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Klima & Umwelt

Antiatomkraftkundgebung in Rathenow

 

Der Impuls von Fukushima

Als am 11. März 2011 im japanis­chen Kernkraftwerk Fukushi­ma infolge eines Erd­bebens bzw. eines daraus ent­stande­nen Tsunamis die Stromver­sorgung aus­fiel, damit die Küh­lung der Reak­tor­blöcke ver­sagte und durch die anschließende Über­hitzung mehrere Explo­sio­nen die Kraftwerkss­chutzhüllen zer­störten, höchst­wahrschein­lich die Kern­schmelze einge­set­zt hat­te und sich radioak­tive Par­tikel mil­lio­nen­fach in einem größerem Umkreis ver­bre­it­eten (1.), war auch ein Trau­ma des let­zten Jahrhun­derts – die Ohn­macht gegen die zer­störende Wirkung der radioak­tiv­en Strahlung – ins Bewusst­sein der Men­schen, weltweit, zurückgekehrt.

Lange Zeit war die ver­heerende Wirkung der Radioak­tiv­ität nur noch ein The­ma für die Unter­hal­tungsin­dus­trie, die in Hor­ror­fil­men wie „The Hills Have Eyes“ oder Com­e­dy Serien wie den „Simp­sons“ die Verän­derung der Wirk­lichkeit durch die men­schliche Nutzung der Kernkraft mal bösar­tig, durch Atom­tests genetisch fehlge­bildete Kle­in­stadt­be­wohn­er, oder mal humoris­tisch, durch den berühmten dreiäugi­gen Fisch im Kraftwerk­see, über­spitzte und gewis­ser­maßen die his­torische Reflek­tion der Zeit zwis­chen 1945 und 1989 cineast­isch aufar­beit­ete, als die atom­are Bedro­hung zunächst einen rein mil­itärischen Hin­ter­grund hat­te, später vor allem aber auch durch die zahlre­ichen Stör­fälle und Katas­tro­phen in der zivilen Ato­m­in­dus­trie zu ein­er Sinnkrise des Homo Faber führte.

Die Erin­nerung an Tsch­er­nobyl wurde lebendig

Die tiefe Zäsur in dem Glauben an die men­schliche Kon­trolle der Nuk­leart­ech­nik erfol­gte dabei durch ein Ereig­nis, dessen Schat­ten auch 25 Jahre danach noch große Land­striche Europas verdunkeln.

Als am 26. April 1986 durch ein außer Kon­trolle ger­atenes Exper­i­ment im sow­jetis­chen Kernkraftwerk Tsch­er­nobyl eine Über­hitzung des 4. Reak­tor­blocks ein­set­zte und eine Explo­sion verur­sachte, damit die äußere Hülle zer­störte und die Bren­nele­mente frei­legte, war der bish­er größte anzunehmende Unfall (GAU) in der Geschichte der zivilen Nutzung der Atom­kraft einge­treten. Mil­lio­nen­fach radioak­tiv verseucht­es Mate­r­i­al gelangte dabei in die Atmo­sphäre und belastete große Gebi­ete um das Kraftwerk, bis in nicht abse­hbar­er Zukun­ft. (2.)

Ins­beson­dere in Weißrus­s­land und in der Ukraine hat die Katas­tro­phe bis heute fatale Auswirkun­gen auf Flo­ra und Fau­na. Anschaulich wird dies vor allem durch sig­nifikante Verän­derun­gen im Erbgut, welche die Gesund­heit nach­haltig beein­trächti­gen und damit den Leben­sall­t­ag der dort leben­den Men­schen als Ago­nie erscheinen lassen. Genetis­che Fehlbil­dun­gen, hohe Kreb­srat­en und erhöhte Säuglingssterblichkeit, auch bei niedri­gen Strahlen­dosen, (3.)(4.) sind dort der hohe Preis der Kerntechnologie.

Doch nicht nur im fer­nen Osten Europas hat­te Tsch­er­nobyl direk­te Auswirkun­gen auf Erbgut und Gesund­heit, son­dern auch in der Mitte des Kontinents.

Auswirkun­gen von Tsch­er­nobyl in Brandenburg 

Da die radioak­tiv­en Par­tikel infolge der Reak­tor­ex­plo­sion kilo­me­ter­hoch in die Atmo­sphäre getra­ge­nen wur­den, gelangten sie auch über metrol­o­gis­che Ereignisse in den bran­den­bur­gis­chen Raum. Ins­beson­dere die hefti­gen Gewit­ter im Mai 1986 sorgten dabei für eine erhe­bliche radioak­tive Belas­tung der Region.

Schw­er betrof­fen davon war u.a. auch der Raum um die havel­ländis­che Kle­in­stadt Rathenow. In einem Artikel der Märkischen Volksstimme vom 5. Jan­u­ar 1990 nahm dazu erst­mals der Kreishy­gie­n­earzt öffentlich Stel­lung. Dem­nach wur­den beispiel­weise bei Proben von Speisepilzen, die in den Gemein­den um Rathenow nach der Reak­torkatas­tro­phe in Tsch­er­nobyl ent­nom­men wur­den, das radioak­tive Mate­r­i­al Cäsi­um 137 in 30-fach höher­er Konzen­tra­tion fest­gestellt, als der von der DDR fest­gelegte Gren­zw­ert (300 Bec­quer­el) für ein gesund­heitlich­es Risiko eigentlich zuließ. 1987 wiesen z.B. Maro­nen aus dem Raum Elslaake/Witzke einen Extremw­ert von 8760 und in Parey sog­ar 9240 Bec­quer­el auf, während die durch­schnit­tliche radioak­tive Belas­tung von Maro­nen im dama­li­gen Bezirk Pots­dam „nur“ 689 Bec­quer­el betrug. (5.)

Erwäh­nenswert ist auch die erhöhte Radioak­tiv­ität des damals beliebten Bade­sees in Steck­els­dorf bei Rathenow , infolge der Wolke aus Tsch­er­nobyl. Gemäß Mes­sun­gen wur­den in dem See, die höch­sten Strahlen­werte aller Gewäss­er der dama­li­gen DDR fest­gestellt. (6.)

Kundge­bung gegen Kernkraft in Rathenow

25 Jahre nach der Katas­tro­phe von Tsch­er­nobyl und deren Auswirkun­gen war dies auch ein Anlass für Mit­glieder und Sympathisant_innen der Linksju­gend [SOLID] sich am ver­gan­genen Dien­stag auf dem Märkischen Platz in Rathenow zu posi­tion­ieren und mit ein­er pro­voka­tiv­en Kundge­bung, zu der sie sich mit Schutzanzü­gen verklei­de­ten und gelb bemalte Fäss­er mit Gefahrze­ichen für Radioak­tiv­ität auf­stell­ten, auf die Gefahren der derzeit­i­gen Atom­poli­tik aufmerk­sam zu machen.

Atom­en­ergie sei keine unprob­lema­tis­che Brück­en­tech­nolo­gie und der aktuelle Kurs derzeit­i­gen Bun­desregierung in der Atom­poli­tik sehr frag­würdig, kri­tisierte Chriss Kühnl, Aktivist der Linksju­gend. Auch die ungelöste Frage der Entsorgung des Atom­mülls mache ihm sor­gen. Die Protes­tak­tio­nen gegen die Atom­en­ergie, ins­beson­dere am geplanten End­lager im nieder­säch­sis­chen Gor­leben seien deshalb die logis­che Kon­se­quenz, so Kühnl weiter.

Das auch die Region um Rathenow, trotz des Rück­baus der nahen Kernkraftwerke in Stendal/Arneburg (Sach­sen-Anhalt) und Rheins­berg (Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin) nach wie vor von Unfällen in der Kern­tech­nik betrof­fen sein kön­nte, beweist die räum­liche Nähe zum noch aktiv­en Forschungsreak­tor BER II des Helmholtz Zen­trum (bis 2008 Hahn Meit­ner Insti­tut) in Berlin-Wahnsee (7.). Zu dem gibt es im gesamten Bun­des­ge­bi­et noch ins­ge­samt zehn weit­ere Forschungsreak­toren und vor allem 17 Kernkraftwerke, von denen nur sieben auf Grund ein­er Sicher­heit­süber­prü­fung derzeit nicht am Netz sind.

Sollte es in den Reak­toren tat­säch­lich ein­mal zum GAU kom­men, wäre, so Kühnl, die Bun­desre­pub­lik gar nicht darauf vor­bere­it­et. Es gebe wed­er genü­gend Ret­tungsanzüge für die Bevölkerung noch aus­re­ichend Kranken­häuser, die darauf eingestellt sind Opfer eines Ato­m­un­falls zu versorgen.

Und dass es zu schw­er­wiegen­den oder gar katas­trophalen Stör­fällen kommt, könne dabei nie ganz aus­geschlossen wer­den, schließlich habe die derzeit­ige Bun­desregierung im ver­gan­genen Jahr die Sicher­heits­bes­tim­mungen für Kernkraftwerke herun­terge­fahren. „Und die Über­prü­fung sei für alle Kraftwerke generell nur frei­willig“, so Susanne Meier, Rathenow­er Stadtverord­nete der Frak­tion Die Linke und Kundge­bung­steil­nehmerin. Kein Wun­der also, dass es keine Ver­sicherungs­ge­sellschaft gebe, die Kernkraftwerke ver­sich­ern würde.

Nach dem 15. Juni soll entsch­ieden wer­den, ob die derzeit nicht am Netz befind­lichen Atom­kraftwerke, die nach dem katas­trophalen Unfall in Fukushi­ma abgeschal­tet wur­den, wieder aktiviert werden.

Die Linksju­gend [SOLID] posi­tion­ierte sich jeden­falls schon am ver­gan­genen Dien­stag und ste­ht für einen unmissver­ständlichen Ausstieg.

 

Quellen:

  1. http://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearkatastrophe_von_Fukushima

  2. http://de.wikipedia.org/wiki/Katastrophe_von_Tschernobyl

  3. http://www.strahlentelex.de/Tschernobyl-Folgen.htm

  4. http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/tschernobylbroschuere.pdf

  5. Märkische Volksstimme: „Beste­ht eine Gesund­heits­ge­fahr nach Tsch­er­nobyl“, 5. Jan­u­ar 1990

  6. wie vor

  7. http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Experimentier-Reaktor

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Antifaschismus

Naziaufmarsch in Spremberg verhindern!

Neon­azis der lokalen NPD, JN und „Freien Kräften“ pla­nen für Sam­stag den 21.05. eine Demon­stra­tion durch das süd­bran­den­bur­gis­che Sprem­berg bei Cot­tbus. Unter dem Mot­to „Arbeit statt Abwan­derung! Gegen Glob­al­isierung und Kap­i­tal­is­mus!“ wollen sie sich ab 12 Uhr am Sprem­berg­er Bahn­hof ver­sam­meln und his­torisch die erste Nazidemon­stra­tion der Stadt durchführen.

Sprem­berg kam in der let­zten Zeit immer wieder durch stetig hohe Nazi­ak­tiv­ität und eine alarmierende Anzahl von recht­en Angrif­f­en auf alter­na­tive Per­so­n­en und Pro­jek­te ins Gespräch. [1] Dies nahm die Antifa Sprem­berg, unter­stützt von der Antifa Cot­tbus, zum Anlass und ver­anstal­tete am 15.01.2011 eine Demon­stra­tion durch die Sprem­berg­er Innen­stadt mit der Forderung „Nazi­ak­tiv­itäten in Sprem­berg stop­pen! – Linke Freiräume erkämpfen!“. Durch eine entschlossene antifaschis­tis­che Präsenz an diesem Tag fühlten sich die regionalen Neon­azis in ihrer braunen „Home­zone“ nicht mehr wohl. So ver­sucht­en sie auch an diesem Tag wieder ein­mal „Stärke“ zu zeigen und ließen sich regelmäßig am Rande der Demo blick­en. Im Anschluss an die Demo ist es schließlich zu hand­festen Auseinan­der­set­zun­gen gekom­men. [2] [3]

Der geplante Nazi­auf­marsch am 21.05. ist somit als „Antwort“ der Neon­azis gegen das antifaschis­tis­che Engage­ment zu ver­ste­hen. Sie wollen „ihre Stadt zurücker­obern“ und zeigen „wem die Stadt gehört“.

