tak­te auch nicht angestrebt wer­den. Von den Bewohner­In­nen des hin­ter dem Abschiebek­nast gele­ge­nen Wohn- und Schre­ber­gartenge­bi­etes sei nie­mand der Ein­ladung zum Som­mer­fest im Juli in die ZABH gefol­gt, räumt Hey­er ein. 

Das Fest wurde unter anderem von der Action Courage getra­gen, in der neben Hey­er und weit­eren Stad­tangestell­ten zivilge­sellschaftliche Grup­pen, Kirchen und Parteien, darunter sog­ar die CDU, vertreten sind. Das seit dem Som­mer 2000 existierende Bünd­nis, das finanziell maßge­blich vom größten Arbeit­ge­ber der Stadt, der EKO-Stahl GmbH, getra­gen wird, beschäftigte sich jedoch mehr mit dem Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus und der Organ­i­sa­tion von Gegenkundge­bun­gen bei Nazi­aufmärschen als mit den Prob­le­men auf dem Gelände der ZABH, bemän­gelt Paul Rothe, der die alter­na­tiv­en Jugend­grup­pen bei Courage ver­tritt. »Der gesellschaftliche Ras­sis­mus und die Zustände in der ZABH sind in dem Bünd­nis kein The­ma«, sagt Rothe. Die Leute hät­ten Angst, gegen Mauern zu laufen, meint er. Es sei nicht mal möglich gewe­sen, eine Infor­ma­tion­stafel auf dem Gelände der ZABH anzubrin­gen, auf der in mehreren Sprachen die ersten Schritte beim Asylver­fahren erläutert wer­den soll­ten. »Die Tafel wird seit Jahren beim Innen­min­is­teri­um tot­geprüft«, sagt er, genau wie das Vorhaben der Alliance of Strug­gle, eine unab­hängige Rechts­ber­atung für Flüchtlinge anzubieten. 

Die einzi­gen Organ­i­sa­tio­nen, die außer­halb des Lager­areals Räume zur Ver­fü­gung stellen und Beratun­gen anbi­eten, sind derzeit die Car­i­tas und die Diakonie im evan­ge­lis­chen Gemein­dezen­trum, wo zudem ein­mal monatlich der inter­na­tionale Tre­ff­punkt Café Arche stattfindet. 

Eine anti­ras­sis­tis­che Infra­struk­tur und linke Jugend­clubs sucht man in Eisen­hüt­ten­stadt verge
blich. Der let­zte linke Tre­ff­punkt, das Cafe Olé, ist derzeit wegen »Umbauar­beit­en« vom Jugen­damt geschlossen. Etwas Leben in die Trost­losigkeit wollen Anfang Sep­tem­ber die AktivistIn­nen der Anti-Lager-Tour brin­gen. »An diesem Ort find­en sich ver­schiedene Kom­plexe des­sel­ben Sys­tems: Gren­ze, Abschiebek­nast und Zen­trale Erstauf­nahmestelle«, begrün­det eine Organ­isatorin der Tour die Wahl Eisen­hüt­ten­stadts als Campgelände und Aktionsgebiet. 

* Namen von der Redak­tion geändert.

Kategorien
Uncategorized

Brandenburger PDS auf dem Weg zur Regierungspartei?

jW fragte Wolf­gang Gehrcke, außen­poli­tis­ch­er Sprech­er der PDS. Wolf­gang Gehrcke kan­di­diert bei der Land­tagswahl in Bran­den­burg auf Platz 18 der Lan­desliste und ist Direk­tkan­di­dat sein­er Partei im Wahlkreis Prig­nitz/Ost­prig­nitz-Rup­pin

F: Umfra­gen zufolge kann die PDS damit rech­nen, bei der Land­tagswahl in Bran­den­burg stärk­ste Partei zu wer­den. Feilschen Sie schon mit der SPD um die Min­is­ters­es­sel in der zukün­fti­gen Rergierungskoalition?

Die PDS hat die Möglichkeit, bei den Land­tagswahlen in Bran­den­burg stärk­ste Partei zu wer­den, da sie mit einem klaren Alter­na­tivpro­gramm zur herrschen­den großen Koali­tion ange­treten ist. Wir führen keinen Wahlkampf als Regierungspartei im Wartestand. 

F: Die Bran­den­burg­er SPD gilt nicht als son­der­lich »links«. Sie wollen trotz­dem mit ihr ins Regierungsboot?

