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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Sonstiges

Vieles ist besser geworden – aber es ist noch viel zu tun

Deutsch­lands erste Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt wird 15 Jahre alt und mah­nt Änderung der polizeilichen Ermit­tlungsar­beit an.

Aus Anlass der heuti­gen 15-Jahrfeier fordert Mar­cus Rein­ert, Geschäfts­führer des Vere­ins Opfer­per­spek­tive, die Poli­tik zum Han­deln auf: „Unsere Erfahrun­gen über all die Jahre zeigen,dass die Ermit­tlungs­be­hör­den dazu verpflichtet wer­den müssen, bei Gewalt­tat­en gegen Ange­hörige der typ­is­chen Opfer­grup­pen von Neon­azis und ras­sis­tis­chen Gele­gen­heit­stätern ein poli­tis­ches Tat­mo­tiv aktiv auszuschließen.

In Bran­den­burg ist in den let­zten Jahren viel passiert. Das Bewusst­sein für die Gefahr durch Neon­azis­mus und die extremen Recht­en ist vorhan­den und es wird aktiv gegenges­teuert, aber es liegt noch viel im Argen. Im August prügeln in Eisen­hüt­ten­stadt NPD-Mit­glieder auf Gegen­demon­stran­ten ein und schla­gen einen jun­gen Mann kranken­haus­reif. Die Polizei schreibt: “Bei der Kundge­bung kam es zu Rangeleien, als bei­de Lager aufeinan­der­trafen“. Ein Polizeibericht aus Wan­dlitz über einen Vor­fall im Juni ist über­schreiben „Mei­n­ungsver­schieden­heit endet in Kör­per­ver­let­zung“. Wer weit­er liest erfährt, die eine Mei­n­ung war ein „Hit­ler­gruß“, den sich der mit der anderen Mei­n­ung ver­bat. Zwei Beispiele, die zeigen, dass alltäglich ist, was der NSU-Skan­dal in sein­er ganzen Grausamkeit offen­bart: rechte Gewalt wird immer noch ver­harm­lost, ver­schleiert, geleugnet, ent­poli­tisiert. Han­delt es sich um Ras­sis­mus, so wird er oft nicht erkan­nt, die Opfer zu Mitschuldigen oder gar Tätern erk­lärt. In Bran­den­burg gab es seit dem Jahr 2000 weit über 100 ras­sis­tis­che Anschläge auf migrantis­che Imbiss­be­triebe. Fehlten ein­deutige Hin­weise auf Täter, wurde immer wieder unter­stellt, es han­dele sich um einen Ver­sicherungs­be­trug oder die Tat eines Konkurrenten.

Die Opfer­per­spek­tive nahm 1998 ihre Arbeit als bun­desweit erste Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt auf und entwick­elte beispiel­gebend für das ganze Bun­des­ge­bi­et ein ganzheitlich­es – das heißt auch poli­tisch und gesellschaftlich wirk­sames – Beratungskonzept. Für diese Pio­nier­ar­beit wurde der Vere­in mehrfach aus­geze­ich­net. In den fol­gen­den 15 Jahren ist in Bran­den­burg eine tragfähige Struk­tur zur Unter­stützung der Betrof­fe­nen und ihres sozialen Umfeldes ent­standen und die Tat­sache, dass Opfer rechter Gewalt ein­er spez­i­fis­chen Beratung und Begleitung bedür­fen, ist all­ge­mein anerkan­nt und wis­senschaftlich unter­mauert. Heute arbeit­en in allen neuen und eini­gen alten Bun­deslän­dern Beratungsstellen mit dem Konzept und den Stan­dards, die ursprünglich von der Opfer­per­spek­tive entwick­elt wur­den. Seit 2009 gibt es unter dem Dach des Vere­ins auch eine Beratungsstelle für Betrof­fene von ras­sis­tis­ch­er Diskri­m­inierung. Bis Ende 2014 ist die Finanzierung des gesamten Pro­jek­tes gesichert, eine langfristige Absicherung gibt es nach lan­gen Jahren Kampf darum immer noch nicht.

Das Ziel des Vere­ins und der Beratungsar­beit ist nach wie vor ein poli­tis­ches: Jed­er Men­sch soll sich frei und ohne Angst bewe­gen kön­nen und gle­ich­berechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

Ab 15 Uhr sprechen Jus­tizmin­is­ter Dr. Schöneb­urg, Staassekretärin Daniela Tro­chows­ki, Prof. Bir­git Rom­melspach­er, Anet­ta Kahane und Ulli Jentsch auf unser­er 15-Jahr-Feier. Ver­anstal­tung­sort: Frei­Land, Friedrich-Engels-Str. 22 (Haus 2), Potsdam

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(Anti)militarismus Law & Order

JA, wir sagen NEIN!“

INFORIOT — Etwa 100 Men­schen fol­gten an diesem nebe­li­gen Mittwoch dem Aufruf der PARTEI und fan­den sich 18.00 Uhr am Platz der Ein­heit ein.

9/11 nev­er again!“ lautete der Slo­gan auf den Plakat­en im Vor­feld der Demon­stra­tion. Die PARTEI ent­larvt den geplanten Anschlag auf die Twin-Tow­ers Pots­dams. Der Nord-Turm (das Haus des Reisens) fiel bere­its 2009, dem Süd­turm (das ehe­ma­lige Inter­ho­tel, das Hotel Mer­cure) soll bald das gle­iche wider­fahren. Seit Jahren plant die Stadt das 1969 erbaute Hotel zu kaufen und es dann abreißen zu lassen. Als Kopf der Ver­schwörung benen­nt die PARTEI Ober­bürg­er­meis­ter „Osama bin Jakobs“.

Ob Al-Quai­da oder SPD - WIR SAGEN NEE!“

Der erste Halt des Demon­stra­tionszuges war am ground zero Pots­dams, der Bau­grube des abgeris­se­nen Haus des Reisens. Dort wur­den Trans­par­ente ange­bracht und Blu­men, Grabkerzen sowie Kuscheltiere niedergelegt. Inter­ho­tel und Haus des Reisens – das klingt nach Weltof­fen­heit, nach Inter­na­tion­al­ität, die den Verschwörer_innen, die die Mod­erne has­sten, nicht in den Kram passe, so die PARTEI. Somit träten sie in die Fußstapfen ver­schieden­er extrem­istis­ch­er Organ­i­sa­tio­nen, wie al-Quai­da oder der katholisch-evan­ge­lis­chen Kirche. „Wir sehen, dass Frem­den­hass das grundle­gende Bindeglied aller extrem extrem­istis­chen Extrem­is­men ist.“

Das Stadtschloss — ein Exem­plar der Gat­tung: Wiederaufgebaut. 

Als zur Linken der Demon­stra­tion das Pots­damer Stadtschloss erschien, wies die Sprecherin der PARTEI darauf hin, dass das mit Steuergeldern gebaute Gebäude keineswegs allein von weni­gen reichen Preußen­fans der Stadt, die „durch Beten, Labern und Computerdaddeln“(gemeint sind Bischof Huber, Jauch und Plat­tner) ihren Leben­sun­ter­halt bestre­it­en, möglich gemacht wurde. Außer den Steuerzahler_innen sei es unter anderem der „Mul­ti-Zil­lionär“ Plat­tner, der „einen Prunk­bau, den nie­mand braucht und nie­mand gewollt hat“ finanziere.

Neben ethisch ver­w­er­flichen Aspek­ten, beispiel­sweise dem, dass in afrikanis­chen Kupfer­mi­nen Kinder für Pots­dams his­torische Innen­stadt schufteten, warf die PARTEI die Frage danach auf, wie viel das Neue mit dem Alten zu tun hat. Unter den Demonstrationsteilnehmer_innen war Einigkeit zu spüren: „Die Fundis dieser Stadt bauen sich Häuser und Geschichts­bilder, die mit der wirk­lichen Geschichte soviel zu tun haben, wie David Has­sel­hoff mit dem Mauerfall.“

Das Inter­ho­tel als Grab­stein für das Stadtschloss 

In Sichtweite sahen die Demon­stri­eren­den schon das Hotel Mer­cure, den übrig gebliebe­nen der bei­den Zwillings-Türme.