Doch nicht nur lokale Neon­azis wollen antifaschis­tis­che Poli­tik bekämpfen, son­dern auch weite Teile der Sprem­berg­er Stadtver­wal­tung. Mit reißerischen Artikeln in der Sprem­berg­er Region­alzeitung wird immer wieder betont, dass das Haup­tau­gen­merk zukün­ftiger Polizeiar­beit und staat­san­waltschaftlich­er Aktiv­itäten auf dem Beobacht­en der linken Szene und ihrer „Mit­teilung­sor­gane“ liegen werde. Eine The­ma­tisierung neon­azis­tis­ch­er Gewalt hat bis heute nicht stattge­fun­den. [4]

Gegen diesen trau­ri­gen poli­tis­chen Trend und gegen den Nazi­auf­marsch gilt es am 21.05.2011 in Sprem­berg auf die Straße zu gehen.

Markiert Euch dieses Datum „Rot“ im Kalen­der an – Nazi­auf­marsch in Sprem­berg verhindern!

Alle Infos fol­gen in der näch­sten Zeit – Stay tuned!
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Antifaschismus

Nazigedenken in Rathenow und Nauen

In den bei­den havel­ländis­chen Städten Rathenow und Nauen haben (Neo)nazis aus NPD und „Freien Kräften“ gestern und am Mon­tag Ver­anstal­tun­gen anlässlich der Jahrestage der Bom­bardierun­gen bei­der Orte während des Zweit­en Weltkrieges durchge­führt.
Dabei ver­sucht­en sie sich als moralis­ches Gewis­sen der „deutschen Zivil­bevölkerung“ zu präsen­tieren und durch die Polar­isierung ange­blich „völk­er­rechtswidrige® Ver­brechen“ an ihr, die Ver­brechen der Nazis aus dem öffentlichen Bewusst­sein zu verdrängen.

Bere­its am Mon­tag, dem 18. April 2011, ver­anstal­tete dies­bezüglich der NPD Kreisver­band Hav­el-Nuthe um 11.00 Uhr eine Kranznieder­legung an einem Denkmal für die Gefal­l­enen des Zweit­en Weltkrieges auf dem evan­ge­lis­chen Fried­hof im west­havel­ländis­chen Rathenow. Die sech­sköp­fige Partei­del­e­ga­tion, ange­führt vom Kreisver­bandsvor­sitzen­den Michel Müller und dem Kreistagsab­ge­ord­neten Dieter Brose, wurde dabei von mehreren Polizeibeamt_innen begleit­et. Unter­bun­den wurde die Ver­anstal­tung jedoch nicht.
In ein­er Pressemit­teilung verurteilte der Ver­band die Bom­bardierung Rathenows am 18. April 1944 als „Ter­ro­ran­griff“,  der sich ange­blich „gegen Alte und Kranke, gegen Frauen und Kinder“ richtete.

Zwar war die Havel­stadt an diesem Tag nicht eigentlich­es Ziel alli­iert­er Luftkrieg­sop­er­a­tio­nen, getrof­fen wer­den sollte aber den­noch die west­havel­ländis­che Rüs­tungsin­dus­trie, die bere­its am Anfang des Krieges aufgek­lärt wor­den war. Schw­er­punkt des Ersatzan­griffs waren somit nicht Wohnge­bi­ete, son­dern vor allem die ARA­DO-Flugzeug­w­erke in Rathenow-Hei­de­feld.
Die eigentliche Zer­störung Rathenows erfol­gte hinge­gen erst im Mai 1945, nach dem die Stadt von der NS Mil­itär­führung zur „Fes­tung“ erk­lärt wurde, um den nation­al­sozial­is­tis­chen Armeeein­heit­en die Flucht über die Elbe und damit eine beque­mere Kriegs­ge­fan­gen­schaft  zu ermöglichen.

Im osthavel­ländis­chen Nauen ver­sam­melten sich gestern unge­fähr 25 Mit­glieder und Sympathisant_innen der so genan­nten „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ um mit­tels ein­er „Mah­nwache“ unter dem Mot­to: „Es sind die Toten, die den Leben­den die Augen öff­nen!” vorge­blich den Todes­opfern des alli­ierten Luftan­griffs vom 20. April 1945 zu gedenken.
Ziel der dama­li­gen Oper­a­tion der Alli­ierten war, eben­so wie in Rathenow, auch hier nicht die Zivil­bevölkerung, son­dern der Nauen­er Haupt­bahn­hof. Dieser hat­te in den let­zten Kriegsta­gen noch eine strate­gis­che Funk­tion, da er an der let­zten noch intak­ten Eisen­bah­n­verbindung zwis­chen Ham­burg und dem bere­its umkämpften Berlin lag. Mögliche Trup­pen­be­we­gun­gen des NS Regimes soll­ten durch den Bombe­nan­griff ver­hin­dert werden.

Die „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ ver­suchen jedoch, ähn­lich wie die NPD bzw. ihre regionalen Ver­bände, die Bombe­nan­griffe aus dem Kriegs­geschehen her­auszulösen und die his­torischen Ereignisse ihren aktuellen poli­tis­chen Bestre­bun­gen, deren Hin­ter­grund völkisch, ras­sis­tisch und anti­semi­tisch ist, dien­lich zu machen. 

Dabei wurde vor allem die region­al sehr enge Verbindung zwis­chen parteige­bun­de­nen und „parteifer­nen“ (Neo)nazis ein­mal mehr offen­sichtlich. Mehrere NPD Funk­tionäre, wie der havel­ländis­che Kreistagstagsab­ge­ord­nete und Nauen­er Stadtverord­nete Maik Schnei­der sowie die bere­its am 18. April in Rathenow aktiv­en Michel Müller und Dieter Brose, nah­men so an der Ver­anstal­tung in der Berlin­er Straße in Nauen teil.
Von den „freien“ Kräften ist im Gegen­zug ins­beson­dere Beat­rice Koch von den „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ erwäh­nenswert. Sie war sowohl in Rathenow am 18. April als auch in Nauen am 20. April präsent.
Weit­er­hin war auch, ins­beson­dere bei der gestri­gen Ver­anstal­tung, eine tiefe Ver­bun­den­heit aus den gemein­samen Ban­nern von NPD und „Freien Kräften“ ablesbar.

Gegen die (neo)nazistischen Ver­anstal­tun­gen protestierten vor allem am 20. April in Nauen mehr als 50 Men­schen. Ihnen ist der Naziter­ror sehr wohl aus der his­torischen Erin­nerung bewusst.
Ermäch­ti­gungs­ge­setz, Ras­sen­ge­set­ze, Novem­ber­pogrom, Her­beiführung eines Angriff­skrieges und schließlich die Shoa sind dabei nur einige Beispiele für das ver­brecherische Wirken der Nazis, welch­es (Neo)nazis hinge­gen heute aus ihrem Geschichts­be­wusst­sein ausklam­mern.
Zum Teil recht laut­stark wur­den die ange­trete­nen (neo)nazistischen Versammlungsteilnehmer_innen deshalb von den erbosten Gegendemonstrant_innen in hör- und sichtweite aus­gep­fif­f­en.
Für zusät­zlichen Zorn sorgte zu dem, dass die (neo)nazistische Ver­anstal­tung an Adolf Hitlers Geburt­stag stat­tfind­en durfte.

Die (Neo)nazis hiel­ten sich hinge­gen mit akustis­chen Äußerun­gen zurück, nur Mozarts „Requiem“ wurde aus einem impro­visierten Laut­sprecher­wa­gen abge­spielt. Sollte mit diesem, sich an die heilige Messe für Ver­stor­bene ori­en­tieren­den Werk des öster­re­icherischen Kom­pon­is­ten ins­ge­heim etwa an den anderen toten Öster­re­ich­er gedacht wer­den, der am 20. April Geburt­stag hatte?

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Die Demokraten bringen uns den Volkstod?”

In Pots­dam ist sie für die Neon­aziszene nicht mehr weg zu denken, die so genan­nte “Volk­stod­kam­pagne”. Seit mehreren Jahren beschäfti­gen sich ins­beson­dere die “Freie Kräfte Pots­dam” (FKP) mit dem The­ma “Volk­stod” und gestal­ten eine inhaltliche sowie aktion­is­tis­che Kam­pagne damit aus.

Doch was meinen sie damit, wenn sie uns auf Flug­blät­tern, Trans­par­enten, Aufk­le­bern, ihren Inter­net­seit­en und mit Krei­deze­ich­nun­gen immer wieder mit­teilen: “Die Demokrat­en brin­gen uns den Volkstod”?

Wer sind “die[se] Demokrat­en”, wer ist “uns” and who the f**k is “Volk­stod”?

Der Kampf­be­griff “Volk­stod”, der seit eini­gen Jahren zunehmend Ver­bre­itung in der bun­desweit­en Neon­aziszene find­et, beschreibt ein düsteres Endzeit­szenario in dem das “deutsche Volk” im Begriff ist auszuster­ben. Dabei berufen sie sich auf den demographis­chen Wan­del, Migra­tions­the­men, einen ver­meintlichen Wertev­er­fall und die “Volks­ge­mein­schaft”. Let­ztere bildet dabei den zen­tralen und wichtig­sten Bezugspunkt und ist es auch, die als let­zte und einzige Möglichkeit gilt, den dro­hen­den “Volk­stod” abzuwen­den. Die “Volks­ge­mein­schaft” impliziert für die Neon­azis dabei die Vorstel­lung, es gäbe einen organ­is­chen und “ras­sisch” homo­ge­nen “Volk­skör­p­er”. Dieser ist es, der durch den “Volk­stod” bedro­ht wird und den es zu vertei­di­gen gilt.
Auf der im Okto­ber 2010 zusät­zlich für die “Volk­stod­kam­pagne” ein­gerichteten Home­page der “Freie Kräfte Pots­dam” heißt es, “[…] deshalb ist es eben auch die Frage nach dem dro­hen­den Volk­stod, die sich für uns in den Mit­telpunkt unseres Denkens stellt. […] Die Abwen­dung dieses dro­hen­den Volk­stodes allein, muss den vor­läu­fi­gen Kern unser­er poli­tis­chen Arbeit bilden [und] alle anderen poli­tis­chen Felder und The­menge­bi­ete [sind] dieser grundle­gen­den Forderung […] unter[zu]ordnen.”[1]
So lassen sich auch auf ihrer eigentlichen Inter­net­präsenz, dem “Info­por­tal-Pots­dam”, zahlre­iche Texte passend zum apoka­lyp­tis­chen Szenario des “Volk­stod” find­en. In ihnen wird dann weit­er “[d]er Ver­lust von urvölkischen Werten[, der] den Nährbo­den für den Volkstod”[2] bildet beklagt und “die Demokrat­en” als dafür Ver­ant­wortliche benan­nt. Beim genauen lesen wird schnell klar, wer hier eigentlich gemeint ist.
Denn die Kon­struk­tion “der Demokrat­en” funk­tion­iert bei den Neon­azis nur in Bezug­nahme auf eine ange­blich jüdis­che Weltver­schwörung. Diese Grun­dan­nahme ist es, die neben der “Volks­ge­mein­schaft” den Aus­gangspunkt jed­er Kri­tik bildet. Und diese ist es auch, die dann zur Parole “Die Demokrat­en sind unser Unglück”[3] führt, die zum Beispiel auf einem Fly­er der “FKP” vom Novem­ber 2009 zu lesen war. Das klingt doch stark nach der anti­semi­tis­chen Parole “Die Juden sind unser Unglück” oder? Diese Par­al­lele ist genau­so beab­sichtigt wie die anderen anti­semi­tis­chen For­mulierun­gen und Bilder. So ist es neben diesem Beispiele vor allem aber die Art der Argu­men­ta­tion, die den struk­turellen Anti­semitismus der “FKP” offen­bart. So sei die durch den Geburten­rück­gang schrumpfende “deutsche Bevölkerung” ein von “den Demokrat­en” auserko­renes Ziel, welche diese plan­mäßig umset­zen. Daher heißt es fol­glich:
“Wir haben erkan­nt, dass es die Demokrat­en waren, deren jahre­lange Herrschaft uns in den Volk­stod trieb”[4] oder “Willfährige Mar­i­onet­ten […] sitzen seit mehr als 60 Jahren in den Par­la­menten der BRD und lassen sich fürstlich dafür ent­lohnen, dass sie ihr eigenes Volk in seinen Unter­gang regieren.”[5]
Mit Anti­semitismus lässt sich die eigentlich sehr kom­plexe Welt dann eben doch rel­a­tiv leicht erk­lären. Feind­bilder sind damit ein­fach auszu­machen, eine ver­meintliche Alter­na­tive im “Nationalen Sozial­is­mus” ist bere­its gefun­den und die eigene Posi­tion gewin­nt dadurch an Berech­ti­gung und Begründung.

