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Antifaschismus

Frankfurt (Oder) bleibt wolfsfrei!

Am 17.07. möchte die recht­sex­treme Brud­er­schaft „Wolf­ss­char“ in
Frank­furt (Oder) um 13 Uhr vom Bahn­hofsvor­platz in die Innen­stadt demon­stri­eren. Schon am 08.05. diesen Jahres hat­te der neu gegrün­dete Stadtver­band der NPD eine Kundge­bung organ­isiert. Nun möchte der gle­iche Per­so­n­enkreis rund um Siegfried Pauly und Mar­tin Wal­mann unter dem Label „Wolf­ss­char“ durch die Stadt marschieren.
Den Ver­such der örtlichen Neon­azi-Szene erneut durch Aufmärsche und Demon­stra­tio­nen in die Öffentlichkeit zu gelan­gen gilt es entsch­ieden abzuwehren! Wir wer­den es nicht zulassen, dass Recht­sex­treme-Möchte­gern-Wolfs­fans ungestört durch die Stadt laufen kön­nen. Es führen nur wenige Wege vom Bahn­hof aus in das Stadtzen­trum, lasst uns diese blockieren!
Wir rufen alle Antifaschist*innen auf sich an diesem Tag den Nazis in den Weg zu stellen!
#ffo1707 #wolfs­frei
Reist gemein­sam an, seid kreativ und achtet auf weit­ere Ankündigungen!

Es wird an dem Tag auch angemelde­ten zivilge­sellschaftlichen Protest des Bünd­niss­es Kein Ort für Nazis geben. Weit­ere Infor­ma­tio­nen darüber find­et ihr unter:
kein-ort-fuer-nazis.org

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Arbeit & Soziales Flucht & Migration

Leben im Lager! Nein! Es muss sich etwas ändern!

Werte Vertreter_innen von Presse, Insti­tu­tio­nen und Zivilge­sellschaft in Pots­dam und Bran­de­burg a.d.H.!

Am kom­menden Dien­stag, 13.07.2021 um 15 Uhr wer­den wir Geflüchtete aus den Lagern in der Flämingstraße und der Upstall­straße in Bran­den­burg a.d.H. zum zweit­en Mal mit ein­er Demon­stra­tion gegen unser schlecht­en Lebens­be­din­gun­gen im Lager protestieren.

Bere­its am 30.03.2021 haben wir bei ein­er Kundge­bung auf den Neustädtis­chen Markt über die Mißstände in den Lagern berichtet und uns mit 16 Forderun­gen an die Ver­ant­wortlichen gewandt (1).

Nach unser­er Kundge­bung hat uns Andreas Griebel, Vor­stand des DRK Kreisver­ban­des Bran­den­burg a.d.H. öffentlich unter­stellt, dass wir Unwahrheit­en ver­bre­it­en (2). Er behauptet, es gibt Wifi in der Flämingstraße. Aber das Wifi dür­fen nur diejeni­gen nutzen, die dort arbeit­en. Herr Griebel sagt, es gibt viele Bil­dungsange­bote, aber die meis­ten von uns dür­fen nicht ein­mal einen Deutschkurs besuchen oder eine Aus­bil­dung begin­nen. Er spricht davon, dass Besuche im Lager möglich wären. Aber wegen Coro­na dür­fen die Bewohner*innen von Lagern in Deutsch­land keine Gäste emp­fan­gen. Er spricht von “man­gel­nder Kom­mu­nika­tion“ gegenüber der Heim­leitung. Wir haben aber die Heim­leitun­gen sog­ar schriftlich zu unser­er let­zten Kundge­bung ein­ge­laden und unsere Forderun­gen übersendet.

Nie­mand hat Inter­esse gezeigt mit uns zu sprechen, keine unser­er Forderun­gen wurde erfüllt. Einige von uns leben immer noch getren­nt von ihrer Fam­i­lie im Heim und dür­fen nicht ausziehen. So sagt zum Beispiel F. aus der GU Flämingstraße: „ Mein Kind wohnt mit mein­er Fre­undin im Heim in Hen­nings­dorf. Ich kann nicht mit ihr zusam­men­ziehen, weil meine Umverteilung an den gle­ichen Wohnort nicht genehmigt wird.“ Die Küche in der Upstall­straße schließt weit­er­hin um 22 Uhr. Das ist vor allem für K. ein Prob­lem: „Ich bin Schichtar­beit­er und kann mir nach der Arbeit kein Essen kochen.” Besuch im Heim ist weit­er­hin nicht erlaubt. B. aus der GU sagt: „Meine Kinder, die bei mein­er Fre­undin in der Stadt wohnen, kön­nen mich nicht ein­mal besuchen.”

Wir wer­den weit­er unsere Sit­u­a­tion öffentlich machen. Wir wer­den so lange gegen das Leben im Lager kämpfen, bis wir die uns zuste­hen­den Grun­drechte erhal­ten: Fam­i­lien­leben und soziale Teil­habe, Bewe­gungs­frei­heit und Mobil­ität, Pri­vat­sphäre und Gesund­heit, Bil­dung und Arbeit. Durch das Leben in den Lagern sind wir sys­tem­a­tisch davon aus­geschlossen. Es muss sich etwas ändern! Wir geben nicht auf!

Gerne fol­gen wir allen Ein­ladun­gen zum Gespräch mit Ver­ant­wortlichen. Wir freuen uns über jede*n der/die sich für die Verbesserung unsere Lage ein­set­zen möchte.