Dazu die PARTEI: „Sie sagen er sei hässlich! Er zer­störe das Pots­damer Stadt­bild. Und damit mögen sie recht haben! Doch welch­es Stadt­bild wird denn hier zer­stört? Das längst ver­gan­gen geglaubte, im Gedächt­nis des aufgek­lärten DDR-Bürg­ers langsam verblich­ene Bild von Pots­dam als Hort des Mil­i­taris­mus und der Unterdrückung.“

Grund für das tal­ibaneske Ver­hält­nis zur Baukul­tur sei laut der PARTEI schlicht Penis­neid. „Denn solange dieses Bauw­erk ste­ht, solange wer­den sie nicht den Län­geren haben.“ Diese Sorge hätte sich mit dem Wieder­auf­bau des 88m hohen Turms der Gar­nisonkirche erledigt.

Die geplante Schweigeminute für alle hohen Häuser der Stadt und die sym­bol­is­che Men­schen­kette wur­den von der Polizei unter­sagt, da diese keinen Halt vor dem ehe­ma­li­gen Inter­ho­tel duldete. So mussten die PARTEI-Anhänger_in­nen gehend dem Song „only time“(Enya) lauschen.

Diese Stadt, die Plazen­ta des Bösen, der Brutkas­ten Preußens, die Mut­ter­brust der Nazis, diese Stadt wollen sie wieder aufleben lassen.“

Let­zte Sta­tion des PARTEI-Marsches war die Bau­grube der geplanten Kopie der Gar­nisonkirche, in der sich 1933 Hilter und Hin­den­burg die Hand reicht­en. Jakobs, so die PARTEI könne seinen Tag von Pots­dam kaum noch erwarten. Die eigentlich Poli­tik unser­er Stadt find­et im ver­gold­e­ten Hin­terz­im­mer statt, wo sich abwech­sel­nd aus der Bibel und „mein Kampf“ vorge­le­sen würde, hieß es weiter.

Vor kurzem sagte der Bund 12 Mil­lio­nen Euro für den Wieder­auf­bau zu und auch promi­nente Befürworter_innen und ihre Anhänger_innen zeigen sich unbeir­rt, obwohl sich erst kür­zlich eine Mehrheit der Pots­damer Bürger_innen bei der Abstim­mung über den Bürg­er­haushalt gegen die Investi­tion städtis­chen Geldes für den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche aus­ge­sprochen hatten.

In ein­er schwungvollen Abschlussrede fand die PARTEI unter Applaus der Anwe­senden die Worte: „Wir die Partei DIE PARTEI haben genug von Peniswahn und Dop­pel­moral. Wir wer­den für eure Prunk­baut­en nicht länger an der Werk­bank ver­sauern. Schiebt euch eure Kirche in den Arsch! Lasst eure schmieri­gen Fin­ger von unseren Häusern und geht zurück in euren Sektor!“

Weit­ere Bilder: hier und hier.

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Geschichte & Gedenken

Zwischen Trauma und Hoffnung

INFORIOT  Ali­cia Garate-Garay fühlt sich ein wenig alt. „Wir haben uns verän­dert“, sagte sie nach der Vor­führung ein­er Film-Doku­men­ta­tion über ihr Leben aus dem Jahr 1988, etwas melan­cholisch. Damals lebte Ali­cia bere­its 15 Jahre im Exil. Sie floh nach dem Mil­itär­putsch von Augus­to Pinochet gegen die demokratisch gewählte, sozial­is­tis­che Regierung Sal­vador Allen­des 1973 nach Argen­tinien und von dort aus weit­er in die dama­lige DDR.  Ali­cia kam schließlich nach Bran­den­burg an der Hav­el, das sie heute selb­st­be­wusst als erste Heimat beze­ich­net. Ihre Zweite liegt 17.000km weit weg und ist ihr mit­tler­weile fremd gewor­den. Nach 20 Jahren Exil hat­te Ali­cia Chile 1993 noch ein­mal besucht. Ver­traut kam ihr aber nichts mehr vor. Den­noch ist sie zumin­d­est über die poli­tis­chen Ereignisse im Lande im Bilde.

Düstere Erin­nerun­gen

Gestern saß Ali­cia zusam­men mit ihrem Sohn Chris­t­ian und Ricar­do Fon­se­ca, einem in Berlin leben­den Exil-Chile­nen, auf dem Podi­um ein­er Gespräch­srunde zur Erin­nerung an den 11. Sep­tem­ber 1973. Die Ver­anstal­tung, an der unge­fähr 50 Men­schen teil­nah­men, fand im gel­ben Salon des Fontanek­lubs in Bran­den­burg an der Hav­el statt. Die Partei DIE.LINKE hat­te dazu ein­ge­laden. Ein­stim­mend in die The­matik wur­den Gedichte der bei­den chilenis­chen Nobel­preisträger  Gabriela Mis­tral und Pablo Neru­da rez­i­tiert sowie Lieder von Vic­tor Jara vor­ge­tra­gen. Die eben­falls gezeigten Film­doku­men­ta­tio­nen, die den 11. Sep­tem­ber 1973 noch ein­mal plas­tisch vor Augen riefen: die Bom­bardierung des Präsi­den­ten­palastes, die Folter, die Morde,  der Tod Vic­tor Jaras, hin­ter­ließen tiefe Ein­drücke, auch heute noch.

Glück­lich­es Leben in Brandenburg

Auch bei Ali­cia, die seit nun­mehr 39 Jahren in Bran­den­burg an der Hav­el lebt. Es hat viel Kraft gekostet, hier neu anz­u­fan­gen, sagt sie. Ihr Mut machte das gute soziale Kli­ma. Ihr Mann fand eine ange­se­hene Stelle im Stahlw­erk, für ihre Kinder standen Kindergärten und Schulen offen. Auch die Chan­cen studieren zu kön­nen waren hier viel bess­er, als in der alten Heimat. Die Kinder von Ali­cia nah­men dieses Geschenk dank­end an, ging es doch darum, sich irgend­wann in Chile mit Hil­fe des deutschem Studi­ums eine bessere Zukun­ft auf­bauen zu können.

In der fer­nen Heimat im Südosten Lateinamerikas war und ist studieren näm­lich nur sehr weni­gen Men­schen vor­be­hal­ten, berichtet Ricar­do Fon­se­ca. Er kam 1973 aus Chile in die DDR, lebte zunächst in Eisen­hüt­ten­stadt, dann in Leipzig und zog schließlich ins „Allen­de­vier­tel“ nach Berlin. Auch ihm ist, wie Ali­cia, das poli­tis­che Leben im Anden­staat nur geografisch fern. Ein Studi­um, so Ricar­do, kostet in Chile zwis­chen 5.000,- und 20.000,- US Dol­lar. Das dor­tige Bil­dungssys­tem ist im Zuge der Ein­führung des neolib­eralen Wirtschaftssys­tems unter Pinochet pri­vatisiert wor­den und damit für die unteren Bevölkerungss­chicht­en de fac­to tabu.

Man kann in Chile gut leben“, sagt Ali­cia, „aber nur wenn man gut ver­di­ent“. Die Scherenspanne zwis­chen armen und reichen Bevölkerungss­chicht­en sei größer gewor­den. Den­noch gebe es Hoff­nung und zwar in ganz Lateinameri­ka, bekräftigt Chris­t­ian, Alicia´s Sohn. Er sehe pos­i­tive Ansätze im Kampf der dor­ti­gen sozialen Bewegungen.

Chile quo vadis?