Copy & Paste aus Südbrandenburg?

Der Aus­gangspunkt der “Volk­stod­kam­pagne” war aber nicht in Pots­dam, son­dern im Süden Bran­den­burgs. Hier sind seit spätestens Anfang 2009 die so genan­nten “Spreelichter” aktiv. Dieser Zusam­men­schluss, in dem sich auch Neon­azis der “Freie Kräfte” aus dem Nor­den Sach­sens wiederfind­en, hat seit­dem für einige Neon­azistruk­turen in der Bun­desre­pub­lik Vor­bild­charak­ter. So bedi­enen sich seit einiger Zeit weit­ere Neon­azis aus Bran­den­burg, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Sach­sen, Sach­sen-Anhalt, Thürin­gen und Nor­drhein-West­falen ähn­lich­er oder aber auch der gle­ichen Inhalte, Ästhetik und Aktionsform(en).
So auch die Pots­damer Szene, die seit Mitte 2009 nach und nach die Inhalte und Parolen der “Spreelichter” übern­immt. “Die Demokrat­en brin­gen uns den Volk­stod”, als zen­trale Parole dieser “Volk­stod­kam­pagne”, taucht seit­dem in unzäh­li­gen Tex­ten der “FKP” auf.
Auch an Ver­anstal­tun­gen in Süd­bran­den­burg nehmen Neon­azis aus Pots­dam teil. So bericht­en die “FKP” in mehreren Artikeln auf ihren Home­page, mit Titeln wie: “Bran­den­burgs Kader­schmiede wächst weit­er” oder “Kader­schmiede Bran­den­burg ist im Gange”, von ide­ol­o­gis­chen Schu­lungsver­anstal­tun­gen. Hier­bei wird das elitäre Selb­st­bild dieser Neon­azi­grup­pierun­gen deut­lich. In einem dieser Berichte heißt es dem­nach:
“Nicht jed­er hat das Zeug zum Führungskad­er, man muss den Charak­ter und den unbe­d­ingten Willen zur Aufopfer­ung innehaben. Das Führen von Men­schen muss man beherrschen, eben­falls muss man sich mit sein­er Gefol­gschaft auseinan­der­set­zen und sich nicht nur über sie stellen. Der Führungskad­er hat nicht nur Rechte und Priv­i­legien. Nein, er hat vor allem mehr Pflicht­en! Mit sein­er Per­sön­lichkeit, ste­ht oder fällt die Gruppe. Hat er gewisse Eigen­schaften bzw. Tugen­den nicht, dann kann er niemals eine Gruppe führen, geschweige denn, ein Teil der Gruppe sein!”[6]

Aber auch die Aktions­for­men, welche von den “Spreelichtern” vorgelebt wer­den, bes­tim­men zunehmend den Aktion­is­mus der Pots­damer Neon­azis. So wur­den zum Beispiel Vis­itenkarten für das Sprachrohr der “FKP” – das “Info­por­tal-Pots­dam” – gedruckt und bei Gele­gen­heit verteilt, beziehungsweise bei Aktio­nen hin­ter­lassen. Auch die Art und Weise sich über die Polizei lustig zu machen haben sie eins zu eins von den “Spreelichtern” über­nom­men. So fer­tigten sie eigene Fah­n­dungsplakate von sich an, nach­dem die Polizei gegen sie ermit­telte. Grund dafür war eine Aktion bei der sie sich am Tag der Ober­bürg­er­meis­ter­wahl mit einem Trans­par­ent vor ver­schiede­nen Pots­damer Wahllokalen fotografierten und anti­demokratis­che Het­ze betrieben.
Darüber hin­aus ist in eini­gen Fällen auch eine Zusam­me­nar­beit der “FKP” und der “Spreelichter” zu sehen. So ver­anstal­teten sie bere­its mehrfach zusam­men ein so genan­ntes “Heldenge­denken”. Zulet­zt am 21.11.2010, wo sie auf dem Sol­daten­fried­hof Jüter­bog-Neues Lager mit Fack­eln und Kerzen der deutschen Toten der bei­den Weltkriege gedachten.[7] Davon und auch von anderen Aktio­nen wer­den dann gele­gentlich Audio- oder Videomitschnitte online gestellt, in denen sich das jew­eilige pathetis­che Spek­takel angeschaut, beziehungsweise ange­höhrt wer­den kann. Dabei sind dann je nach Anlass zwis­chen 40 und 80 Neon­azis anwesend.

Einige mehr waren es hinge­gen am 01.05.2010. Hier marschierten ca. 400 Neon­azis bei ein­er von den “Spreelichtern” im Namen der “AG Wir wollen leben” organ­isierten Demon­stra­tion in Hoy­er­swer­da. Mit dabei waren auch wieder einige Neon­azis der “FKP” wie zum Beispiel Daniel Hintze, Thomas P. oder Carsten S. Wobei die bei­den let­zteren im mit­tler­weile für die “Spreelichter” typ­is­chen Sensen­mann-Kostüm auf­trat­en und Hintze eine schwarze Pots­dam Fahne trug.

Volk­stod” – und jetzt?

Abschließend ist zu sagen, dass die völkische Frak­tion inner­halb der Pots­damer Neon­azi-Szene stark an Ein­fluss gewon­nen hat. Dies lässt sich sowohl durch Mar­cel Gus­es Aktiv­itäten für die NPD aber vor allem durch die inhaltliche Neuaus­rich­tung der “FKP” seit Mitte 2009 beobacht
en.
Diese an den “Spreelichtern” ori­en­tierte Aus­rich­tung ist jedoch keine rein inhaltliche son­dern zeigt sich vere­inzelt auch durch einem Habi­tus der sich an Klei­dung und Frisuren sowie dem Auftreten und der Sprache der Pots­damer Neon­azis able­sen lässt. Inwieweit sie mit diesem elitären und zumin­d­est ver­bal kom­pro­miss­losen Auftreten auf Wider­stände inner­halb der doch sehr sub­kul­turell geprägten Szene stoßen wer­den, bleibt ab zu warten. Denn das Poten­tial hin­sichtlich ein­er Spal­tung mit den “Autonomen Nationalist_innen” oder anderen Teilen der Szene brin­gen diese völkischen Freaks alle mal mit. Auch bleibt abzuwarten, ob das hohe Selb­st­be­wusst­sein und die gute Ver­net­zung der Pots­damer Neon­azis auch zu ein­er ver­gle­ich­baren Inten­sität der Gewalt, wie sie derzeit in Süd­bran­den­burg zu beobacht­en ist, führt. Anze­ichen dafür sind, mit einem Blick auf die aktuelle Sit­u­a­tion zum Beispiel im Stadt­teil Wald­stadt, ger­ade deut­lich zu sehen.

Fußnoten und Bildquellen:
[1] „FKP“ hxxp://www.infoportal-potsdam.net/kampagne.html
[2] „FKP“ hxxp://infoportal-potsdam.net/ak116.html
[3] „FKP“ hxxp://infoportal-potsdam.net/ab5.html
[4] „FKP“ hxxp://www.infoportal-potsdam.net/kampagne.html
[5] „FKP“ hxxp://infoportal-potsdam.net/ak123.html
[6] „FKP“ hxxp://infoportal-potsdam.net/ak27.html
[7] „FKP“ hxxp://inforiot.de/artikel/chronik-neonazistischer-aktivitaeten-potsdam-umgebung

Bild 1: hxxp://infoportal-potsdam.net/picture/kampagne03.jpg
Bild 2: hxxp://infoportal-potsdam.net/kampagne.html
Bild 3: hxxp://infoportal-potsdam.net/ab16.html
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Antifaschismus

NPD-Kundgebung zum Hitler-Geburtstag

Protest gegen NPD-Kundgebung in Nauen

Neonazi-Kundgebung in Nauen

INFORIOT Ein Pfeifkonz­ert hat sich die NPD am Mittwoch in Nauen abge­holt. Etliche Neon­azis hat­ten sich ver­sam­melt, um eine “Mah­n­mache” zum Gedenken an die Bom­bardierung Nauens in den let­zten Tagen des zweit­en Weltkriegs abzuhal­ten. Diesen Scheinan­lass, um am Geburt­stag von Adolf Hitler auf die Straße zu gehen, nah­men allerd­ings nur rund 30 Neon­azis wahr — einige von ihnen offen­sichtlich halbtrunken.

Auch mit der Tech­nik wollte es nicht recht klap­pen. Erst mit einiger Bastelei und nach gut halb­stündi­ger Verzögerung schaffte die NPD es, ihre Laut­sprecher­an­lage in Gang zu set­zen und das Requiem von Mozart abzus­pie­len. Rede­beiträge gab es keine.

Den Neon­azis stell­ten sich erfreulich viele Leute ent­ge­gen. Rund 90 Men­schen, also immer­hin drei Mal so viele wie auf der Gegen­seite, fol­gten einem Aufruf zum Protest vom Bünd­nis gegen Rechts Falkensee, dem Jugend­fördervere­in Mika­do Nauen und dem Human­is­tis­chen Frei­denker­bund Havel­land. Zusam­men kamen neben vie­len Antifas unter anderem Nauen­er Stadtverord­nete, Mit­glieder von Sol­id, der lokalen Feuer­wehr, dem Aktions­bünd­nis gegen Rechts aus Rathenow, von der Partei Die Linke sowie vom Jugend­klub Mikado.

Die Menge der Neon­azis set­zte sich aus NPD-Aktiv­en wie Michel Müller, Dieter Brose und Maik Schnei­der und aus regionalen “Kameradschafts”-Mitgliedern von zum Beispiel den “Freien Kräften Neu­rup­pin-Osthavel­land” zusammen.

Der Protest kon­nte in unmit­tel­bar­er Nähe, auf der gegenüber­liegen­den Straßen­seite der NPD-Kundge­bung stat­tfind­en. Immer wieder kon­nte die Naziver­samm­lung mit Pfif­f­en, laut­starken Mega­fon­durch­sagen und Rufen gestört werden.

Die Polizei ver­hielt sich zurück­hal­tend. Es kam zu keinen größeren Zwischenfällen.

Neonazi-Kundgebung in Nauen

Neonazi-Kundgebung in Nauen

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Die „Demonstrationspolitik“ der extremen Rechten im Land Brandenburg

INFORIOT Im Ver­lag der Uni Pots­dam ist jüngst ein Buch erschienen, das sich aus ver­schiede­nen wis­senschaftlichen Per­spek­tiv­en mit der gegen­wär­ti­gen Poli­tik der extremen Recht­en im Land Bran­den­burg beschäftigt. Der Band “Die Gren­zen der Tol­er­anz. Recht­sex­tremes Milieu und demokratis­che Gesellschaft in Bran­den­burg”, her­aus­gegeben von Dr. Christoph Kop­ke, ste­ht hier als PDF-Datei voll­ständig zum Down­load bere­it und kann für 13 Euro auch als Print­aus­gabe erwor­ben wer­den. An dieser Stelle doku­men­tieren wir mit Genehmi­gung des Her­aus­ge­bers den Beitrag von Prof. Fabi­an Vir­chow — eine Analyse der Demon­stra­tionpoli­tik der extremen Recht­en in Brandenburg. 