(1) facebook.com/WellComeUnitedBerlinBrandenburg
(2) https://meetingpoint-brandenburg.de/neuigkeiten/artikel/74338-Nach_Fluechtlingsdemonstration_DRK_widerspricht_Vorwuerfen_zu_Zustaenden_im_Heim

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Antifaschismus

Dossier: Bruderschaft Wolfsschar

Der Brud­er­schaft Wolf­ss­char gehören knapp 20 Per­so­n­en an. Es gibt inzwis­chen auch Ableger in Berlin und Sach­sen-Anhalt. Sie insze­niert sich als parteiun­ab­hängige Neon­azi-Gemein­schaft. Mehrere Akteure der Brud­er­schaft haben aber auch eine Biogra­phie in der NPD. Dazu gehört zum Beispiel Wort­führer Siegfried Pauly. 2011 trat er der NPD in Frank­furt (Oder) bei.

Während eines zeitweisen Wohnortwech­sels nach Baden-Würt­tem­berg stieg der Beruf­skraft­fahrer mit den Hob­bies „Poli­tik“ und „Box­en“ in den dor­ti­gen Lan­desvor­stand der Partei auf. 2016 kan­di­dierte Pauly erfol­g­los für ein Man­dat im würt­tem­ber­gis­chen Land­tag. 2017 wurde er nach einem Faustschlag gegen einen Jugendlichen in Sin­gen zu mehreren Monat­en Gefäng­nis verurteilt. Danach zog Pauly zurück nach Frank­furt (Oder).

Ein weit­er­er Partei­funk­tionär in den Rei­hen der „Wolf­ss­char“ ist Jens Czer­s­ki aus Magde­burg. Er ist Beisitzer im Lan­desvor­stand der NPD Sachsen-Anhalt.

Zwis­chen Kam­er­ad­schaft und Out­law Gang

Recht­sex­treme Brud­er­schaften ori­en­tieren sich häu­fig an den hier­ar­chis­chen Organ­i­sa­tion­sprinzip­i­en von Out­law Motor­cy­cle Gangs. Nach außen hin soll die Zuge­hörigkeit zu einem elitären Zirkel angedeutet wer­den. Aus­druck der hier­ar­chis­chen Ran­gord­nung sind bes­timmte Hin­weise auf der ein­heitlich getra­ge­nen Kleidung.

Bei der Wolf­ss­char ist dies durch unter­schiedliche Klei­dungsauf­drucke zumin­d­est ansatzweise erkennbar. Jedoch erscheint ihre Hier­ar­chie nach außen hin rel­a­tiv flach. Es wird dort beispiel­sweise lediglich zwis­chen ein­fachen Gemein­schaft­szuge­höri­gen, die T‑Shirts mit den Sek­tion­sauf­druck­en „Bran­den­burg“, „Berlin“ und „Magde­burg“ tra­gen, sowie dem „Sup­port“ unterschieden.

In manchen „Brud­er­schaften“ ist die Hier­ar­chie etwas stram­mer, zum Beispiel bei der mit der Wolf­ss­char ver­bun­de­nen Brigade 8 – Sek­tion Mittel/Elbe. So wird dort zwis­chen dem „Krieger“ und dem „Anwärter“ unter­schieden. Darüber hin­aus gibt es den „Unter­stützer“, welch­er dem „Sup­port“ bei der Wolf­ss­char ähnelt.

Viele recht­sex­treme Brud­er­schaften sind langfristig konzip­iert und existieren teil­weise über Jahrzehnte. Die Aryan Broth­er­hood (Arische Brud­er­schaft) in den USA ist beispiel­sweise bere­its seit den 1960er Jahren aktiv. Die im Stil ein­er Out­law Motor­cy­cle Gang organ­isierte Ari­oger­man­is­che Kampfge­mein­schaft der Van­dalen aus Berlin (Ost) existiert seit 1982.

Zum Bre­it­en­phänomen inner­halb des recht­sex­tremen Milieus der Bun­desre­pub­lik wur­den „Brud­er­schaften“ aber erst in den 2010er Jahren. Diese Entwick­lung ste­ht im Zusam­men­hang mit dem Nieder­gang der freien Kam­er­ad­schaften. In eini­gen Fällen erset­zt das noch rel­a­tiv unver­brauchte Label „Brud­er­schaft“ aber auch bloß den unat­trak­tiv gewor­de­nen Kameradschaftsbegriff.

Auch bei der Wolf­ss­char sind deut­liche Ähn­lichkeit­en zum klas­sis­chen Kam­er­ad­schaftsm­i­lieu erkennbar. Über­schnei­dun­gen gibt es vor allem in ihren Aktionsfeldern.

Anspruch: Ord­nungs­macht mit Kümmereroption

Haup­tak­tions­feld der Wolf­ss­char ist, wie bei den freien Kam­er­ad­schaften, die Ver­anstal­tung von Aufmärschen. Erst­mals gab sich die Brud­er­schaft während eines Neon­azi-Auf­marsches am 12. Juni 2021 in Dessau-Roßlau zu erken­nen – ins­beson­dere durch das ein­heitliche Tra­gen ihrer Gemeinschaftsshirts.

Der erste eigene Auf­marsch der Wolf­ss­char ist für den 17. Juli 2021 geplant. Ver­samm­lung­sort soll Frank­furt (Oder) sein – das Hauptwirkungszen­trum der Brud­er­schaft. Dort möchte sie ver­meintlichen „Linkster­ror­is­mus“ und „Kindesmiss­brauch“ bekämpfen. Hierin zeigt sich der Anspruch der Wolf­ss­char als Ord­nungs­macht. Dabei wer­den bewusst polar­isierende The­men gewählt, welche eine gewisse gesellschaftliche Anschlussfähigkeit bieten und im weit­eren Ver­lauf ein Ein­fall­stor für radikale Forderun­gen bilden könnten.