Auch in Chile kön­nte es, zumin­d­est aus der Sicht Ali­cias, Chris­tians und Ricar­dos, pos­i­tive Verän­derun­gen geben. Denn am 17. Novem­ber 2013 kön­nen die Wähler_innen dort näm­lich über ein neues Lan­des­ober­haupt bes­tim­men. Gute Chan­cen hat dies­mal wieder die bere­its zwis­chen 2006 und 2010 amtierende, ehe­ma­lige sozial­is­tis­che Präsi­dentin Michelle Bachelet. Sie hat­te während der Dik­tatur Pinochets eben­falls im DDR-Exil gelebt und ste­ht heute an der Spitze der sozialen Reform­be­we­gung im Land, die sich heute vor allem gegen die ultra­kon­ser­v­a­tive Poli­tik des amtieren­den Präsi­den­ten Pin­era richtet. Pin­era, der u.a. Haupteign­er der chilenis­chen Flugge­sellschaft ist, einen pri­vat­en Fernsehsender und eine Fußball­club besitzt, gilt als Chiles „Berlus­coni“. “Er führt das Land wie ein Unternehmer“, sagt Ali­cia, und meint damit das fehlende soziale Engage­ment. Sie hofft, wie auch Chris­t­ian und Ricar­do, auf einen Wahlsieg Michelle Bachelets.

Linkspartei kündigt weit­ere Ver­anstal­tung zu Chile an

DIE.LINKE in Bran­den­burg an der Hav­el hat inzwis­chen angekündigt, die The­matik weit­er zu ver­fol­gen, und plant eine weit­ere Ver­anstal­tung zu Chile im Novem­ber 2013, nach den dor­ti­gen Präsidentschaftswahlen.

weit­ere Presse­fo­tos: hier

 

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Antifaschismus

Immer Ärger mit der “Bierbar”

Ein bierseliger Abend mit einem Nazi-Lie­der­ma­ch­er vor eini­gen Wochen in besagtem Lokal ist nun Anlass genug, sich ein wenig inten­siv­er mit der Kneipe zu befassen:

“Die Bierbar” 

Die Bier­bar” ist in der Bergstraße 189, auf der Ecke eines Frank­furter Wohn­haus­es ange­siedelt, in dem­sel­ben Haus, in dem auch der anti­ras­sis­tis­che und antifaschis­tis­che Vere­in Utopia seit Jahren seinen Sitz hat. Dieser Vere­in war den Gästen schon des öfteren ein Dorn im Auge, sodass es zu mehreren Über­grif­f­en und Sachbeschädi­gun­gen im und am besagtem Wohn­haus kam. 

Im Som­mer 2006, als die Kneipe noch “Mocki’s Bier­bar” hieß und der Inhab­er ein ander­er als der heutige war, grif­f­en dor­tige Gäste nach einem Fuss­ball-WM-Spiel ein Hoffest des Utopia e.V. an, Im Dezem­ber des­sel­ben Jahres ver­sucht­en sich einige stadt­bekan­nte Neon­azi-Hooli­gans, nach­dem sie den Abend in der Kneipe ver­bracht hat­ten, gewalt­sam Zutritt zum Wohn­haus zu ver­schaf­fen, in dem sich auch der Utopia e.V. befindet.[1]

Im Novem­ber 2008 grif­f­en mehrere rechte “FCV”-Hooligans eine Gruppe von Antifaschist_innen vor der Kneipe an und ver­let­zten sie. Dies geschah, nach­dem die Hooli­gans bere­its vorher eine Sachbeschädi­gung am Vere­in­seigen­tum des Utopia e.V. im dor­ti­gen Wohn­haus began­gen hat­ten. Die Täter wur­den daraufhin zu Bewährungsstrafen verurteilt. [2]

Im Mai dieses Jahres wur­den ins­ge­samt zwei Hak­enkreuze an der Ein­gangstür des Wohn­haus­es ange­bracht. Beim zweit­en Mal hat­te sich an besagtem Abend eine Gruppe junger Män­ner zunächst in der “Bier­bar” aufge­hal­ten, um dann gegen die Tür des Wohn­haus­es zu treten und Parolen wie „Kom­mu­nis­ten­schweine“ zu rufen. [3]

Am 9. August 2013 schließlich fand in der Kneipe eine Feier mit dem Frank­furter Lie­der­ma­ch­er Björn Brusak statt, der neon­azis­tis­ches Liedgut, darunter Landser und Frank Ren­nicke, zum Besten gab. Die alarmierte Polizei erstat­tete gegen die anwe­senden Gäste und den Lie­der­ma­ch­er Anzeige wegen Volksver­het­zung sowie wegen Ver­wen­dung von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organisationen. 

Wer ist eigentlich Björn Brusak? 

Der 28-jährige Frank­furter Björn Brusak ist, wenn er nicht ger­ade deutsche Sol­dat­en besingt, Unternehmens­ber­ater für den pri­vat­en Haushalt bei der Telis Finanz AG, ein­er Finanz- und Unternehmens­ber­atungs­ge­sellschaft, in Frank­furt (Oder). Laut seinem “Facebook”-Profil hat er am Otto-Bren­ner-Gym­na­si­um sein Abitur abgelegt. Zudem erfährt man, dass Brusak offen­sichtlich Fan des Aparthei­d­sregimes in Südafri­ka ist, welch­es bis 1994 eine ras­sis­tisch legit­imierte Vorherrschaft der weißen Südafrikan­er über die schwarzen darstellte. Brusak posiert dementsprechend auch mit Gitarre vor der ehe­ma­li­gen Nation­alflagge Südafrikas oder gibt ras­sis­tis­che und gewaltver­her­rlichende Mel­dun­gen über die ange­bliche Unter­drück­ung der weißen Bevölkerung weit­er. Auch inter­es­sant ist seine Fre­un­desliste, in der unter anderem der offen­bar ehe­ma­lige Frank­furter Neon­azi Ste­fan Schulz vertreten ist. 

Und was sagt Inhab­er Gui­do Tiet­gen dazu? 

Gui­do Tiet­gen ist seit eini­gen Jahren Inhab­er der “Bier­bar”. Der gel­ernte Klemp­n­er besitzt noch zwei weit­ere Lokale in der Region: das “Diebels Live” in Frank­furt sowie das “Café Oscar” in Eisen­hüt­ten­stadt. Im Juni 2004 stellte er als Wirt des mit­tler­weile geschlosse­nen “Preusse­necks” der NPD Räum­lichkeit­en für eine Saalver­anstal­tung mit zwei Lie­der­ma­ch­ern zur Ver­fü­gung. [4] In der Frank­furter “Bier­bar” hat­te Tiet­gen den inzwis­chen ver­stor­be­nen, mehrmals verurteil­ten Neon­azi Chris­t­ian Steinicke als Barkraft angestellt. Und auch son­st besuchen die “Bier­bar” eher Gäste, die sich dem poli­tisch recht­en Spek­trum zuord­nen oder zumin­d­est mit diesem kein Prob­lem haben. Kon­se­quen­zen aus seinem Neon­azi-Stammk­lien­tel zog Tiet­gen nur ein­mal kurzzeit­ig nach dem Über­fall sein­er Gäste auf eine Gruppe Antifaschist_innen 2008 — er erteilte ihnen Hausver­bot. Das ist jedoch längst wieder aufge­hoben. Und so tum­meln sich in sein­er Kneipe weit­er­hin Gäste mit Thor-Steinar-Klam­ot­ten oder Neonazi-Liedermacher. 

Quellen:

[1] Vgl. http://apap.blogsport.eu/files/2013/02/rechercheoutput_ffo_2.pdf
[2] Vgl. http://recherchegruppe.wordpress.com/2011/03/15/prozess-gegen-fcv-hooligans-beginnt/
[3] Vgl. http://recherchegruppe.wordpress.com/chronologie/
[4] Vgl. http://apap.blogsport.eu/files/2013/02/rechercheoutput_ffo_2.pdf

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Antifaschismus

Neonazistischer Kader: Maik Schneider

Der Direk­tkan­di­dat für die Bun­destagswahlen 2013 der NPD für den Wahlkreis 60 (Brandenburg/Havel, Pots­dam-Mit­tel­mark I, Havel­land III, Tel­tow-Fläming I) ist der 1987 geborene aus­ge­bildete Erzieher Maik Schnei­der aus Nauen. [1]

Er besucht seit dem 05. August 2013 die 11. Klasse der “Hein­rich von Kleist”-Schule in der Pots­damer Innen­stadt und holt dort das Abitur nach.