 

Die „Demon­stra­tionspoli­tik“ der extremen Recht­en im Bun­des­ge­bi­et und im Land Brandenburg

 

Dass Akteure der extremen Recht­en als Teil ihrer „Straßen­poli­tik“ öffentliche Ver­samm­lun­gen abhal­ten, ist in der Geschichte der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land nicht neu. Zu erin­nern ist etwa an die so genan­nte „Deutsch­land-Fahrt“ des NPD-Vor­sitzen­den Adolf von Thad­den im Bun­destagswahlkampf 1969, in deren Rah­men er in ein­er kurzen Zeitspanne öffentliche Auftritte in zahlre­ichen deutschen Großstädten hat­te. Allerd­ings han­delte es sich dabei entwed­er um Saalver­anstal­tun­gen oder um sta­tionäre Kundge­bun­gen, die jew­eils mas­sive Protes­tak­tio­nen her­vor­riefen (Hoff­mann 1999, 124 ff.) und zum Teil von gewalt­samen Zusam­men­stößen begleit­et waren. Der Ein­satz ein­er schar­fen Schuss­waffe gegen Demon­stri­erende durch den Beauf­tragten für den uni­formiert auftre­tenden „Ord­ner­di­enst“ (OD) der NPD, Klaus Kol­ley, sorgte dabei für beson­deres Auf­se­hen. Das Scheit­ern bei der Bun­destagswahl wurde von der NPD-Spitze maßge­blich auf die mit solchen „Auss­chre­itun­gen“ ver­bun­de­nen neg­a­tiv­en Medi­en­berichte zurück­ge­führt. Der nach 1969 ein­set­zende Nieder­gang der NPD führte auch zu einem weit­ge­hen­den Verzicht auf pub­likum­strächtige Aktio­nen; noch 1983 äußerte der dama­lige NPD-Vor­sitzende Mar­tin Mußgnug, dass der Partei die zum Teil gewalt­sam aus­ge­tra­ge­nen Auseinan­der­set­zun­gen geschadet und ein Abbruch der „Deutsch­land-Fahrt“ von Thad­dens tak­tisch sin­nvoll gewe­sen wäre. In den Wahlkämpfen nach 1969 set­zte die NPD dann auch stärk­er auf die Verteilung gedruck­ter Pro­pa­gan­da als auf das „gesproch­ene Wort“; größere Umzüge, wie etwa der so genan­nte „Marsch auf Bonn“ vom 7. Mai 1972, der sich gegen die Rat­i­fizierung der Ostverträge richtete, blieben selten. 

Erst mit der Genese und Sta­bil­isierung sich offen zum his­torischen Nation­al­sozial­is­mus beken­nen­der Grup­pen erhiel­ten öffentliche Aktio­nen, die auf­grund ihres pro­vokan­ten Charak­ters für Aufmerk­samkeit sor­gen soll­ten, wieder einen größeren Stel­len­wert in Strate­gie und Tak­tik der extremen Recht­en. Kon­nte die NPD in den späten 1970er-Jahren sel­ten mehr als 40 Teil­nehmende zu ihren Kundge­bun­gen zusam­men­brin­gen, so war es die FAP (Frei­heitliche Deutsche Arbeit­er­partei), die Ende der 1980erJahre ins­beson­dere zu ihren Aufmärschen in Rotenburg/Wümme zwis­chen 120 und 200 Anhänger/innen mobil­isieren kon­nte. Zu der von ihr zwei Tage nach dem Tod von Rudolf Heß vor der britis­chen Botschaft in Bonn durchge­führten Demon­stra­tion kamen 200 Gesinnungskamerad/innen.

Aus den Anfang der 1990er-Jahre stat­tfind­en­den Aufmärschen der extremen Recht­en ragen hin­sichtlich der Zahl der Teil­nehmenden ins­beson­dere die Aktio­nen in Halbe (Bran­den­burg) und Wun­siedel (Bay­ern) her­aus (Vierkant 2008; Vir­chow 2006, S. 96ff.; Klärner/Dörfler 2004); an bei­den Orten gelang es den Neon­azis, für einige Jahre eine Kon­ti­nu­ität der jew­eili­gen Aufmärsche mit stetig steigen­der Beteili­gung zu begrün­den. Mit dem Ver­bot ein­er Rei­he von neon­azis­tis­chen Grup­pierun­gen zwis­chen Novem­ber 1992 (Nation­al­is­tis­che Front) und Feb­ru­ar 1995 (Nationale Liste) trat­en die NPD bzw. deren Jugen­dor­gan­i­sa­tion JN (Junge Nation­aldemokrat­en) stärk­er als Aus­rich­terin­nen von Aufmärschen in Erschei­n­ung. Hierzu zählten etwa der so genan­nte Hans-Mün­ster­mann-Marsch in Aschaf­fen­burg sowie der „Trauer­marsch“ für San­dro Weilkes, einen jun­gen Neon­azi, der bei ein­er Auseinan­der­set­zung zwis­chen linken und recht­en Jugendlichen in Notwehr erstochen wurde. 

Zu einem wichti­gen, wenn auch unfrei­willi­gen Katalysator extrem rechter „Demon­stra­tionspoli­tik“ wurde schließlich die seit März 1995 in zahlre­ichen Städten zu sehende Ausstel­lung des Ham­burg­er Insti­tuts für Sozial­forschung „Ver­nich­tungskrieg. Ver­brechen der Wehrma­cht 1941–1944“. Zwar denun­zierten die Medi­en der extremen Recht­en die Expo­si­tion von Anfang an als „anti-deutsche Het­ze“, ihre öffentlichen Proteste entwick­el­ten sich jedoch zunächst nur langsam. Der von NPD und JN am 1. März 1997 organ­isierte Auf­marsch gegen die Ausstel­lung in München brachte schließlich – auch für die Organ­isatoren über­raschend – etwa 5.000 Anhänger/innen der extremen Recht­en auf die Straße. Zwei der an der Durch­führung der Ver­anstal­tung beteiligten NPD-Kad­er resümierten anschließend in der Zeitschrift der JN: „Psy­chol­o­gisch ist durch München ein großer Durch­bruch erzielt wor­den. Nach vier Jahren Ver­boten und zunehmender Repres­sion, hat die Szene wieder Tritt gefaßt. (…) Der Staat kann viele Jahre Ein­schüchterungsver­suche zu den Akten leg­en und sich eine neue Tak­tik über­legen. München hat ein neues Selb­st­be­wußt­sein geschaf­fen, das sich auf jeden einzelne Teil­nehmer aus­gewirkt hat und noch größere Bah­nen ziehen wird.“ Entsprechend offen­siv wurde in den fol­gen­den Jahren die Aktions­form „Demon­stra­tion“ von der extremen Recht­en in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land einge­set­zt. Inner­halb kurz­er Zeit vervier­fachte sich die Zahl der jährlich durchge­führten Aufmärsche. 

Inzwis­chen gehören Aufmärsche der extremen Recht­en zum alltäglichen, wenn auch nicht zwin­gend zum akzep­tierten poli­tis­chen Geschehen. Gegenüber den 1980er-Jahren lässt sich deut­lich erken­nen, wie sich der Stel­len­wert der Aktions­form „Demon­stra­tion“ im Aktion­sreper­toire der extremen Recht­en erhöht hat. 

So hat sich 

— die Anzahl und Fre­quenz der Aufmärsche deut­lich erhöht; gab es in den 1980er-Jahren pro Jahr wohl kaum mehr als zwanzig Umzüge, so liegt deren Zahl seit nun mehreren Jahren bei etwa 100.2 Zugle­ich stieg 

— die Zahl mobil­isiert­er Teilnehmer/innen beträchtlich; mehrfach haben inzwis­chen Aufmärsche mit mehr als 5.000 Teil­nehmenden stattge­fun­den. Han­delte es sich 

— bei Umzü­gen mit 200 bis 300 Teil­nehmenden vor zwanzig Jahren um das Ergeb­nis zen­traler bun­desweit­er Mobil­isierung, so sind dies heute Ver­anstal­tun­gen, deren Teil­nehmende im Wesentlichen aus einem Einzugs­ge­bi­et von 150–200 km um den Ort der Demon­stra­tion kommen. 

Außer­dem wer­den Aufmärsche dieser Größenord­nung bei aktuellen Anlässen mit ein­er Vor­laufzeit von lediglich 24 Stun­den organ­isiert. Auch kann von ein­er „high-risk mobi­liza­tion“ auf Seit­en der extremen Recht­en kaum noch die Rede sein, da auf­grund entsprechen­der Urteile beim Bun­desver­fas­sungs­gericht – erwirkt durch Chris­t­ian Worch, einen Kad­er der ver­bote­nen Nationalen Liste – auch neon­azis­tis­che Akteure, die sich nicht der NPD und damit des dieser zuste­hen­den so genan­nten Parteien-Priv­i­legs bedi­enen kön­nen oder wollen, nur geringe Gefahr laufen, dass die von ihnen geplanten Aufmärsche let­ztin­stan­zlich unter­sagt wer­den. Die in den let­zten zwölf Jahren durchge­führten öffentlichen Umzüge der extremen Recht­en deck­en ein weites the­ma­tis­ches Spek­trum ab (vgl. Vir­chow 2010b), wobei die Ver­samm­lun­gen an „sym­bol­is­chen Orten“ (Gräber von Sol­dat­en der Wehrma­cht bzw. der Waf­fen-SS, Dres­den, Heß-Grab) beson­dere Anziehungskraft ent­fal­tet haben. Seit der Jahrhun­der­twende find­en sich zudem ver­stärk­te Ansätze, die Durch­führung von Aufmärschen durch Flug­blattverteilun­gen oder par­la­men­tarische Aktiv­itäten zu flankieren bzw. in Kam­pag­nen einzu­binden, in deren Rah­men mehrere Demon­stra­tio­nen zum Kam­pag­nen­the­ma in ver­schiede­nen Städten stat­tfind­en. Gegenüber den 1980er Jahren ist zudem festzuhal­ten, dass Frauen in erkennbar­er Größenord­nung an diesen Aufmärschen teil­nehmen (10–20 %). Sie übernehmen dabei auch Funk­tio­nen, d. h. treten als Red­ner­in auf, melden Aufmärsche an, betäti­gen sich in der „Anti-Antifa“ oder nehmen als Fah­nen­trägerin­nen eine her­aus­ge­hobene Posi­tion ein.

Anders als noch zu Beginn der 1990er-Jahre, als ein „Funken­flug“ betiteltes „Hand­buch für Aktivis­ten“ zwar mit dem Anspruch auf­trat, die Bre­ite und Vielfalt der Hand­lungsmöglichkeit­en für „nationale Aktivis­ten“ abzu­bilden, aber Aufmärschen keine beson­dere Bedeu­tung beimaß, liegen inzwis­chen Broschüren und Han­dre­ichun­gen vor. Eine 2008 erschienene „Aktivis­ten­fi­bel“ enthält beispiel­sweise Hin­weise zur Aus­rüs­tung, zur Bek­lei­dung und zum Ver­hal­ten auf Demon­stra­tio­nen. Das „Deutsche Rechts­büro“, eine Ein­rich­tung der extremen Recht­en zur Samm­lung und Auswer­tung rel­e­van­ter gerichtlich­er Vorgänge, hat eine Broschüre zu Ver­samm­lun­gen her­aus­gegeben, die auch Muster­anträge für juris­tis­che Auseinan­der­set­zun­gen enthält. 

Betra­chtet man die Zahl der im Bun­des­ge­bi­et seit 1997 durchge­führten extrem recht­en Aufmärsche, so lässt sich ein rasch­er Anstieg solch öffentlich­er Umzüge mit mehr als fün­fzig Teil­nehmenden auf etwa 100 im Jahr 2001 kon­sta­tieren. In den Fol­ge­jahren lag die Zahl der entsprechen­den Demon­stra­tio­nen etwa auf diesem Niveau; allerd­ings stellen sie neben Großver­anstal­tun­gen mit Musik­grup­pen, Info-Stän­den, so genan­nten Mah­nwachen oder sta­tionären Kundge­bun­gen nur einen Auss­chnitt extrem rechter Straßen­poli­tik dar. 

Wird die Entwick­lung der Demon­stra­tionsprax­is der extremen Recht­en seit 1997 bilanziert, so zeigt sich, dass – trotz manch­er intern­er Kon­tro­ver­sen und nicht einge­treten­er Erwartun­gen – Aufmärsche zu einem der zen­tralen Ele­mente des neon­azis­tis­chen „Kampfes um die Straße“ gewor­den sind, den die extreme Rechte mit großem Selb­st­be­wusst­sein führt. Ihr geht es dabei nicht alleine darum, Öffentlichkeit für die eige­nen Deu­tungsange­bote herzustellen; die Aufmärsche der extremen Recht­en sind Teil ein­er länger­fristi­gen Strate­gie der poli­tis­chen Machtentfaltung.