Im Sinne ihres angestrebten Wirkens in die Gesellschaft hinein ver­sucht die Wolf­ss­char, auch milieuüber­greifend an andere demokratiefeindliche anti­demokratis­che Protest­be­we­gun­gen anzu­dock­en. Am 3. Juli 2021 beteiligte sich die Brud­er­schaft zum Beispiel in Berlin an ein­er Ver­samm­lung ver­schieden­er Split­ter­grup­pen aus dem PEGIDA‑, Reichsbürger‑, Hooli­gan- und Quer­denken-Milieu. Die Ver­sam­melten forderten gemein­sam den Rück­tritt der Bun­desregierung. Die Wolf­ss­char zeigte während der Ver­anstal­tung schwarz-weiß-rote Reichsfahnen.

In einem Inter­view mit ein­er YouTu­berin sagte Siegfried Pauly anschließend, dass „jed­er Wider­stand für Deutsch­land“ eine Aktion sei, welch­er die Brud­er­schaft fol­gen sollte. Ziel sei es, so Pauly im Ton eines Küm­mer­ers weit­er, füreinan­der und „für den Bürg­er“ da zu sein. Seine Art der Wort­wahl und seine medi­en­wirk­same Selb­stin­sze­nierung erin­nern an Auftritte der NPD, für die Pauly par­al­lel zu sein­er Funk­tion als Wort­führer der Wolf­ss­char auch weit­er­hin aktiv ist. Im Mai 2021 verteilte er Info­post der Partei. Am 19. Juni 2021 betreute Pauly zusam­men mit ein­er weit­eren Per­son aus dem Wolf­ss­char-Sup­port einen Info­s­tand der NPD Frank­furt Oder. Die NPD bemüht sich zurzeit um Unter­stützung­sun­ter­schriften für den Antritt zur Bun­destagswahl im Sep­tem­ber 2021.

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Bildung & Kultur Law & Order

Brandenburg schiebt trotzdem weiter ab

Am 6. Juli 2021 wur­den 27 Män­ner von Han­nover aus nach Kab­ul aus­ge­flo­gen, darunter ein­er aus dem Land Bran­den­burg. Diese 40. Sam­me­lab­schiebung nach Kab­ul seit 2016 fand am sel­ben Tag statt, an dem der Presse zu ent­nehmen war, dass über tausend Afghanis­che Sol­dat­en nach hefti­gen Kämpfen mit den mil­i­tan­ten Tal­iban ins benach­barte Tad­schik­istan fliehen mussten, um ihr Leben zu ret­ten. Nach UN-Dat­en mussten zwis­chen Anfang Mai und Ende Juni fast 84.000 Men­schen inner­halb Afghanistans vor den Kämpfen aus ihren Dör­fern und Städten fliehen. Seit dem Abzug der inter­na­tionalen Trup­pen aus Afghanistan über­schla­gen sich die Mel­dun­gen über neue kriegerische Auseinan­der­set­zun­gen und die Eroberung weit­er­er Gebi­ete durch die Tal­iban-Miliz. Trotz dieser des­o­lat­en und sich laufend zus­pitzen­den Sicher­heit­slage hält die Bun­desregierung an ihrem harten Kurs fest und schiebt – seit Dezem­ber 2020 fast monatlich – Men­schen aus Afghanistan in ihr Herkun­ft­s­land ab.

Unter den Per­so­n­en, die Anfang Juli abgeschoben wurde, ist auch ein 36-Jähriger aus Bran­den­burg, wie dem Flüchtlingsrat Bran­den­burg auf Anfrage bestätigt wurde. „Wir sind schock­iert, dass die bran­den­bur­gis­che Lan­desregierung nicht ein­mal angesichts der aktuellen drama­tis­chen Entwick­lun­gen in Afghanistan bere­it ist, eine human­itäre Hal­tung einzunehmen und min­destens für den Moment einen Abschiebestopp zu ver­hän­gen. Wie viel Gewalt, Elend und Not braucht es denn noch, bis sich ein Lan­desin­nen­min­is­teri­um dazu bequemt, seine Abschiebeprax­is zu über­denken und Men­schen­rechte vor innen­poli­tis­che Kalküle zu stellen?“ kri­tisiert Vin­cent da Sil­va vom Flüchtlingsrat Brandenburg.

Von offizieller Seite wird zwar stets darauf ver­wiesen, dass ‚nur‘ soge­nan­nte Straftäter und Gefährder sowie Mitwirkungs- und Inte­gra­tionsver­weiger­er abgeschoben wer­den. Wer jedoch im Einzelfall darunter gezählt wird, ist – abge­se­hen davon, dass sich der bran­den­bur­gis­che Flüchtlingsrat generell klar gegen Abschiebun­gen ausspricht – sein­er Mei­n­ung nach in eini­gen konkreten Fällen mehr als frag­würdig. Im Feb­ru­ar 2021 wurde ein San­itäter, der gern hier gear­beit­et hätte, als ange­blich­er Inte­gra­tionsver­weiger­er aus Bran­den­burg nach Kab­ul abgeschoben. Und laut Bay­erischem Flüchtlingsrat saß am 6. Juli ein junger Mann an Bord des Abschiebe­fliegers, der ein Aus­bil­dungsplatzange­bot in der Altenpflege hat. Der ange­hende Pfleger wurde als „Straftäter“ abgeschoben. Sein Verge­hen – wofür er auch bere­its längst eine Geld­strafe bezahlt hat: Fahren ohne Fahrerlaubnis.