Seit spätestens 2007 nahm Schnei­der an neon­azis­tis­chen Aufmärschen teil und ist seit 2008 Mit­glied des Kreistages Havel­land und der Nauen­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung. Während er als Man­dat­sträger im Kreistag zusam­men mit Dieter Brose ver­sucht durch Wort­mel­dun­gen, Anträge und Pro­voka­tio­nen aufz­u­fall­en, scheint er in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung wesentlich mod­er­ater aufzutreten. [2]

Des Weit­eren ist er bei den „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ aktiv und pflegt Beziehun­gen zu Mit­gliedern der mit­tler­weile ver­bote­nen Kam­er­ad­schaft “Freie Kräfte Tel­tow-Fläming”. Im Rah­men des Ver­botsver­fahren gegen die neon­azis­tis­che Nach­wuch­sor­gan­i­sa­tion “Heimat­treue Deutsche Jugend” (HDJ) wurde auch bei Maik Schnei­der die Woh­nung durchsucht.

Zu den diesjähri­gen Bun­destagswahlen wirbt Schnei­der mit pop­ulis­tis­ch­er Sozialpoli­tik, wie “mehr Geld für Eltern mit Kindern und bessere Bedin­gun­gen in den Kindertagesstät­ten” oder den NPD-typ­is­chen Forderun­gen zur Geld­poli­tik und tritt für die “Rück­kehr zur D Mark und gegen den Wahnsinn der Trans­fer­union ein”. Eben­so bedi­ent er ras­sis­tis­che Klis­chees und will “die Ein­wan­derung” stop­pen. [3] Dazu passt seine Teil­nahme an der ras­sis­tis­chen Kundge­bung der NPD vor ein­er neuen Notun­terkun­ft für Geflüchtete in Berlin-Hellers­dorf am 24. August 2013.

Maik Schnei­der nahm am 20. April 2011 und am 20. April 2012 an NPD-Kundge­bun­gen in Nauen teil, nicht zufäl­lig fan­den diese um den Geburt­stag von Adolf Hitler herum statt. [4]

Er nahm auch an ein­er NPD Demon­stra­tion am 15. Sep­tem­ber 2012 in Pots­dam teil, die jedoch erfol­gre­ich block­iert wer­den kon­nte. Schnei­der führte auf der Ver­samm­lung ein Mess­er mit sich, weswe­gen er kurzzeit­ig in Gewahrsam genom­men wurde und eine Anzeige wegen Ver­stoß gegen das Ver­samm­lungsrecht gefer­tigt wurde. Eben­so nahm er am 1. Mai 2010 an ein­er spon­ta­nen Demon­stra­tion in Berlin-Char­lot­ten­burg teil, nach­dem eine neon­azis­tis­che Demon­stra­tion block­iert wurde. Die teil­nehmenden Neon­azis belei­digten Passant_innen ras­sis­tisch und grif­f­en diese an. Bei vie­len Demonstrationsteilnehmer_innen wur­den Waf­fen und ver­botene Gegen­stände gefun­den. [5]

An der Schule trägt er seine neon­azis­tis­che Ide­olo­gie offen­bar unverdeckt zur Schau. In Pausen ist er auf der Friedrich-Ebert-Straße, vor der Schule, unter anderem mit Klei­dung des neon­azis­tis­chen Labels “Fourth Time” [6] aufge­fall­en. Die Schule des zweit­en Bil­dungsweg “Hein­rich von Kleist” ist dazu aufgerufen, Maik Schnei­der von der Schule zu ver­weisen und ihm somit eine weit­ere Plat­tform für seine neon­azis­tis­che Pro­pa­gan­da zu entziehen.

[1] http://www.wahlen.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.336878.de
[2] “(Neo)nazis im West­havel­land” – Jahres­rück­blick 2009 der Antifa West­havel­land – Seite 9 und 15
[3] http://npd-havel-nuthe.de/maik-schneider-aus-nauen-ist-direktkandidat-der-npd-im-wahlkreis-60/3197
[4] http://westhavelland.wordpress.com/2012/04/22/abfuhr-fur-neonazis-in-nauen/ und https://inforiot.de/artikel/npd-kundgebung-zum-hitler-geburtstag
[5] “(Neo)nazis im West­havel­land” – Jahres­rück­blick 2010 der Antifa West­havel­land – Seite 16 und 53
[6] http://arpu.blogsport.eu/2013/03/13/potsdamer-neonazis-und-die-marke-%E2%80%9Efourth-time%E2%80%9C/ und http://arpu.blogsport.eu/2013/03/23/%E2%80%9Efourth-time%E2%80%9C-in-der-defensive/

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Antifaschismus

NPD hetzte gegen neue Asylheime

INFORIOT — Am heuti­gen Vor­mit­tag ver­anstal­tete die NPD zwei Kundge­bun­gen im Land­kreis Havel­land. Gegen 9.00 Uhr stell­ten sich zunächst 15 Per­so­n­en vor dem Haupt­bahn­hof in Rathenow auf, um mit Ban­nern, Plakat­en und einem Rede­beitrag gegen den Aus­bau des örtlichen Flüchtling­sheims zu het­zen. Das Heim befind­et sich genau hin­ter dem Bahnhof.

Anschließend fuhren die Ver­samm­lung­steil­nehmer nach Prem­nitz um dort gegen 10.30 Uhr mit weit­eren Sympathisant_innen gegen ein geplantes Flüchtling­sheim zu het­zen. Hier­bei stell­ten sie sich mit ihren Ban­nern und Plakat­en direkt auf die Ein­gangstreppe des Gebäudes und lauscht­en den Worten ihres Vor­sitzen­den, Michel Müller.

Verurteil­ter Gewaltver­brech­er hielt Redebeiträge

Über eine mobile Musikan­lage ver­las der Kreisver­bandsvor­sitzende NPD Hav­el-Nuthe, Michel Müller, einen Rede­beitrag, den er in ähn­lich­er Form bere­its öfters vorge­le­sen und nur um die aktuellen Kapi­tel in Rathenow und Prem­nitz ergänzt hatte.

Müller ist übri­gens ein Het­zer alter Schule. Zur Jahreswende 1999/2000 war er maßge­blich an der bru­tal­en Het­z­jagd auf pak­istanis­che Flüchtlinge in Rathenow beteiligt. Er wurde u.a. hier­für zu Bei­hil­fe zum ver­sucht­en Mord in Tatein­heit mit gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung verurteilt und saß mehrere Jahren in einem Gefäng­nis. Den­noch oder ger­ade wegen der­ar­tiger Tat­en begrüßten offen­bar einzelne Anwohner_innen die Ver­anstal­tung, andere ver­sucht­en hinge­gen sie zu stören.

Ehe­ma­liger Heim-Secu­ri­ty unter NPD Demonstranten

An der NPD Kundge­bung vor dem geplanten Flüchtling­sheim in Prem­nitz nahm auch Jör­gen C. teil. Er war von 1992 bis 1998 in der Rathenow­er Neon­aziszene aktiv und anschließend mut­maßlich, nach einem Stre­it mit dem örtlichen Kam­er­ad­schafts­führer, aus der Szene „aus­gestiegen“. Brisant: C. war mehrere Jahre, bis 2003, als „Secu­ri­ty“ im Rathenow­er Flüchtling­sheim abgestellt.

NPD Aktivist_innen ent­fer­n­ten Plakate gegen „Frem­den­hass“

Da die NPD Kundge­bun­gen in Rathenow und Prem­nitz nicht öffentlich bewor­ben wur­den, blieben Proteste weit­ge­hend aus. In bei­den Orten hat­te allerd­ings die SPD Wahlplakate gegen „Frem­den­hass“ aufgehangen.