„Demon­stra­tionspoli­tik“

Im Anschluss an Marie-Luise Ehls (1997) und Michael Walsh Camp­bell (2003), die für die NSDAP in der Weimar­er Repub­lik bzw. die Sude­tendeutschen Partei Kon­rad Hen­leins eine spez­i­fis­che Demon­stra­tionspoli­tik und ‑real­ität her­aus­gear­beit­et haben, ver­ste­he ich unter „Demon­stra­tionspoli­tik“ den Ein­satz der Aktions­form „Demon­stra­tion“ zu Zweck­en, die über das öffentliche Zeigen ein­er poli­tis­chen Mei­n­ung hin­aus­ge­hen, also etwa der Ein­schüchterung des poli­tis­chen Geg­n­ers dienen oder das iden­titätss­tif­tende Moment in den Vorder­grund stellen, das für die Kon­sti­tu­ierung als poli­tis­che Bewe­gung zen­tral ist. 

Unter sys­tem­a­tis­chen Gesicht­spunk­ten lassen sich zwei Grup­pen von Effek­ten bzw. intendierten Wirkun­gen fest­stellen – die erste mit Blick auf Zusam­men­halt, Wach­s­tum und Dynamik der Bewe­gung, die zweite hin­sichtlich der gesellschaftlichen Dimen­sion öffentlich­er Ver­samm­lun­gen der extremen Recht­en, zu denen hier auch die Ein­wirkung auf Akteure aus Poli­tik, Ver­wal­tung, Jus­tiz, Polizei und Zivilge­sellschaft gezählt wer­den sollen. 

Für die zweite Gruppe muss als ein fun­da­men­tales Ziel der „Demon­stra­tionspoli­tik“ der extremen Recht­en zunächst die juris­tisch abgesicherte und poli­tisch unum­strit­tene Durch­set­zung des Rechts auf gle­ich­berechtigte Teil­nahme am öffentlichen Diskurs in Form von Demon­stra­tio­nen ange­führt wer­den. Diese dient ein­er­seits dazu, die inter­essierte Öffentlichkeit über­haupt über die ander­er­seits jedoch auch das Ziel – und sei es rudi­men­tär –, über die von der extremen Recht­en bzw. der jew­eils beteiligten Strö­mungen vertrete­nen Posi­tio­nen zu aktuellen poli­tis­chen Kon­tro­ver­sen in Ken­nt­nis zu set­zen. Entsprechend ver­band der frühere NPD-The­o­retik­er Jür­gen Schwab mit der Aktions­form „Demon­stra­tion“ das Ziel, der Bevölkerung deut­lich zu machen, „wer in den eigentlichen Lebens­fra­gen des deutschen Volkes hierzu­lande wirk­lich die Oppo­si­tion darstellt – wenn es um The­men geht, die alleine anzus­prechen bedeutet, den Tabubruch zu wagen. Die Medi­en wer­den gezwun­gen, sich mit dezi­diert nationalen The­men und Posi­tio­nen auseinan­derzuset­zen – wenn diese dann auch neg­a­tiv kom­men­tiert wer­den“ (Schwab 1999, S. 149). 

Extrem rechte Aufmärsche sind Teil ein­er Poli­tik der Mach­t­ent­fal­tung und Macht­probe gegenüber Instanzen des Staates und zivilge­sellschaftlichen Akteuren. Die Wieder­hol­ung von Aufmärschen, weil deren ungestörte Durch­führung aus Sicht der extrem recht­en „Bewe­gung­sun­ternehmer“ nicht gegeben gewe­sen sei, gehört zur gängi­gen Prax­is extrem rechter „Demon­stra­tionspoli­tik“. Admin­is­tra­tion, Polizei und Zivilge­sellschaft (sowie den eige­nen Anhänger/innen) soll demon­stri­ert wer­den, dass man sich in dieser Auseinan­der­set­zung nicht fol­gen­los „gän­geln“ lässt. Nach­dem beispiel­sweise am 13. Feb­ru­ar 2010 der Neon­azi-Auf­marsch in Dres­den durch Block­aden mehrerer Tausend Gegendemonstrant/ innen ver­hin­dert wurde, disku­tiert die extreme Rechte in Inter-net-Foren, mit welch­er Konzep­tion (z. B. „Stern­marsch“) solche Block­aden zukün­ftig auszuhe­beln sind und proklamiert, dass in 2011 diese „Kamp­fansage“ angenom­men und „gebührend“ beant­wortet wer­den wird. Die wieder­holte Durch­führung von neon­azis­tis­chen Aufmärschen in jew­eils der­sel­ben Stadt soll neben Ermü­dungsef­fek­ten bei Gegendemonstrant/innen auch zu Gewöh­nungsef­fek­ten bei den solchen Aktio­nen indif­fer­ent gegenüber ste­hen­den Bürger/innen führen. 

Da vom Ver­bot der Ver­wen­dung von Zeichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen (§ 86a) und den Strafvorschriften gegen Volksver­het­zung (§ 130) in starkem Maße die extreme Rechte betrof­fen ist, agi­tiert sie nicht nur auf Demon­stra­tio­nen gegen diese Strafnor­men, son­dern ver­sucht auch, die Gren­ze des straf­los Sag- und Zeig­baren hin­auszuschieben. Dies bet­rifft etwa den Begriff „nationale Sozial­is­ten“, der in den let­zten Jahren zu einem fes­ten Bestandteil der Eigen­beze­ich­nun­gen des aktivsten Teils der extremen Recht­en gewor­den ist. Einem Teil der neon­azis­tis­chen Recht­en geht es dabei um die Möglichkeit des offe­nen Auftretens als „Nation­al­sozial­is­ten“ und damit um das Unter­laufen des NSDAP-Verbots. 

Schließlich gel­ten die Aufmärsche als Teil des so genan­nten „Kampfes um die Straße“, d. h. des Strebens nach sozial­räum­lich­er Kon­trolle und Unter­drück­ung poli­tis­ch­er Gegner/innen. War schon die SA gezielt mit ihren Aufmärschen in die Arbeit­er­vier­tel gegan­gen, um gewalt­same Auseinan­der­set­zun­gen zu provozieren, so sind einige der in den let­zten Jahren von der neon­azis­tis­chen Recht­en organ­isierten Demon­stra­tio­nen hin­sichtlich ihrer Sym­bol­wirkung ähn­lich angelegt. Dies gilt etwa für Städte wie Göt­tin­gen oder Kiel, die als „Front-Stadt“ beze­ich­net wer­den. Mit Blick auf einen Auf­marsch in Frank­furt a. M. markierte der dama­lige Organ­isator Stef­fen Hup­ka seine demon­stra­tionspoli­tis­chen Zielset­zun­gen. Dort sei „das Kap­i­tal zu Hause, sitzt die ‚Europäis­che Zen­tral­bank‘ und herrscht die aus­ländis­che Mafia. In Frank­furt ist seit Ende des Krieges ein antifaschis­tis­ch­er Sumpf ent­standen, der prak­tisch den Großteil der maßge­blichen Kräfte in der Stadt vere­int: ‚Linke‘, Stadtver­wal­tung, etablierte Parteien, Polizei, Kirche, aus­ländis­che Ban­den, Juden usw. Ein Großauf­marsch in Frank­furt mußte daher eine große Pro­voka­tion darstellen. Entsprechend stark mußte der Wider­stand von allen genan­nten Kräften eingeschätzt wer­den. Für unsere Mühen wink­te aber ein großes Ziel: Die Zer­störung des Mythos ‚Frankfurt/M.‘ als ‚unein­nehm­bare Hochburg‘ der Feinde unseres Volkes und eine damit ein­herge­hende Demor­al­isierung unser­er Gegner.“ 

Um die Etablierung extrem rechter Aufmärsche nicht zu gefährden, haben sich die neon­azis­tis­chen „Bewe­gung­sun­ternehmer“ lange für ein legal­is­tis­ches Auftreten bei den eige­nen Umzü­gen stark gemacht; daher kam es aus den Aufmärschen selb­st nur sel­ten zu gewalt­täti­gen Angrif­f­en auf Gegendemonstrant/innen oder Journalist/innen. Gle­ich­wohl umgab das Geschehen stets eine „Aura der Gewalt“, die auf die einge­set­zten Bedeu­tungsme­di­en (Parolen, Embleme, Klei­dung, Kör­per­hal­tung, Gehfor­ma­tion und Raumver­hal­ten) zurück­ge­führt wer­den kann. In den in den neon­azis­tis­chen Szene-Blättchen nach den Aufmärschen veröf­fentlicht­en Bericht­en fehlt zudem nur sel­ten auch der Hin­weis, dass man den „Antifas“ gerne Prügel ver­passt hätte. Zu den neueren Entwick­lun­gen von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung ist eine gestiegene Bere­itschaft zu rech­nen, das bish­erige legal­is­tis­che Auftreten im Zusam­men­hang mit den extrem recht­en Aufmärschen aufzuwe­ichen. Bei mehreren Demon­stra­tio­nen ist es zu gewalt­samen Angrif­f­en auch auf Polizeibeamte gekom­men. Diese Ten­denz erhält Unter­stützung durch das Auftreten ein­er neon­azis­tis­chen Strö­mung, die sich selb­st „Autonome Nation­al­is­ten“ nen­nt und Stilele­mente linksradikaler Jugend­kul­tur und Insze­nierung auf­greift. Allerd­ings führt dies auch zu Span­nun­gen inner­halb der extremen Recht­en, da etwa Teile der NPD-Parteiführung befürcht­en, dass die Berichter­stat­tung über entsprechen­des Gewalthandeln, aber auch bere­its das Auftreten als so genan­nter „Schwarz­er Block“ neg­a­tive Auswirkun­gen auf den Ver­such der Ansprache bre­it­er­er Bevölkerungskreise haben kön­nte. Fak­tisch geht es bei den entsprechen­den Insze­nierun­gen vor allem um Dis­tink­tion­s­gewinne inner­halb der neon­azis­tis­chen Szene. 

Die Kon­ti­nu­ität und das Aus­maß der extrem recht­en „Demon­stra­tionspoli­tik“ wären nicht möglich, wenn die extreme Rechte sich nicht – trotz in beträchtlichen Teilen niedri­gen for­malen Organ­i­sa­tion­s­grades – als „insti­tu­tion­al­isierte Bewe­gung“ auf eine rel­a­tiv sta­bile infra­struk­turelle Basis stützen kön­nte, zu der u. a. ein Netz von Anwäl­ten, das Vorhal­ten der tech­nis­chen Infra­struk­tur, eine aus­re­ichende Zahl an erfahre­nen Organ­isatoren sowie die notwendi­gen Kom­mu­nika­tion­s­me­di­en gehören. Wie die Aufmärsche Aus­druck der Exis­tenz ein­er poli­tis­chen Bewe­gung des Neon­azis­mus sind, so kon­sti­tu­ieren sie diese Bewe­gung maßge­blich mit. Diese Wirkunge
n kön­nen sich in ver­schieden­er Weise her­stellen. Erstens bieten Aufmärsche (wie andere Ver­anstal­tun­gen auch) Gele­gen­heit, Gesin­nungskam­er­aden ken­nen­zuler­nen und neue Fre­und­schaften zu schließen. Das Führungsper­son­al der so genan­nten „Kam­er­ad­schaften“ benötigt die Demon­stra­tio­nen hier­für nicht – man ken­nt sich. Aber das Fußvolk ist häu­fig nur lose miteinan­der ver­net­zt. Sie brauchen die Aufmärsche als Ini­ti­a­tion, als Ein­stiegs- und Auf­nah­meakt. Auf Demon­stra­tio­nen ist es leicht, bis dato unbekan­nte Mit­marschierende anzus­prechen. Über­nach­tun­gen bei „Kam­er­aden“ und Gegenbe­suche leg­en den Grund­stein für Fre­und­schaften und informelle Struk­turen, die durch staatliche Repres­sion kaum zer­stör­bar sind. Zweit­ens sollen „junge Kam­er­aden“ zu poli­tis­ch­er Aktiv­ität motiviert wer­den, indem „diesen Erfol­gser­leb­nisse geboten wer­den, die zwar nur ein Woch­enende andauern, jedoch monate­lange Moti­va­tion bieten, in der eige­nen Region nation­alpoli­tisch tätig zu wer­den, das heißt: Sym­pa­thisan­ten anzus­prechen und aufzuk­lären, Mit­stre­it­er zu wer­ben, Öffentlichkeit­sar­beit zu leis­ten“ (Schwab 1999, S. 149). Dieser Moti­va­tion­ss­chub im Emo­tion­skollek­tiv ergibt sich beson­ders dann, wenn an sym­bol­trächti­gen Tagen oder Orten auf­marschiert wer­den darf: „Endlich ging es los. Mit Stolz trug ich meine Fahne, schwarz-weiß-rot mit Eis­ernem Kreuz, durch die alte Reichshaupt­stadt. (…) Dann ging es weit­er zur Straße des 17. Juni. Von dort aus ist etwas geschehen, was einzi­gar­tig in der deutschen Geschichte nach dem zweit­en Weltkrieg war. Zum ersten Mal durften Nation­al­is­ten, wohlge­merkt mit wehen­den Fah­nen durchs Bran­den­burg­er Tor marschieren. In mir sind Gefüh­le aufgekom­men, wie ich sie schon zweimal erleben durfte, das erste Mal als ich aus Mit­teldeutsch­land in den West­en geflo­hen bin (…), und das zweite Mal zur Wiedervere­ini­gung, und jet­zt ist ein Traum eines jeden Nation­al­is­ten wahr gewor­den. Ich hat­te das Gefühl vom Großdeutschen Reich und fühlte mich in die Ver­gan­gen­heit zurückversetzt.“ 

