Gestern am 9.November 2011 Uhr versammelten sich um 18.00 auf Einladung der „Antifaschisten Linken Potsdam“ rund 50 Menschen am Platz der Einheit um an die Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938, als auch der Novemberrevolution von 1918 zu gedenken.
Dabei wurden mehrere Reden verlesen und eine Gedenkminute für die Opfer der Nazidiktatur abgehalten sowie Kerzen und Blumen am Denkmal für die Opfer des Faschismus niedergelegt. Das Gedenken findet nunmehr seit mehreren Jahren statt und soll die Erinnerung sowohl an das Grauen der Nazizeit als auch an die Kämpfe für eine bessere Gesellschaft lebendig halten. Das dies mehr denn je nötig ist, zeigen die erneuten Anschläge auf das Falkenhaus in Berlin-Britz.
Antifaschistische Linke Potsdam
www.antifa-potsdam.de
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Redebeitrag: 9. November heißt auch mahnen:
Der 9.November darf für uns nicht nur ein Tag sein, der uns die Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderung vor Augen führt. Der 9. November ist auch Symbol für die Barbarei. Wie auch hier in Potsdam wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November überall in Deutschland jüdische Einrichtungen, Synagogen und Menschen angegriffen. Staatlich gelenkte Pogrome unter massiver freiwilliger Beteiligung der deutschen Bevölkerung gaben
einen Ausblick auf die Schrecken des Holocaust und des Krieges, die noch kommen sollten.
Doch dieser Tag war nicht der Anfang von Erniedrigung und Diskriminierung. Schon kurz nach der Machtübernahme 1933 durch die Nazis wurden Gesetze in Deutschland erlassen, die erlaubten Menschen jüdischen Glaubens oder Menschen, die durch die so genannte “Rassenlehre” zu Juden deklariert wurden auszugrenzen, zu bestehlen und zu demütigen. Die Pogrome kennzeichnen den Übergang von der Diskriminierung zur systematischen Verfolgung, die zum Holocaust führte, also dem Mord an 6 Mio. Menschen, die das nationalsozialistische Regime als Jüd_innen bezeichnete.
Der Hass damals kam schleichend, doch nicht versteckt. Offen wurde schon seit Jahren die Minderwertigkeit von Menschen als Tatsache propagiert. So ist das Mitwirken an den Übergriffen oder Wegschauen aufgrund einer fehlenden Empörung der breiten Bevölkerung nicht verwunderlich, aber umso trauriger.
Erinnern an den 9. November 1938 muss für uns auch heißen die weiteren Folgen zu benennen. Nichts darf verharmlost, nichts verklärt werden: es war ein Massenmord an Millionen von Menschen in einer Maschinerie der Konzentrations- und Vernichtungslager, durch Beihilfe von Einheiten der Wehrmacht, Polizei und SS, aber auch der „normalen Bevölkerung“.
Ebenso muss das Wegschauen, das “nichts gewusst haben wollen”, benannt werden. Denn damit fängt es an. Wenn wir zulassen, dass heute wieder Menschen beschimpft, herabgewürdigt, geschlagen oder ermordet werden, haben wir vergessen, was damals passierte.
Die Lehre aus der Geschichte muss für uns sein Widerstand zu leisten! Aufstände im Warschauer Ghetto, Treblinka, Sobibór und Auschwitz, Widerstandsgruppen in Bialystok und Vilnius, Partisan_innen, die Sabotageaktionen gegen Eisenbahntransporte verüben, Untergrundorganisationen wie die Rote Kapelle aber auch das Verstecken von Untergetauchten sollten uns als Beispiele dienen. Im Angesicht des Todes haben Menschen, unter ihnen 1,5 Millionen Jüd_innen, sich aktiv am Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft beteiligt.
Seit 1990 sind über 150 Menschen durch neue Nazis allein in Deutschland ermordet worden. Direkt nach der so genannten “Wiedervereinigung” gab es in vielen deutschen Städten Pogrome und alltägliche Gewalt gegen Migrant_innen, jüdische Friedhöfe, Linke oder alternative Jugendliche.
Diese wurden häufig nicht durch staatliche Intervention, sondern durch Gegenwehr von Antifaschist_innen bekämpft. Es erfordert all unsere Kraft das Erinnern aufrecht zu erhalten, Parallelen aufzuzeigen und das Widererstarken der Neonazis zu bekämpfen. Nur eine entschlossene Abwehr von Übergriffen auf Menschen und Projekte und konsequentes Zurückdrängen nazistischer Ideologie mit allen uns möglichen Mitteln sowie der Schutz von Betroffenen können den heutigen Widerstand erfolgreich machen.