Jedoch wur­den die Plakate in Prem­nitz kurz vor dem Ein­tr­e­f­fen des NPD Tross­es aus Rathenow  von neon­azis­tis­chen Aktivist_innen ent­fer­nt. Statt der SPD Plakate gegen „Frem­den­hass“ wur­den dann NPD Plakate gegen Flüchtlinge sowie Sin­ti und Roma aufgehängt.

NPD auch in Bad Belzig

Außer den Kundge­bun­gen im Havel­land ver­anstal­tete die NPD auch einen Info­s­tand in der mit­telmärkischen Kreis­stadt Bad Belzig. Dieser wurde ab 10.30 Uhr vom regionalen Direk­tkan­di­dat­en, Maik Schnei­der aus Nauen, geleit­et und band unge­fähr 25 Neon­azis aus Belzig und Umge­bung, darunter auch Pas­cal Stolle. Stolle gilt als Anführer der Belziger Neon­azis und war wegen Gewalt­de­lik­ten mehrere Jahre im Gefängnis.

Gegen die NPD Ver­anstal­tung auf dem Mark­t­platz demon­stri­erten unge­fähr 50 Men­schen, darunter auch Bran­den­burgs Sozialmin­is­ter Gün­ter Baaske (SPD).

Weit­ere Bilder: Rathenow, Prem­nitz und Bad Belzig

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NPD Infostand am Samstag

Alle demokratis­chen Kräfte verurteilen die ras­sis­tis­che Het­ze der NPD, in ihrem Pro­gramm, in ihrer Wahlwer­bung. Es ist Zeit, das auch in Bad Belzig deut­lich zu machen. Die Linke wird eine Protes­tak­tion polizeilich anmelden. Bünd­nis 90/DieGrünen haben am gle­ichen Tag einen Info­s­tand für eine Gege­nak­tion. Bitte leit­et die Infor­ma­tion schnell­st­möglich weiter!

Der Info­s­tand mor­gen ist nicht der erste Ver­such der NPD in Belzig und der Region Fuß zu fassen. Bere­its am 23.03.13 führte der NPD-Kreisver­band Hav­el-Nuthe in Bad Belzig, Niemegk und Beelitz eine Wan­der­mah­nwache durch. In den let­zten Wochen,getragen durch den Wahlkampf, wur­den in Belzig immer wieder Flug­blät­ter verteilt. 

Alle Infor­ma­tio­nen zu Recht­sex­trem­is­mus in Belzig und Umge­bung find­et ihr auf http://badbelzigrechtsaussen.blogsport.de/ .

In der Chronik find­et ihr Aktiv­itäten und Über­griffe durch Neon­azis von 1990 bis heute.
http://badbelzigrechtsaussen.blogsport.de/chronik/

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17. SEPTEMBERKEINE DEUTSCHLAND FREAKS VOR UNSEREM HAUS!

Die rechte “Bürg­er­be­we­gung Pro Deutsch­land” will inner­halb ihrer Bun­deswahlkampf-Tour auch die “dun­klen Orte unseres Lan­des” besuchen. Am 17. Sep­tem­ber wollen Sie eine Kundge­bung in Cot­tbus gegen ver­meintliche “Link­sex­treme” und ihre Freiräume durch­führen. So soll es nicht irgend­wo, son­dern direkt vor dem linken Haus­pro­jekt “Zelle79” und dem dazuge­hörigem Info­laden stat­tfind­en. Erst­ma­lig soll direkt vor der Haustür gegen alter­na­tive Lebensen­twürfe und antifaschis­tis­che Ini­tia­tiv­en demon­stri­ert und nation­al­is­tis­che sowie ras­sis­tis­che Het­ze ver­bre­it­et wer­den. Doch das nehmen wir selb­stver­ständlich nicht ein­fach so hin.

Diese geplante Pro­voka­tion gilt es mit entschlosse­nen und kreativ­en Protesten in Emp­fang zu nehmen, wenn es heißt: Keine Deutsch­land-Freaks vor unserem Haus! Kommt alle und lasst uns gemein­sam zeigen was wir von “Pro Deutsch­land” halten!

PROTEST / 17. SEPTEMBER 2013 / 17:00 UHR / ZELLE79

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Fußball ist Fußball und Politik ist Politik?

Nie­mand schre­it dies laut, wenn Infer­no Cot­tbus Trans­par­ente mit recht­en Inhal­ten zeigt oder die NS Boys aus Chem­nitz ihren Hitler­jun­gen präsen­tieren. Meist geht die Forderung ein­her mit der Diskred­i­tierung von linken, antifaschis­tis­chen und anti­ras­sis­tis­chen Posi­tio­nen inner­halb ein­er Fan­szene. Beispiele gibt es zuhauf, die pop­ulärsten und aktuell­sten dürften Aachen und Braun­schweig sein. Doch was ist die Moti­va­tion dieser Formel, welche sich auf einen Lied­text ein­er recht­en Band beruft?

Was unter Poli­tik im Sta­dion ver­standen wird, ist eine Inter­pre­ta­tions­frage. Der eine meint damit fan­poli­tis­che The­men, wie Ein­tritts-/Getränkepreise, Anstoßzeit­en, Kom­merzial­isierung und Sicher­heit­spoli­tik. Dabei wer­den The­men wie Anti­ras­sis­mus und Aktivis­mus gegen Neon­azis aus­geklam­mert, da diese mit dem Fußball nichts zu tun hät­ten. Wenn Fans sich engagieren gegen Aus­gren­zung auf­grund von Haut­farbe, Geschlecht, Reli­gion oder sex­ueller Ori­en­tierung, dann wer­den sie auf­grund der Poli­tik, die sie ins Sta­dion tra­gen, ange­fein­det. Doch selb­st der 1. FC Lok Leipzig, dessen Fan­szene als recht­spoli­tisch eingestuft wird, erken­nt, dass „gewalt­tätige Auseinan­der­set­zun­gen und recht­sex­tremes Gedankengut […] gesellschaftliche Prob­leme [sind, deren] Auswüchse sich mitunter auch beim Fußball bemerk­bar machen.“

