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Stadt ohne Aussicht

(Olaf Sun­der­mey­er, Tagesspiegel) Frank­furt (Oder) — Wenn Wirtschaftsmin­is­ter Wolf­gang Clement (SPD) mor­gen Frank­furt (Oder) besucht, wird ihm zumin­d­est eines bekan­nt vorkom­men. Die Arbeit­slosigkeit von 19,7 Prozent wird inzwis­chen auch in eini­gen Teilen des Ruhrge­bi­ets erre­icht. Doch in Nor­drhein-West­falen, wo Clement Min­is­ter­präsi­dent war, hat der Struk­tur­wan­del wenig­stens begonnen. In Frank­furt kann davon keine Rede sein. Das let­zte Pro­jekt, auf das die Frank­furter gehofft hat­ten, erwies sich als Chimäre: Aus der geplanten Chip­fab­rik wurde nur eine Bau­ru­ine aus Beton. Und ein­er von vie­len dunken Fleck­en auf dem Image ein­er Stadt, aus der das Land fast nur Übles hört. 

So wie zulet­zt die Geschichte von der 39-jähri­gen Mut­ter, die ver­mut­lich neun neuge­borene Kinder getötet und in Blu­menkästen ver­schar­rt hat. Oder den Fall des Gewal­texzess­es im Frank­furter Plat­ten­bau­vier­tel Neu­beresinchen, bei dem drei junge Män­ner aus dem recht­en Milieu einen Mann stun­den­lang folterten und fast umbracht­en, wofür sie vor kurzem zu lan­gen Haft­strafen verurteilt wur­den. Oder die Mut­ter, die ein paar Haus­num­mern weit­er ihre zwei Kinder ver­dursten ließ. Und immer wieder ras­sis­tis­che Über­griffe aus der recht­en Szene. 

Wie all das passieren kon­nte, kann hier kein­er erk­lären. Der Ansatz von Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) allerd­ings, der die Ursache in der durch die DDR betriebe­nen Pro­le­tarisierung sucht, wird ein­hel­lig zurück­gewiesen. Annegret Schmidt von der Frank­furter Arbeit­slos­enini­tia­tive sagt: „Solche Fälle, wie der mit den neun toten Babys oder den ver­dursteten Kindern hätte es in der DDR nicht gegeben, weil damals die soziale Kon­trolle in den Haus­ge­mein­schaften und Kindergärten funk­tion­iert hat. Heute nicht mehr.“ 

Schmidt küm­mert sich auch um Schuld­ner­ber­atung und sagt, dass die finanzielle Lage der Frank­furter wegen des Job­man­gels immer schlim­mer werde. „Viele Men­schen ver­fall­en in Lethargie.“ Auch Peter Boehl, Sucht­ber­ater vom Par­itätis­chen Wohlfahrtsver­band, hat mit der Per­spek­tivlosigkeit der Frank­furter zu kämpfen – „von den Suchtkranken kom­men höch­stens fünf Prozent zu uns“. 

In Kneipen wie dem „Biereck“ auf der Leipziger Straße oder in der Spiel­halle „Cal­i­for­nia“ an der Stadt­brücke über die Oder ist vor­mit­tags mehr los als in den Geschäften auf der Karl-Marx-Straße, der Einkauf­s­meile im Zen­trum. „Die Leute kaufen nichts, weil sie keine Arbeit haben“, klagt eine Ladenbe­sitzerin, die schon ans Aufgeben denkt. 

Den­noch sind die Mieten ver­gle­ich­sweise hoch – bei der Stadtver­wal­tung gibt es sog­ar einige, die sagen, dass sie von den Woh­nungs­ge­sellschaften „kün­stlich hochge­hal­ten wer­den“. Dabei ist der Leer­stand der städtis­chen Woh­nun­gen mit rund 20 Prozent so hoch, dass Häuser abgeris­sen werden. 

So wech­seln manche Stu­den­ten und Abgänger der Europau­ni­ver­sität Viad­ri­na über die Oder ins pol­nis­che Slu­bice, wo sie schwarz wohnen und in Frank­furt nur ihre offizielle Meldead­resse und ein Post­fach haben. Die Mieten sind ein­fach viel gün­stiger, und das bedeutet auch, dass die tat­säch­liche Ein­wohn­erzahl Frank­furts noch niedriger ist als die 64 000, die die Stadtver­wal­tung nen­nt und die auch regelmäßig nach untern kor­rigiert wird. Rund 2000 Abwan­der­er dürften die Stadt auch im kom­menden Jahr verlassen. 

Da kann der Frank­furter Ober­bürg­er­meis­ter und gel­ernte Sozialar­beit­er Mar­tin Patzelt (CDU) noch so oft beto­nen, dass er „der Jugend wieder eine Per­spek­tive geben will“. Arbeit­splätze kann er nicht schaf­fen – auch keine Aus­bil­dungsplätze: 999 Frank­furter ohne Arbeit sind unter 25 Jahren alt. So wie Kay, der lieber im „Cal­i­for­nia“ sitzt und das aggres­sive Com­put­er­spiel „Counter Strike“ spielt, als Bewer­bun­gen zu schreiben: „Das bringt ja doch nichts.“ Vom Min­is­ter erwartet er nichts. Zwar will Clement ein Pro­jekt besuchen, bei dem es darum geht, Unter-25-Jährige wieder in Arbeit zu brin­gen. Kay aber sagt: „Die Poli­tik­er sollen bleiben, wo sie sind. Die ner­ven hier nur.“

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Wie kommt die Kuh aufs Brot?