Drit­tens dienen die Demon­stra­tio­nen dazu, den Anhänger/ innen und Sympathisant/innen durch fort­ge­set­zte Aktiv­itäten zu beweisen, dass man sich durch staatliche Ver­bote oder antifaschis­tis­che Aktiv­itäten nicht ein­schüchtern lassen will. Viertens sollen im Zuge der Pla­nung und Durch­führung von Aufmärschen noch nicht fest oder kon­tinuier­lich einge­bun­dene ‚rechte Cliquen‘ in die beste­hen­den Bewe­gungsnet­zw­erke und Struk­turen ein­be­zo­gen werden.7 Fün­ftens ist die Organ­isierung von Aufmärschen ein geeignetes Mit­tel, um ange­hende Kad­er auszuwählen und ihnen erste Auf­gaben zu über­tra­gen. Sech­stens wird die Teil­nahme an eini­gen Aufmärschen mit der Ein­hal­tung strik­ter Ver­hal­tenskodizes verknüpft und „sol­datis­che Ein­stel­lung“ trainiert. Das Auftreten weit­er gehen­der Ele­mente eines paramil­itärischen Habi­tus – wie das Marschieren im Gle­ich­schritt oder das Tra­gen von Uni­for­men – wer­den durch polizeiliche Aufla­gen bzw. entsprechende Ver­botsvorschriften eingeschränkt (Rös­ing 2004). Schließlich kön­nen Aufmärsche auch die Funk­tion haben, dass sich eine Strö­mung bzw. ein „Bewe­gung­sun­ternehmer“ inner­halb der extremen Recht­en gegenüber anderen pro­fil­ieren möchte. 

Aufmärsche der extremen Recht­en in Bran­den­burg

Hin­sichtlich extrem rechter Aufmärsche in Bran­den­burg hat ins­beson­dere das Geschehen um den Sol­daten­fried­hof Halbe (Pietsch 1995) bun­desweit für Schlagzeilen gesorgt. Dort organ­isierte bere­its 1990 die „Deutsche Kul­turge­mein­schaft“ einen ersten Auf­marsch, an dem etwa 450 Neon­azis, u. a. aus der „Nation­al­is­tis­chen Front“ (Ver­bot im Novem­ber 1992) und der „Wik­ing-Jugend“ (Ver­bot im Novem­ber 1994), teil­nah­men. Nach­dem die Zahl im Fol­ge­jahr ver­dop­pelt wurde, blieb der Auf­marsch seit 1992 ver­boten – die „Deutsche Alter­na­tive“ (Ver­bot im Dezem­ber 1992) führte daraufhin in Cot­tbus einen Auf­marsch gegen dieses Ver­bot mit etwa 150 Neon­azis durch. Erst Anfang des 21. Jahrhun­derts kon­nten neon­azis­tis­che „Bewe­gung­sun­ternehmer“ die Tra­di­tion dieser Aufmärsche wieder aufnehmen (Nien­huisen 2007). In der Folge wurde der Auf­marsch in Halbe – neben Dres­den und Wun­siedel – zu einem fes­ten Bestandteil des extrem recht­en „Demon­stra­tionskalen­ders“. Erst eine Änderung des Ver­samm­lungsrechts (Kasiske 2007; Knuth 2007) führte schließlich dazu, dass es zu keinen extrem recht­en „Heldenge-denk“-Aufmärschen in Halbe mehr kam. 

Tabelle 1

Die zahlen­mäßige Entwick­lung der extrem recht­en Aufmärsche in Bran­den­burg zeigt keine ein­heitliche Entwick­lung (vgl. Tab. 1). Nach­dem eine Anmel­dung in Cot­tbus zum 1. Mai 1997 noch ein Ver­bot nach sich zog, fand Ende Feb­ru­ar 1999 ein Umzug in Anger­münde statt, der vom NPD-KV Barn­im-Uck­er­mark organ­siert wurde. Im Ver­lauf des Jahres demon­stri­erte die NPD – zum Teil mehrfach – in Frankfurt/Oder, Neu­rup­pin, Eisen­hüt­ten­stadt, Schwedt und Pritzwalk. In den Fol­ge­jahren schwankt die Zahl der Aufmärsche erhe­blich. The­ma­tisch liegt das Schw­ergewicht der in Bran­den­burg im Zeitraum zwis­chen 1998 und 2008 durchge­führten extrem recht­en Aufmärsche bei der Ver­her­rlichung der Wehrma­cht sowie bei der The­ma­tisierung sozialer Prob­lem­la­gen, d. h. der nation­al­is­tis­chen und ras­sis­tis­chen Aufladung von Arbeit­slosigkeit, Pri­vatisierungs­fol­gen und sozialen Missstän­den. Auch öffentliche Umzüge gegen staatliche Maß­nah­men, die die extreme Rechte als Ver­stoß gegen Grun­drechte inter­pretiert hat, haben in Bran­den­burg einen rel­e­van­ten Anteil an der Gesamtzahl der Aufmärsche (vgl. Tab. 2). 

Tabelle 2

Neuere Entwick­lun­gen

Noch im Lichte des Ein­drucks des 5.000-köpfigen Auf­marsches vom 1. März 1997, der durch zwei ähn­lich zahlre­ich besuchte Ver­anstal­tun­gen im Fol­ge­jahr noch ver­stärkt wurde, for­mulierte ein langjähriger neon­azis­tis­ch­er Kad­er im Herb­st 1998 in der Zeitschrift „Ham­burg­er Sturm“: „Beson­ders zur Res­ig­na­tion beste­ht kein Grund, allein das in den let­zten 20 Jahren erre­ichte zeigt uns, daß wir auf dem richti­gen Weg sind. (…) Wenn es vor 10 Jahren nur ca. 100 Kam­er­aden waren, die sich zu ein­er Demon­stra­tion zusam­menge­fun­den hat­ten, so erre­ichen wir heute prob­lem­los das 50-fache an Gle­ich­gesin­nten und vom wach­sen ein­er Bewe­gung hängt der spätere poli­tis­che Erfolg ab. Es war vor 10 Jahren auch noch ein sehr unan­genehmes Erleb­nis, wenn unsere Kam­er­aden vom roten Mob ange­grif­f­en wur­den. Heutzu­tage fiebern wir solch einem Angriff ent­ge­gen, um denen zu zeigen wer mit­tler­weile das Recht auf der Straße erobert hat.“8 Seit­dem sind Neon­azis in zahlre­ichen Städten durch die Straßen gezo­gen und haben Erfahrun­gen mit der Aktions­form ‚Demon­stra­tion‘ gesam­melt. Hierzu gehört der inzwis­chen aufgegebene Ver­such, im Falle von Block­aden durch Gegendemonstrant/innen die Polizei durch eigene Sitzblock­aden zur Durch­set­zung der ein­mal genehmigten Route zu zwin­gen. Mit­tler­weile wird der Ein­sat­zleitung eher mit dem Szenario der Auflö­sung der eige­nen Ver­samm­lung und dem anschließen­den Auss­chwär­men größer­er Grup­pen gewalt­tätiger Neon­azis gedroht. 

Hat­te sich im Laufe der Jahre ein extrem rechter „Demon­stra­tionskalen­der“ her­aus­ge­bildet, in dem neben zahlre­ichen kleineren Aufmärschen ins­beson­dere den Mobil­isierun­gen nach Dres­den (Feb­ru­ar), Wun­siedel (August) und Halbe (Novem­ber) ein her­aus­ge­hoben­er Sta­tus zuerkan­nt wurde, so sind bis auf die in den let­zten Jahren zu inter­na­tionalen neon­azis­tis­chen Großereignis­sen gewor­de­nen Ver­samm­lun­gen in Dres­den die bei­den anderen auf­grund von Ver­schär­fun­gen des Strafrechts bzw. des in die Ver­ant­wor­tung der Bun­deslän­der gelegten Ver­samm­lungsrechts als Kristalli­sa­tion­spunk­te ent­fall­en (Kasiske 2007; Knuth 2007). Zwar hat der im Jahr 2009 ver­stor­bene Nazi-Anwalt Jür­gen Rieger als Anmelder der jährlichen Wun­siedel-Aufmärsche ver­sucht, die Grund­lage de
r entsprechen­den Ver­samm­lungsver­bote, den ver­schärften § 130, für ver­fas­sungswidrig erk­lären zu lassen; allerd­ings hat das Bun­desver­fas­sungs­gericht im Novem­ber 2009 diese Antrag zurück­gewiesen und erst­mals ein „Son­der­recht gegen rechts“ für ver­fas­sungskon­form erk­lärt. Damit ist ein Wieder­au­fleben der Aufmärsche zu Ehren des Hitler-Stel­lvertreters Rudolf Heß bis auf weit­eres ausgeschlossen. 

Tat­säch­lich zeich­net sich neben dem Ver­such, bei den alljährlichen Aufmärschen in Dres­den – dort instru­men­tal­isiert die extreme Rechte das The­ma der alli­ierten Bombe­nan­griffe – die Zahl der Teil­nehmenden auf bis zu 10.000 zu steigern, ein Trend zur Etablierung regelmäßig stat­tfind­en­der regionaler Aufmärsche ab. Dabei sind die alli­ierten Bombe­nan­griffe ein wichtiges The­ma, aber nicht das einzige. Den­noch lässt sich erken­nen, dass es den Ver­such gibt, in Ergänzung zu den bun­desweit bzw. sog­ar inter­na­tion­al bedeut­samen Aufmärschen in den Bun­deslän­dern jew­eils (min­destens) einen Auf­marsch zu insti­tu­tion­al­isieren und bei diesem auf steigende Teilnehmer/innenzahlen zu ori­en­tieren. Für Sach­sen-Anhalt ist dies seit mehreren Jahren ein Auf­marsch im Jan­u­ar, für Schleswig-Hol­stein eine Ver­samm­lung in Lübeck (März), für Nieder­sach­sen wurde der kleine Ort Bad Nen­ndorf auserko­ren. In Nor­drhein-West­falen sind es Stol­berg und Dort­mund usw. Bei diesen Aufmärschen wird erhe­blich­er Mobil­isierungsaufwand inner­halb der Bewe­gung selb­st betrieben; zum Teil wird jedoch auch ver­sucht, das jew­eilige The­ma in die örtliche Bevölkerung zu tra­gen. In jüng­ster Zeit wer­den für viele neon­azis­tis­che Aufmärsche zudem eigene Inter­net-Präsen-tatio­nen erstellt und u. a. über Youtube Mobil­isierungsvideos verbreitet. 