Die Große Koali­tion hat Bran­den­burg ökonomisch, sozial und moralisch herun­tergewirtschaftet. Unsere Alter­na­tive heißt: Förderung von Klein- und Mit­tel­stand, öffentliche Beschäf­ti­gung­spro­gramme, tatkräftiges Ein­treten der Lan­desregierung zur Vertei­di­gung sozialer Stan­dards. Die SPD muß sich dann entschei­den, ob sie zu einem Bruch mit der bish­eri­gen Poli­tik der großen Koali­tion bere­it ist. 

F: Inner­halb der PDS ist eine Debat­te um die Rolle Ihrer Spitzenkan­di­datin ent­bran­nt. Ist Dag­mar Enkel­mann als Min­is­ter­präsi­dentin geeignet?

Dag­mar Enkel­mann ist eine erfahrene Poli­tik­erin. Sie war Mit­glied der Volk­skam­mer und des Bun­destages. Selb­stver­ständlich ist sie auch als Min­is­ter­präsi­dentin geeignet. Die Wahl wird dies­mal kein Kopf-an-Kopf-Ren­nen zwis­chen Schön­bohm und Platzeck, die ohne­hin nur zwei Seit­en ein­er Medaille sind. 

F: Warum soll­ten die Bürg­er in Bran­den­burg für die PDS votieren, obwohl diese sich in den Regierungskoali­tio­nen in Berlin und Meck­len­burg-Vor­pom­mern am Sozial­ab­bau beteiligt?

Die Erfahrun­gen der Men­schen mit der rot-grü­nen Poli­tik und den Ver­schär­fun­gen, die CDU und FDP wollen, lassen vielle­icht auch die Erfahrun­gen von Berlin und Meck­len­burg-Vor­pom­mern in einem anderen Licht erscheinen. Die Kosten­er­höhun­gen in den Berlin­er Kitas haben vor allem die Besserver­di­enen­den getrof­fen. Auch die dor­ti­gen Tar­i­fab­schlüsse hat ver.di in keinem anderen Bun­des­land mehr erre­icht. Aber keine Frage: Die PDS muß sich – auch in ein­er Regierung – der Kri­tik zivilge­sellschaftlich­er Bewe­gun­gen stellen und sich dafür öffnen. 

F: Die recht­sex­trem­istis­che Deutsche Volk­sunion (DVU) will im Bran­den­burg­er Land­tagswahlkampf so viele Plakate kleben, wie alle anderen Parteien zusam­men. Befürcht­en Sie einen erneuten Einzug der Recht­en in den Landtag?

Die äußer­ste Rechte in Deutsch­land begin­nt sich zu eini­gen. Die NPD kan­di­diert in Bran­den­burg nicht und unter­stützt statt dessen die DVU. Umgekehrt in Sach­sen. Ganz offen­sichtlich ver­fü­gen die Recht­sex­tremen über viel Geld. Abgren­zung ist ange­sagt: Kampf gegen rechts, gegen Ras­sis­mus und Anti­semitismus ist ein wichtiger Bestandteil unseres Wahlkampfes, vor allem, wenn wir zu Protesten gegen »Hartz IV« aufrufen.

Kategorien
Uncategorized

Gessinger: Bombodrom-Pläne jetzt beerdigen

Nach der recht­skräfti­gen Entschei­dung des bran­den­bur­gis­chen Oberverwaltungsgericht
(OVG), die Bun­deswehr dürfe die Kyritz-Rup­pin­er Hei­de “vor­läu­fig nicht militärisch
nutzen”, fordert der Lan­desvor­sitzende von BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN, JOACHIM GESSINGER,
das Bun­desvertei­di­gungsmin­is­teri­um auf, dem seit Jahren andauern­den Protest der
Region gegen das Vorhaben jet­zt nun endlich stattzugeben und die Pläne zu beerdigen. 

“Alle Infor­ma­tio­nen deuten darauf hin, dass eine der­ar­tige Entschei­dung als Ergebnis
eines noch im August stat­tfind­en­den Gespräch­es zwis­chen Min­is­ter­präsi­dent Platzeck
und Vertei­di­gungsmin­is­ter Struck ohne­hin verkün­det wer­den wird — mit dem sich­er ganz
zufäl­li­gen Neben­ef­fekt, nach der späten Bekehrung von Jung­hanns, Platzeck, Schönbohm
und des Bran­den­burg­er Land­tags ins­ge­samt der notlei­den­den­den bran­den­bur­gis­chen SPD
noch etwas Rück­en­wind für die Wahl zu ver­schaf­fen. Die notwendi­ge und zu erwartende
Entschei­dung, das Vorhaben ein­er mil­itärischen Nutzung der Kyritz-Rup­pin­er Heide
abzublasen, wäre zuallererst ein Erfolg für die Men­schen in der Region — und ein
Segen alle­mal. Je eher sie fällt, desto besser.”