Jugen­dumwelt­sem­i­nar der BUNDjugend

Gen­tech­nik bringt Fortschritt- sagen die Einen. Gen­tech­nik ist schädlich-
sagen die Anderen. Doch wie sollte der Ver­brauch­er mit diesen Aussagen
umge­hen und worauf sollte man in Zukun­ft acht­en, wenn man im
Super­markt seinen Mais kauft?
Mit diesen und anderen Fra­gen rund um die The­men Landwirtschaft,
Gen­tech­nik und Ernährung beschäftigt sich vom 4. bis 7. Okto­ber, in
den Herb­st­fe­rien, die BUND­ju­gend Bran­den­burg. Im Ökodorf Brodowin
gestal­tet der Umweltvere­in ein span­nen­des Sem­i­nar, bei dem nicht nur
referiert und disku­tiert wird, son­dern eben­so eine Exkur­sion zu einem
Biobauern gemacht wird.
Das Sem­i­nar ist aus der Rei­he „Ökoführerschein“, die vier Seminare
pro Jahr umfasst. Wer an allen Sem­i­naren teil­nimmt, erhält ein Zertifikat,
das bei der Bewer­bung für einen Beruf im Umwelt­bere­ich oder für ein
frei­williges ökol­o­gis­ches Jahr (FÖJ) hil­fre­ich sein kann. 

Das Sem­i­narange­bot richtet sich an Jugendliche zwis­chen 15 und 25
Jahren.
Im Teil­nehmer­beitrag von 40 Euro sind die Kosten für Verpflegung,
Unterkun­ft und unbezahlbares Wis­sen enthal­ten. Früh­buch­er erhalten
jew­eils 25 Prozent Rabatt und BUND­ju­gend-Mit­glieder nochmals 25
Prozent. Inter­essierte kön­nen sich bei der BUND­ju­gend Brandenburg,
Friedrich-Ebert-Straße 114 a in 14467 Pots­dam, tele­fonisch unter der
0331 95 11 971 oder per Email an bundjugend-bb@bund.net anmelden. 

Mehr Infor­ma­tio­nen zum kom­menden Sem­i­nar und zum
„Ökoführerschein“ gibt es auf www.bundjugend-brandenburg.de.

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AStA zum Spitzeln verpflichtet?

Dieser Text wurde von Indy­media kopiert. Den Orig­i­nal-Artikel find­et Ihr hier.

Seit dem 24. Okto­ber 2002 gilt im Land Bran­den­burg ein neues Ver­fas­sungss­chutzge­setz, welch­es öffentliche Ein­rich­tun­gen dazu verpflichtet die Ver­fas­sungss­chut­zor­gane über extrem­istis­che Bestre­bun­gen in Ken­nt­nis zu setzen.
Den AStA der Uni­ver­sität Pots­dam erre­ichte vor weni­gen Tagen fol­gen­des Schreiben des Dez­er­nates für Per­son­al- und Recht­san­gele­gen­heit­en der
Uni­ver­sität Potsdam:

“Über­mit­tlung von Infor­ma­tio­nen über gewalt­geneigte extremistische
Bestre­bun­gen an das Dez­er­nat 3 zwecks Weit­er­leitung an die
Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde auf­grund des § 14 Abs. 1 Brandenburgisches
Ver­fas­sungss­chutzge­setz (BbgVerf­SchG)

Die Ter­ror­is­mus­ge­fahr wächst und die gewalt­geneigten rechtsextremistischen
Bestre­bun­gen nehmen zu. Wie die Ter­ro­ran­schläge in der Ver­gan­gen­heit gezeigt haben, ist die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land für ter­ror­is­tis­che Grup­pierun­gen ein sog. „Ruhe­land“, das zur Vor­bere­itung der Anschläge genutzt wurde. 

Der Geset­zge­ber hat zur Bekämp­fung des Extrem­is­mus § 14 BbgVerfSchG
geän­dert, wonach nun­mehr auch die Uni­ver­sitäten verpflichtet sind, von sich aus die Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde über die ihnen bekan­nt gewordenen
gewalt­geneigten extrem­istis­chen Bestre­bun­gen zu unterrichten. 

Falls Ihnen Infor­ma­tio­nen über gewalt­geneigte extrem­istis­che Bestrebungen
bekan­nt wer­den, ist das Dez­er­nat 3 mündlich oder schriftlich zu unterrichten. 

Die Unter­rich­tung sollte min­destens fol­gende Angaben enthalten: 

— Angaben über die bekan­nt gewor­dene gewalt­geneigte extremistische
Bestre­bung (bekan­nt gewor­dene Tat­sachen mit möglichem extremistischem
Hin­ter­grund sowie weit­ere Infor­ma­tio­nen, z.B. Angaben über Ort und Zeit­punkt von Aktivitäten) 

— bekan­nt gewor­dene per­so­n­en­be­zo­gene Dat­en (Name(n), ggf. Wohnanschrift(en))

— für evtl. Rück­fra­gen zum über­mit­tel­ten Sachver­halt bitte auch den
Unter­rich­t­en­den (Name und Tele­fon­num­mer) mitteilen. 

Ich bitte zu beacht­en, die schriftliche Über­mit­tlung von personenbezogenen
Dat­en im Hause in einem ver­schlosse­nen Umschlag vorzunehmen.” 

Reak­tio­nen des AStA hierzu find­et Ihr auf der
Home­page.