Konkret gab es bei Turus.net vor kurzem einen Artikel über die poli­tis­che Fan­szene des SV Babels­berg 03. Einige Punk­te waren dort falsch oder schlecht recher­chiert. Bei der Betra­ch­tung der aktuellen Fan­szene in Babels­berg kommt man nicht umher, sich die Geschichte dieser anzuguck­en. Diese begin­nt nicht etwa 1999 mit der Grün­dung des Film­stadt Infer­no, son­dern bere­its in der Zeit der Wende in Pots­dam. Sie geht dabei ein­her mit der poli­tis­chen Geschichte der Stadt. Anfang der 1990er wur­den Pots­dam wie auch in anderen Städten Häuser beset­zt und es ent­stand eine aktive linke Szene. Diese hat­te Inter­esse an Fußball und suchte sich den SVB als Heimvere­in aus. Es hätte ver­mut­lich auch der Konkur­rent von For­tu­na sein kön­nen. Fakt ist, dass die Linken wie in vie­len Sta­di­en Ost­deutsch­lands auf eine rechte Gegen­wehr stießen und ver­drän­gen kon­nten. Ähn­lich wie heute in Aachen – nur mit einem anderen Aus­gang. Erst jet­zt entwick­elte sich auch eine aktive Fan­szene, die in der Grün­dung des FI mün­dete. Die linkspoli­tis­che Ein­stel­lung der Babels­berg­er Fan­szene ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Iden­tität. Dieses Erbe spiegelt sich ver­mut­lich auch im Sta­dion­na­men wieder. Während man in Schwe­in­furt in einem Sta­dion sitzt, dass nach einem SS-Mit­glied benan­nt ist, ist es in Babels­berg ein­er der wohl wichtig­sten Kräfte der Linken in Deutsch­land.
Vertreiben linkspoli­tis­che Ultra­grup­pen Zuschauer und Spon­soren? Man kön­nte jet­zt schon einen ein­fachen Blick zum großen FC St.Pauli machen und fest­stellen: Linke Poli­tik vertreibt keine Zuschauer. Es sorgt eher dafür, dass bes­timmte Fußball­fans eher zu diesem Vere­in gehen. Für den FC St.Pauli ist das linke Image in viel­er­lei Hin­sicht ein Segen. Es sorgt für bun­desweit gute Ein­na­men im Verkauf von Fanar­tikeln und man hat fast über­all ausverkaufte Gäste­blöcke, weil die ort­san­säs­si­gen linken Fußball­fans sich mit dem Fußbal­lide­al­bild des FC St.Pauli iden­ti­fizieren kön­nen. Dabei ist es egal, ob sie in Dres­den, Köln oder Frank­furt wohnen. Das gle­iche ist der SV Babels­berg 03 für viele Linke auf den Dör­fern in Bran­den­burg. Jede Woche wer­den sie in Orten wie Sprem­berg, Witt­stock oder Per­leberg von Neon­azis drangsaliert ‑ob in der Schule, auf dem Mark­t­platz oder auf dem Stadt­fest. Sie alle pil­gern aber zum SV Babels­berg 03, denn in der Nord­kurve und auch im Ost­block kön­nen sie befre­it ihre poli­tis­che Mei­n­ung offen zeigen ohne ange­fein­det, gejagt und geschla­gen zu wer­den. Die linkspoli­tis­che Fan­szene Babels­berg bietet also auch einen Schutzraum. Gle­ichzeit­ig ist es der Vere­in in der Region, der wie FC St.Pauli bun­desweit linke Fans durch sein Image an sich binden kann. Nicht wenige Fans kom­men aus Berlin, so gibt es mit den „03nullern“ auch eine Fan­gruppe aus der Nord­kurve, die expliz­it aus Berlin kommt. Diese wür­den ver­mut­lich nicht zum Fußball und erst Recht nicht zum SV Babels­berg gehen, wenn dieser nicht die poli­tis­che Fan­szene hätte. Es muss also etwas anderes sein, dass für einen Ein­bruch der Zuschauerzahlen sorgt. Haupt­grund dürften die Finanzen und der sportliche Erfolg sein. 2002 war man abgestiegen und musste Insol­venz anmelden. Wie viele Vere­ine mit ein­er solchen Geschichte kommt auch der SVB eben nicht plöt­zlich wieder in die Erfol­gsspur. Zu sehr ver­ließ man sich auf die Kom­mune und das Land bei Finanzierun­gen, heute lieber auf Schuld­scheine bei der DKB.

Auch heute ist der Vere­in mas­siv finanziell angeschla­gen. Der Grund, so der ehe­ma­lige Geschäfts­führer Brügge­mann, liegt einzig und allein an der poli­tis­chen Aus­rich­tung des Anhangs. Doch Beispiele wie Duis­burg, Essen oder Aachen zeigen, auch mit recht­en und unpoli­tis­chen Fan­szenen kann man sich den Insol­ven­zver­wal­ter ins Sta­dion ein­laden. Warum sollen Zuschauer und Spon­soren dem SV Babels­berg die Tür ein­ren­nen, wenn in der sel­ben Stadt der 1.FC Tur­bine alle nase­lang Meis­ter wird, in Europa zu sehen ist und Nation­al­spielerin­nen inne hat? Oder wenn es im Land Bran­den­burg den FC Energie Cot­tbus gibt, der seit mehr als einem Jahrzehnt in Liga 1 und 2 rum­spielt? Oder wenn in der Region mit Hertha und Union zwei weit­ere Vere­ine aus dem Profibere­ich ansäs­sig sind? Es ist ein Irrglaube zu denken, die Poli­tik würde Zuschauer und Spon­soren aus dem Sta­dion vertreiben.

Uner­fol­gre­ich­er Fußball macht dies. Als erstes gehen die Zuschauer, dann sinkt die Attrak­tiv­ität für die Spon­soren, es gibt kein Geld, die Spiel­er wer­den schlechter und die Spi­rale dreht sich in Rich­tung Oberli­ga, wo man eben nicht mehr die Mil­lio­nen braucht und auch mit ein­er kleinen Fan­szene wie der des SVB über­leben kann. Kleine Brötchen wer­den geback­en. Gäbe es diese Fan­szene nicht, die Gelder sam­melt und für ein gewiss­es Maß an Attrak­tiv­ität sor­gen würde, wür­den wir den SVB wohl schon bei Sach­sen­hausen, Zeuthen/Miersdorf und Falkensee in der Bran­den­bur­g­li­ga sehen.

Doch kom­men wir mal weg von dem ökonomis­chen Teil und blick­en auf den gesellschaftlichen. Die Fan­szene Babels­bergs als intol­er­ant zu beze­ich­nen ist insofern Bull­shit, als dass sie nicht wie in anderen Sta­di­en üblich jeden Gäste­fan als Feind betra­chtet. Fan­szenen, die allerd­ings eine ordentliche Por­tion recht­es Gedankengut mit­brin­gen, schwingt diese Intol­er­anz zu Recht ent­ge­gen. Warum? Man kön­nte ein­fach sagen, weil sie sich an die Statuten des DFB hal­ten. Weil sie sich an das hal­ten, was von ihnen durch Kan­z­lerin, Min­is­ter­präsi­dent ja sog­ar durch ihren Vere­in gefordert wird: Zivil­courage. Engage­ment gegen Neon­azis und Ras­sis­ten. Wenn im LOK-Block Men­schen geduldet wer­den, die ein „Josue Libertad“-Shirt tra­gen und in Pots­dam ver­sucht­en, andere Men­schen auf­grund ihrer poli­tis­chen Gesin­nung umzubrin­gen, dann hat es nichts mit Fan­ri­val­ität oder dem „Poli­tik ins Sta­dion tra­gen“ zu tun. Josue ist ein spanis­ch­er Faschist, der einen Antifaschis­ten mit einem Mess­er erstach. Wer seine Frei­heit fordert, sol­i­darisiert sich mit diesem. Wenn dazu Teile der Loksch­er Fan­szene „NSU“-Rufe von sich geben, darf eigentlich nie­mand in einem Sta­dion ruhig sitzen bleiben. “Wehret den Anfän­gen” heißt, auch im Sta­dion den Arsch hochzubekom­men und eben nicht Neon­azis und ihre Auswüchse zu tolerieren. Auch haben die 03er nicht im Vor­feld durch ihre Fly­er provoziert, eben­so wenig wie die Fans von For­tu­na Köln beim Lig­as­tart der Region­al­li­ga West Fans der Ale­man­nia Aachen durch anti­ras­sis­tis­che Plakate provoziert haben kön­nen. Wer im konkreten fühlt sich denn dadurch provoziert? Doch nur der­jenige, der ange­sprochen wird – Ras­sis­ten und Neon­azis also. Ein Lok-Fan oder Aachen-Fan, der solche Plakate sieht, aber mit Neon­azis nichts zu tun hat, warum soll sich dieser provoziert fühlen? Ein Fußball­fan „der auf den Grund­festen der Frei­heitlichen Demokratis­chen Grun­dord­nung ste­ht“, um mal den Ver­fas­sungss­chutz oder die poli­tis­che Führung zu zitieren, hat wed­er ein Prob­lem mit anti­ras­sis­tis­chen Stan­dards, noch damit, dass Neon­azis die Stirn geboten wird.