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Gender & Sexualität

Regenbogen-Fahrrad-Demo ­

Spätestens mit dem Auf­schrei um die Entschei­dung der UEFA die Münch­n­er Allian­zare­na nicht in Regen­bo­gen­far­ben anstrahlen zu lassen, ist bewusst gewor­den, dass lauter, bunter und queer­er Protest nötig ist. Diesen möcht­en wir als neuer Regen­bo­gen Pots­dam Vere­in auch in der Lan­deshaupt­stadt Pots­dam stat­tfind­en lassen.

Wir ver­anstal­ten deswe­gen am kom­menden Sam­stag, den 10. Juli 2021 die Regen­bo­gen-Fahrrad-Demo. Start­punkt ist um 16 Uhr der Luisen­platz im Herzen Pots­dams für den mit­tler­weile zweit­en rol­len­den Pride. Hierzu laden wir Sie und Dich ganz her­zlich ein!

Gründe gibt es genug:
Seien es die LGBTIQ+ feindlichen Geset­ze in Ungarn und Polen, die Diskri­m­inierung von trans* Men­schen bei Anpas­sung ihres Geschlechts in Deutsch­land oder die Notwendigkeit ein­er verbesserten ideellen + finanziellen Ausstat­tung von LGBTIQ+ Organ­i­sa­tio­nen in Bran­den­burg und Potsdam.
Ein­ste­hen für Men­schen­rechte ist kein poli­tis­ches State­ment, son­dern sollte selb­stver­ständlich sein. Wir wür­den uns sehr freuen Sie und Dich bei unser­er rol­len­den Demon­stra­tion begrüßen zu kön­nen. Falls noch mögliche Fra­gen beste­hen, freuen wir uns über eine Mail oder Nachricht in den sozialen Medien.

Wir hof­fen auf Teil­nahme und wün­schen alles Gutes sowie einen guten Start in die Woche!

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Antifaschismus

Am 17. Juli Nazis entgegen treten!


Das zivilge­sellschaftliche Bünd­nis Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder) ruft für Sam­stag, den 17. Juli 2021, um 12 Uhr zu einem bun­ten und vielfälti­gen Protest mit Reden, kul­turellen Beiträ­gen und Infos­tän­den gegen die geplante Demon­stra­tion der extrem recht­en Kam­er­ad­schaft Wolf­ss­char auf.

Nach dem neu gegrün­de­ten NPD-Stadtver­band ver­sucht nun auch eine offen faschis­tis­che Kam­er­ad­schaft in Frank­furt (Oder) Fuß zu fassen und ruft zu ein­er Kundge­bung auf. Bünd­nis­sprech­er Jan Augusty­ni­ak sagt dazu: “Wir kön­nen und wollen es nicht zulassen, dass sich erneut offen neon­azis­tis­che Struk­turen in Frank­furt etablieren. Ein­mal Base­ballschläger­jahre sind genug. Wir rufen deshalb alle Frankfurter*innen und Unterstützer*innen dazu auf, an diesem Tag ein Zeichen gegen neon­azis­tis­ches Gedankengut zu setzen!”

Organ­isiert wird die recht­sex­treme Kundge­bung von dem Frank­furter Neon­azi Siegfried Pauly. Dieser war zulet­zt in Kam­er­ad­schaften und NPD-Struk­turen in Süd­west­deutsch­land aktiv und wurde dort 2017 wegen Kör­per­ver­let­zung an einem Jugendlichen zu ein­er Haft­strafe verurteilt. 

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Flucht & Migration

Minderjährige Opfer von Menschenhandel haben keine Lobby

Die Antwort der bran­den­bur­gis­chen Lan­desregierung auf eine Kleine Anfrage der Frak­tion DIE LINKE ist alarmierend. Die Abge­ord­neten Andrea Johlige und Isabelle Van­dre erfragten, wie Kinder und Jugendliche in Bran­den­burg vor Men­schen­han­del und Aus­beu­tung geschützt werden.

Laut des zuständi­gen Min­is­teri­ums für Bil­dung, Jugend und Sport wer­den keine Dat­en zu möglichen min­der­jähri­gen Opfern von Men­schen­han­del erfasst. Im Fall von unbe­gleit­eten min­der­jähri­gen Geflüchteten, die beson­ders vul­ner­a­bel sind, existieren bei den Jugendämtern kein­er­lei Sta­tis­tiken, die über einen Ver­dachts­fall Auskun­ft geben kön­nten. Ver­schwinden diese Kinder und Jugendlichen aus ein­er Inob­hut­nahme, so endet die Zuständigkeit der Jugendämter gemäß SGB VIII nach 48 Stun­den; wo der oder die Min­der­jährige sich befind­et, wird dann nicht weiterverfolgt.