Verfassungsschutzgesetz: 

§ 14
Über­mit­tlung von Infor­ma­tio­nen an die Verfassungsschutzbehörde 

(1) Die Behör­den, Betriebe und Ein­rich­tun­gen des Lan­des sowie die der Auf­sicht des Lan­des Bran­den­burg unter­ste­hen­den juris­tis­chen Per­so­n­en des öffentlichen Rechts unter­richt­en von sich aus die Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde über die ihnen bekan­nt gewor­de­nen Tat­sachen ein­schließlich per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en, die sicher­heits­ge­fährdende oder geheim­di­en­stliche Tätigkeit­en für eine fremde Macht oder Bestre­bun­gen im Gel­tungs­bere­ich dieses Geset­zes erken­nen lassen, die durch Anwen­dung von Gewalt oder darauf gerichtete Vor­bere­itung­shand­lun­gen gegen die in § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 genan­nten Schutzgüter gerichtet sind. 

(2) Die Staat­san­waltschaften und, vor­be­haltlich der staat­san­waltschaftlichen Sach­leitungs­befug­nis, die Polizei über­mit­teln darüber hin­aus von sich aus der Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde auch alle anderen ihnen bekan­nt­ge­wor­de­nen Infor­ma­tio­nen ein­schließlich per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en über Bestre­bun­gen nach § 3 Abs. 1, wenn tat­säch­liche Anhalt­spunk­te dafür beste­hen, daß die Über­mit­tlung für die Erfül­lung der Auf­gaben der Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde erforder­lich ist. 

(3) Die Ver­fas­sungss­chutzbe­hörde darf zur Erfül­lung ihrer Auf­gaben die Staat­san­waltschaften und, vor­be­haltlich der staat­san­waltschaftlichen Sach­leitungs­befug­nis, die Polizei sowie andere Behör­den um Über­mit­tlung der zur Erfül­lung ihrer Auf­gaben erforder­lichen Infor­ma­tio­nen ein­schließlich per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en ersuchen, wenn sie nicht aus all­ge­mein zugänglichen Quellen oder nur mit über­mäßigem Aufwand oder nur durch eine die betrof­fene Per­son stärk­er belas­tende Maß­nahme erhoben wer­den kön­nen. Die Ersuchen sind festzuhalten. 

(4) Die Über­mit­tlung per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en, die auf­grund ein­er Maß­nahme nach § 100 a der Straf­prozeßord­nung bekan­nt­ge­wor­den sind, ist nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nur zuläs­sig, wenn tat­säch­liche Anhalt­spunk­te dafür beste­hen, daß jemand eine der in § 3 des Artikel 10-Geset­zes genan­nten Straftat­en plant, bege­ht oder began­gen hat. Auf die dabei über­mit­tel­ten Ken­nt­nisse und Unter­la­gen find­en § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 und § 4 Abs. 2 Satz 2 des Artikel 10-Geset­zes entsprechende Anwen­dung. Die Über­mit­tlung per­so­n­en­be­zo­gen­er Dat­en, die auf­grund ander­er straf­prozes­sualer Maß­nah­men bekan­nt­ge­wor­den sind, ist zuläs­sig, wenn tat­säch­liche Anhalt­spunk­te für Bestre­bun­gen oder Tätigkeit­en nach § 3 Abs. 1 beste­hen. Sie dür­fen nur zur Erforschung dieser Bestre­bun­gen oder Tätigkeit­en genutzt werden. 

Voll­städ­niges Gesetz hier.

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Bei Umbrüchen mehr Extrem-Verbrechen

(PNN) Pots­dam — Bran­den­burgs Gen­er­al­staat­san­walt Erar­do Raut­en­berg hat eine „Ver­sach­lichung“ der Debat­te über Gewalt- und Extremkrim­i­nal­ität in Ost­deutsch­land angemah­nt, die durch den neun­fachen Baby­mord von Frankfurt/Oder aus­gelöst wor­den war. In einem Gespräch mit den PNN wies Raut­en­berg jet­zt darauf hin, dass es in Zeit­en abrupter gesellschaftlich­er Umbrüche immer eine gewisse Häu­fung von extremen Ver­brechen gegeben habe. „Es ist dur­chaus typ­isch für Umbruchzeit­en, in denen soziale Absicherun­gen, famil­iäre Beziehun­gen, staatliche Net­ze weg­brechen und psy­chol­o­gis­che Belas­tun­gen wach­sen, dass es häu­figer zu Ver­brechen wie extremen Tötungs­de­lik­ten kommt“, sagte Raut­en­berg. „Das war zum Beispiel nach dem 1. Weltkrieg so oder auch nach dem 2. Weltkrieg.“ Nach dem Zusam­men­bruch der DDR seien auch in Ost­deutsch­land „bish­erige soziale Kon­trollmech­a­nis­men wegge­brochen“, so der Gen­er­al­staat­san­walt. „Neben Umori­en­tierun­gen gibt es da fast zwangsläu­fig auch Desorientierungen.“ 

Nach Auf­fas­sung Raut­en­bergs sind Ursachen für die höhere Gewaltkrim­i­nal­ität in Ost­deutsch­land vor allem in diesen Wende-Auswirkun­gen zu suchen und weniger in der DDR-Geschichte, zumal es bis­lang offen­bar keine belast­baren Ver­gle­ich­szahlen zu Krim­i­nal­ität und Tötungsver­brechen in DDR-Zeit­en gibt. Raut­en­bergs Prog­nose: Erst wenn die wirtschaftliche Lage in Ost­deutsch­land deut­lich bess­er wird, sich neue Struk­turen etabliert haben, „kann man mit ein­er Entspan­nung rechnen“. 