Im Gegen­teil: Wer für eine unpoli­tis­che Kurve kämpft, öffnet nur die Tür für diejeni­gen, die vorher aus­geschlossen wur­den: Ras­sis­ten und Neon­azis. Vorher war die Kurve bunt und offen. Egal welche Reli­gion, Haut­farbe, Herkun­ft oder sex­uelle Ori­en­tierung du hast – in ein­er linken Kurve gibt es nur ein Auss­chluss: Recht­es Gedankengut. Selb­st davon kann man sich ja ver­ab­schieden, wenn der Kopf nicht nur als biol­o­gis­ch­er Regen­schirm genutzt wird. Konkrete Beispiele gibt es zu Hauf. Während man in Ros­tock ehrlich ist beim Umgang mit Poli­tik und linkspoli­tis­chen Kräften, aber auch Neon­azis gle­icher­maßen von der Süd vertreibt, zeigen Aachen und Braun­schweig, dass sich hin­ter dem Deck­man­tel des „keine Poli­tik in der Kurve“ nur das Inte­gri­eren von NPD-Kadern zeigt. Diese aktuelle Entwick­lung sollte kri­tisch beobachtet wer­den und Fan­szenen wie Babels­berg soll­ten aus Poli­tik und Gesellschaft die nötige Unter­stützung erhal­ten, die sie ver­di­ent haben.

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Klarkommen nach Wriezen

Ein eigentlich ambi­tion­iert­er filmis­ch­er Ver­such, die Schwierigkeit­en der Real­ität junger Men­schen nach der Haft einz­u­fan­gen, repro­duziert stereo­type Bilder über Ex-Inhaftierte, neu­tral­isiert dabei gesellschaftliche Prob­leme wie auch die grausame Tat eines Neon­azis. Rezen­sion zum Film  „Nach Wriezen“ (2012).

(Johannes Spohr) Die Sit­u­a­tion der Ent­las­sung gestal­tet sich für viele ehe­ma­lige Inhaftierte schwierig. In welche Sit­u­a­tion gerät man? Wer erwartet eine_n? Wie ist die finanzielle Sit­u­a­tion? Wo kommt man unter? Find­et man eine Arbeit, eine Aus­bil­dung­sungsstelle mit dieser Ver­gan­gen­heit? Wie mit den Knaster­fahrun­gen umge­hen? Ent­lassene sind meist Stig­ma­tisierun­gen aus­ge­set­zt – sofern sie ihren Gefäng­nisaufen­thalt nicht ver­schweigen. Der Knast begleit­et sie meist noch jahre­lang – nicht nur in Form von „Bewährungshelfer_innen“.

Der ehe­ma­lige Sozialar­beit­er und heutige Filmemach­er Daniel Abma, geboren 1978 in den Nieder­lan­den, begleit­ete drei junge Men­schen bei und nach ihrer Ent­las­sung. Fast drei Jahre lang filmte er mit Imo (22), Jano (17) und Mar­cel (25), begin­nend mit ihrer Ent­las­sung aus der JVA Wriezen, ein­er Kle­in­stadt im märkischen Oder­bruch. Jano wird als kleinkrim­ineller Dro­gen­deal­er vom Dorf vorgestellt, Imo als jemand, der seine Aggres­sio­nen und Gefüh­le nicht im Griff hat. Mar­cel war 2002 an der ras­sis­tisch motivierten Ermor­dung des 16-jähri­gen Mar­i­nus aus Pot­zlow beteiligt und wurde dafür zu acht Jahren Haft verurteilt. Die auf­fal­l­ende Gemein­samkeit der drei jun­gen Män­ner beste­ht – abseits davon, dass sie aus der Haft ent­lassen wur­den und zurecht kom­men müssen – darin, dass sie anschließend sehr schnell eine Part­ner­in find­en und alle drei Vater wer­den. Alle drei suchen sie zunächst Unterkun­ft und Arbeit und scheinen bemüht den geforderten Aufla­gen nach zu kom­men – all dies mit unter­schiedlichem Erfolg.

Vor dem Hin­ter­grund der deutschen Prov­inz wird in dem Film ein­drück­lich ver­an­schaulicht, wie beschränkt die Chan­cen für eine als „erfol­gre­ich“ ange­se­hene Ent­las­sungssi­t­u­a­tion über­haupt sind. Wer einen Aus­bil­dungsplatz oder eine Arbeitsstelle find­et, kann sich glück­lich schätzen, aber mit größeren Wün­schen sollte sich zurück­ge­hal­ten wer­den. Der Film wirkt durch die Wahl der Charak­tere unweiger­lich wie ein „Unter­schicht­sporträt“. Einige Szenen müssen einem Mit­telschicht­spub­likum slap­stickar­tig erscheinen. Wer trost­lose und graue Leben­sre­al­itäten ken­nt, wird dies vielle­icht nicht so empfind­en. Der Film beteiligt sich unter anderem damit an ein­er gängi­gen Klis­cheep­ro­duk­tion über „Knack­is“. Schon die Auswahl der Pro­tag­o­nis­ten legt dies nahe. Sie erscheinen als Rand­fig­uren und zeigen genau nicht die Nor­mal­ität und Durch­schnit­tlichkeit von Krim­i­nal­ität. Eher geben sie Auf­schluss darüber, wer polizeilich ver­fol­gt und geschnappt wird, auch wenn der Fall Mar­cel S. hier­bei eher eine Aus­nahme darstellt.

Als Zuschauer_in ist es sehr ein­fach, sich von diesen Fig­uren und deren „Krim­i­nal­ität“ zu dis­tanzieren – sie bleiben immer die Anderen. Eine gesamt­ge­sellschaftliche Einord­nung der Hand­lun­gen der Por­traitierten bleibt aus. Die Frage, warum sie als „krim­inell“ beze­ich­nete Hand­lun­gen aus­führen oder aus­ge­führt haben, sie also mit dem Gesetz in Kon­flikt ger­at­en sind, stellt sich unweiger­lich, bleibt jedoch unbeant­wortet. Offen und inter­es­sant bleibt zudem, wie es zu ihrer Auswahl kam. Zwar wird deut­lich, wom­it sie zurecht kom­men müssen, aber die Voraus­set­zun­gen für ein erfol­gre­ich­es Zurechtkom­men bleiben dif­fus. Ob es diesen Erfolg geben wird oder nicht, wird gewis­ser­maßen den indi­vidu­ellen Charak­teren und ihrem Willen zugeschrieben. Erfolg wird mit ein­er selb­st aufge­baut­en, „ordentlichen“ Infra­struk­tur, vor allem mit ein­er vorhan­de­nen Lohnar­beit gle­ichge­set­zt. Am besten ist es, wenn kein allzu großes Chaos aufkommt: kein auss­chweifend­es Feiern nach der Haft, kein Kif­f­en, kein Über-die-Stränge-schlagen.

Welche Ein­stel­lung man zur Arbeit entwick­elt, hängt – das sagt der Film nicht deut­lich – auch vom Umfeld und den Per­so­n­en, denen man nach der Haft begeg­net sowie ihrem Engage­ment ab. Deut­lich wird das bei Imo, der bei seinem Arbeit­ge­ber und Ver­mi­eter Uwe auf einem Barack­en­hof unterkommt, auf dem er auch arbeit­et. Er wird von diesem gemaßregelt und mit der Welt „har­ter Arbeit“ ver­traut gemacht. Das ändert allerd­ings nichts daran, dass er immer mal wieder emo­tion­al „ent­gleist“ und sich beispiel­sweise der Sach­bear­bei­t­erin des Jugen­damtes gegenüber nicht ger­ade tak­tvoll verhält.

Lei­der bleiben die an die Ent­lasse­nen gestell­ten Anforderun­gen und auch die, die sie an sich selb­st stellen, bis auf Aus­nah­men unsicht­bar. Als Jano erwäh­nt, aus welchen Grün­den er sein Prak­tikum abge­brochen hat, wird dieser Randbe­merkung nicht weit­er nachge­gan­gen. So rückt sein „Ver­sagen“ statt den prekären Arbeits- und Aus­bil­dungsver­hält­nis­sen in den Vordergrund.