Paul Stieber, Lan­desko­or­di­na­tor für den Bun­des­fachver­band unbe­gleit­ete min­der­jährige Flüchtlinge (BumF) für Bran­den­burg, kri­tisiert die fehlende Ver­net­zung der beteiligten Insti­tu­tio­nen und das Desin­ter­esse an ein­er Daten­er­he­bung: „>Nicht erfasst< bedeutet nicht, dass das Phänomen nicht existiert. Mit­ten in Deutsch­land wer­den Kinder und Jugendliche Opfer von Men­schen­han­del und nie­mand schaut hin. Schlim­mer noch: Die zuständi­gen Behör­den haben nicht ein­mal das nötige Wis­sen und Instru­men­tar­i­um, um einzu­greifen. Die Lan­desregierung muss endlich ihrer Ver­ant­wor­tung nachkom­men gegenüber diesen beson­ders ver­let­zlichen und schutzbedürfti­gen Kindern und Jugendlichen. Mitarbeiter*innen in den Jugendämtern, bei Polizei, Gericht­en, Staat­san­waltschaften und in den Ein­rich­tun­gen der Jugend­hil­fe müssen kom­pe­tent geschult und sen­si­bil­isiert wer­den. Außer­dem brauchen wir Runde Tis­che auf Lan­desebene und in den Kommunen.“

Nach erschüt­tern­den Miss­brauchs­fällen in Lügde und Ber­gisch-Glad­bach in NRW wurde die Rolle der Jugendämter auch in Bran­den­burg inten­siv disku­tiert. Der Lan­desregierung liegen jedoch keine Erken­nt­nisse vor, ob daraus konkrete Hand­lungsempfehlun­gen für die hiesi­gen Behör­den erar­beit­et wurden.

Es ist belegt, dass die Pan­demie zu ein­er Zunahme von Gewalt gegen Kinder geführt hat. Bar­bara Eritt vom katholis­chen Ver­band IN VIA, Bera­terin für Frauen, die von Men­schen­han­del betrof­fen sind, ist alarmiert und sieht viele Anze­ichen, dass Miss­brauchs­fälle ver­mehrt verdeckt ablaufen: „Das tat­säch­liche Aus­maß der schw­er­sten Form der Ver­let­zung von Kinder­recht­en ist schw­er einzuschätzen. Die Iden­ti­fizierung von betrof­fe­nen Kindern inner­halb der beste­hen­den Struk­turen ist kaum möglich. In Bran­den­burg ist das Phänomen des Han­dels mit Kindern im öffentlichen Diskurs nicht angekom­men. Auch im poli­tis­chen Spek­trum gibt es hierzu keine Res­o­nanz! Dabei muss der Auf­bau von adäquat­en und bedarf­s­gerecht­en Beratungs- und Unter­stützungsange­boten pri­or­isiert wer­den. Hierzu braucht es unbe­d­ingt die Koop­er­a­tion aller zuständi­gen Akteure und den Auf­bau von nach­halti­gen und insti­tu­tion­al­isierten Strukturen.“

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Erich Mühsam Gedenktag in Oranienburg

Dieses Jahr jährt sich der Todestag von Erich Müh­sam zum 87ten Mal. Er wurde 1934 im KZ Oranien­burg von Faschis­ten grausam gefoltert und ermordet.

Wir möcht­en sein­er gedenken und sicht­bar machen, dass es dieses KZ (was viele nicht ken­nen) mit­ten in unser­er Stadt gegeben hat. Kein Men­sch kann mehr sagen, er hätte davon nichts gewusst.

Gegen das Vergessen!
Nie wieder Faschismus!

Eine Koop­er­a­tion des Forums gegen Ras­sis­mus und rechte Gewalt Oranien­burg mit der Linksju­gend, den Jusos und dem JBR.

Die Ver­anstal­tung wird gefördert im Rah­men des Jugend­fonds der Part­ner­schaft für Demokratie im Land­kreis Oberhavel.

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(Anti-)Rassismus

Chronik SOS Rassismus Barnim 2020 veröffentlicht!

Wir veröf­fentlichen hier die Chronik ras­sis­tis­ch­er Vor­fälle im Land­kreis Barn­im für das Jahr 2020:

Chronik SOS Ras­sis­mus Barn­im 2020 als pdf

Ras­sis­mus will keinen Dia­log, keine Vielfalt, kein friedlich­es Miteinan­der. Er will Hass auf andere und Dom­i­nanz über andere.
Solange es Ras­sis­mus gibt in unser­er Gesellschaft, in unserem Umfeld, in unser­er Nach­barschaft, vor allem aber in unseren eige­nen Ein­stel­lun­gen, Vorurteilen, Denkmustern, kön­nen wir uns nicht teil­nahm­s­los ver­hal­ten. Son­dern wir entschei­den uns – jeden Tag, bewusst oder unbe­wusst, in unserem Han­deln wie in unserem Nichthandeln –, wo wir ste­hen, auf welch­er Seite wir stehen.
„Your silence will not pro­tect you“, schrieb die amerikanis­che Aktivistin und Autorin Audre Lorde. Dein Schweigen wird dich nicht schützen. Nein, es reicht nicht aus, „kein Ras­sist“ zu sein. Wir müssen Anti­ras­sis­ten sein!