Allerd­ings wach­sen bei Experten und Lan­despoli­tik­ern längst Befürch­tun­gen, dass diese Hoff­nung für Bran­den­burg trügerisch ist – weil die Wen­dewirren hier naht­los in den demographis­chen Bruch überge­hen, die anhal­tende Entvölkerung und Ver­ar­mung der berlin­fer­nen Ran­dre­gio­nen des Lan­des. Die hier beson­ders starke Abwan­derung von Leis­tungsträgern, von Jun­gen, Mobilen und Gebilde­ten führe zu ein­er „sozialen Abwärtsspi­rale“ zu ein­er „Homogenisierung“ der Bleiben­den, warnt der Biele­felder Sozi­ologe Wil­helm Heitmeyer. 

„Manche wer­den apathisch, andere wer­den aggres­siv“, sagte Heit­mey­er. Es fehle die pro­duk­tive Span­nung, der kul­turelle Stre­it. Es komme zu ein­er „gewis­sen geisti­gen Ver­ar­mung dieser Regio­nen“. Heit­mey­er nen­nt ein Beispiel: Die weni­gen Jugendlichen in solchen Regio­nen hät­ten fast keine Wahl mehr, aus ihrer Clique auszubrechen, „weil es keine andere gibt“. Also schweige man, damit man den einzi­gen Fre­un­deskreis nicht ver­liert. „Man muss darüber offen, ohne Tabus disku­tieren“, fordert der Soziologe. 

Bran­den­burgs Regierung hat – unab­hängig der aktuellen Debat­te um Hin­ter­gründe der Baby­morde und ander­er Extremver­brechen wie Pot­zlow oder dem toten Den­nis in der Tiefkühltruhe – das Prob­lem längst erkan­nt. Auch deshalb hat Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) die „Demografie“ zur Chef­sache erk­lärt. Und der frühere Staatskan­zle­ichef und jet­zige Finanzmin­is­ter Rain­er Speer warnte schon vor ger­aumer Zeit offen vor der „Vere­len­dung“ von ganzen Land­strichen Bran­den­burgs, wobei er den Begriff inzwis­chen nicht mehr verwendet. 

„Zu befürcht­en ist eine gesellschaftliche Ver­ro­hung der Sit­ten“, warnte etwa der Poli­tik­wis­senschaftler und Geschäfts­führer der SPD-Land­tags­frak­tion Thomas Kralin­s­ki in einem Beitrag für das SPD-Blatt „Per­spek­tive 21“ im April 2005. „In den periph­eren Regio­nen entste­ht so eine männlich dominierte Gesellschaft, die sich zum großen Teil aus sozialen und wirtschaftlichen Ver­lier­ern mit rel­a­tiv schlechter Bil­dung und unsicheren oder gar keinen Arbeit­splätzen rekru­tieren wird.“ Die schwieri­gen Jahre seien aber nur durch „mehr sozialen Zusam­men­halt“ zu bewälti­gen. Dieser sei aber bedro­ht, was Kindesmis­shand­lun­gen, Angriffe auf aus­ländis­che Geschäfte und Anti-Hartz-Demos zeigten. „Noch viel mehr aber greift Desin­ter­esse an der Heimat, demon­stra­tives Wegschauen und ein Ohn­machts­ge­fühl viel­er Men­schen um sich“, analysierte Kralinski.

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EU überprüft Brandenburger Datenschutz-Methoden

Pots­dam (ddp/MOZ) Die Europäis­che Union (EU) über­prüft Bran­den­burg­er Daten­schutz-Meth­o­d­en. Es sei ein Ver­tragsver­let­zungsver­fahren gegen das Land eröffnet wor­den, teilte der Innen­ex­perte der oppo­si­tionellen PDS-Frak­tion, Hans-Jür­gen Schar­fen­berg, in Pots­dam mit. Die EU rüge, dass der Daten­schutz im pri­vat­en Bere­ich keine Sache des Daten­schutzbeauf­tragten ist, son­dern der Regierung unter­stellt bleibt. Das sei auch in anderen Bun­deslän­dern so, ver­stoße aber gegen gel­tendes Recht. 

Schar­fen­berg sagte, die Frage sei, wozu es einen unab­hängi­gen Daten­schutzbeauf­tragten gebe, wenn der wichtige Pri­vat­bere­ich der Regierung unter­stellt sei. Die EU habe Ver­tragsver­let­zungsver­fahren gegen Bran­den­burg und weit­ere Bun­deslän­der eröffnet, weil Zweifel an der Unab­hängigkeit der Kon­trollen bestünden. 

Laut Schar­fen­berg ver­langt die PDS seit Jahren, die überkommene Prax­is zu ändern. Das sei vom Innen­min­is­teri­um stets abgelehnt wor­den, weil es ange­blich für eine Kor­rek­tur keine Ver­an­las­sung gebe. Bran­den­burg solle Berlin als Vor­bild nehmen, fügte Schar­fen­berg hinzu. Dort sei der Daten­schutzbeauf­tragte sowohl für den öffentlichen als auch den pri­vat­en Bere­ich zuständig. In der Bun­de­shaupt­stadt sei damit die Unab­hängigkeit des Daten­schutzes gewährleistet. 