Trotz­dem schafft es Abma teil­weise, das Ver­trauen sein­er Pro­tag­o­nis­ten zu gewin­nen. Er hat dafür eine Menge Geduld aufge­bracht und bekommt dadurch auch eine der größten Gefahren ehe­ma­liger Inhaftiert­er vor Augen geführt: die, wieder in den Knast zu kom­men. Jano lan­det dort wieder, kurz nach­dem sein Kind zur Welt gekom­men ist. Unmit­tel­bar vor sein­er Fes­t­nahme entste­ht eine Auf­nahme, bei der er sich betont läs­sig gibt und darüber spricht, wie der Knast auf ihn gewirkt hat:

Die Leute wer­den bek­loppt da im Kopf. […] Ich hab krim­ineller und ander­sweit­ig gedacht als vorher. Vorher hab ich nicht irgend­wie gedacht, na, die Polizei ist ja auch noch da, aber hab immer Respekt gehabt, Angst…Aber wenn man schon mal da drinne war, hat man keine Angst mehr.“ 

Da werd ich ganz böse dann“ – Ein ganz beson­der­er Protagonist

Im Som­mer 2002 wurde der 16-jährige Mar­i­nus Schöberl aus Ger­swalde von drei jugendlichen Nazis in ein­er ehe­ma­li­gen Schweine­mas­tan­lage im bran­den­bur­gis­chen Pot­zlow ermordet. Er wurde über einen langem Zeitraum und extrem bru­tal gefoltert. Bekan­nt wurde der Fall vor allem, weil die Täter eine Szene aus dem Film „Amer­i­can His­to­ry X“ als Vor­bild benutzten. Das Opfer sucht­en sie sich eige­nen Aus­sagen zufolge eher zufäl­lig aus, während des Folterns beschimpften sie den 16-jähri­gen als Juden. Die zahlre­ichen Details der Tat verdeut­lichen eine extreme Bru­tal­isierung in ein­er recht­en All­t­agskul­tur und den „ganz nor­malen“ ras­sis­tis­chen Wahnsinn der Bran­den­burg­er Prov­inz. Die Tat wurde in The­ater („Der Kick“, 2005) und Film („Zur falschen Zeit am falschen Ort“, 2006) schon zuvor verarbeitet.

Ein­er der drei jun­gen Män­ner war Mar­cel S.. Von der Tat wird in „Nach Wriezen“ beiläu­fig erzählt, als seine Fre­undin einen Zeitungsar­tikel über seine Ent­las­sung vor­li­est. Mar­cel bestätigt die „Kor­rek­theit“ des Artikels, Reue zeigt er nicht. Es wirkt, als messe er der Tat nach wie vor Sinn bei, auch wenn er sich ober­fläch­lich davon dis­tanziert, den Eltern „ihren Sohn weggenom­men“ zu haben. „Das Ding mit der Kante und alles“ sei „schon extrem“ gewe­sen. Sein Prob­lem habe damals darin gele­gen, dass er keine Gefüh­le zulassen kon­nte, sagt er. Heute wirkt er vor allem gefüh­l­los, wenn er über die Tat redet. Welche Gefüh­le er bei dem Mord, den er began­gen hat, gehabt hat, bleibt sein Geheim­nis. Emo­tion­al wird Mar­cel dann, wenn er über „Kinder­fick­er“ redet, von denen Berlin ja voll sei und die er, sollte sein­er Tochter etwas ange­tan wer­den, „platt“ und „fer­tig“ machen werde. Sie wür­den schließlich, so seine Aus­sage, im Gegen­satz zu Mördern „immer wieder rück­fäl­lig“. Er wirkt dabei gedrun­gen und aggres­siv. Eine Ther­a­pie macht er vor allem, weil es zu den Bewährungsaufla­gen zählt. Er selb­st sieht sich nicht als ther­a­piebedürftig, wed­er als gefährlich noch als gefährdet an. Die Gründe für seine Tat, offen­sichtlich verknüpft mit ein­er extrem recht­en Welt­sicht, wer­den bis zum Ende nicht deut­lich benan­nt. Auf seine alten Fre­unde ange­sprochen, betont Mar­cel, dass er nach wie vor Kon­takt zu ihnen pflege und sie ihre Gesin­nung nicht geän­dert hätten.

Schließlich seien sie „Leute, die sich nicht unterkriegen lassen“. Warum er sich das vorher deut­lich sicht­bare Hak­enkreuz übertä­towieren, das NSDAP auf den Zehen hinge­gen hat langsam verblassen lassen, erzählt er nicht. Auf ein großes „White Pow­er“ Sym­bol auf dem Ober­arm wird er gar nicht erst ange­sprochen. Auf die Frage nach den näheren Zie­len und Wün­schen für die kom­mende Zeit geben er und seine Fre­undin sich glück­lich und zufrieden. Einen neuen Fernse­her wolle man sich im kom­menden Jahr kaufen. Man wün­scht sich, dies sei tat­säch­lich ihr einziger Plan.

Mar­cel ist der einzige der Pro­tag­o­nis­ten, der sein Kind behal­ten kann und es nicht vom Jugen­damt weggenom­men bekommt. Auch dadurch erscheint er als der erfol­gre­ich­ste unter den dreien. Sich mit seinem Welt­bild auseinan­derzuset­zen, kommt nicht zur Sprache. Der Knast war dafür sicher­lich auch der denkbar ungün­stig­ste Ort. Da er es aber auch nicht vorhat bleibt er ein Fall für die Antifa. Der Unter­ton des Films sug­geriert jedoch die Umgangs­for­men der akzep­tieren­den Jugen­dar­beit mit recht­en Jugendlichen, so wie sie Mar­cel aus seinem Herkun­ft­sort ken­nen dürfte. Seine Tat wird gewis­ser­maßen neu­tral­isiert, weil über die Beweg­gründe nicht gesprochen wird. Man beg­nügt sich stattdessen mit dem Etikett „Mörder“.

Inter­es­sant bleibt die Frage, warum aus­gerech­net jeman­dem wie Mar­cel im Film ein Forum gegeben wurde. Seine Tat über­lagert ger­ade dadurch, dass sie nicht genauer benan­nt wird, alle anderen Geschicht­en des Films. Deut­lich wird lediglich, dass das Gefäng­nis kein Ort ist, an dem einem eine rechte Gesin­nung abhan­den kommt. Das gehört allerd­ings auch nicht zu den vie­len nicht einge­hal­te­nen, aber propagierten Leitideen des Knastes. Für eine oft­mals nicht ein­fache Diskus­sion des Sinns von Gefäng­nis und Strafe ist es sin­nvoll, sich die pro­fane Erken­nt­nis zu eigen zu machen, dass im Knast auch Men­schen wie Mar­cel sitzen. Es wäre zu hof­fen, dass der Film nicht Zweifel an der Ent­las­sung von Men­schen aus der Haft, son­dern an der Sinnhaftigkeit von Strafhaft generell weckt. Lei­der wer­den die Pro­tag­o­nis­ten durch die Art der Darstel­lung und die aus­bleibende Kon­tex­tu­al­isierung wie so oft in erster Lin­ie zu „Ex-Knack­is“ gemacht. Die Gründe der Inhaftierung bewusst unbe­nan­nt zu lassen, kann entstig­ma­tisieren. In „Nach Wriezen“ wird allerd­ings das fort­ge­führt, was auch in Strafdiskursen häu­fig getan wird: die Ursachen für Geset­zesüber­tritte wie auch für das Einsper­ren von bes­timmten Men­schen verschweigen.

Inter­es­sant erscheint in Anbe­tra­cht des Films die Idee, ein Zusam­men­tr­e­f­fen der drei Pro­tag­o­nis­ten zu arrang­ieren. Was wäre das für ein Diskurs über „Krim­i­nal­ität“?

Zu viel und zu wenig Dis­tanzierung – bei­des steckt in diesem Film. Am Ende bleiben mehr Fra­gen als Antworten, aber selb­st die richti­gen Fra­gen stellen sich nicht ein­fach von selbst. 

Nach Wriezen (Beyond Wriezen), 2012, 87 min. Regie und Drehbuch: Daniel Abma. (Face­book)

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