Die Gruppe SOS Ras­sis­mus Barn­im doku­men­tiert ras­sis­tis­che Vor­fälle im Barn­im und will damit zu ein­er gesellschaftlichen Sicht­barkeit von Ras­sis­mus beitra­gen. Welch­er Vor­fall als ras­sis­tis­ch­er Über­griff gilt, wird definiert durch die jew­eilige Per­son, die davon betrof­fen ist. Wir sehen eine Unmöglichkeit darin, einen von uns oder Anderen definierten Rah­men von ras­sis­tis­chen Über­grif­f­en zu set­zen. Dies würde zur Unsicht­bar­ma­chung von Diskri­m­inierun­gen führen und damit dem Ras­sis­mus Vorschub leisten.
Wir wis­sen, dass durch diese Doku­men­ta­tion nur ein Bruchteil der alltäglichen, ras­sis­tis­chen Über­griffe und Benachteili­gun­gen aufgezeigt wer­den kann. Diese Chronik ist unvoll­ständig, da wir nur die Fälle doku­men­tieren kön­nen, die uns bekan­nt wur­den. Die Dunkelz­if­fer liegt weitaus höher. Ras­sis­mus ist ein Bestandteil recht­sex­tremer Ide­olo­gie, kommt aber auch ohne diese aus. Nicht jede*r Rassist*in ist recht­sex­trem, aber jede*r Recht­sex­treme ist ras­sis­tisch. Auf­grund dieser Ver­flech­tung haben wir uns dafür entsch­ieden, auch rechte bzw. recht­sex­treme Vor­fälle in die Chronik aufzunehmen.
Insti­tu­tioneller / struk­turell bed­ingter Ras­sis­mus wird meist reflexar­tig rel­a­tiviert oder gän­zlich geleugnet. Wenn Men­schen in Insti­tu­tio­nen, die der All­ge­mein­heit dienen und die Würde aller Men­schen schützen soll­ten, indi­rekt oder direkt diskri­m­inieren und notwendi­ge Verän­derun­gen bestreiten/behindern, leis­ten sie keinen Beitrag zur Über­win­dung von Ras­sis­mus. Dann sind sie nicht Teil der Lösung, son­dern Teil des Prob­lems und brauchen demokratis­che Veränderungen.
Weit­ere Infor­ma­tio­nen und Chroniken vorheriger Jahre, z.B. die Chronik von 2019 find­en sich hier.

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Zwischen Gedenken und Gefahr

Gün­ter Morsch ist 68 Jahre alt, aber er sieht jünger aus. Er hat eine kräftige Statur, Voll­bart und trägt eine Horn­brille. Der His­torik­er hat die Gedenkstätte und Muse­um Sach­sen­hausen geleit­et. Nun ist er in Rente und kön­nte seinen Ruh­e­s­tand genießen, doch da ist noch etwas.

Gün­ter Morsch stand auf ein­er der Lis­ten des NSU, auf denen die Ter­ror­is­ten um Beate Zschäpe aufgeschrieben hat­ten, wer in ihr Ziel­raster passte, wen sie töten woll­ten oder zumin­d­est ins Auge gefasst hat­ten: Türken, sozial engagierte Men­schen – und eben Gün­ter Morsch.

Bis zur E‑Mail aus dem Reporterteam von CORRECTIV hat nie­mand mit ihm darüber gere­det, dass er ein möglich­es Opfer der Recht­ster­ror­is­ten war. Gün­ter Morsch wusste nichts. Nie­mand hat ihm Bescheid gesagt, mit ihm gere­det. Und das beschäftigt ihn.     

Angesichts der guten Zusam­me­nar­beit mit der Polizei in mein­er Zeit als Gedenkstät­ten­leit­er und Stiftungs­di­rek­tor war ich wirk­lich ent­täuscht“, sagt Morsch. Das tut weh. Die guten Kon­tak­te zu den Behör­den waren ein wichtiger Bestandteil sein­er Arbeit, sagt His­torik­er Morsch. Immer wieder war Recht­sex­trem­is­mus sein The­ma. Von 1993 bis 2018 leit­ete er die „Gedenkstätte und Muse­um Sach­sen­hausen“ in Bran­den­burg. Jährlich kom­men rund 700.000 Men­schen hier­her. Ab 1997 war Morsch als Direk­tor der Stiftung Bran­den­bur­gis­che Gedenkstät­ten (SBG) zusät­zlich für vier weit­ere Orte verantwortlich.

Ursprünglich kommt Morsch aus dem Saar­land, das hört man heute noch. Er kam sieben Jahre nach Kriegsende auf die Welt. „Wir sind in der Auseinan­der­set­zung mit der nation­al­sozial­is­tis­chen Ver­gan­gen­heit groß gewor­den, das prägte meine Jugend stark“, sagt Morsch. In sein­er Gemeinde lebten damals rund 2.000 Leute, zu ver­steck­en gab es da nicht viel: „Anders als in ein­er Großs­tadt sind in einem über­schaubaren Dorf, in dem jed­er jeden ken­nt, die Anhänger und Träger der NS-Bewe­gung und des NS-Staates auch viele Jahre später noch namentlich bekan­nt.“ Es war selb­stver­ständlich, dass der Bürg­er­meis­ter früher bei der NSDAP war und die lokalen Eliten bei SA, SS und anderen Organ­i­sa­tio­nen, sagt Morsch. Die meis­ten hät­ten sich damit arrang­iert, eine Auseinan­der­set­zung damit sei immer eine Sache von Min­der­heit­en gewe­sen. „Von daher war man immer das, was man bis heute Nest­beschmutzer nen­nt.“ Der Stre­it um die NS-Ver­gan­gen­heit sei deshalb lei­der nicht immer nur mündlich, son­dern „vere­inzelt auch physisch“ aus­ge­tra­gen worden.

Später studierte er in Berlin, arbeit­ete an his­torischen Ausstel­lun­gen mit und war Ref­er­ent für Erwach­se­nen­bil­dung. Dann ver­brachte er fünf Jahre am Indus­triemu­se­um im nor­drhein-west­fälis­chen Ober­hausen. Als His­torik­er und Ausstel­lungs­mach­er, der sich viel mit dem Nation­al­sozial­is­mus beschäftigt hat­te, kam er schließlich zum früheren „Konzen­tra­tionslager bei der Reichshaupt­stadt“, wie Sach­sen­hausen zur NS-Zeit genan­nt wurde.