Mit den Aufmärschen in Wun­siedel und Dres­den bot sich in den let­zten Jahren für die neon­azis­tis­che Bewe­gung die Möglichkeit zur Inter­na­tion­al­isierung solch­er Ereignisse. Ein nicht unbe­trächtlich­er Teil der Mit­marschieren­den reiste hierzu aus dem europäis­chen Aus­land an. An ver­gle­ich­baren Ereignis­sen im Aus­land – ins­beson­dere dem „Salem-Marsch“ in Schwe­den (Anfang Dezem­ber) und dem „Tag der Ehre“ in Budapest (Mitte Feb­ru­ar) – nah­men regelmäßig auch Teil­nehmer und Red­ner aus der Bun­desre­pub­lik teil (vgl. Vir­chow 2010). Darüber hin­aus gibt es ins­beson­dere in den Gren­zre­gio­nen zu den Nieder­lan­den, nach Öster­re­ich und nach Tschechien eine regelmäßige gegen­seit­ige Teil­nahme an Aufmärschen. 

Ohne Zweifel haben NPD und so genan­nte „Freie Kam­er­ad­schaften“ in den let­zten Jahren erhe­bliche Fortschritte beim Ein­satz des Instru­ments „Demon­stra­tion“ gemacht und zahlre­iche Erfahrun­gen damit gesam­melt. Den­noch darf nicht überse­hen wer­den, dass die ide­al­typ­isch for­mulierten Zielset­zun­gen jew­eils immer nur zum Teil, manch­es Mal auch kaum erre­icht wer­den. So scheit­erte eine Kam­pagne der NPD Schleswig-Hol­stein bere­its nach der zweit­en von ins­ge­samt sechs geplanten Aufmärschen; zahlre­ich sind auch die Kla­gen über undiszi­plin­iertes Ver­hal­ten der „Kam­er­aden“. Gerne wür­den viele Neon­azis auch wieder in geord­neter Marschfor­ma­tion durch die Städte ziehen, was ihnen in der Regel jedoch durch Aufla­gen unmöglich gemacht wird. Und die Vorstel­lung, zahlre­iche „Volksgenossen“ schlössen sich spon­tan ihren Märschen an, ist bish­er auch eher eine Wun­schvorstel­lung. Den­noch wird die extreme Rechte um NPD und neon­azis­tis­che Net­zw­erke von einem starken Selb­st­be­wusst­sein getra­gen, das auch einzelne Rückschläge zu verkraften mag. 

Vor diesem Hin­ter­grund ist mit ein­er Fort­set­zung der „Demon­stra­tionspoli­tik“ und eine Aus­d­if­feren­zierung bzw. anlassspez­i­fis­chen Akzen­tu­ierung zu rech­nen, die sich stärk­er in the­men­be­zo­ge­nen Ikono­gra­phien und Insze­nierun­gen aus­drückt. Dabei ist ein­er­seits eine weit­erge­hen­den Mil­i­tarisierung der Aufmärsche denkbar, z. B. wenn die Ver­wen­dung von Trom­meln nicht per polizeilich­er oder gerichtlich­er Auflage unter­sagt wird und deren für die Nation­al­sozial­is­ten ewige Bewe­gung und Unsterblichkeit sym­bol­isierende Ver­wen­dung zum fes­ten Bestandteil der Aufmärsche wird. Auch die bei ver­schiede­nen Demon­stra­tion durchge­führte Totenehrung erin­nert in ihrer mys­tis­chen Anrufung der Opfer­bere­itschaft (nicht zufäl­lig) an nation­al­sozial­is­tis­che Ver­anstal­tun­gen. Ander­er­seits ‚exper­i­men­tiert‘ die neon­azis­tis­che Bewe­gung auch mit weniger mil­i­taris­tis­chen Demon­stra­tions­for­men. Bei ein­er im Jahr 2003 in Stral­sund durchge­führten Demon­stra­tion, zu der unter dem Mot­to „Mark­twirtschaft erset­zen durch Volk­swirtschaft – Nationaler Sozial­is­mus schafft Arbeit­splätze!“ mobil­isiert wor­den war, sollte auch ein optis­ch­er Bezug zur Arbeitswelt hergestellt wer­den, indem die Teil­nehmenden „in den Arbeitssachen ihrer jew­eili­gen Zun­ft“ teil­nehmen soll­ten. Möglicher­weise lassen sich hier unter­schiedliche Typen von Demon­stra­tio­nen erken­nen, bei denen jew­eils die Außen- oder die Bin­nen­per­spek­tive im Vorder­grund steht.

Lit­er­atur

Camp­bell, Michael Walsh 2003: Keep­ers of Order? Strate­gic Legal­i­ty in the 1935 Czechoslo­vac Gen­er­al Elec­tions, in: Nation­al­i­ties Papers Vol. 31, No. 3, S. 295–308.

Dör­fler, Thomas/Klärner, Andreas 2004: Der „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Wun­siedel. Rekon­struk­tion eines nation­al­is­tis­chen Phan­tas­mas, in: Mit­tel­weg 36 Vol. 13, No. 4, S. 74–91.

Ehls, Marie-Luise 1997: Protest und Pro­pa­gan­da. Demon­stra­tio­nen in Berlin zur Zeit der Weimar­er Repub­lik, Berlin/New York. 

Hoff­mann, Uwe 1999: Die NPD. Entwick­lung, Ide­olo­gie und Struk­tur, Frank­furt a. M. u. a. 

Kasiske, Jan 2007: Halbe 2007 – Mit Recht gegen Recht­sex­trem? Über Möglichkeit­en und Gren­zen von Geset­zesän­derun­gen zu Ver­boten von Aufmärschen Recht­sex­tremer, in: Hülse­mann, Wolfram/Kohlstruck, Michael/Wilking, Dirk (Hg.): Ein­blicke II – Ein Werk­stat­tbuch, Pots­dam, S. 45–54.

Knuth, Andreas 2007: Recht­sex­trem­is­mus und Ver­samm­lungsrecht. Trag­weite und Gren­zen der Ver­samm­lungs­frei­heit unter beson­der­er Berück­sich­ti­gung des Fall­es ‚Halbe‘, in: Schoeps Julius H./Botsch, Gideon/Kopke, Christoph/Rensmann, Lars (Hg.): Recht­sex­trem­is­mus in Bran­den­burg, Berlin, S. 214–220.

Nien­huisen, Andrea 2007: Recht­sex­treme Aufmärsche am Wald­fried­hof in Halbe – der lange Weg eines Bürg­er­bünd­niss­es zum Erfolg, in: Hülse­mann, Wolfram/ Kohlstruck, Michael/Wilking, Dirk (Hg.): Ein­blicke II – Ein Werk­stat­tbuch, Pots­dam, S. 31–43.

Pietsch, Her­bert (Hg.) 1995: Nun hän­gen die Schreie mir an… Halbe, ein Fried­hof und seine Toten, Berlin. 

Rös­ing, Jen­ny 2004: Klei­dung als Gefahr? Das Uni­for­mver­bot im Ver­samm­lungsrecht, Baden-Baden. 

Schwab, Jür­gen 1999: Deutsche Bausteine. Grund­la­gen Deutsch­er Poli­tik, Stuttgart. 

Vierkant, Maica 2008: Mär­tyr­er und Mythen. Horst Wes­sel und Rudolf Heß: Nation­al­sozial­is­tis­che Sym­bol­fig­uren und neon­azis­tis­che Mobil­isierung, Marburg. 

Vir­chow, Fabi­an 2006: Dimen­sio­nen der ‚Demon­stra­tionspoli­tik‘ der extremen Recht­en in der Bun­desre­pub­lik, in: Klärn­er, Andreas/Kohlstruck, Michael (Hg.): Mod­ern­er Recht­sex­trem­is­mus, Ham­burg, S. 68–101.

Vir­chow, Fabi­an 2010a: Cre­at­ing a Euro­pean (neo-Nazi) Move­ment by Joint Polit­i­cal Action?, in: Mam­mone, Andrea/Godin, Emmanuel/ Jenk­ins, Bri­an (Hg.): The Con­tem­po­rary Extreme Right in West­ern Europe: Nature, Iden­ti­ty, Pas­sions. Berghahn Books. 

Vir­chow, Fabi­an 2010b: Die ‚Demon­stra­tionspoli­tik‘ der extremen Recht­en – eine Zwis­chen­bi­lanz, in: Sturm, Michael (2010): „Dage­gen!“ Und dann … ?! Extrem rechte Straßen­poli­tik und zivilge­sellschaftliche Gegen­strate­gien in Nor­drhein-West­falen. Vil­la ten Hom­pel aktuell Nr. 14, Münster.

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Antifaschismus

Ruppin hat genug vom rechten Spuk!

Am 9. Juli 2011 wollen ein weit­eres Mal Nazis in Neu­rup­pin auf­marschieren. Wieder wollen sie Geschichte ver­fälschen und die Ver­brechen des Drit­ten Reichs ver­harm­losen. Ihre Pro­voka­tio­nen wollen und wer­den wir nicht hin­nehmen! Es reicht!

Wir protestieren dage­gen, dass Neon­azis das Demon­stra­tionsrecht miss­brauchen, um Demokratie, Frieden und Völk­erver­ständi­gung zu ver­höh­nen. Ras­sis­mus, Anti­semitismus und andere Vorurteile gegenüber sozialen und eth­nis­chen Grup­pen dür­fen keine Bühne find­en. Wir, die Unterze­ich­nen­den rufen dazu auf, gemein­sam am 9. Juli in Neu­rup­pin gegen die Recht­sradikalen und ihr ver­wor­renes Welt­bild auf die Straße zu gehen. Gemein­sam mit allen demokratisch gesin­nten Men­schen der Region wollen wir ein­treten für Weltof­fen­heit und Toleranz.

Dazu laden wir auch unsere Fre­undin­nen und Fre­unde aus dem In- und Aus­land ein: Wir wollen ein weltof­fenes Neu­rup­pin der kul­turellen und sozialen Vielfalt.  “Neu­rup­pin bleibt bunt“ ist ein vielfältiges Bünd­nis von Kirchenge­mein­den, Parteien, Parteilosen, Fir­men, Vere­inen, antifaschis­tis­chen Grup­pen und Gew­erkschaften. Wir stellen uns gemein­sam der recht­en Ide­olo­gie in den Weg. Dieses Ziel eint uns über alle sozialen, poli­tis­chen oder kul­turellen Unter­schiede hin­weg. Von uns wird dabei keine Eskala­tion ausgehen.

Wir sind sol­i­darisch mit allen, die mit uns das Ziel teilen, gegen Nazi­aufmärsche gewalt­frei ein deut­lich­es Zeichen zu set­zen. In Dres­den, Jena, Berlin, in Lübeck, Straus­berg und Bernau haben Bürg­erin­nen und Bürg­er ver­hin­dert, dass Neon­azis durch ihre Städte laufen. Lasst uns am 9. Juli unüber­hör­bar zum Aus­druck brin­gen: Wir sind die demokratis­che, antifaschis­tis­che Mehrheit.

Bringt Töpfe, Pfan­nen, Schüs­seln und alles mit, was laut ist, um Krach gegen die Nazis zu schlagen.

Neu­rup­pin bleibt bunt!

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Antifaschismus

Haupttäter ist auf der Flucht

(Antifa West­havel­land) Am ver­gan­genen Mittwoch wurde ein­er Gruppe (Neo)nazis vor dem Amts­gericht in Rathenow der Prozess gemacht, weil sie in der Nacht zum 19. Sep­tem­ber 2009 mehrere Men­schen ange­grif­f­en und dadurch zum Teil erhe­blich ver­let­zt hat­ten. Den Angeklagten Math­ias Ull­rich, Sil­vio Wolf und Fabi­an Hecht sowie dem zur Zeit flüchti­gen Thomas Kro­ne wur­den dabei gemein­schaftlich began­gene Kör­per­ver­let­zun­gen vorge­wor­fen, die durch die detail­lierte Rekon­struk­tion des Tather­gangs in der Beweisauf­nahme aufgek­lärt wurden.

Trinkge­lage stand am Anfang

Die Angeklagten hat­ten sich dem­nach zunächst bei Hecht zu Hause getrof­fen, um sich zu betrinken. Dort blieben die unternehmungslusti­gen Trinker allerd­ings nicht lange, son­dern set­zten ihren Alko­holkon­sum in ein­er Lokalität in der Cur­land­straße fort. In der Nähe schlug die Truppe dann zum ersten mal zu. Die (Neo)nazis hat­ten sich zwei Pas­san­ten aus­ge­sucht und diese mit Faustschlä­gen traktiert.