Wir müssen weiter wachsam bleiben und bei der wichtigen Auseinandersetzung über die Widersprüche der Gesellschaft auch immer die Gefahr der Barbarei im Auge behalten.
Wir dürfen nicht vergessen, was passiert ist!
Betroffenheit lässt uns schweigen, aber Kampfgeist aufblicken.
[a]alp
Antifaschistische Linke Potsdam
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Redebeitrag: Gedenken Novemberrevolution
Wir haben uns heute, am 9. November, wie schon die vergangenen Jahre, hier am Platz der Einheit, am Denkmal für die Opfer des Faschismus versammelt, um einen Moment inne zu halten.
Einen Moment, Menschen und Geschehnissen der Vergangenheit zu gedenken, an diese zu erinnern.
Heute jährt sich zum 93. Mal die Novemberrevolution von 1918. Doch warum erinnern? Was haben diese Menschen von damals mit uns gemeinsam? Was verbindet uns mit ihnen? Sie sind ein Teil von uns, denn sie sind unsere Geschichte. Einer langen und oft blutigen Geschichte der linken Bewegung.
Sie waren die Ersten, die im 20. Jahrhundert in Deutschland versuchten, die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu beseitigen und das Zusammenleben aller Menschen grundlegend zu verändern. Inspiriert von dem Gedanken der Solidarität, der sozialen Gleichheit und dem Willen nach Frieden nahmen damals am 9. November 1918 tausende progressive Menschen den Kampf gegen das alte monarchistische System und der sie unterstützenden kapitalistischen Machteliten auf.
Sie organisierten sich in basisdemokratischen Räten und kämpften für eine Idee der Neugestaltung der Gesellschaft auch mit der Waffe in der Hand. Sie hatten erlebt, wie für die Interessen der Monarchen und die Logik der Gewinnmaximierung Millionen auf den Schlachtfeldern massakriert wurden und beendeten diesen Irrsinn mit ihrem Kampf. Ihr Sieg hätte die Geschichte Europas ja wahrscheinlich der ganzen Welt langfristig entscheidend verändern können. Doch es kam anders. Als der Krieg beendet war, eroberte die Konterrevolution, Hand in Hand mit großen Teilen der rechten Sozialdemokratie wieder die Macht, mordete tausende Revolutionäre oder sperrte sie ein. Der Gedanke der Revolution sollte getötet, die Idee, dass eine Gesellschaft, in der der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt gesellschaftlichen Handelns steht, sollte vernichtet werden. Kapitalismus als höchste menschliche Entwicklungsstufe? — Heute wissen wir es wieder besser! Der Kampf Jede_r gegen Jede_n, der totale Konsum, die Ausbeutung des Menschen, der Natur und ihrer Ressourcen, die Unterdrückung des Willens vieler zum Wohle weniger, der Hunger von Millionen und die Maßlosigkeit einiger sind keine Konzepte für die Folgezeit. Wir stehen schon seit langem an einem Punkt der Geschichte, an dem sich die Zukunft der Menschheit entscheidet! „Sozialismus oder Barbarei!“ wie Engels schon sagte, ist die Entscheidung unserer Generation. Die Regierungen unserer Zeit und auch die bestehende Wirtschaftslogik bietet keine Möglichkeit die Bedürfnisse aller Menschen zu befriedigen, sie führt geradewegs in eine Sackgasse. Es gilt damals wie heute um andere Verhältnisse zu streiten! Nicht mit Wahlen! Denn diese bieten nur eine Auswahl innerhalb des bestehenden Systems. Wir brauchen aber eine radikale Veränderung: Auf der Straße, in den Unis, den Betrieben, den Schulen! Wir müssen die Aphatie des Einzelnen in den Enthusiasmus von vielen verwandeln, Kämpfe vereinen, selbst bestimmen. Daher ist der Blick auf unsere Geschichte, die Geschichte der kämpfenden Bewegung so wichtig. Sie ermöglicht uns die Relativierung der eigenen Probleme und macht deutlich, dass Widerstand jederzeit, auch hier und jetzt möglich ist!
Lasst uns nicht vergessen, was damals passiert ist!
Eine andere Gesellschaft ist möglich!
[a]alp
Antifaschistische Linke Potsdam