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Eine CDU-Regierung kann gut für uns sein”

Vor einem Jahr gin­gen Bran­den­burg­er Bürg­er erst­mals gegen die Agen­da 2010 auf die Straße. Heute um 18 Uhr startet die 49. Mon­tags­de­mo zum Neustädtis­chen Markt. Protest-Ini­tia­tor Dieter Hamann (54) zieht im Gespräch mit Hen­ning Heine ein Resümee.

Wie lautet das Faz­it nach einem Jahr Montagsdemo? 

Hamann: Es hat sich eine sta­bile Gruppe von 40, 50 Protestier­ern gefun­den. Sie sind aus­dauernd. Wir ken­nen uns alle, reden auch über pri­vate Prob­leme miteinander. 

Hartz IV gibt es immer noch. Haben Sie verloren? 

Hamann: Es stimmt, unsere Forderung “Weg mit Hartz IV” haben wir nicht durchge­set­zt. Aber wir ver­set­zen SPD und Kan­zler Schröder weit­er­hin Nadel­stiche — über­all im Land. Das poli­tis­che Kli­ma hat sich gegen die Sozialdemokrat­en gewendet. 

Aber zu welchem Preis? Aller Voraus­sicht nach wird ab Herb­st die Union regieren. 

Hamann: Für uns kann ein Regierungswech­sel sog­ar gut sein. Mit der Union an der Macht wer­den sich die Wider­sprüche in der Gesellschaft zus­pitzen. Vielle­icht wachen die Leute dann auf. 

Vor der Land­tagswahl 2004 kamen mehrere Hun­dert Demon­stran­ten. Was sagen Sie zur gegen­wär­tig gerin­gen Resonanz? 

Hamann: Klar bin ich ent­täuscht. Ich hat­te auf einen Anstieg gehofft. Wir haben 7000 bis 8000 Arbeit­slose in der Stadt. Wenn die Leute erst ihre Hartz-Beschei­de in der Hand hal­ten, dachte ich, dann wer­den sie auch protestieren. Aber wir kriegen sie nicht auf die Straße. 

Woran liegt das? 

Hamann: Es man­gelt vie­len Arbeit­slosen an Selb­st­be­wusst­sein. Sie haben resig­niert. Jugendliche sind häu­fig gar nicht ansprech­bar. Etlichen Leuten ohne Job geht es vielle­icht auch immer noch zu gut, solange sie Stütze kriegen oder der Part­ner genug verdient. 

Sie machen den­noch weiter? 

Hamann: Auf jeden Fall. Wir wer­fen noch lange nicht das Handtuch.

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Saalrückbau soll an NS-Gericht erinnern

(R. N., MAZ) MITTE Der Saal des ehe­ma­li­gen NS-Erbge­sund­heits­gerichts, das sich von 1940 bis 1945 in der Lin­den­straße 54 befand, soll im näch­sten Jahr wieder in den Orig­i­nalzu­s­tand ver­set­zt wer­den. Dafür müssen Wände rück­ge­baut wer­den, was den Umzug des städtis­che Denkmalpflegeamtes inner­halb des Haus­es nach sich ziehen würde, sagte Claus Peter Lad­ner, Chef der Förderge­mein­schaft Lin­den­straße 54. Laut Lad­ner habe Ober­bürg­er­meis­ter Jann Jakobs für das Pro­jekt bere­its Unter­stützung sig­nal­isiert. Dann wäre inner­halb der wech­selvollen Geschichte des Gebäudes auch die Nazi-Zeit thematisiert. 

Unter­dessen gedacht­en am Sonnabend Vertreter aus Poli­tik und Ver­wal­tung des 44. Jahrestags des Mauer­baus. Die Stadt­frak­tionsvor­sitzen­den Mike Schu­bert (SPD) und Götz Friederich (CDU) legten im Innen­hof an Wieland Försters Stat­ue “Das Opfer” Kränze nieder. Unter den Anwe­senden waren auch Kul­tur­dez­er­nentin Gabriele Fis­ch­er, SPD-Land­tagsab­ge­ord­nete Klara Gey­witz, ihr Parteikol­lege und Bun­destagsspitzenkan­di­dat Stef­fen Reiche sowie ehe­ma­lige Häftlinge wie Peter Runge. Ein halbes Jahr saß er 1946 im Unter­suchungs­ge­fäng­nis des sow­jetis­chen Geheim­di­en­stes NKWD ein. Aus Protest gegen die Vere­ini­gung von KPD und SPD habe sich der damals 16-Jährige am 1. Mai keine rote, son­dern eine weiße Nelke angesteckt. Mit­tler­weile erträgt Runge die Anwe­sen­heit im “Lin­den­ho­tel”, beim ersten Besuch 1990 “habe ich es hier kaum aus­ge­hal­ten”. Karl Alich saß dort 1971 für drei Monate wegen ver­suchter “Repub­lik­flucht”. Mehr als drei Jahrzehnte später musste der Berlin­er Recht­san­walt mit Bau­un­ter­la­gen ins Denkmalpflegeamt — in den Raum, in dem er ehe­dem ver­hört wurde: “Ich dachte, ich bin im falschen Film.” 