Dann zog die (Neo)nazigruppe weit­er in Rich­tung Innen­stadt, wo es in der Nähe des Märkischen Platzes erneut zu gewalt­täti­gen Hand­lun­gen kam. Ein­er der bere­its in der Cur­land­straße ange­grif­f­e­nen Pas­san­ten hat­te sich dort mit zwei Bekan­nten getrof­fen und war nun erneut das Ziel der (Neo)nazis.

Die Angeklagten Wolf und Ull­rich gin­gen dabei gezielt auf die drei zu, um eine gewalt­tätige Auseinan­der­set­zung anzus­tacheln. Kein­er der drei ging allerd­ings auf die Pro­voka­tion ein, wohl wis­send, dass eine im Hin­ter­halt auf etwa zehn Per­so­n­en angewach­sene (Neo)nazigruppe nur darauf wartete, zu Gun­sten von Ull­rich und Hecht in die Kon­fronta­tion einzugreifen.

Beim Ver­such die Sit­u­a­tion durch ver­lassen des Platzes zu bere­ini­gen wur­den die drei aus der (Neo)nazigruppe her­aus von Ull­rich und Kro­ne mit Pfef­fer­spray und Faustschlä­gen ange­grif­f­en. Einem der Ange­grif­f­e­nen gelang es, sich zu ent­fer­nen und die Polizei über den laufend­en Angriff zu informieren.

Tritte und Schläge gegen den Kopf

Die bei­den anderen traf jet­zt allerd­ings das volle Gewalt­po­ten­tial der (Neo)nazis. Auch am Boden liegend wur­den sie mit Trit­ten und Schlä­gen mal­trätiert. Gezielt wurde auch gegen den Kopf getreten und schw­er­wiegende Folgeschä­den bil­li­gend in Kauf genom­men. Ein­er der bei­den Ange­grif­f­e­nen erlitt durch die schw­eren Schläge gegen das Haupt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trau­ma, das ihm einen viertägi­gen Kranken­hausaufen­thalt bescherte. Dass bei dem Über­griff auch eine Waffe, möglicher­weise ein Schla­gring, einge­set­zt wurde, schloss das Gericht anhand der schw­eren Ver­let­zun­gen dabei nicht aus.

Her­bei eilende Pas­san­ten kon­nten die Ange­grif­f­e­nen damals vor weit­eren Gewal­tein­wirkun­gen der (Neo)nazigruppe schützen. Die zur Hil­fe gerufene Polizei kon­nte zu dem die Täter fest­stellen und ihre Per­son­alien aufnehmen, ver­säumte es aber anscheinend die (Neo)nazis in Gewahrsam zu nehmen.

Haupt­täter ver­mut­lich in der Schweiz untergetaucht

Zum Gericht­ster­min fehlte so dann auch der Haupt­täter Thomas Kro­ne. Er sei, so das Gericht, nicht auffind­bar. Andere Quellen deuten hinge­gen auf eine Flucht in die Schweiz. In Kro­nes Face­bookpro­fil wird unter dem Alias-Namen „Thomas Braun­hemd“ beispiel­sweise eine schweiz­erische Gemeinde als Wohnort angegeben und eine Tätigkeit für eine schweiz­erische Gleis­bau­fir­ma mit Bildern unterlegt.

Ver­fahren­se­in­stel­lung für den zweit­en Haupttäter

Der zweite Haupt­täter Math­ias Ull­rich war hinge­gen ein­fach­er aus­find­ig zu machen. Er sitzt derzeit in der JVA Bran­den­burg an der Hav­el ein und ver­büßt dort eine mehrjährige Haft­strafe wegen divers­er Gewalt­de­lik­te. Vor Gericht über­nahm Ull­rich, der sowieso nichts zu ver­lieren hat­te, dann auch die volle Ver­ant­wor­tung für die bei­den Angriffe und lenk­te somit den Fokus auss­chließlich auf sich. Er zeigte sich sog­ar ober­fläch­lich reumütig und entschuldigte sich bei allen Ange­grif­f­e­nen. Aus seinem gewalt­täti­gen Ver­hal­ten unter Alko­hole­in­fluss habe Ull­rich zudem ange­blich gel­ernt und in Haft eine Ther­a­pie begonnen. Wie selb­stver­ständlich dis­tanzierte er sich auch von sein­er dama­li­gen Gesinnung.

Richter und Staat­san­walt, sichtlich ange­tan von dieser Scha­rade, belohn­ten Ull­rich dafür mit der Ein­stel­lung des Ver­fahrens gegen ihn. „Die zu erwartende Strafe“ würde in Anbe­tra­cht der noch zu ver­büßen­den Schuld „nicht ins Gewicht“ fall­en, hieß es.

Bewährungsstrafen für Mittäter

Für den bere­its wegen eines Gewalt­de­lik­tes vor­be­lasteten Angeklagten Hecht forderte der Staat­san­walt ein Jahr Haft, aus­ge­set­zt zu zwei Jahren auf Bewährung. Der Angeklagte Wolf sollte freige­sprochen wer­den. Das Gericht set­zte sich hier jedoch über das geforderte Straf­maß der Staat­san­waltschaft hin­weg und verurteilte bei­de Angeklagten. Sowohl Hecht als auch Wolf wur­den so zu ein­er Frei­heitsstrafe von einem Jahr, aus­ge­set­zt zu zwei Jahren auf Bewährung, verurteilt. Des Weit­eren müssen sie die Gericht­skosten übernehmen sowie ein Schmerzens­geld in Höhe von je 500 Euro an die bei­den Ange­grif­f­e­nen bezahlen.

Der ein­gangs erwäh­nte Angriff in der Cur­land­straße wurde nicht bestraft. Das Ver­fahren wurde durch die Staat­san­waltschaft ohne genan­nten Grund eingestellt.

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Antifaschismus

Zweifelhafte Hilfe beim Rathenower Frühjahrsputz

Zu einem so genan­nten „Früh­jahrsputz“ fan­den sich am ver­gan­genen Sam­stag mehrere Bürger_innen auf Ini­tia­tive des Rathenow­er Bürg­er­meis­ters Ronald Seeger auf dem städtis­chen Wein­berg ein, um die dor­ti­gen Wege und deren Rand­bere­iche, vor allem rund um den Bis­mar­ck­turm, sowie die Spiel­bere­iche, dessen Säu­berung, so die Märkische All­ge­meine Zeitung, eigentlich der Optik­park inne hat, von Unrat zu befreien und so zu verdeut­lichen, dass nicht nur über „Schmud­d­eleck­en in der Stadt“ disku­tiert, son­dern auch angepackt wird.

Diese Entschlossen­heit beein­druck­te offen­bar auch den lokalen NPD Stadtver­band Rathenow, der einige lokalen (Neo)nazifunktionäre, darunter auch den NPD Kreisver­bandsvor­sitzen­den Michel Müller, als Ver­stärkung des Reini­gung­steams entsendete, son­st aber eher bestrebt ist seine „poli­tis­chen Gegen­spiel­er“, gemeint sind hier anscheinend Bürg­er­meis­ter Seeger und die Stadtver­wal­tung, „zu kri­tisieren und ihre Fehler anzuprangern“. Deren „Tun“ als „gewählte Volksvertreter“ sei schließlich meist „volks­fremd und sog­ar volks­feindlich“.

In der „heimat­be­ja­hende Idee“ des Bürg­er­meis­ters schien der Ver­band aber offen­bar eine willkommene Bühne zu sehen, um sich als biedere Bürger_innen zu präsen­tieren, deren Ansin­nen mit dem Ord­nungs- und Sicher­heits­ge­fühl der Rathenower_innen vere­in­bar ist. 

Ins­beson­dere die schein­bare Fam­i­lien­fre­undlichkeit, die durch das bewusste sich Zeigen mit Kleinkindern ver­bildlicht wird, liegt der Partei dabei offen­bar sehr am Herzen.

Die tat­säch­liche Pro­gram­matik der NPD hat hinge­gen nur wenig mit diesen Bildern gemein. Völkisch­er Nation­al­is­mus, Ras­sis­mus und Anti­semitismus sind die Leitlin­ien der Partei. Und Fam­i­lien­fre­undlichkeit ist in NPD Kreisen immer auch eine Frage der Haut­farbe. Wegen der­ar­tiger ras­sis­tis­ch­er Ansicht­en bzw. deren prak­tis­che Umset­zung als gewalt­täti­gen Über­griff, saß der NPD Kreisver­bandsvor­sitzende Müller auch drei Jahre im Gefäng­nis. Daraus gel­ernt hat er aber offen­bar nur wenig. Müllers Gewaltaffinität set­zt sich, auf­bauend auf sein­er krim­inellen Kar­riere als Kulisse, in einem betont dro­hend gehal­te­nen, aggres­siv­en Ver­bal­radikalis­mus fort.

Gibt sich der Kreisver­band in einem öffentlichen Pro­pa­gan­daar­tikel zum „Früh­jahrsputz“ auf sein­er Inter­net­seite recht ver­söhn­lich gegenüber der Stadt, kom­men­tiert dessen Vor­sitzen­der Müller, wohl gemerkt ein verurteil­ter Gewaltver­brech­er, die Säu­berungsak­tion auf seinem pri­vat­en Face­book-Pro­fil bedeu­tend schär­fer: „Beim näch­sten Mal ist die Stadtver­wal­tung selb­st im Fokus der Aufräu­mak­tion“.

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Antifaschismus Law & Order

Lottokönig gegen Extremismus

INFORIOT Was in diesen Tagen so alles als Hil­fe im Kampf gegen den so genan­nten Extrem­is­mus gel­ten darf… In Pots­dam gibt es den „Vere­in Arbeits­mark­t­in­te­gra­tion und Berufs­förderung“ (AIB), der ein Pro­jekt namens „Her­cules Pro“ mit Geld aus dem Bun­de­spro­gramm „Xenos“ finanziert. „Xenos“ („Ausstieg zum Ein­stieg“) bezahlt mit einem Bud­get von sieben Mil­lio­nen Euro bun­desweit ins­ge­samt 15 Pro­jek­te, die „Extrem­is­ten“ den „Ausstieg aus der recht­en Szene“ erle­ichtern sollen.

So auch der Pots­damer AIB mit seinem Pro­jekt „Her­cules Pro“: „Wir möcht­en unseren Beitrag gegen Extrem­is­mus leis­ten.“ In einem Fly­er wird erklärt:

‘Her­cules Pro‘ berät Eltern, Ver­wandte und die Betrof­fe­nen selb­st in Einzelfall­ber­atun­gen. (..) Das Beratungsange­bot umfasst Beratun­gen zur Arbeits­mark­t­in­te­gra­tion, Inte­gra­tion in Aus- und Weit­er­bil­dung, Ver­mit­tlung zur Sucht- und Schuld­ner­ber­atung, Ver­mit­tlung von gesund­heitlichen oder psy­chol­o­gis­chen Beratungsange­boten, Hil­fen bei der Woh­nungssuche und Beantra­gung von Hil­fen, sozialpäd­a­gogis­che Beratung und Unter­stützung bei Vor­sprache in Ämtern; Ein­rich­tun­gen und Ver­mi­etern, Hil­fen bei der Suche und Auf­nahme alter­na­tiv­er Freizeitangebote.“

Diese Tätigkeits­beschrei­bung sollte man sich auf der Zunge zerge­hen lassen. Bei „Extrem­is­ten“ – gemeint sind Neon­azis – han­delt es sich also um „Betrof­fene“. Betrof­fen wovon? Und um Neon­azis­mus auszukuri­eren braucht es anscheinend alleinig sozialar­bei­t­er­ische Bear­beitung. Auseinan­der­set­zung mit Kleinigkeit­en wie neon­azis­tis­ch­er Ide­olo­gie? Fehlanzeige.

Als Xenos-gefördertes Neon­azi-Aussteiger­pro­gramm hält „Her­cules Pro“ auch eine „The­men­rei­he für Beruf­ss­chüler“ bere­it, wird auf der Home­page ver­rat­en. Es wird gewor­ben:

SIE — haben im Lot­to gewon­nen — haben einem frem­den Men­schen das Leben gerettet — sind Mut­ter oder Vater gewor­den — gehen jeden Tag zur Arbeit oder sind im eige­nen Haushalt tätig — gehen gern angeln … und wür­den diese Erfahrun­gen gern mit anderen teilen? Wer­den sie Vor­bild in unser­er The­men­rei­he für Berufsschüler.“

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