Morsch betont immer wieder, wie her­vor­ra­gend in seinen Augen seine Koop­er­a­tion als Gedenkstät­ten­leit­er nicht nur mit Poli­tik und Lan­deskrim­i­nalamt (LKA), son­dern auch mit dem Ver­fas­sungss­chutz lief. Und das, obwohl ger­ade das Lan­desamt in Bran­den­burg im Zusam­men­hang mit dem NSU beson­ders in der Kri­tik ste­ht, da es die Fes­t­nahme von Beate Zschäpe, Uwe Mund­los und Uwe Böhn­hardt behin­dert haben soll. Als die Thüringer Polizei die drei 1998 per Haft­be­fehl suchte, ver­weigerten ihr die bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chützer Infor­ma­tio­nen zu einem V‑Mann aus dem NSU-Umfeld, der die Ermit­tler zum Aufen­thalt­sort des Trios hätte führen können.

Als Morsch von dem Ein­trag mit seinem Namen erfuhr, schrieb er einen Brief an den Innen­min­is­ter von Bran­den­burg, Michael Stüb­gen (CDU). Ein per­sön­lich­er Ref­er­ent antwortete inner­halb weniger Tage, kurz darauf auch jemand von der Polizei: Wir küm­mern uns, hieß es. Einige Wochen später wollen zwei Beamte vom Bun­deskrim­i­nalamt (BKA) aus Meck­en­heim in Nor­drhein-West­falen anreisen, um mit ihm in der Polizei­hochschule in Oranien­burg zu sprechen. Es sind einige Wochen des Wartens, des Nachdenkens.

Schon ein­mal war Morsch auf ein­er Fein­desliste, Anfang der Nuller­jahre bei „Alter­me­dia“: ein inter­na­tionales Neon­azi-Por­tal, das 2016 ver­boten wurde. „Wenn der Name ‚Morsch‘ fällt, geht das Mess­er in der Tasche auf“, hieß es dort über ihn. Auch über diesen Ein­trag wurde Morsch nie informiert, er ent­deck­te ihn selb­st. Weil er wusste, dass er für Recht­sex­treme eine exponierte Fig­ur war, suchte er früher sys­tem­a­tisch nach seinem Namen im Inter­net. Angst hat­te er nie, sagt er, auch beson­dere Sicher­heitsvorkehrun­gen traf er nicht: Kein Name auf dem Klin­gelschild, keine Num­mer im Tele­fon­buch – das war‘s.

Gün­ter Morsch hat viel erlebt in seinen mehr als 25 Jahren als Leit­er der Gedenkstätte im 1936 errichteten Sach­sen­hausen. SS-Chef Hein­rich Himm­ler nan­nte es ein „vol­lkom­men neues, jed­erzeit erweiterungs­fähiges, mod­ernes und neuzeitlich­es Konzen­tra­tionslager“. Mehr als 20.000 Men­schen kamen dort bis Kriegsende ums Leben. Von 1945 bis 1950 diente es dann als sow­jetis­ches Spezial­lager. Dort waren rund 60.000 Men­schen inhaftiert, vor allem „untere und mit­tlere NS-Funk­tionäre“. Cir­ca 12.000 von ihnen star­ben in den fünf Jahren, vor allem an Hunger und Krankheit­en, Anfang der 90er wur­den Mas­sen­gräber ent­deckt. An den Gräbern der Häftlinge kam es später zu Ver­anstal­tun­gen mit Hak­enkreuzen und Hit­ler­grüßen. Neon­azis ver­sucht­en, Lager und Opfer für nation­al­sozial­is­tis­che Pro­pa­gan­da zu instru­men­tal­isieren. Seit­ens der Opfer­ver­bände gab es kaum Wider­stand, erzählt Morsch. Im Gegen­teil, sie hät­ten die Toten­zahlen über­trieben, wis­senschaftliche Erken­nt­nisse über die Geschichte des Spezial­lagers bestrit­ten und manche Per­so­n­en aus dem Vor­stand von Ver­bän­den hät­ten sog­ar die Exis­tenz von Gaskam­mern in Zweifel gezo­gen. Er ver­mutet, dass es diese per­ma­nente Auseinan­der­set­zung um die Geschichte war, die ihn zur Zielscheibe von Recht­sex­tremen machte.

Wir haben vor allem in den 90er Jahren in der Stadt und in den Gedenkstät­ten Bran­den­burgs fast die gesamte Palette an recht­sex­tremen, ras­sis­tis­chen und anti­semi­tis­chen Aktiv­itäten erfahren müssen“, sagt er. Im Herb­st 1992 zün­de­ten zwei Neon­azis eine Baracke an, in der früher Juden inhaftiert waren. Prak­tisch genau zehn Jahre nach der Tat fand ein weit­er­er Bran­dan­schlag statt, dies­mal auf die KZ–Gedenkstätte im Below­er Wald, für die Morsch eben­falls ver­ant­wortlich war. Auf eine Erin­nerungsstele sprüht­en die Täter SS-Runen und ein Hak­enkreuz, daneben schrieben sie: „Juden haben kurze Beine.“ Auch andere Gedenk­tafeln in Bran­den­burg wur­den immer wieder beschädigt. Ins­ge­samt seien die Angriffe seit Ende der 90er Jahre aber deut­lich zurück­ge­gan­gen, sagt Morsch. Zwei Aspek­te seien damals entschei­dend gewe­sen und auch heute noch wichtig beim Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus: die Her­aus­bil­dung ein­er „Bürg­erge­sellschaft“, die sich deut­lich posi­tion­iert – und eine entsch­iedene Poli­tik des Staates.