Gelun­gene und miss­glück­te Fluchtver­suche im ehe­ma­li­gen Bezirk Pots­dam ste­hen in Han­nelore Strehlows im Früh­jahr erschiene­nen Buch “Der gefährliche Weg in die Frei­heit” im Mit­telpunkt. Lad­ner las während der Gedenkver­anstal­tung aus der ergreifend­en Geschichte des Hans-Jür­gen Star­rost, der in der Nacht vom 13. zum 14. April 1981 in Tel­tow-Sigrid­shorst den Gren­züber­tritt wagte. Bei der Fes­t­nahme erlitt Star­rost einen Bauch­schuss und erlag Wochen später seinen schw­eren Verletzungen.

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50 Demonstranten forderten Freilassung Julias

(Ralf Fis­ch­er, Neues Deustch­land) Was das für eine trost­lose Gegend hier sei, war die erste Frage eines jugendlichen Demon­stran­ten, als er den Ort seines Protests erre­ichte. Mit­ten im Grü­nen ste­ht das Ziel, ein grauer Gebäudekom­plex, mit hohen Mauern gesichert, die Jugend­vol­lzugsanstalt im Luck­auer Ort­steil Duben.

Seit nun­mehr sieben Wochen sitzt hier eine Frau in Unter­suchung­shaft, die mit vier anderen Pots­damern des ver­sucht­en Mordes an einem Recht­sex­tremen beschuldigt wird. Alle Beschw­er­den gegen die Haft führten bish­er zu nichts. Über 50 zumeist junge Antifaschis­ten bekun­de­ten am Sonnabend­nach­mit­tag vor dem Gefäng­nis ihre Sol­i­dar­ität mit Julia S. Sie forderten die sofor­tige Freilas­sung der 21-Jährigen.

Julia S. und min­destens vier weit­eren Tatverdächti­gen wirft die Staat­san­waltschaft Pots­dam vor, in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni einen wegen rechter Tat­en polizeibekan­nten 16-Jähri­gen mit einem Totschläger niedergeschla­gen zu haben (ND berichtete).

Die Laut­sprecher­an­lage dröh­nte in Rich­tung Gefäng­nis, es erk­lang das Lied »Nicht Allein« von der Gruppe »Die Ärzte«. Julia S. saß der­weil im Aufen­thalt­sraum, dem Raum der am näch­sten zu der Kundge­bung liegt, und kon­nte zuhören. Die Musik von draußen wech­selte sich mit Sprechchören ab, auch wur­den häu­fig Grußadressen von Fre­undin­nen und Organ­isatoren ver­lesen. So richtig laut­stark wurde die Demon­stra­tion aber erst, als ein klares Sig­nal von Julia aus dem Gefäng­nis ertönte. Durch Pfiffe machte sie sich im Aufen­thalt­sraum bemerk­bar. Die Menge reagierte mit Jubel, Pfeifen und Sprechchören. In kämpferisch vor­ge­tra­ge­nen Reden forderten einzelne dazu auf, der durch die CDU betriebe­nen Stig­ma­tisierung des Jugend­vere­ins Chamäleon, dem Julia S. ange­hört, ent­ge­gen­zutreten und sich mehr mit der ver­stärk­ten Repres­sion gegen die antifaschis­tis­che Linke zu beschäfti­gen. Ein­hel­lig forderten die Demon­stran­ten, dass die »Beuge­haft« been­det wird. Julia S. mache nur von dem ihr zuste­hen­den Recht Gebrauch, die Aus­sage zu ver­weigern. Von Marschmusik begleit­et löste sich die Kundge­bung dann geord­net auf. Ein bere­it­ste­hen­der Bus brachte den Großteil der Teil­nehmer zurück nach Potsdam.

Am näch­sten Woch­enende sind die Protestier­er wieder unter­wegs. Dann fahren sie mit dem Bus nach Wun­siedel, wo tausende Alt- und Neon­azis auf­marschieren wollen.

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Busfahrt ins bayrische Wunsiedel

Zum 60. mal jährt sich die Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus. Es ist ein Jahr, in dem Revi­sion­is­ten als auch Alt- und Neon­azis ver­stärkt die Deutsche Ver­gan­gen­heit umdeuten. In der Gesellschaft soll eine Entwick­lung vor­angetrieben wer­den, in der das Gedenken an deutsche Täter ent­tabuisiert wird.

Ein beson­deres Beispiel für die Ver­her­rlichung des Nation­al­sozial­is­mus ist der alljährlich stat­tfind­ende Auf­marsch in Wun­siedel. Am Todestag des Nazi-Kriegsver­brech­ers Rudolf Hess, der im bayrischen Wun­siedel begraben liegt, marschieren jedes Jahr mehrere Tausend Alt- und Neon­azis. Im ver­gan­genen Jahr, am 21. August, waren es mehr als viereinhalbtausend.

Mit viere­in­halb­tausend Faschis­ten hat sich der Hess-Gedenkmarsch zu einem DER Events der deutschen und inter­na­tionalen Naziszene entwick­elt. Nazis und Rechte unter­schiedlichen Alters mit ver­schieden­er sozialer Herkun­ft sowie teil­weise gegen­sät­zlichen poli­tis­chen Werdegän­gen und kul­turellen Hin­ter­grün­den find­en sich in der Ver­her­rlichung des Nation­al­sozial­is­mus zusam­men. Hier tre­f­fen sich SS-Greise, Naziskins, Wik­ing-Jugend-Verehrer in Braun­hemd oder Dirndl, gepiercte Hate­core-Fans, Revan­chis­ten und NPD-Parteifunktionäre.