Kategorien
Uncategorized

Flüchtlinge blockieren Chipkartenverteilung

Die Junge Welt sprach mit Mar­i­on Siebler von der Berlin­er »Ini­tia­tive gegen das Chip­karten­sys­tem« (Inter­view: Markus Bernhardt) 

F: Im bran­den­bur­gis­chen Kuners­dorf protestieren Asyl­be­wer­ber seit Mittwoch gegen das soge­nan­nte Chip­karten­sys­tem (jW berichtete). Sie wollen ihre Sozial­hil­fe in bar aus­gezahlt bekom­men. Wovon leben die Flüchtlinge, solange sie die Annahme der Karten verweigern?

Die unfrei­willi­gen Bewohn­er des Asyl­be­wer­ber­heims haben am Mittwoch das Tor friedlich block­iert. Die Mitar­beit­er des Sozialamts kamen nicht rein und sind ihre Chip­karten nicht los­ge­wor­den. Natür­lich haben die Flüchtlinge damit fak­tisch auch keine Sozial­hil­fe bekom­men. Da sie nicht arbeit­en dür­fen, sind die Protestler auf Spenden und Unter­stützung angewiesen. 

F: Wie ist die Lage der Flüchtlinge in Kunersdorf?

Das Dorf selb­st beste­ht nur aus ein paar Häusern. Die Flüchtlinge leben rel­a­tiv isoliert im Wald. Zum Tele­fonieren oder Einkaufen müssen sie eine Stunde in den näch­sten Ort laufen, denn Bus­fahren kann man nicht mit den Chip­karten. Und wenn die Men­schen diesen trost­losen Bezirk ver­lassen wür­den, wür­den sie gegen die Res­i­den­zpflicht verstoßen. 

F: Die Ver­wen­dung der Chip­karten ist für den Land­kreis teur­er als die Aus­gabe von Bargeld an die Flüchtlinge. Warum hält die Poli­tik trotz­dem am Chip­kart­sys­tem fest?

Ange­blich soll so ver­hin­dert wer­den, daß die Flüchtlinge sich von ihrem Geld »zweck­fremde« Dinge kaufen oder soge­nan­nte »Schlep­per« bezahlen. Tat­säch­lich ist der gekürzte Satz von 70 Prozent der reg­ulären Sozial­hil­fe ohne­hin zum Leben zu wenig! Die Lan­desregierung hat es den Land­kreisen freigestellt, ob sie das Chip­karten­sys­tem beibehal­ten. Die meis­ten Kom­munen zählen inzwis­chen wieder Bargeld statt Sach­leis­tun­gen aus. Diejeni­gen, die am Chip­karten­sys­tem fes­thal­ten, tun dies, um die Men­schen auszu­gren­zen und zu diskriminieren! 

F: Haben die Asyl­be­wer­ber eine Chance gegen die Behördenschikane?

Um ihren Wider­stand zu brechen, hat das Sozialamt angekündigt den Men­schen für jeden Tag des Protestes fünf Euro ihres Geldes zu stre­ichen. Der Wider­stand kann nur so lange weit­erge­hen, wie die Men­schen es schaf­fen, auf die Chip­karten zu verzicht­en. Nur wenn ihnen Geld und prak­tis­che Unter­stützung zukommt, kön­nen sie ihre Stärke und den Mut, den sie bewiesen haben, aufrechter­hal­ten! In Zeit­en mas­siv­er sozialer Kürzun­gen in allen Bere­ichen sind diese Men­schen ein Beispiel für aufrecht­en und kon­se­quenten Wider­stand – wir kön­nen sich­er alle noch viel von ihnen lernen! 

Spenden erbeten an: »Anti­ras­sis­tis­che Ini­tia­tive«, Stich­wort »Aktion Chip­karten« bei der Bank für Sozial­wirtschaft (Kon­to-Nr: 3039602 Ban­kleitzahl: 10020500)

Inforiot