Als Morsch in Oranien­burg anf­ing, war die Stadt ein Neon­azi-Hotspot. So ste­ht es im Bericht des Ver­fas­sungss­chutzes. Bürg­er­meis­ter hät­ten das Prob­lem anfangs nicht wahrhaben wollen. Das änderte sich irgend­wann: „Entschei­dend war, dass die Men­schen anerkan­nten, dass die Neon­azis zum Teil ihre eige­nen Kinder sind und dass es sich um ein struk­turelles Prob­lem han­delt, das man nicht ein­fach irgend­wohin abschieben kann.“ Auch Polizei und Jus­tiz seien entsch­ieden gegen Recht­sex­trem­is­mus vorge­gan­gen. Zum Ende sein­er Amt­szeit hin habe es dann keine nen­nenswerten Skan­dale mehr gegeben – mit Aus­nahme ein­er Besucher­gruppe, die 2018 auf Ein­ladung von AfD-Bun­destags­frak­tion­schefin Alice Wei­del in der Region war. Sie wur­den wegen Störun­gen der Gedenkstätte ver­wiesen, ein Mann zweifelte die Exis­tenz von Gaskam­mern an und wurde später zu ein­er Geld­strafe von 4.000 Euro wegen Volksver­het­zung und Störung der Toten­ruhe verurteilt.

Heute sei für ihn das Beun­ruhi­gend­ste, wenn der Staat von Recht­sex­tremen durch­set­zt werde. „Jed­er Vor­fall, der belegt, dass der Staat und die Gesellschaft auf dem recht­en Auge schwäch­er sehen oder blind sind, ist eine ern­sthafte Bedro­hung für die Demokratie“, sagt Morsch hin­sichtlich der aktuellen Entwick­lun­gen in der Bun­deswehr, der Polizei und der Jus­tiz. Recht­sex­trem­is­mus und Recht­ster­ror­is­mus wür­den unter­schätzt. „Es erbost mich immer wieder, wenn ich zu sehen glaube, dass es offen­sichtlich erst durch den Mord an einem bedeu­ten­den Poli­tik­er ein wirk­lich­es Umdenken in maßge­blichen Teilen unseres Staates und der Gesellschaft gegeben hat“, sagt Morsch. Er macht sich Sor­gen, ist aber auch Opti­mist: „Ich ver­traue den Regeln der Demokratie und des Rechtsstaates und darauf, dass die In-
stru­mente, die wir zur Ver­fü­gung haben, wenn wir sie denn auch nutzen und auss­chöpfen, zu einem pos­i­tiv­en Ergeb­nis let­ztlich führen.“

Morsch befür­wortet eine Weit­er­bil­dungspflicht für Bedi­en­stete in öffentlichen Stellen, etwa Polizei, Jus­tiz, Bun­deswehr. Wer in den höheren Dienst der Polizei in Bran­den­burg will, beschäftigt sich in der Regel mit der Geschichte der Polizei im NS-Staat –  in Koop­er­a­tion mit der Gedenkstätte. Das Pro­jekt sei damals ein Pio­nier­pro­jekt gewe­sen, heute werde Ähn­lich­es in mehreren Bun­deslän­dern gemacht. „Solange unsere Gesellschaft mit Min­der­heit­en so umge­ht, wie sie es tut, so lange bleibt auch die Geschichte des Nation­al­sozial­is­mus aktuell“, sagt Morsch. Als Lehrbeauf­tragter zu NS-The­men an der Freien Uni­ver­sität in Berlin leis­tet er auch in der Rente noch immer seinen Beitrag dazu.

Wie angekündigt tre­f­fen sich im Herb­st zwei BKA-Beamte mit Morsch, um über seinen Namen auf der Fein­desliste zu sprechen. Zwei LKA-Beamte sind bei dem Gespräch in der Polizei­hochschule Oranien­burg eben­falls dabei.

Ich habe das Tre­f­fen als sehr nüt­zlich und auf­schlussre­ich emp­fun­den und bin nun doch einiger­maßen beruhigt“, sagt Morsch. Die Beamten hät­ten für ihn überzeu­gend dargelegt, dass die aus ver­schiede­nen Doku­menten beste­hende Samm­lung von Namen noch keine „Todesliste“ darstelle, wie das häu­fig berichtet wor­den sei. Die Beamten hiel­ten eine Weit­er­ver­wen­dung der vom NSU angelegten Daten­samm­lun­gen in der recht­sex­tremen Szene für höchst unwahrschein­lich. Morsch zufolge sagten die Behör­den­vertreter zudem, das Kreuz hin­ter seinem Namen habe keine Her­vorhe­bung bedeutet, „son­dern eher im Gegen­teil“. Schließlich habe der NSU sich entsch­ieden, in erster Lin­ie Migranten zu töten, daher sei die hand­schriftliche Notierung seines Namens, mut­maßlich durch Uwe Böhn­hardt, ohne Kon­se­quen­zen geblieben, ein Anschlag nicht ern­sthaft erwogen worden.

Über die Ver­gan­gen­heit Bescheid zu wis­sen, sei heute noch hil­fre­ich, sagt Morsch. Aber man dürfe sie auch nicht als Topfdeck­el nehmen, in den man die Gegen­wart hinein­presse. Morsch for­muliert es so: „Wer die Geschichte nur als ein Instru­ment von aktueller Poli­tik begreift und nicht nach his­torischen Ursachen und Zusam­men­hän­gen fragt, der kommt erst gar nicht darauf, bes­timmte Fra­gen an die Gegen­wart zu stellen.“

Inforiot