Auch dieses Jahr wieder wollen deutsche und €päis­che Neon­azis zu Hess’ Todestag an dessen Grab­stätte in Wun­siedel auf­marschieren. In der nun­mehr 17jährigen Geschichte der Hes­s­märsche war das die bish­er höch­ste Teil­nehmerzahl und für die nation­al­sozial­is­tisch ori­en­tierte Bewe­gung in Deutsch­land ein Erfolg und das befriedi­gende Ergeb­nis ein­er langjähri­gen Kampagne. 

Aus diesem Anlass ver­suchen Antifas aus Süd-Bran­den­burg und Hoy­er­swer­da noch einen Bus zu ordern um nach Wun­siedel zu reisen. Wer intresse hat schreibt eine Mail an riot005@web.de.

Men­schen die näher an der Haupt­stadt wohnen kön­nen auch mit Bussen aus Berlin fahren. Infos gibt es unter: www.antifaschistisch-reisen.tk

Mehr Infos zu Wun­siedel gibt es unter: www.ns-verherrlichung-stoppen.tk

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»Heute soll jedermann potentieller Spitzel sein«

(junge welt) AStA der Uni Pots­dam soll VS zuar­beit­en. Ziel sind »gewalt­geneigte extrem­istis­che Bestre­bun­gen«. Ein Gespräch mit Mar­tin Meyerhoff


* Mar­tin Mey­er­hoff ist Ref­er­ent für Par­tizipa­tion und Öffentlichkeit beim All­ge­meinen Studieren­de­nauss­chuß (AStA) der Uni­ver­sität Potsdam

F: Alle Behör­den in Bran­den­burg müssen jet­zt auf­grund eines Lan­des­ge­set­zes im Inter­esse der Ter­ror­is­mus­bekämp­fung Dat­en über »gewalt­geneigte extrem­istis­che Bestre­bun­gen« an den Ver­fas­sungss­chutz weit­er­leit­en. Das gilt auch für den AStA der Uni­ver­sität Pots­dam – was heißt das konkret? 

Wir sollen alles, was uns irgend­wie verdächtig vorkommt, über das Rek­torat für Per­son­al- und Recht­san­gele­gen­heit­en an den Ver­fas­sungss­chutz weiterleiten. 

F: Was für Infor­ma­tio­nen kön­nten das im Einzelfall sein? 

Das Dez­er­nat hat uns in einem offiziellen Schreiben aufge­fordert, zu diesen »Bestre­bun­gen« alle Namen, Wohnan­schriften und son­stige Angaben zu melden. 

F: Das Wort »Bestre­bun­gen« ist ein sehr unschar­fer Begriff. Läuft das nicht darauf hin­aus, daß jed­er das weit­ergeben soll, was er per­sön­lich für »extrem­istisch« und »gewalt­geneigt« hält? 

So ist das. Diese Begriffe wer­den nicht weit­er erläutert, die muß jed­er für sich selb­st interpretieren. 

F: Welchem Zweck dient dieses neue Gesetz? 

Aus der uns vor­liegen­den Mit­teilung geht her­vor, daß es dazu dienen soll, irgend­wie den Ter­ror­is­mus zu bekämpfen, aber auch recht­sex­treme Bestre­bun­gen einzudäm­men. Mir ist allerd­ings nicht klar, wie man diese bei­den Sachver­halte in einen Topf wer­fen kann. Und ich kann mir vor allem keinen Reim darauf machen, was es beim Recht­sex­trem­is­mus brin­gen soll, per­so­n­en­be­zo­gene Dat­en verdeckt weit­erzugeben. Ger­ade der Recht­sex­trem­is­mus ist mein­er Ansicht nach ein Prob­lem, das in der offe­nen, gesellschaftlichen Diskus­sion behan­delt wer­den muß. 

F: Wie soll diese Weit­er­gabe von­stat­ten gehen? 

Die Dat­en sollen mündlich oder schriftlich – in einem ver­schlosse­nen Umschlag – an das Rechts­dez­er­nat weit­ergegeben wer­den. Für eventuelle Rück­fra­gen soll auch der Namen des Ver­fassers mit­geteilt wer­den. Was dann mit diesen Infor­ma­tio­nen passiert, kann ich nicht sagen. 

F: Das klingt stark nach ein­er all­ge­meinen Auf­forderung zur Denunziation … 

So empfind­en wir das auch, und wir sind ziem­lich aufge­bracht über diese Zumu­tung. Aber wie ich die Ange­höri­gen des AStA kenne, glaube ich nicht, daß ein­er aus unseren Rei­hen Infor­mant des Ver­fas­sungss­chutzes wer­den würde. Vielle­icht wird das von uns erwartet, aber wir müssen ja auch nicht alle Erwartun­gen erfüllen … 

F: Wie wird der AStA mit dieser Weisung umge­hen – zur Ken­nt­nis nehmen und anson­sten ignorieren? 

Wir wollen diesen Skan­dal erst ein­mal in die Öffentlichkeit brin­gen. Auf län­gere Sicht ver­suchen wir, diese Direk­tive rück­gängig zu machen. Sie zer­stört das Ver­trauensver­hält­nis zwis­chen Studieren­den, Pro­fes­soren, Ver­wal­tungsangestell­ten, wis­senschaftlichen Mitar­beit­ern und Dozen­ten. Jed­er Studierende erwartet, wenn er in die Sprech­stunde eines Dozen­ten geht, daß Ver­trauen und Ver­traulichkeit gewährleis­tet sind. Wenn man sich aber nicht sich­er ist, ob per­sön­liche Aus­sagen an den Ver­fas­sungss­chutz weit­ergeleit­et wer­den, dann kann das ern­ste Kon­se­quen­zen für Lehre und Forschung haben. Leute, die Angst haben, arbeit­en schlechter. 

F: Wie reagieren die Uni­ver­sitäts­gremien auf diese Anweisung? 

Das Schreiben kam in den Semes­ter­fe­rien an, zu ein­er Zeit also, in der kaum Leute in der Uni sind. Wir nehmen jet­zt Kon­takt zu den Gremien auf; mal abwarten, was da herauskommt. 

F: Gibt es ähn­lich­es in anderen Bundesländern? 

Ich glaube nicht. Eine solche Anweisung ist so unge­heuer­lich, daß ich bes­timmt schon davon gehört hätte, wenn es sie in ver­gle­ich­bar­er Form an ander­er Stelle gäbe. Kurz nach den Atten­tat­en vom 11. Sep­tem­ber 2001 gab es in Bran­den­burg eine ähn­liche Ini­tia­tive – damals wurde von den Behör­den an der Uni­ver­sität die Raster­fah­n­dung einge­set­zt. Die Anweisung des Rechts­dez­er­nats hat ver­glichen damit allerd­ings eine neue Qual­ität. Damals hat die Uni anhand bes­timmter Ver­dachtsmerk­male eine Liste von Studieren­den erstellt, die Betrof­fe­nen wur­den dann vom Ver­fas­sungss­chutz ver­hört. Heute soll jed­er­mann poten­tieller Spitzel sein. 

Pro­fes­soren im Dienst des Verfassungsschutzes

Mitar­beit­er der Uni­ver­sität Pots­dam sind aufge­fordert, Ter­ror- oder Extrem­is­musver­dacht zu melden

(Andreas Fritsche, Neues Deutsch­land) Islamis­che Ter­ror­is­ten und Neon­azis sollen gemeldet wer­den, aber auch »gewalt­geneigte« Link­sex­trem­is­ten – mit Name, Adresse und möglichst noch mit Zeit und Ort entsprechen­der Aktiv­itäten. Das fordert das Refer­at für Per­son­al- und Recht­san­gele­gen­heit­en der Uni­ver­sität Pots­dam von allen Mitar­beit­ern der Hochschule. Ein entsprechen­des Rund­schreiben von Dez­er­nat­sleit­er Hans Kurle­mann, das ND vor­liegt, ist am 4. August beim All­ge­meinen Studieren­den-Auss­chuss (AStA) eingegangen.

Mar­tin Mey­er­hoff, AStA-Ref­er­ent für Öffentlichkeit­sar­beit, ist empört: »Wir wollen ein Ver­trauensver­hält­nis zu unserem Pro­fes­sor auf­bauen und nicht Angst haben, dass er uns verdächtigt.« Der AStA verurteilt »der­ar­tige Ein­griffe« in »die Mei­n­ungs­frei­heit an der Uni­ver­sität«. Die vagen For­mulierun­gen des Schreibens kön­nten allzu leicht benutzt wer­den, um Studierende unter Ter­ror­is­musver­dacht und damit ins gesellschaftliche Abseits zu stellen. Durch den Ver­mu­tun­gen gegen mus­lim­is­che Mit­bürg­er wer­den recht­es Gedankengut und Vorurteile geschürt, heißt es. 

Dez­er­nat­sleit­er Kurle­mann ver­weist darauf, ein Schreiben des Pots­damer Innen­min­is­teri­ums erhal­ten zu haben. Das Min­is­teri­um habe auf eine Änderung des Bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzge­set­zes im Mai 2005 hingewiesen. Nach §14 sind Behör­den, Betriebe und Ein­rich­tun­gen des Lan­des nun verpflichtet, den Ver­fas­sungss­chutz »von sich aus« über Bestre­bun­gen gegen die frei­heitlich-demokratis­che Grun­dord­nung und gegen den Gedanken der Völk­erver­ständi­gung sowie über geheim­di­en­stliche Tätigkeit­en für eine fremde Macht zu unter­richt­en. Entsprechend informiert wor­den sind nicht nur die Hochschulen, son­dern alle, auf die die Nov­el­le zutrifft. Die Anweisung des Min­is­teri­ums habe er nicht ignori­eren kön­nen, argu­men­tiert Kurle­mann. Bish­er sei nie­mand gemeldet wor­den. Er glaube oder hoffe zumin­d­est, dass der Hin­weis des Min­is­teri­ums an der Uni­ver­sität »ins Leere greift«, weil es hier solche Bestre­bun­gen nicht gebe.
Das Schreiben des Dez­er­nats sei juris­tisch ein­wand­frei, erk­lärt Lena Schraut, Sprecherin der Bran­den­bur­gis­chen Daten­schutzbeauf­tragten Dag­mar Hartge. Auch die Kopie an den AStA sei zuläs­sig. Bei der Stu­den­ten­vertre­tung han­dele es sich um eine öffentliche Stelle. Deshalb sei auch der AStA verpflichtet, an den Ver­fas­sungss­chutz zu melden. Ausgenom­men von dieser Verpflich­tung seien nur Sozial­stellen wie Woh­nungs- oder Jugendamt. 

Das Gesetz zwinge allerd­ings nie­man­den, Ver­dacht zu schöpfen, erläutert Schraut. So müssen die AStA-Ref­er­enten sich nicht vor der Jus­tiz fürcht­en, nur weil sie entschlossen sind, dem Geheim­di­enst keinen Dienst zu erweisen. 

Inforiot